Ermittlungsrichter
Nach der deutschen Strafprozessordnung sind bestimmte Aufgaben Ermittlungsrichtern zugewiesen. Hierbei handelt es sich um Vorgänge, die einen so schweren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen beinhalten, dass ihre Anordnung von Verfassungs wegen Richtern vorbehalten bleiben soll. Ermittlungsrichter sind in der Regel Strafrichter des jeweiligen Gerichts, die neben ihren anderen Dienstgeschäften Ermittlungshandlungen vornehmen oder kontrollieren. Ein Gericht kann, muss jedoch nicht in seinem Geschäftsverteilungsplan für Ermittlungsaufgaben auch Richter bestellen, die nur Ermittlungsrichter sind.
Synonym wird der Begriff Untersuchungsrichter verwendet.
Zuständigkeit
Die Zuständigkeit für richterliche Ermittlungshandlungen richtet sich nach dem Stadium des Verfahrens (§§ 125f StPO).
Vor Erhebung der öffentlichen Klage
Vor Anklage sind grundsätzlich Ermittlungsrichter beim Amtsgericht zuständig, ihre örtliche Zuständigkeit entspricht dem Amtsgerichtsbezirk. Daher bestellen die Landgerichte keine Ermittlungsrichter.
In den Fällen des § 120 GVG (Staatsschutzsachen u.ä.) sind die Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zuständig, solange die Ermittlungen vom Generalbundesanwalt geführt werden[1], in allen übrigen Fällen die Ermittlungsrichter beim Oberlandesgericht. Ihr räumlicher Zuständigkeitsbereich ist das gesamte Bundesgebiet (§ 169 StPO).
Ist bereits ein Haftbefehl erlassen worden, wird der Richter, der ihn erließ, auch für alle weiteren Untersuchungshandlungen zuständig. Ist jedoch der Haftbefehl erstmals auf die Beschwerde (der Staatsanwaltschaft) durch das Beschwerdegericht erlassen worden, entscheidet weiterhin der Richter, gegen dessen Entscheidung sich die Beschwerde richtete (§ 126 I StPO).
Nach Erhebung der öffentlichen Klage
Ist Anklage erhoben, ist für richterliche Ermittlungshandlungen das jeweils mit der Sache befasste Gericht zuständig. Dies gilt auch für das so genannnte Zwischenverfahren bis zur Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung. Kollegialgerichte entscheiden über Ermittlungshandlungen grundsätzlich kollegial, d.h. eine Kammer oder ein Senat kann keinen eigenen Ermittlungsrichter bestellen. In dringenden Fällen jedoch entscheidet der Vorsitzende, dessen Entscheidung nicht der Bestätigung durch das Kollegium bedarf. Sie kann jedoch von den anderen Prozessbeteiligten verlangt werden.
Im Falle der Berufung ist das Berufungsgericht zuständig.
Im Falle der Revision ist das zuletzt befasste Tatgericht zuständig. Das Revisionsgericht darf jedoch einen Haftbefehl selbst aufheben, wenn es durch Sachentscheidung ein damit zusammen hängendes Urteil aufhebt (§ 126 III StPO). Es darf ihn jedoch nicht außer Vollzug setzen.[2]
Der Jugendrichter als Ermittlungsrichter
Nach § 34 Abs. 1 JGG ist im Verfahren gegen Jugendliche für diejenigen Aufgaben, die sonst dem Richter am Amtsgericht oblägen, der Jugendrichter zuständig. Dies betrifft auch die Zuständigkeit des Richters am Amtsgericht als Ermittlungsrichter, so dass für Beschlüsse in Haftsachen oder anderen dem Ermittlungsrichter zugewiesenen Entscheidungen gleichfalls der Jugendrichter zuständig ist.
Es ist umstritten, ob eine Geschäftsverteilung zulässig ist, bei der einem Richter nur die Aufgaben des Ermittlungsrichtes in Verfahren gegen Jugendliche zugewiesen werden, ohne dass dieser Richter auch in sonstigen Jugendstrafverfahren tätig wird. Das Bundesverfassungsgericht konnte diese Frage in einer Entscheidung vom 12. Mai 2005 offenlassen.
Einzelne Aufgaben des Ermittlungsrichters (nicht abschließend)
Beispiele für Beschlüsse, die dem Ermittlungsrichter vorbehalten sind:
- Erlass eines Haftbefehls, Haftprüfung
- Anordnung der Durchsuchung von Wohnräumen und der Beschlagnahme
- Anordnung der Telefonüberwachung
Beispiel für Tätigkeit eines Ermittlungsrichters
- Durchführung von Zeugenvernehmungen im Vorverfahren
Rechtsmittel
Gegen Entscheidungen der Ermittlungsrichter ist die Beschwerde möglich. Der erlassende Richter (iudex a quo) kann ihr abhelfen, sonst hat er sofort, spätestens binnen 3 Tagen die Sache dem Beschwerdegericht weiter zu leiten (iudex ad quem). Gleiches gilt für Ermittlungshandlungen von Kollegialgerichten. Beschwerdegericht bestimmt sich nach allgemeinen Regeln des GVG.
Die Beschwerde hat keinen Suspensiveffekt (§ 307 StPO). Sie ist bei Entscheidungen der Ermittlungsrichter beim Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshofnur dann zulässig, wenn es sich um Verhaftung, einweilige Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt, Beschlagname oder Durchsuchung handelt (§ 304 IV, V StPO).