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44. Sinfonie (Haydn)

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Joseph Haydn (Gemälde von Ludwig Guttenbrunn, um 1770)

Die Sinfonie Nr. 44 in e-Moll (Hob. I:44) komponierte Joseph Haydn um 1770/1771 während seiner Anstellung als Kapellmeister beim Fürsten Nikolaus I. Esterházy. Das Werk gehört zur „Sturm und Drang“-Periode und trägt den nicht von Haydn stammenden Titel „Trauer-Sinfonie“. Die Spieldauer beträgt ca. 23 Minuten.

Entstehung und Wirkung

Die Sinfonie Nr. 44 entstand um 1770/1771[1] im Rahmen der musikalischen Aktivitäten Haydns am Hof der Esterházy-Familie in Eisenstadt und ist gemeinsam mit dem Stabat Mater (1767), dem Salve Regina (1771) sowie der Oper Philemon und Baucis (1773) der Periode des „Sturm und Drang“ zuzuordnen. Das Werk, dessen Autograph nicht erhalten ist, wurde im Breitkopf & Härtel-Katalog von 1772 angekündigt.[2] Der Titel „Trauer-Sinfonie“ stammt nicht von Haydn, sondern geht wahrscheinlich auf dessen angeblichen Wunsch zurück, bei seinem Begräbnis das Adagio zu spielen (siehe beim dritten Satz).[3] Er taucht zum ersten Mal 1868 auf dem Titel einer beim Verlag André erschienenen Partitur auf und wurde 1879 von Carl Ferdinand Pohl in die Literatur eingeführt.[4] Über die Eignung des Titels für die Musik bestehen unterschiedliche Auffassungen.[5]

„Diese berühmte Symphonie erklärt, warum Haydns Moll-Werke der ‚Sturm und Drang‘-Periode von so hoher Bedeutung sind. Das ganze Werk ist prägnant und konzentriert – nicht eine Note ist zuviel – und es behält seine Stimmung ernsten Leidens mit bemerkenswerter Kontinuität bei. Die Symphonie ist auch insofern ungewöhnlich, als das Menuett vor dem langsamen Satz steht. Dieses Grundmuster findet man lediglich in fünf weiteren Haydn-Symphonien, die außer einer alle früh entstanden sind.“[6]

Die 44. Sinfonie zeigt charakteristische Merkmale von Haydns explorativem Stil zwischen ca. 1768 und 1774[7] und weist u. a. folgende Besonderheiten auf:

Zudem gehört dieses Werk neben den Sinfonien Nr. 12 und Nr. 29 zu Haydns einzigen Sinfonien in der für die damalige Zeit ungewöhnlichen Sinfonie-Tonart E (-Dur). Weitere Sinfonien dieser Schaffensphase in ungewöhnlichen Tonarten sind z. B. Nr. 45 in fis-Moll, Nr. 46 in H-Dur oder Nr. 49 in f-Moll.

Musikalische Gestalt (Analyse)

Die Tonart e-Moll darf ebenso als Besonderheit angesehen werden wie die Satzfolge (mit dem Adagio als 3. Satz), welche vom normativen Prinzip "schnell – langsam – Menuett – schnell" abweicht. Die tonartlichen Verhältnisse zwischen den einzelnen Sätzen (e-Moll und E-Dur) sind hingegen gewohnt eng. Kopf- und Finalsatz stehen – wie so oft bei Haydn – in monothematischer Sonatensatzform, das Menuett ist kanonisch gebaut und der langsame, aber abgeklärt-heitere Satz folgt dem dualen Bauprinzip der Suitensatzform. Außergewöhnlich sind das Hornsolo im Trio des 2. Satzes sowie der Einsatz gedämpfter Violinen im 3. Satz.

„Die Ecksätze zeigen Haydns neu erwachtes Interesse an motivischer Einheit und kontrapunktischem Satz. Das düstere Menuett, ein streng durchgeführter Kanon, ist ein kontrapunktisches Bravourstück in sich selbst. Trio und Adagio, beide in der Dur-Variante, gehören zu den feinsten und innerlichsten Kompositionen dieser Periode. Im Finale aber gelingt Haydn eine selten vorher erreichte Stärke der gefühlsmäßigen Intensität.“[8]

Vorbemerkung zur Analyse:

Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Schema im Sinne eines „Standardmodells“ erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Beschreibungsform der Sinfonien Beethovens entworfen wurde und von daher nur mit Einschränkungen auf die Sinfonie Nr. 44 übertragen werden kann.

1. Satz: Allegro con brio

e-Moll, 4/4-Takt, 157 Takte

Die Exposition (T. 1-61) beginnt mit dem antithetischen Hauptthema (T. 1-12) in der Grundtonart e-Moll. Haydn eröffnet hier mit einem barformartigen Viertakter (4 in 2+1+1 Takte), dem Abschnitt "X" (T. 1-4), der im Sinne eines "Mottos" auch im weiteren Verlauf des Kopfsatzes wiederkehrt. Charakteristisch sind v. a. die Stimmführung im Unisono, die harmonische Ambivalenz, die fragmentarische Gliederung sowie die kontrastreiche Gestaltung der beiden Teile:

Takte Form / Gliederung Dynamik Melodik Artikulation Rhythmik Harmonik Instrumentation Geste Charakter
These X 1-2 2 Takte, kompakt forte sprunghaft, aufwärts marcato / staccato abtaktig tonikal Streicher + Bläser signalartiges Motiv prägnant, kraftvoll (con brio)
Antithese Y 3-4 1+1 Takte, in sich gegliedert piano stufenweise, abwärts portato / legato auftaktig dominantisch nur Streicher Vorhalte graziös, "zögerlich"
Hauptthema, 1. Satz (T. 1-12)

Im nachfolgenden Abschnitt "Y" (T. 5-12) ist v. a. die musikalische Rollenverteilung in Melodie (in den 1. Violinen) und Begleitung auffallend: Ebenfalls im Piano, aber durch Achtel-Tonrepetition mit mehr Bewegung, folgen nun die Streicher (mit Farbtupfern im Horn) mit einem satzartig gebauten Achttakter (8 in 2+2+4 Takte). Auch wenn bereits in T. 3 die für das Tongeschlecht charakteristische Moll-Sexte c erklingt, wird hier durch die Moll-Terz g die Grundtonart e-Moll definitiv festgelegt. Die Takte 5-8 sind in sich periodisch gegliedert (I-V bzw. V-I) und bleiben jeweils melodisch offen (e-dis in T. 6 bzw. fis-g in T. 8). In den Takten 9-12, welche ihrerseits eng mit der Antithese verwandt sind, erscheint nun erstmals die Subdominante (a-Moll), jedoch verebbt die Bewegung in der Folge wieder und verhaucht schließlich in T. 11/12 unerwartet im Pianissimo als ganztaktiger Vorhalt zur Dominante H-Dur. Das insgesamt 12-taktige Hauptthema bleibt somit harmonisch offen (phrygischer Halbschluss) und endet mit einer Aposiopese (T. 12).

Die Überleitung (T. 13-20) setzt nach einer "Generalpause" mit einer angegangenen Wiederholung des Hauptgedankens ein. Nach der Wiederaufnahme des Kopfmotivs (These) weicht Haydn in T. 15 jedoch vom ursprünglichen Verlauf ab und überrascht den Hörer mit einer neuartige Geste, um in der Folge in die Paralleltonart G-Dur zu modulieren. Mit dem Erreichen der Seitensatz-Ebene in T. 20 setzt erstmals das volle Orchester ein. Dabei erklingen virtuose Sechzehntel-Läufe mit Tonrepetition in den Streichern und Oboen, in den Bässen gleichzeitig das prägnante Kopfmotiv. Nach einer Kadenz in G-Dur erscheinen in T. 25 zunächst kontrapunktische Verarbeitungen des Kopfmotivs (als Engführung von Originalgestalt und Umkehrung), ehe Haydn nach einer Quintfallsequenz (T. 28-35) vorübergehend sogar in die Variante g-Moll (als Echo) ausweicht, um in T. 42 doch wieder ins Kopfmotiv (vgl. T. 13-15) zu münden und die Exposition mit einer eher formelhaften Schlussgruppe (T. 47-55) in G-Dur abzuschließen.

Doch damit nicht genug... In typischer Manier überrascht Haydn hier seine Hörer, indem er die Schlussgruppe hier durch einen 6-taktigen, eher lyrisch gehaltenen Anhang erweitert und dabei auf die Dominante H-Dur moduliert. Die Takte 56-61 dienen somit als Rückleitung zum Beginn des Satzes – im Fall der obligaten Wiederholung – oder aber als Überleitung zur nachfolgenden Durchführung.

Die Durchführung (T. 62–100) gliedert sich inhaltlich in zwei Teile: Der 1. Abschnitt (T. 62-76) umfasst 15 Takte, ist mit Hauptsatz-Material gearbeitet und vorwiegend im Piano gehalten; der 2. Abschnitt (T. 77-100) besteht aus 24 Takten, verwendet vorwiegend Seitensatz-Material, steht gesamthaft im Forte und ist über weite Strecken imitatorisch angelegt sowie modulierend. Auch die Durchführung wird wieder mit dem Hauptthema eröffnet: Auf den Viertakter "X" (vgl. T. 1-4) in h-Moll (mit gegenüber dem Beginn variierter Legato-Antwort) folgt in T. 66 dessen Sequenz in der Subdominante a-Moll. Dem ursprünglichen Verlauf entsprechend erscheint nun auch der Abschnitt "Y" (vgl. T. 5-12), jedoch sequenziert Haydn hier nach nur 4 Takten weiter in die Mediante C-Dur und verschränkt in T. 77 die beiden Durchführungsteile miteinander. Der 2. Abschnitt übernimmt nun weitestgehend die Takte 21-24 aus der Exposition mit abschließender Kadenz in C-Dur. Auf die Wiederaufnahme des Kopfmotivs in T. 81 folgt jedoch eine dialogische gestaltete Fortspinnungspassage, welche in T. 90 zwischenzeitlich die Parallele G-Dur erreicht und erstmals synkopische Rhythmen in den Streichern und Bläsern erklingen. Im Rahmen der Rückleitung (T. 92-100) moduliert Haydn in die Grundtonart e-Moll zurück, ehe nach einem dramatischen Ausbruch des vollen Orchesters – und der mit Fortissimo am lautesten bezeichneten Stelle im gesamten Werk – in T. 101 schließlich die Reprise einsetzt.

Die Reprise (T. 101-157) setzt mit dem Hauptthema in e-Moll ein. Der Hauptsatz entspricht dabei zwar weitgehend dem ursprünglichen Verlauf in der Exposition, ist in den Takten 109-111 jedoch durch einen formaler Einschub erweitert, welcher die Melodik nun zum Grundton e2 erweitert, harmonisch expandiert und u. a. folgende Merkmale aufweist: dynamischer Kontrast durch Forte-Piano-Effekt, Aufwertung der Subdominante mittels Zwischenharmonie, scharfe Akzentuierungen (Sforzato), Anreicherung der Instrumentierung durch Hinzunahme der Oboen. Im Schlusstakt des Themas (T. 115) verzichtet Haydn nun auf die ursprüngliche Pause (vgl. T. 12) und nimmt stattdessen die begleitenden Tonrepetitionen des folgenden Abschnitts vorweg, was das Hauptthema letztlich enger mit der Überleitung verknüpft. Die Überleitung (T. 116-120) erscheint verkürzt und verweilt – anstelle einer in der Reprise unnötigen Modulation – auf dem Orgelpunkt der Dominante. Der Seitensatz (T. 121-132) ist im Vergleich zur Exposition nun stark verkürzt, verbleibt gesamthaft in Moll und entspricht ansonsten weitgehend seinem ursprünglichen Verlauf (vgl. T. 35-47); einzig die Takte 128-132 bereichert Haydn mit einer kunstvollen Variation, indem er Melodik, Tonraum und Instrumentierung diesmal merklich verändert (vgl. T. 42-46). Die Schlussgruppe erscheint variiert und ist ihrerseits zu einer raumgreifenden Coda (T. 133-157) erweitert.

Fugato [Coda], 1. Satz (T. 141-146)

