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Tiberius Sempronius Gracchus

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Tiberius Gracchus wird Volkstribun

Tiberius Sempronius Gracchus (* 162 v. Chr.133 v. Chr.) war ein römischer Politiker, der als Volkstribun weitgehende Reformen des römischen Staates und der römischen Verfassung durchsetzen wollte, jedoch am gewaltsamen Widerstand der besitzenden Schichten scheiterte und zusammen mit seinen Anhängern ermordet wurde. Mit dem Scheitern seiner Reformen begann das Zeitalter der Römischen Bürgerkriege.

Tiberius Gracchus’ Familie, die Sempronier, gehörte der römischen Nobilität an. Er war der älteste Sohn des Tiberius Sempronius Gracchus, Konsul der Jahre 177 v. Chr. und 163 v. Chr., und der Cornelia, Tochter des Publius Cornelius Scipio Africanus. Der junge Tiberius Gracchus begleitete im Alter von fünfzehn Jahren den damaligen Konsul Publius Cornelius Scipio Aemilianus Africanus in den 3. Punischen Krieg (147 v. Chr.) und ging im Jahre 137 v. Chr. mit dem Konsul Gaius Hostilius Mancinus als Quaestor in die Provinz Hispania Citerior. Dort erlebte er die Kapitulation des römischen Heeres vor Numantia, eine der bis dahin schwersten Niederlagen einer römischen Armee. Seine Erlebnisse in Spanien und die Reaktion des römischen Senats, der die für die Niederlage vor Numantia verantwortlichen Offiziere opfern wollte, machten ihn zu einem Gegner des Senats und dessen Politik.

Wieder nach Rom zurückgekehrt, schloss sich Tiberius Gracchus dem Reformkreis um Appius Claudius Pulcher an und wurde trotz seiner jungen Jahre schon bald zu deren aktivstem Mitglied. Die Reformer hatte sich vor allem zum Ziel gesetzt, den ager publicus, den im Eigentum des römischen Staates befindlichen Landbesitz, gerecht zu verteilen und den römischen Bürgern so ein selbständiges Auskommen zu ermöglichen.

Den Reformern gelang es, für das Jahr 133 v. Chr. einige ihrer Mitglieder in einflussreiche Ämter wählen zu lassen. Tiberius Gracchus wurde für dieses Jahr zum Volkstribun gewählt. Sofort begann er mit der Umsetzung seiner Agrarreform, welche ein Gesetz aus früheren Zeiten aufgriff. Die Reform sah unter anderem eine Beschränkung für den Besitz des Einzelnen am ager publicus vor. Das Ackergesetz sah vor, dass 500 Morgen Land des ager publicus behalten werden konnte und zusätzlich für jedes Kind oder Jungen (abhängig von der Übersetzung Plutarchs) kamen noch je 250 Morgen hinzu (1 Morgen = 1/4 ha). In einem zweiten Schritt sollten die so gewonnen neuen Ländereien in kleine Bauernstellen umgewandelt werden, welche anschließend mit Besitzlosen besiedelt werden sollten. Ziel der Ackergesetzgebung war die Erhöhung der Wehrpflichtigen (zum Militärdienst konnten nur Bürger mit Mindesteinkommen(Geld/Grundbesitz) verpflichtet werden). Die Durchführung und Überwachung dieser Reform sollte durch eine dreiköpfige Kommission erfolgen, der neben Tiberius Gracchus auch sein zu diesem Zeitpunkt erst 20 Jahre alter Bruder Gaius Gracchus sowie der Reformer Appius Claudius Pulcher angehören sollte.

Diese Reform traf auf den erbitterten Widerstand der Großgrundbesitzer und weiter Kreise des Senats. Ein Kollege des Tiberius Gracchus im Amt des Volkstribuns, Marcus Octavius, verhindert die Verabschiedung des Reformgesetzes durch die Volksversammlung im Frühjahr 133 v. Chr. durch Einlegung seines Vetos.

Tiberius Gracchus und seine Anhänger ließen sich nun zu dem nach damaligen Rechtsverständnis einmaligen und revolutionären Schritt hinreißen, den Volkstribun Octavius durch Beschluss der Volksversammlung abzusetzen. Nachdem dies einmal erfolgreich in die Wege geleitet war, konnten die Reformer ihr Ackergesetz (lex Sempronia agraria/ager publicus (Gemeindeacker) durchsetzen.

