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Six Sigma

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Six Sigma (6σ) ist eine Methode des Qualitätsmanagement, um einen möglichst fehlerfreien Geschäftsprozess zu erreichen. Hierbei werden die Anforderungen grundsätzlich aus Kundensicht formuliert.

Geschichte

Vorläufer von Six Sigma wurden in den 1970ern im japanischen Schiffbau, später in der japanischen Elektronik- und Konsumgüterindustrie eingeführt. Entwickelt wurde Six Sigma Mitte der 80er Jahre in den USA bei Motorola, wobei es mittlerweile weltweit von zahlreichen Unternehmen implementiert wird. Die größte Popularität erlangte die Six-Sigma-Philosophie durch die Erfolge bei General Electric (GE). Diese Erfolge sind stark mit dem Namen Jack Welch verbunden, der damals Six Sigma bei GE implementierte. Nachdem diese Methode anfangs nur in der Produktion eine Anwendung fand, hat sie in den letzten Jahren immer stärkeren Einzug in den Service- und Dienstleistungsbereich gefunden. Zudem wird derzeit versucht, Six Sigma auf weitere Bereiche wie z.B. die Distribution oder das Bankwesen anzupassen.

Qualifizierung

Um Six-Sigma-Projekte in einem Unternehmen durchzuführen, werden standardisierte Schulungen angeboten, die die Teilnehmer entsprechend ihrer Anforderungen qualifizieren.

Die Bezeichnungen orientieren sich dabei an japanischen Kampfsportarten:

  • Der Master Black Belt begleitet Projekte als Coach und führt Trainings durch.
  • Der Black Belt leitet größere Six-Sigma Projekte mit hohem statistischen Anspruch. Die Einsparungen dieser Projekte liegt bei 100 TEUR oder mehr. Ein Black Belt steht zu 100% Six Sigma Projekten zur Verfügung.
  • Der Green Belt leitet kleinere Six-Sigma Projekte mit Einsparungen pro Projekt um die 10 TEUR; Green Belts arbeiten projektbezogen parallel zu Ihrem "Tagesjob".

Daneben gibt es je nach Unternehmen Yellow Belts, White Belts, Blue Belts mit unterschiedlichen Schulungstiefen, jedoch alle unter einem Green Belt angesiedelt und daher ohne eigene Projektleitung versehen.

Statistischer Ansatz zur Prozessbeschreibung in 6σ

Das besondere an Six Sigma im Vergleich zu anderen Prozessverbesserungsmethoden ist der mathematische Ansatz. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Geschäftsprozess als eine mathematische Funktion beschrieben werden kann.

y=f(x)+ε oder y=f(x1, x2,...xn)+ε

Hierbei ist y das Prozessergebnis, x die Prozesseingangsgröße und f die Funktion, die beschreibt, was in dem Prozess mit den Eingangsgrößen x geschieht. ε steht für die nicht durch die Funktion erklärbare Reststreuung.

Varianz und Mittelwerte in 6σ

In aller Regel kommt es bei Prozessen zu nicht gewollter Varianz in den Prozessergebnissen und oft auch zu unerwünschten Mittelwerten. Six Sigma versucht durch eine Vielzahl von Werkzeugen die Ursachen für die unerwünschte Varianz und Mittelwertlage zu ermitteln. Daraus resultiert ein Verständnis für den Prozess, der es ermöglicht, mit Hilfe der Veränderung der Eingangsgrößen vorherzusagen, welches Prozessergebnis erzielt wird. Dies ist ein streng deterministischer Ansatz. Aus Basis des erlernten Prozessverständnisses werden dann Prozessverbesserungen eingeleitet, die sehr oft zu enormen Wertschöpfungszuwächsen führen.

Standardabweichung 6σ

Das Ziel dieser Methode ist bereits in ihrem Namen angelegt. Prozesse sollen so verbessert werden, dass die Standardabweichung der Prozessergebnisse langfristig auf jeder Seite des Mittelwertes 6 mal in die Anforderungsgrenzwerte passen. Dabei würden dann 3,4 Fehler auf eine Million Fehlermöglichkeiten erwartet.

   1     691.462          30,85375%
   2     308.537          69,14625%
   3      66.807          93,31928%
   4       6.210          99,37903%
   5         233          99,97673%
   6           3,4        99,99966%

Sigma ist das Symbol für Standardabweichung.

In der Produktion bedeutet dies, dass praktisch eine Nullfehlerproduktion vorliegt. Nach Schätzungen liegen die übrigen Qualitätsmanagementmethoden ohne Six Sigma bei Ausbeuten im Bereich von 3σ bis 4σ. Bessere Ergebnisse werden mit herkömmlichen Prozessverbesserungsmethoden nur für schwer möglich gehalten. Für einige kritische Bereiche sind selbst 6σ noch zu fehleranfällig, z. B. bei Fluggesellschaften oder Elektrizitätsunternehmen.

Gaußsche Normalverteilung in 6σ

Six Sigma unterstellt, dass Prozessergebnisse der Gaußschen Normalverteilung folgen. Gelegentlich sind die Prozessergebnise aber nicht normalverteilt. Für Poisson- oder Binärverteilungen gibt es Werkzeuge zur Ermittlung der Prozessfähigkeit. Wenn kontinuierliche Prozessergebnisse nicht normalverteilt sind, können sie meist nach der Anwendung Transformationsverfahren (Johnson oder Box-Cox) untersucht werden. Wenn das nicht gelingt, ist kein brauchbarer Sigma-Level zu ermitteln.

Verwirrend ist, dass bei 6 Standardabweichungen eigentlich weniger als 1 Fehler auf eine Milliarde Fehlmermöglichkeiten erwartet würden. Bei Six Sigma wird allerdings zwischen Kurzzeit- und Langzeitfähigkeit unterschieden. Der Sigma Level entspricht der Langzeitfähigkeit. Bei der Langzeitfähigkeit wird unterstellt, dass eine Verschiebung (drift and shift) von 1,5 Standardabweichungen stattfindet. Diese Verschiebung wurde empirisch ermittelt und ist nicht immer richtig. Die Prozessfähigkeit 6 Sigma entspricht somit einer Fehlererwartung, die sich aus 4,5 Standardabweichungen ergibt.

Six Sigma stellt eine große Anzahl von Management- Projekt- und Statistikwerkzeugen zur Verfügung, die weder leicht zu erlernen noch anzuwenden sind.

DMAIC

Die am häufigsten verwendete Six Sigma Methode ist der sogenannte DMAIC Zyklus. Hierbei handelt es sich um einen Regelkreis-Ansatz. Siehe auch: Artikel DMAIC

D = Define

In dieser Phase wird der zu verbessernde Prozess definiert und das Problem mit diesem Prozess beschrieben. Dies geschieht meist in Form einer Projektcharta. Diese beinhaltet außerdem: gewünschter Zielzustand, vermutete Ursachen für die unerwünschte Mittelwertlage und Streuung, Projektbeschreibung (Mitglieder, Ressourceneinsatz, Zeitplanung,) Neben der Projektcharta werden meist Werkzeuge wie: SIPOC, (Suplier, Input, Process, Output, Customer), hier werden u.a. die Kundenanforderungen messbar formuliert, CTQ-Baum (Critical to Quality), Beschreibung, welche messbaren kritischen Parameter qualitätsbestimmend sind, VOC (Voice of the Customer), Methode, um sicher an die Kundenanforderungen zu gelangen,

verwendet.

M = Measure

In dieser Phase geht es darum festzustellen, wie gut der Prozess wirklich die bestehenden Kundenanforderungen trifft. Er beinhaltet eine Prozessfähigkeitsanalyse die meist als Ergebnis den Sigma-Level ausweist. Weitere Werkzeuge in dieser Phase: Processmap, Ishikawa-Diagramm, zur Bestimmung der ersten Hypothesen zu Ursache-Wirkungszusammenhänge, C&E-Matrix (Causes & Effects), weiteres Werkzeug zur Aufstellung von Hypothense zu Ursache-Wirkungszusammenhängen, Datenerhebungsplanung

A = Analyse

Hierbei werden die vorher aufgestellten Hypothesen mit Hilfe von statistischen Hypothesentests geprüft. Ausserdem wird an dieser Stelle die mathematische Funktion zu bestimmen, die den Prozess mathematisch beschreibt. Hier werden sowohl passive Methoden mit historischen Daten als auch durch Experimente ermittelte Erkenntnisse verwandt. Das hierfür am weitest verbreitete Softwarehilfsmittel ist Minitab. Der Name ist irreführend, diese Programm ist ein enorm leistungsstarkes Statistikwerkzeug.

I = Improve

Nachdem verstanden wurde, wie der Prozess funktioniert, wird nun die Verbesserung geplant, getestet und schließlich eingeführt. Hier werden Werkzeuge angewandt, die auch außerhalb von Six Sigma weit verbreitet sind: Brainstorming und andere kreative Techniken zur Erzeugung von Lösungsideen FMEA (Failure Mode Effects Analysis) Methode zur Ermittlung von Implementierungsrisiken der Verbesserungsideen

C = Control

Der neue Prozess wird mit statistischen Methoden überwacht. Dies geschieht überwiegend mit SPC (statistical process control)Regelkarten.