Wie schon am Ende der Exposition überrascht Haydn den aufmerksamen Hörer nun auch nochmals zum Schluss der Reprise: Die Takte 136-140, diesmal sequenzartig auf insgesamt 5 Takte und harmonisch durch den neapolitanischen Sextakkord erweitert, kommen in T. 140 völlig unvermittelt mittels einer Fermate auf dem verminderten Septakkord der VII. Stufe zum Stillstand, was rhetorisch einem Doppelpunkt gleichkommt. Nach einer Zäsur erklingt in den Takten 141-146 zunächst ein kunstvolles Fugato des Kopfmotivs in dreistimmiger Engführung. Haydn verwendet hier zwei historische Topoi – den Passus duriusculus sowie chromatische Seufzermotive – und kreiert dabei gleichzeitig noch eine Synthese aller drei harmonischen Hauptfunktionen (Tonika, Dominante und Subdominante), was seine kompositorische Fähigkeiten (Kontrapunkt) besonders eindrücklich bezeugt! Die Takte 147-148 entsprechen ihrerseits den Takten 123-124 der Reprise bzw. der analogen Stelle in der Exposition (vgl. T. 37-38) leiten zur Wiederaufnahme der ursprünglichen Schlussgruppe in T. 149 über. Den Schlussakkorden fehlt (wie dem Eröffnungsmotiv) die Terz.

Die Exposition sowie die Durchführung und Reprise werden obligat wiederholt.

2. Satz: Menuetto. Allegretto (Canone in Diapason) – Trio

e-Moll, 3/4-Takt, 60 Takte – E-Dur, 3/4-Takt, 28 Takte

Das tänzerisch-schwermütige und beinahe "unheimlich" wirkende Menuett mit der traditionellen Gliederung in A / B A' (mit obligaten Wiederholungen beider Teile) erscheint hier – entgegen gängiger Konventionen – an zweiter Stelle und demzufolge mit dem Adagio, dem nun 3. Satz, vertauscht. Von der Struktur her ist dieser mit Canone in Diapason überschriebene Satz als zweistimmiger Oktavkanon komponiert: Eine erste Stimme in den Violinen und Oboen wird von den Bässen (Violoncello, Kontrabass und Fagott) mit dem Einsatzabstand von drei Viertelnoten imitiert. Die übrigen Instrumente verwendet Haydn situationsbedingt in verschiedenen Rollen.

Canone in Diapason (T. 1-7), 2. Satz

Der wiederholte A-Teil (T. 1-16) eröffnet mit einem periodisch gestalteten Viertakter in e-Moll, wobei die Violinen den Kanon im Piano initiieren und einen Takt später von den Bässen imitiert werden. Es folgt ein längerer Abschnitt (12 in 7+5 Takte) im Forte, der ebenfalls kanonisch gebaut ist und im weiteren Verlauf in die Paralleltonart G-Dur moduliert. Auch im mit 44 Takten mehr als doppelt so langen B-Teil (T. 17-60) führt Haydn den zweistimmigen Kanon fort. In den Takten 17-31 erklingt zunächst das Kopfmotiv (vgl. T. 1-2) in G-Dur im Forte, dessen Sequenz in e-Moll im Piano sowie eine Fortspinnungspassage im Forte, welche in Form einer absteigenden Tonleiter zurück auf die Dominante H-Dur führt. In den Takten 32-55 verdoppelt Haydn den Einsatzabstand der beiden Stimmen auf 6 Viertelnoten (2 Takte) und erweitert nun auch die neue melodische Geste – im Gegensatz zur bisherigen Zweitaktigkeit aller Motive – auf vier Takte. Diese absteigende sowie nachschlagend beginnende Geste im zarten Pianissimo wird zunächst wiederholt, um in der Folge dann modifiziert und im kontrastierenden Forte mittels Modell und mehreren Sequenzen in e-Moll zu kadenzieren. Nach dem raumgreifenden Mittelteil (B-Teil) rekapituliert Haydn im Rahmen der verkürzten Reprise (T. 56-60) lediglich noch den ursprünglichen Viertakter (vgl. T. 1-4) und beendet das Menuett danach mit einer floskelhaften Schlusskadenz im Forte. Beide Teile, also Mittelteil und Reprise, werden ihrerseits wiederholt.

Das lyrische[9] Trio im kontrastierenden E-Dur ist – im Gegensatz zum Menuett – relativ kurz gehalten und nicht kanonisch gebaut. Außergewöhnlich ist hier jedoch das anspruchsvolle Hornsolo in der hohen Lage, die kontrastreiche dynamische Gestaltung (pp bis ff) auf engstem Raum, das Spiel mit den Taktschwerpunkten sowie Haydns kompositorischer Umgang mit der Reprise.

