Memmert
Die ca. 6,20 km² große deutsche Nordsee-Insel Memmert liegt südwestlich von Juist und östlich von Borkum an der Osterems. Vorlage:Koordinate Artikel
Geschichte
Memmert wurde 1650 zum ersten Mal erwähnt als Sandbank, „die nicht mehr bei einer gemeinen Flut unterläuft und stellenweise Bewuchs trägt“.
Es war der Juister Lehrer Otto Leege (1862-1951), der als Geburtshelfer und „Vater“ des Memmert gilt.
Otto Leege wurde 1862 in Uelsen (Grafschaft Bentheim) geboren, 1882 übernahm er auf der Insel Juist eine Lehrerstelle. Wegen seiner zahlreichen Studien zur Botanik und Pflanzensoziologie, Zoologie und Ornithologie, Geschichte und Geologie erhielt er von der Universität Göttingen die Ehrendoktorwürde verliehen.
Leege betrat 1888 zum ersten Mal die Sandbank bei Juist. Aber nicht nur er besuchte die Insel in den Folgejahren immer wieder: Zum touristischen Angebot der Insel Juist wurden Möwenjagden, auch auf Memmert veranstaltet, wobei der Begriff „Möwe“ sehr weit gefasst und alles geschossen wurde, was fliegen konnte. Eiersammler der benachbarten Inseln plünderten jährlich fast alle Gelege der Silbermöwe, der Austernfischer und der verschiedenen Seeschwalbenarten.
Nach einer solchen Jagd konnte Leege 1906 beim Besuch der Insel praktisch keinen unversehrten Vogel mehr auf Memmert auffinden. Viele Kadaver von Altvögeln und verhungerten Jungvögeln lagen zwischen Patronenhülsen, angeschossene Vögel liefen in den Dünen herum.
Durch die Initiative des "Deutschen Vereins zum Schutze der Vogelwelt" wurde Memmert durch einen Erlass des preußischen Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten in Berlin am 31. Juli 1907 zur Vogelkolonie erklärt. Otto Leege wurde vom Verein zum Bevollmächtigten bestellt.
Die erste Hütte wurde 1908 auf der Insel gebaut. Ein erster Vogelwärter von Juist bewachte die Insel. Durch Dünenabbrüche mussten in den Jahren 1924, 1957 und 1971 neue Häuser an verschiedenen Stellen gebaut werden, bevor die jeweiligen Vorgänger durch die Stranderosion unterspült wurden. Das Fundament des Hauses von 1957, erbaut auf einer Betonplattform auf Stahl- und Betonständern für eine Küstenbatterie im 1. Weltkrieg, steht noch heute am Strand von Memmert und kann mit einem Fernglas von Juist, Borkum und vom Festland aus gesehen werden. Die Betonkonstruktion stand einmal mitten in den Dünen und steht nun 250m von den Dünen entfernt im Watt.
Die Insel wurde, zunächst ab 1908 sporadisch, dann ab 1921 dauernd von einem Vogelwart bewohnt. Der erste ständige Vogelwärter war der Sohn Otto Leeges, Otto Leege jr.. Er blieb mit seiner Familie bis zu seinem frühen Tode 1946 auf der Insel, an ihn erinnert ein mächtiges Holzkreuz auf der danach benannten "Kreuzdüne". Die Arbeit auf der Insel wurde zunächst von seiner Frau Therese Leege bis 1956 fortgeführt.
Ihr Schwiegersohn Gerhard Pundt führte die Arbeit eines Inselvogtes und Vogelwartes ab 1956 bis 1972 weiter, er lebte mit seiner Familie auf der Insel. Pundt jagte und fischte auf der Insel und fuhr darauf mit einem alten VW-Käfer.
Sein Nachfolger wurde 1973 Reiner Schopf, er begann seinen Dienst beim damaligen "Bauamt für Küstenschutz" in Norden als Inselvogt der Insel Memmert.
Schopf lebte dort 30 Jahre lang, nur durch gelegentliche Urlaube unterbrochen, bis zum August 2003 und verließ die Insel aus Altersgründen. Schopf hatte erheblichen Anteil daran, die Insel wirksam vor Störungen durch Jäger, Reusensteller, Touristen und Wassersportler zu schützen. Er legte sich auch öffentlich mit den vermeintlich "Betretungsberechtigen" und der Nationalparkverwaltung an, die nach seinem Dafürhalten nicht genug gegen gemeldete Störungen und Beeinträchtigungen von Brut- oder Rastvögeln unternahm. Auf der Nachbarinsel Juist hielt Schopf in der Tourismussaison regelmäßig Vorträge über den Küstenvogelschutz und die Nutzungskonflikte im Wattenmeer.
Sein Nachfolger wurde 2003 Enno Janssen, Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesbetriebes für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN)in Norden.
Das Vogelwärterhaus auf der Kreuzdüne wurde 2003 völlig renoviert und mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet. Der NLWKN unterhält das komfortable Reetdachhaus von 1971 für den jeweiligen Inselvogt, zu dessen Aufgaben die alljährliche Brutvogelerfassung, die Verhinderung von Störungen und das Absammeln von Müll gehört.
Seit 1986 gehört Memmert zur Schutzzone I im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.
Seezeichen
Am 31.8.1900 wird eine Bake errichtet, die aber schon im folgenden Jahr durch eine Sturmflut zerstört wird. Neue Baken werden in den Jahren 1901, 1910 und 1931 errichtet. Die letzte fällt im Winter 1936/37 einer Sturmflut zum Opfer. Ab 1932 wird das alte, 14 m hohe und ölbetriebene Ostmolenfeuer von Emden verwendet.
1939 wird in den Dünen ein neuer Leuchturm gebaut und erstmals eine (inzwischen defekte) Stromleitung nach Memmert verlegt. Der Leuchtturm ist seit 1986 nicht mehr in Betrieb. Durch Dünenerosion stand er 1986 im Wasser, seine Optik wurde 1990 abgebaut und wird seit 1992 auf dem Leuchtturm im Juister Hafengelände ohne Schiffahrtsfunktion lediglich als nostalgische Erinnerung wieder verwendet. Er dient als Verschönerung des Hafengeländes. 2002 wurde der Leuchtturm auf Memmert abgerissen, als sein Fundament schon längst freigespült in der Brandung stand.
Name
Memmert wurde auf alten Karten als "de Meem" bezeichnet. Es ist reine Spekulation, dass der Name „Memmert“ vom Eisheiligen Mamertus abgeleitet wird, nach dem ein angeblich Schiff benannt war, das auf der damaligen Sandbank gestrandet sein soll.
Natur
Memmert ist neben Norderog, Trischen, Süderoog, Nigehörn, Scharhörn, Alte Mellum, Minsener Oog, Rottumerplaat, Rottumeroog und Griend eine der wenigen (von Wärtern abgesehen) unbewohnten Inseln im Wattenmeer. Hier können auch sehr scheue Vögel weitgehend von Menschen ungestört brüten und rasten. Hier ist einer der wenigen Brutplätze des Löfflers in Deutschland, der hier 1996 zum ersten Mal erfolgreich brütete. Memmert verfügt über eine große Brutkolonie der Heringsmöwe (Larus fuscus). Auf der Billdüne brüten Kormorane als Bodenbrüter. Alle Seeschwalbenarten haben in unterschiedlicher Häufigkeit auf der Insel gebrütet. Die Insel ist ebenfalls Brutplatz der Löffelente, der Eiderente, der Kornweihe und verschiedener Watvogelarten. Allerdings ist der Brutplatz nur begrenzt: Die Insel ist zwar ca. 620 Hektar groß (Fläche über dem mittleren Tidehochwasser, mTHw)), davon bestehen ca. 200 Hektar aus Grünland, von dem nur 150 Hektar Springtiden-Hochwasser frei sind, d.h. nur diese 150 Hektar können ohne Überflutungsgefahr als Brutplätze genutzt werden.
Politischer Status
Memmert gehört zum Landkreis Aurich in Niedersachsen. Die Insel ist ein gemeindefreies Gebiet (Schlüssel: 03 4 52 501).
Da Memmert zur Schutzzone I des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer gehört, darf sie ohne schriftliche Genehmigung der Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven nicht betreten werden.
Nach der Brutsaison werden ab August Fahrten von Juist mit einer Führung auf der Insel für eine begrenzte Personenzahl durch den Nationalparkwart angeboten.
Literatur
Hans Nitzschke (Hrsg.):Das Otto Leege Buch, Verlag Ostfriesische Landschaft, Aurich, 1971
Michael Schulte: Insel-Liebe - Menschenlos glücklich: ein Porträt, 130 Seiten, Books on Demand, ISBN 3-8334-3244-6 (Das Porträt beschreibt den Vogelwart Reiner Schopf)
Erskine Childers ((1870-1922): Das Rätsel der Sandbank (The Riddle of the Sands), fiktiver Spionageroman, der die Aufdeckung der Invasionsvorbereitung der britischen Insel durch das deutsche Kaiserreich im Jahr 1902 zum Inhalt hat. Schauplatz ist das ostfriesische Wattenmeer und auch Memmert als Trainingsinsel für die Invasion, im Roman Memmert Sand genannt. Der Roman wurde mehrfach verfilmt.