Der Aufwand bei der Durchführung eines DMAIC ist so groß, dass sich die Durchführung erst lohnt, wenn die zu erwartenden Wertschöpfungszuwächse aus dem verbesserten Prozess höher als 30 TEUR ausfallen. Man strebt eine Projektlaufzeit von 90 Tagen an, diese wird allerdings eher selten erreicht. Die Regel dürfte 180 Tage sein.

Design for 6σ

In Six Sigma Unternehmen wendet man teilweise auch abgewandelte DMAIC Prozesse an, die unter dem Begriff Design for Six Sigma zusammengefaßt werden. Hierbei werden keine bestehenden Prozesse verbessert, sondern neue Prozesse geschaffen.

Anwendung von 6σ

Six Sigma findet heute in vielen Industriebereichen, aber auch im Dienstleistungssektor - beispielsweise bei Banken Anwendung. Insbesondere einige der Unternehmen, die selbst nach 6 Sigma arbeiten, erwarten von ihren Lieferanten Nachweise über Six Sigma-Qualität in den Produktionsprozessen, mit denen bewiesen werden soll, dass der Zulieferer seine Waren qualitativ hochwertig produziert. Hierbei taucht allerdings immer wieder die Schwierigkeit auf, dass unterschiedliche Definitionen der Fehlermöglicheiten die Vergleichbarkeit erschwert.

Literatur

  • Kjell Magnusson, Dag Kroslid, Bo Bergman: Six Sigma umsetzen. Hanser Fachbuch 2004 ISBN 3446216332
zum Buch: Die drei Autoren sind Experten auf dem Gebiet des Qualitätsmanagements. Das Buch, das ursprünglich auf Englisch erschien, gibt eine ausführliche Einführung in die Begriffswelt rund um Six Sigma und weist auf mögliche Probleme bei der Umsetzung hin. Die aktuellen Auflagen enthalten zudem zahlreiche Unternehmensbeispiele. Ebenso ist eine CD-ROM mit nützlichen Programmen beigefügt.
  • Rolf Rehbehn, Zafer Bülent Yurdakul: Mit Six Sigma zu Business Excellence. Strategien, Methoden, Praxisbeispiele. 1. Aufl. Publicis MCD Verlag 2003 ISBN 3895781851 bzw. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage, 2005 ISBN 3-89578-261-0
  • Armin Töpfer et al.: Six Sigma. 3. Aufl. Springer, Berlin 2004 ISBN 3540218998
zum Buch: Der Herausgeber Armin Töpfer ist Professor an der TU Dresden. Dieses Buch zeigt Grundlagen von Six Sigma auf und geht zudem sehr stark auf die Umsetzung in der Praxis ein. Zu diesem Zweck beschreiben zahlreiche Autoren aus verschiedenen Unternehmen ihre Six-Sigma-Ansätze.
  • Dag Kroslid, Konrad Faber, Kjell Magnusson: Six Sigma. Hanser Fachbuch 2003 ISBN 3446222944
zum Buch: Dieses Taschenbuch beschreibt auf wenigen Seiten knapp und präzise Six Sigma und wie diese Strategie umgesetzt werden kann. Unterstützt wird das Ganze durch zahlreiche Abbildungen, Tipps und Beispiele.
zum Buch: Dieses kleinformatige Taschenbuch (11x15 cm) fasst das Thema in ca. 200 Seiten kurz und prägnant zusammen. Gute Hilfe für den Schreibtisch für den Praktiker im Betrieb; das Buch gibt es auch noch in den Abwandlungen Advanced... für weitere Statistik-Methoden und Team für die Behandlung der "weichen Seite". Beide nur in Englisch erhältlich.
  • W. Achenbach, K. Lieber, J. Moormann: Six Sigma in der Finanzbranche. Bankakademie Verlag GmbH 2005 ISBN 3937519130
zum Buch: Einführung, Erfahrungsberichte und auch Meinungen aus Sicht von Beratern beschreiben die Anwendungsmöglichkeiten in Dienstleistungsunternehmen.
  • Mikel Harry, Richard Schroeder: Six Sigma. Campus 2000.
zum Buch: Einer der modernen Klassiker zum Thema: Die Autoren Mikel Harry und Richard Schroeder entwickelten in den achtziger Jahren bei Motorola den umfassenden Qualitäts-Management-Ansatz Six Sigma. Hier findet sich eine Zusammenfassung des Buches.
  • George Eckes: "The Six Sigma Revolution - How General Electric and Others Turned Process Into Profits". John Wiley & Sons © 2000, 274 Seiten.
  • Craig Gygi, Neil DeCarlo, Bruce Williams, Six Sigma für Dummies, ISBN 3-527-70207-5