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Hamburg-St. Pauli

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Basisdaten
Bundesland: Hamburg
Bezirk: Hamburg-Mitte
Fläche: 2,6 km²
Einwohner: 26776 (2002)
Bevölkerungsdichte: 10407 Einwohner je km²
Vorwahl: 040
Kfz-Kennzeichen: HH
Vielfach wird „St. Pauli“ als Synonym für den Kiez an der Reeperbahn genutzt.


Sankt Pauli ist ein Stadtteil von Hamburg im Bezirk Hamburg-Mitte.

Er schließt sich westlich an die Neustadt an und reicht entlang der Elbe bis zum Zentrum von Altona. Im Norden grenzt das zu St. Pauli gehörende Karolinenviertel an das (vorwiegend) zum Stadtteil Eimsbüttel gehörende Schanzenviertel.

Geschichte

Der "Hamburger Berg"

Die früheste Besiedlung im Bereich des heutigen Stadtteils St. Pauli bildete ein Zisterzienserinnen-Kloster, das um 1247 in der Nähe des heutigen Fischmarkts an der Mündung des Baches Pepermölenbek in die Elbe gegründet wurde. Es bestand an dieser Stelle bis 1293, wurde dann jedoch ins ruhigere Alstertal verlegt. In diese Jahrzehnte fällt auch die Einbeziehung des Gebietes westlich der Hamburger Kernstadt bis zum Pepermölenbek in das städtische Weichbild. Das Wohnen war dort jedoch, laut einem Verbot des Hamburger Rates aus dem Jahre 1306, nicht gestattet. Trotzdem bildete sich allmählich eine Besiedlung, zu der ab ca. 1550 auch vereinzelte Landhäuser Hamburger Bürger gehörten.

Nach Ausbruch einer Pestepidemie im Jahre 1604 wurde in den Jahren 1605-07 der sog. "Pesthof" im Bereich der heutigen Annenstraße errichtet. Er bestand bis zur Zerstörung der Vorstadt Hamburger Berg durch die napoleonischen Besatzungstruppen im Winter 1813/14. Die letzten baulichen Überreste sollen jedoch als Kellergewölbe einiger Häuser an der Ecke Annen- und Clemens-Schultz-Straße noch erhalten sein.

Der "Pesthof", dessen Name 1797 – wohl im Zuge des Vordringens aufklärerischen Gedankenguts nach Hamburg – in "Krankenhof" geändert wurde, war ein Krankenhaus für an epidemischen oder auch psychischen Krankheiten leidende Kranke. Das für 700 bis 900 Insassen eingerichtete Hospital wurde von der Kirche getragen. Ab 1679 wurden hier auch die "würklich Tollen" in einer Art von verschlossener Koje untergebracht. Diese sog. "Tollkisten" standen reihenweise in Sälen und hatten lediglich ein handgrosses Loch nach Außen. Der "Pesthof" hatte einen so guten Ruf, dass auch von außerhalb (gut zahlende) Patienten kamen. Deretwegen wurden ab 1764 keine "böße Tolle" - nach heutiger Sicht psychisch kranke Straftäter - mehr aufgenommen, sondern sie verblieben im Spinnhaus, einem Gefängnis.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurden - zwischen 1616 und 1625 - zahlreiche Hügel des Vorortes Hamburger Berg im Zuge der Errichtung der Neubefestigung der Stadt planiert, um Material für die Errichtung der außerordentlich hohen Festungswälle zu gewinnen und zugleich freies Schussfeld ("Glacis") vor den Mauern am damaligen Millerntor zu haben.

Wegen des freien Schussfeldes waren Ansiedlungen zunächst verboten, doch seit dem 17.Jahrhundert wurden Betriebe, die wegen Geruchsentwicklung, Wasserverschmutzung oder Lärm in der Stadt unerwünscht waren, in den Vorort verbannt. Die Seilmacher (Reepschläger), die viel später der Reeperbahn ihren Namen gaben, zogen 1633 hierher, weil sie in den Mauern der Stadt nicht mehr den nötigen Platz für ihr Gewerbe fanden. Etwa zur gleichen Zeit begann auch die Tradition des Amüsierbetriebs in diesem Gebiet. Im gleichen Jahr werden eine Ölmühle und eine Glashütte nördlich des Heiligengeistfeldes erwähnt. Ungefähr seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, den Hamburg völlig unbeschadet überstand, dehnte sich auch die Bebauung des Hamburger Berges vom ersten Siedlungskern am Pepermölenbek nach Osten in Richtung der Reeperbahnen aus. Nach 1649/50 werde die T(h)ranbrennereien an das Elbufer verlegt. Dort hatten auch mehrere Schiffswerften und das Hanfmagazin ihren Standort. Nördlich davon entstand an der Geestkante, im Gebiet der Straße Pinnasberg, eine neue Bebauung. Weitere Häuser entstanden im nördlichen Teil des Gebietes (im heutigen Karolinenviertel).

Unter der napoleonischen Besatzung Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Hamburger Berg von den Franzosen vollständig abgerissen – wiederum, um vor dem nunmehr von Frankreich besetzten Hamburg freies Schussfeld zu haben. Nach dem Abzug der Franzosen wurde der Vorort sehr schnell wieder aufgebaut; bereits 1820 war der vorherige Zustand wieder hergestellt.

Die Vorstadt

1833 gemeindete Hamburg das Gebiet ein und benannte es in St. Pauli um. Allerdings lag auch St. Pauli immer noch vor den Stadtmauern und litt unter der Torsperre. Ein starkes Bevölkerungswachstum im 19. Jahrhundert führte zu Wohnungsmangel, dem man durch starke Verdichtung der Bebauung durch Hinterhäuser und ähnliches zu begegnen versuchte.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte besonders der Amüsierbetrieb Aufschwung. Die vorher verbreiteten Buden – ein zentraler Platz heißt heute noch Spielbudenplatz – wurden durch feste Häuser für Theater, Zirkus, Trinkhallen oder andere Amüsierbetriebe ersetzt.

Der Stadtteil

Blick auf die Elbe um 1900

1894 wurde die Vorstadt zum Hamburger Stadtteil.

Bis zum Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 war das Gebiet geteilt. Nur der östliche Teil gehörte zu Hamburg, der westliche - einschließlich der Straße Große Freiheit gehörte zur Stadt Altona. Verwaltungstechnisch gehört St. Pauli heute zum Bezirk Hamburg-Mitte.

In der Schmuckstrasse befand sich Anfang des 20. Jahrhunderts ein kleines Chinatown, nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die Einwohner allerdings deportiert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren Teile der Gründerzeitbebauung St. Paulis durch Bomben zerstört.

An den Hamburger Berg erinnert heute noch eine Seitenstraße der Reeperbahn.

Bavaria St. Pauli-Brauerei

Die Bavaria-St.Pauli-Brauerei (1998 an Holsten verkauft, Hauptmarke Astra), stellte ihr Bier bis vor kurzem in St.Pauli her. 2004 wurde die dort ansässige Brauerei abgerissen, das Astra-Bier wird jetzt in der Holsten-Brauerei gebraut.

Politik

St. Pauli ist während seiner gesamten Geschichte ein Platz gewesen, wohin anderweitig Unerwünschte abgeschoben wurde, seien es störende Handwerker wie Schuster, Seuchenhäuser, oder Prostituierte. Aus dieser Geschichte und der sozialen Zusammensetzung der Bevölkerung resultiert unter den Bewohnern St. Paulis traditionell ein Gefühl, von der Regierung vernachlässigt oder übergangen zu werden, was oft zu entsprechend gespannter Stimmung geführt hat.

In St. Pauli sind linksalternative Ansichten stark vertreten. Besonders bekannt sind die ehemals besetzten Häuser in der Hafenstraße sowie das besetzte Kulturzentrum Rote Flora im Schanzenviertel, das Teil St. Paulis ist. Traditioneller Kommunismus oder Sozialismus nach marxistisch-leninistischem Verständnis spielen in St. Pauli dagegen ebenso wie Rechtsextremismus keine bedeutende Rolle. 2002 kam es in Schanzenviertel, Karolinenviertel und St. Pauli über Wochen zu den sog. Bambule-Unruhen, nachdem der damals neue konservative Senat einen gleichnamigen Bauwagenplatz gewaltsam räumen ließ. Anwohner und Teile des lokalen Einzelhandels solidarisierten sich mit den Demonstranten.

Der Stadtteil ist einer der ärmsten Stadtteile Hamburgs. Einwanderer-Familien lebten traditionell (teilweise seit mehreren Generationen) in St. Pauli, Studenten, Rentner, Sozialhilfeempfänger, Selbstständige, Künstler und Intellektuelle. Seit Mitte/Ende der Neunziger wurde das Viertel wieder schick, die Mieten stiegen, allein 2005 um durchschnittlich 20%, und es kommt aufgrund der überhöhten Nachfrage auch zu unangemessen hohen Mieten bei minderwertigen Wohnungen, während manche ursprüngliche Mieter sich das Viertel nicht mehr leisten können (Gentrifizierung). Ein bedeutender Teil des Wohnungsbestandes wird aber auch von der Stadt verwaltet.

Quartiere

Legedär: Das Grünspan

Kiez

Obwohl St. Pauli ein bedeutendes Wohnquartier in Hamburg ist, kennt man den Stadtteil vor allem durch sein Vergnügungsviertel. Dieses umfasst jedoch nur ein behördlich festgelegtes Teilgebiet, in dem für die Gastronomie keine Sperrstunde gilt[1]. Dieses betrifft die Reeperbahn, den Spielbudenplatz und weitere Parallel- und Seitenstraßen wie die Herbertstraße und die Große Freiheit. Tatsächlich gibt es auf St. Pauli größtenteils kleinbürgerliche Wohnstraßen oder Arbeitergegenden. Das Stadtviertel war auch bei Studenten und jungen Künstlern wegen der günstigen Wohnungsmieten, der zentralen Lage und des ausgesprochen vielfältigen und toleranten Milieus sehr beliebt. So gibt es auf St. Pauli noch einige fast parallel zueinander lebende soziale Schichten, die sich nur gelegentlich berühren.

Außer den hier stattfindenden Veranstaltungen und Volksfesten sorgten auch immer wieder kriminelle Vorkommnisse für Berichte in der Presse: Bandenkriege zwischen Zuhältern, Beraubung von Freiern nach unbemerktem Einflößen von Schlafmitteln ("K.O.-Tropfen"), Nepp von Gastronomen, der Mörder Fritz Honka und - in jüngerer Zeit - Körperverletzungen durch aggressive Jugendliche. Dennoch konzentriert sich das Hamburger Nachtleben zunehmend auf St. Pauli, nachdem die traditionellen Eckkneipen in den Wohnquartieren weitgehend verschwunden sind und den "Schmuddelkinos" am Steindamm erfolgreich der Kampf angesagt wurde.

Datei:Hans-A.jpg
Auf dem Hans-Albers-Platz
auf dem Kiez
Datei:Hh-eroticartmuseum.jpg
Erotic Art Museum
Siehe auch

Theater

Museen

  • Das "Erotic-Art-Museum" Bernhard-Nocht-Straße
  • Das "St. Pauli Museum" in der Hein-Hoyer-Straße
  • Das "Hamburger Schulmuseum" in der Seilerstraße

Kunst und Musik

Als Vergnügungsviertel beherbergt St. Pauli eine Vielzahl an Musik-Clubs, Kneipen und Diskotheken unterschiedlichster Stilrichtungen und Qualität, die jedes Wochenende Ziel von Hamburgern und Touristen sind. Laut dem Wochenmagazin Die Zeit hat St. Pauli und die unmittelbare Umgebung rund um das Karoviertel die höchste Dichte an Plattenläden mit Vinyl-Schwerpunkt in Deutschland.

Schon die Swing-Jugend übte hier kulturellen Widerstand gegen den Nationalsozialismus.

Viele (Musik-)Trends (Beatles, Punk) kamen aus England und anderen Ländern über Hamburg - St. Pauli nach Deutschland (siehe auch Star-Club). Der Hafen diente auch als Tor und Umschlagplatz für neue Ideen und kulturelle Strömungen.

In St. Pauli finden sich mehrere kleine Kunstgalerien, von denen einige von Künstlern selber geführt werden.

Die Kneipe La Paloma am Hans-Albers-Platz wird vom Maler Jörg Immendorff betrieben. Die Hans Albers darstellende Statue auf dem Platz wurde ebenfalls von Immendorff gestaltet.

Abseits des Touristentrubels: „Schankwirtschaft seit 1895“

Gastronomie

Das Angebot ist unüberschaubar, von der Wurstbude zur Sterneküche ist Kulinarisches aus allen Teilen der Welt zu finden.

Persönlichkeiten

die mit dem St. Pauli Kiez in Verbindung stehen:

Karo- und Schanzenviertel

Das Gebiet des Karolinenviertels ist durch das Heiligengeistfeld deutlich vom übrigen Stadtteil abgegrenzt. Durch die Aufgabe des Schlachthofgeländes - heute befindet sich dort nur noch der Fleischgroßmarkt - wächst es eher mit dem benachbarten Schanzenviertel zusammen.