Der A-Teil (T. 1-12) umfasst diesmal 12 Takte, gliedert sich in 9+3 Takte und wird wiederholt. Er beginnt mit einer in Terzen geführten und stufenweise absteigenden Tonfolge im Pianissimo in den beiden Violinen, ehe die Melodie ab T. 3 vom Solohorn aufgenommen und verdoppelt wird und in der Folge nach H-Dur moduliert. Im B-Teil (16 in 7+6+3) spielt Haydn spielt mit den Taktschwerpunkten, indem er die eigentlich "leichten" Auftakte in T. 13 und 14 jeweils mittels Sforzato künstlich "gewichtet" und dadurch die herkömmliche Taktordnung außer Kraft setzt. Wie bereits im Menuett erscheint die Reprise (T. 26-28) auch hier verkürzt: Haydn beschränkt sich auf die harmonisch eingerichtete Wiederaufnahme der Schlusstakte des A-Teils (vgl. T. 70-73) in der Varianttonart E-Dur. Mittelteil und Reprise werden gesamthaft wiederholt.

Im Anschluss an das Trio folgt die obligate Wiederaufnahme des Menuetts (Menuetto da capo), diesmal jedoch ohne die Wiederholungen.

Ein kanonartiges Menuett benutzt Haydn auch in den Sinfonien Nr. 3 und Nr. 23, ein krebsiges in Nr. 47 – dort aber jeweils traditionell als 3. Satz.

3. Satz: Adagio

E-Dur, 2/4-Takt, 82 Takte

Der Satz beginnt mit dem von den Streichern vorgetragenen, sanglichen Thema im Piano (stimmführende Violinen mit Dämpfer). Das Thema wird in einer etwas bewegteren Variante wiederholt und geht dann ab Takt 16 in einen Abschnitt über, der durch ein Triolen–Motiv und ein Crescendo bis zum Forte mit vollem Orchestereinsatz eine flächige Wirkung entfaltet. Die Triolen bestimmen auch den weiteren Satzverlauf und sorgen für einen durchgehenden Fluss der Musik.

Ab Takt 24 steigt die stimmführende 1. Violine steigt in der Dominante H-Dur von einem Oktavsprung aufwärts langsam und etwas chromatisch wieder herab und führt dann in eine längere Triolenpassage für Streicher. Zum Schluss der Exposition treten die Bläser wieder verstärkend hinzu.

Der Durchführungsteil wiederholt zunächst das erste Thema in H-Dur, greift dann das Triolen-Motiv in einer Variante auf und führt es durch verschiedene Tonarten. In Takt 57 ist mit dem Einsatz der Bläser wieder die Tonika E-Dur erreicht. Je nach Sichtweise kann man hier den Beginn der Reprise setzen. Die gleichmäßige Bewegung setzt sich weiter fort und erreicht in Takt 64 ein kurzes Spannungsmaximum im Fortissimo. Es folgen das zweite Thema, der Triolen-Abschnitt und die Schlusspassage mit Bläserbegleitung. Exposition sowie Durchführung und Reprise werden wiederholt.

Der Erzählung nach soll Haydn den Wunsch gehabt haben, dass dieser Satz bei seinem Begräbnis gespielt werden sollte.[10] Dies war dann 1809 in Wien nicht der Fall, wo Mozarts Requiem erklang, während bei der musikalischen Feier zu Haydns Tod in Berlin seinem (angeblichen) Wunsch entsprochen wurde und „die schon ältere Symphonie aus e-moll, mit dem rührenden Largo aus E-Dur (…)“[11] aufgeführt wurde. Möglicherweise geht die Bezeichnung „Trauer-Sinfonie“ auch auf diese Aufführung zurück.[6]

4. Satz: Presto

e-Moll, 2/2-Takt (alla breve), 187 Takte

In energischen Staccato-Achteln tragen die Streicher im Forte-Unisono das achttaktige Hauptthema vor, gefolgt von einer kontrastierenden Piano-Variante mit gebundener Bewegung. Die Überleitung (Takt 19–28) sequenziert den Kopf des Themas in den Streichern, in Takt 29 geht es dann ziemlich abrupt in ein aus dem Hauptthema abgeleitetes Tonrepetitionsmotiv in der Tonikaparallelen G-Dur über. Dabei spielt zunächst die 1. Violine sowie – versetzt – der Bass das Motiv, unterlegt von einem ebenfalls versetzen Kontrapunkt in der 2. Violine und Viola (als Doppelkanon interpretierbar). Ab Takt 37 tauschen die Instrumente ihre Rollen. Es folgt bis Takt 59 ein Abschnitt, der durch große Intervallsprünge im Staccato, Tremolo, Akzente und energische Wiederholungen gekennzeichnet ist. Die Schlussgruppe greift wieder den Kopf vom Thema auf (mit synkopischer Begleitung der 1. Violine), die Bewegung klingt dann auf einem Orgelpunkt auf der Dominante H aus.