Auf der Wahlversammlung Mitte des Jahres 133 v. Chr. stellte sich Tiberius Gracchus schließlich für eine zweite Amtszeit zur Wahl. Dies stellte nach Ansicht der Senatsmehrheit einen zweiten schweren Rechtsbruch dar, da zwischen zwei Ämtern oder Amtszeiten immer eine ämterlose Zeit zu liegen hatte. Die bei Volksversammlungen nicht unüblichen handgreiflichen und tumultartigen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Parteien und Gruppen steigerten sich außerdem durch das gezielt verbreitete Gerüchte, Tiberius Gracchus strebe nach der Krone, derart, dass es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der Senatspolitik (Optimaten) und denen der Reformer kam (Popularen). In deren Verlauf wurden Tiberius Gracchus und ca. 200 seiner Anhänger erschlagen. Die Leiche des Tiberius Gracchus wurde in den Tiber geworfen. Die Senatspartei hatte gesiegt.

Damit waren die Reformen des Tiberius Gracchus zum Scheitern verurteilt, ein Großteil seiner Gesetze wurde unverzüglich rückgängig gemacht oder nicht mehr in seinem Sinne vorangetrieben. In den folgenden Jahren wurde die Parzellierung von ager publicus beendet, die dafür zuständige Ackerkommission verlor ihre Zuständigkeit und wurde schließlich 111 v. Chr. mit der lex agraria aufgelöst.

Sein Bruder Gaius Gracchus griff die Reformbestrebungen des Bruders im Jahr 123 v. Chr. wieder auf: Gaius Gracchus suchte zunächst durch ein Korngesetz (Verteilung des Getreides zu niedrigstem Preis) Anhänger im niederen Volk. Er versuchte, den Einfluss des Adels zu dezentralisieren, indem er die Besetzung der Geschworenengerichte von den senatores auf die equites übertrug. Dann trat er mit dem neuerlichen Versuch eines Agrargesetzes hervor: Er schlug zunächst die Ansiedlung der Bürger in der Provinz Afrika vor, die 146 im 3. Punischen Krieg eingerichtet wurde. Darüber hinaus versuchte er, den socii (Bundesgenossen) mit der Verleihung des römischen Bürgerrechts ihre schon lange andauernden Forderungen zu erfüllen, um sie so auf seine Seite zu schlagen. Die Optimaten versuchten, seine Gesetzesvorschläge zu überbieten (durch den Volkstribun M. Livius Drusus) und die Beliebtheit von Gaius Gracchus zu mindern. Die Leichtgläubigkeit des Volkes trug im wesentlichen dazu bei, dass Drusus' Vorhaben gelang. Die Folge: G. Gracchus wurde nur noch für 122 Volkstribun, fiel bei der Bewerbung für 121 durch. Weil er den Willen des Volkes nicht akzeptierte, griffen er und seine Anhänger zu den Waffen. Im heftigen Kampf wurden seine Anhänger erschlagen, er selbst ließ sich auf der Flucht von einem Sklaven töten. Die geplante Ansiedlung der Bürger in Afrika wurde nicht verwirklicht, und die Bundesgenossen erhielten erst nach dem Bundesgenossenkrieg (98-80 v. Chr.) das volle römische Bürgerrecht.

Das kurze politische Wirken von Tiberius Gracchus ist von enormer Bedeutung, führte es doch nach Cicero zur Spaltung der römischen Gesellschaft.

Literatur

  • Plutarch "Große Griechen und Römer" Band 6, Tiberius Gracchus, S.237-259
  • Klaus Bringmann: Die Agrarreform des Tiberius Gracchus. Legende und Wirklichkeit. Steiner, Stuttgart 1985. ISBN 3-515-04418-3
  • Karl Christ: Krise und Untergang der römischen Republik. Darmstadt 2000.
  • Hermann Rieger: Das Nachleben des Tiberius Gracchus in der lateinischen Literatur. Habelt, Bonn 1991. ISBN 3-7749-2510-0
  • David Stockton: The Gracchi. Clarendon Press, Oxford 1979 und Nachdrucke. ISBN 0198721056
  • Fritz Taeger: Untersuchungen zur römischen Geschichte und Quellenkunde. Tiberius Gracchus. Kohlhammer, Stuttgart 1928.
  • Claude Nicolet (Hrsg.): Les Gracques ou Crise agraire et révolution à Rome. Gallimard, Paris 1980. ISBN 2-07-022917-3