St. Pauli−Kirche

St. Pauli-West

Im Bereich Pinnasberg/Hein-Köllisch-Platz wurde eine kleine Fläche von St. Pauli der Altonaer Altstadt zugeordnet (1938). Durch diese Grenzziehung entstand die widersinnige Situation, dass die nur für Altona (und eben nicht für das hamburgische Gebiet) typische Große Freiheit seither in St. Pauli, hingegen die St.Pauli-Kirche jetzt in Altona liegt.

Am Pinnasberg befindet sich eine fantasievolle Parkanlage, die von Bürgern und Künstlern gemeinsam erstritten und gestaltet wurde (Park Fiction Projekt).


Regelmäßige Veranstaltungen

Dreimal jährlich findet auf dem Heiligengeistfeld der Hamburger Dom, ein Jahrmarkt, statt. Jeweils im Mai wird der Hafengeburtstag gefeiert, ebenfalls ein großes Volksfest. Der jährliche Schlagermove, ein Umzug nach dem Muster der Love Parade, aber mit deutscher Schlagermusik, führt in der Regel über Spielbudenplatz und Reeperbahn.

Erwähnenswert ist außerdem der allsonntäglich stattfindende Fischmarkt.


Panorama über St. Pauli (September 2004)

Infrastruktur

St. Pauli ist eines der ärmsten Stadtviertel Europas. Es gibt keine Industriebetriebe oder andere große Arbeitgeber. Vielmehr ist die wirtschaftliche Situation von vielen kleinen- und Kleinst-Unternehmen im gastronomischen, handwerklichen und künstlerischen Bereich geprägt.

Bauwerke

Datei:Hh-IsraelitischesKrankenhaus.jpg
Das ehemalige Israelitische Krankenhaus
  • Die St. Pauli Landungsbrücken: ein schwimmender Schiffsanleger mit einem großen, dem Jugendstil angelehnten Empfangs- und Verwaltungsgebäude. Es ist die größte Anlage dieser Art in Deutschland. Von hier fahren Hafenfähren, -rundfahrtschiffe und -barkassen, Passagierschiffe im Unterelbedienst sowie die Katamarane nach Stade und Helgoland ab. Auf den Pontons sind diverse Restaurants und Souvenirläden zu finden.
  • Der Alte Elbtunnel, mit seinem tempelartigen Eingangsgebäude und mit Majolikareliefs gefliesten Tunnelröhren.
  • Die barocke St.-Josephs-Kirche auf der Großen Freiheit von 1721, nach schweren Kriegsschäden als Neubau hinter der erhaltenen Fassade errichtet und in den letzten Jahren re-barockisiert.
  • Unweit des Hamburger Hafens steht mit der Bismarck-Statue das größte Denkmal Hamburgs.
  • Das Israelitische Krankenhaus. Es wurde 1843/44 von Salomon Heine zum Andenken an seine Frau errichtet; der Architekt war Hinrich Klees-Wülbern. Die Nazis haben 1939 das Israelitische Krankenhaus geschlossen. Im Jahre 2000 zog u.a. das Ortsamt St. Pauli in die Räume.
Datei:Hh-ubf-st-pauli.jpg
Eingang der U-Bahnstation „St. Pauli“

Verkehr

St. Pauli ist durch die S-Bahn (Stationen Reeperbahn und Landungsbrücken) und die U-Bahn (Stationen Sternschanze, Feldstraße, St. Pauli und Landungsbrücken) an das Hamburgische Bahnnetz angeschlossen.

Sport

Der Fußballverein FC St. Pauli hat sein Heimatstadion auf dem Heiligengeistfeld.




Fussnote
  1. Da die Sperrstunde nicht am Wochenende gilt und ihr Beginn in ganz Hamburg auf 5 Uhr verschoben wurde, spielt dies heute kaum noch eine Rolle.

Literatur

  • Rene Martens, Günter Zint: St. Pauli - Kiez, Kult, Alltag; Europäische Verlagsanstalt; 2000; ISBN 3434525661
  • Günter Zint, Die weiße Taube flog für immer davon. Ein St. Pauli Bilderbuch

Broschiert - 263 Seiten - E. Kabel, Hbg. Erscheinungsdatum: Dezember 1988 - ISBN: 3921909511