Die Durchführung basiert ebenfalls auf dem Kopf vom Hauptthema. Bis Takt 95 wird es in der 1. Violine aufwärts sequenziert, unterlegt von Synkopen und einer chromatisch abfallenden Bewegung im Bass. Der starke Spannungsaufbau[12] wirkt wie ein Crescendo, obwohl dieser Abschnitt einheitlich im Forte steht. Ab Takt 96 entlädt sich die Spannung als Abwärts-Sequenzierung des Motivs im Bass und Tremolo in den Violinen. Die Überleitung zur Reprise (Takt 112–120) verwendet den Kontrapunkt des Tonrepetitions-Motivs von Takt 29, unterlegt von einem Orgelpunkt auf H. Ab Takt 120 setzt dann auch das Tonrepetitions-Motiv selbst ein, so dass man hier den Beginn der Reprise sehen kann. Wie in der Exposition schließt sich der Abschnitt mit den großen Intervallsprünge dem Forzato und den energische Wiederholungen an.

Der Beginn der Schlussgruppe in Takt 151, die wie in der Exposition gestaltet ist, wird von einem e-Moll-Dreiklang des Horns eingeleitet. Nach dem Orgelpunkt auf H schließt die Sinfonie mit dem Kopf vom Hauptthema, Tremolo und – wie auch im ersten und zweiten Satz – Schlussakkorden ohne Terz. Exposition sowie Durchführung und Reprise werden wiederholt.

Was beim Hören kaum auffällt, ist die Verwendung des Kopfes vom Eröffnungsmotiv des ersten Satzes in der Überleitung zur Reprise (Takt 119/120) in den Violinen sowie eines Fragments des Motivs in den Oboen / im Bass in den Takten 139 und 141 (betonte chromatische Abwärtsschritte).

Besetzung

2 Oboen, 2 Hörner (in E und G) und Streicher: Violine (2), Bratsche, Violoncello und Kontrabass (non divisi)

Zur Verstärkung der Bassstimme wurde damals – auch ohne gesonderte Notierung – üblicherweise ein Fagott (colla parte) eingesetzt. Über die Beteiligung eines Cembalos als Continuo in Haydns Sinfonien bestehen unterschiedliche Auffassungen.[13]

Siehe auch

Notenausgaben

  • Joseph Haydn: Sinfonia No. 44 e minor. Philharmonia-Band Nr. 744, Wien ohne Jahresangabe. Reihe: Howard Chandler Robbins Landon (Hrsg.): Kritische Ausgabe sämtlicher Sinfonien von Joseph Haydn.
  • Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 44 e-Moll „Trauersinfonie“. Ernst Eulenburg-Verlag No. 544, London/ Mainz ohne Jahresangabe, 79 S. (Taschenpartitur).

Literatur

  • Andreas Friesenhagen, Ulrich Wilker: Sinfonien um 1770–1774. In: Joseph Haydn-Institut Köln (Hrsg.): Joseph Haydn Werke. Reihe I, Band 5b. G. Henle-Verlag, München 2013, ISMN 070-0-2018-5044-3, 270 S.
  • Hans Swarowsky, Manfred Huss (Hrsg.): Wahrung der Gestalt. Schriften über Werk und Wiedergabe, Stil und Interpretation in der Musik. Universal Edition AG, Wien 1979, ISBN 978-3-7024-0138-2.

Einzelnachweise, Anmerkungen

  1. Informationsseite der Haydn-Festspiele Eisenstadt, siehe unter Weblinks.
  2. Howard Chandler Robbins Landon: Joseph Haydn, Symphonie No. 44, E-moll („Trauer-Sinfonie)“. Taschenpartitur Nr. 544, Ernst Eulenburg, London/Mainz o. J.
  3. Anton Gabmayer: Joseph Haydn: Symphonie Nr.44 e-moll, Hob.I:44 „Trauersymphonie“. Begleittext zur Aufführung der Sinfonie am 30. Mai 2009 bei den Haydn-Festspielen Eisenstadt, www.haydn107.com/index.php?id=32, Stand September 2009
  4. Horst Walter: Trauersinfonie. In Armin Raab, Christine Siegert, Wolfram Steinbeck (Hrsg.): Das Haydn-Lexikon. Laaber-Verlag, Laaber 2010, ISBN 978-3-89007-557-0, S. 789–790.
  5. Howard Chandler Robbins Landon (Haydn: Chronicle and works. Haydn at Eszterháza 1766 – 1790. Thames and Hudson, London 1978, S. 297) hält den Titel für geeignet (the title, for once, is apt). Andreas Friesenhagen, Ulrich Wilker (Sinfonien um 1770–1774. In: Joseph Haydn-Institut Köln (Hrsg.): Joseph Haydn Werke. Reihe I, Band 5b. G. Henle-Verlag, München 2013, ISMN 070-0-2018-5044-3, S. VII) halten ihn mit Verweis auf eine Veröffentlichung von Sonja Gerlach für ungeeignet.
  6. a b James Webster: Hob.I:44 Symphonie in e-Moll. Informationstext zu Joseph Haydns Sinfonie Nr. 44 im Rahmen des Projektes „Haydn 100&7“ der Haydn-Festspiele Eisenstadt, http://www.haydn107.com/index.php?id=2&sym=44, Stand Dezember 2009
  7. Ludwig Finscher (Joseph Haydn und seine Zeit. Laaber-Verlag, Laaber 2000, ISBN 3-921518-94-6) lehnt die Einordnung in den Sturm-und-Drang-Kontext ab: „Mit der Jugendbewegung des literarischen Sturm und Drang, der nur ein kurzes Leben hatte und in Esterhaza wie in der ganzen habsburgischen Hofkultur schwerlich inhaltlich rezipiert wurde (…), haben Haydns Moll-Symphonien nichts zu tun – sehr wohl aber mit der allgemeinen Tendenz, durch Moll-Tonarten und die Übernahme von Elementen der Opernsprache wie Orchester-Tremolo, Synkopenketten, große Intervalle, schroffe Kontraste, Rezitativ-Formeln die Sprache der Symphonie anzureichern, zu vertiefen, ja überhaupt erst zum Reden zu bringen.“
  8. H. C. Robbins Landon: Vorwort (Taschenpartitur). Eulenburg, London 1957.
  9. Howard Chandler Robbins Landon: Haydn: Chronicle and works. Haydn at Eszterháza 1766 – 1790. Thames and Hudson, London 1978, S. 298.
  10. Karl Geiringer: Joseph Haydn. Der schöpferische Werdegang eines Meisters der Klassik. B. Schott´s Söhne, Mainz 1959
  11. Allgemeine Musikalische Zeitung vom 11. Oktober 1809, zitiert bei Gabmayer
  12. Howard Chandler Robbins Landon: The Symphonies of Joseph Haydn. Universal Edition & Rocklife, London 1955 S. 323
  13. Beispiele: a) James Webster: On the Absence of Keyboard Continuo in Haydn's Symphonies. In: Early Music Band 18 Nr. 4, 1990, S. 599–608); b) Hartmut Haenchen: Haydn, Joseph: Haydns Orchester und die Cembalo-Frage in den frühen Sinfonien. Booklet-Text für die Einspielungen der frühen Haydn-Sinfonien., online (Abruf 26. Juni 2019), zu: H. Haenchen: Frühe Haydn-Sinfonien, Berlin Classics, 1988–1990, Kassette mit 18 Sinfonien; c) Jamie James: He'd Rather Fight Than Use Keyboard In His Haydn Series. In: New York Times, 2. Oktober 1994 (Abruf 25. Juni 2019; mit Darstellung unterschiedlicher Positionen von Roy Goodman, Christopher Hogwood, H. C. Robbins Landon und James Webster). Die meisten Orchester mit modernen Instrumenten verwenden derzeit (Stand 2019) kein Cembalocontinuo. Aufnahmen mit Cembalo-Continuo existieren u. a. von: Trevor Pinnock (Sturm und Drang-Sinfonien, Archiv, 1989/90); Nikolaus Harnoncourt (Nr. 6–8, Das Alte Werk, 1990); Sigiswald Kuijken (u. a. Pariser und Londoner Sinfonien; Virgin, 1988 – 1995); Roy Goodman (z. B. Nr. 1–25, 70–78; Hyperion, 2002).