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Freudscher Versprecher

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Ein Freudscher Versprecher (nach Sigmund Freud, engl.: Freudian slip) ist eine sprachliche Fehlleistung, bei der die eigentliche Meinung oder Intention des Sprechers unfreiwillig zutage tritt. Hierbei wird anstatt des eigentlich angedachten Wortes oder der Phrase etwas ähnlich Klingendes gesagt, das dem Gedachten sogar besser entspricht. Freud hat dieses alltägliche Phänomen im Rahmen der „Psychopathologie des Alltagslebens“ unter der Perspektive der psychischen Motivierung analysiert. Seit dem allgemeinen Bekanntwerden dieses Phänomens hat jemand, dem ein solcher Versprecher ohne jede Motivation unterläuft, einen schlechten Stand, seinem Publikum nachzuweisen, dass es sich gar nicht um das Fauxpas der Freudschen Art handelt, während vor Freud dies nur ein Anlass zur Heiterkeit gewesen wäre.

Beispiel von Freud, das er wiederum von Meringer/Mayer hat: Jemand sagt etwa auf einer Versammlung, es seien „Dinge zum Vorschwein gekommen“. In „Vorschwein“ wird deutlich, dass hier eine Bewertung durch den Sprecher eine gewisse Rolle spielt, entweder der Dinge, die da zum Vorschein gekommen sind (das wären dann Schweinereien) oder eines Akteurs (das wäre dann ein Schwein). Die Bewertung sollte nicht verbalisiert werden, hat sich aber Bahn verschafft, indem sie sich in die aktuelle Äußerung als Versprecher eingeschoben hat.

Freudsche Versprecher sind solche, bei denen eine psychische Motivation angenommen wird, ein 'Sinn', wie es bei Freud heißt. An dieser Bestimmung wird zugleich die Bandbreite des Problemfeldes deutlich: Einerseits handelt es sich um ein Phänomen. Das heißt: Es ist für den Sprecher und/oder den/die Hörer mindestens potentiell erkennbar, dass etwas gesagt wurde, was so nicht intendiert gewesen war. Rosa Ferber hat allerdings festgestellt, dass die meisten Versprecher gar nicht bemerkt werden. Andererseits handelt es sich um eine Interpretation: Unter der Prämisse, dass der Versprecher motiviert ist, besteht eine Aufgabe darin, zu untersuchen, was als psychische Störursache angenommen werden kann.

So spaltet sich das wissenschaftliche Lager in mindestens drei Teile auf: Die einen halten die Frage der Motivierung für verfehlt und falsch und wollen nur Untersuchungen zulassen, die sich aus der Sicht der Sprachproduktion mit Versprechern befassen. Für dieses Lager sind Versprecher wertvolle Fenster, die Einblicke in die Mechanismen der Sprachproduktion gestatten. Eine Vertreterin ist hier z.B. Nora Wiedenmann. Michael Motley wäre dagegen ein Vertreter des anderen Lagers, der in der Psycholinguistik die Motivierung von Versprechern experimentell nachzuweisen versucht und Dilger/Bredenkamp kombinieren beide Ansätze. Einen Überblick über die Theorie Freudscher Versprecher bietet Staffeldt.

Sicherlich ist es sinnvoll, nicht jeden Versprecher als Freudschen Versprecher zu analysieren. Insbesondere aber ist die Frage der Motivierung bei lexikalischen Versprechern nicht unangebracht . Je nachdem, welche Auffassung man von den psychischen Vorgängen und der 'Topologie des psychischen Apparates' hat, wird man der Determinierungskraft des Unbewussten mehr oder weniger Wirkung zuschreiben. Eines aber scheint klar zu sein: Wer sich jemals ernsthaft in einen Reflexionsdiskurs über seine Fehlleistungen begibt, kann Erstaunliches entdecken.

Beispiele

Erläuterung: Bewusst intendiert war hier die Aussage, man habe sich noch nicht endgültig über die Details des Steuerkonzeptes geeinigt. So wie Frau Merkel den Satz formulierte, kommt jedoch deutlich ihre Frustration über die teilweise gegensätzlichen Vorstellungen ihrer Parteigenossen zum Ausdruck, indem sie ihn (unbewusst) so formuliert, dass er aussagt, man habe sich nicht geeinigt und werde sich auch nie einigen.
  • … wenn wir pfleglich miteinander untergehen ...
Kontext: Koalitionskrise in Bonn.
Bundeskanzler Helmut Kohl am 15. März 1989 zu Journalisten über ein langes und wichtiges (Krisen-) Gespräch zur weiteren Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und der FDP.
Eigentlich gemeint war „umgehen“.
  • Ein Pastor gerät durch den Wunsch seiner Frau, sich Taft für ihren Pelzmantelkragen kaufen zu wollen, in Konflikt mit seiner Sparsamkeit. Im Gottesdienst am folgenden Sonntag betet er zur Verwunderung der Gemeinde anstelle von „Herr gib uns Kraft zum Tragen“: „Herr gib uns Taft zum Kragen.“ (Dieses Beispiel stammt aus der Erzählung "Taft zum Kragen" der baltischen Schriftstellerin Else Hueck-Dehio.)
  • In einem Vater-Sohn-Gespräch über Natur und Chemie sagt der Sohn statt Organismus Orgasmus. Er bringt damit unbeabsichtigt seinen Wunsch zum Ausdruck, mit seinem Vater auch über sexuelle Themen in der Pubertät reden zu können.

Siehe auch: