Erhard Schlechte

Erhard Schlechte (* 14. August 1911 in Dresden; † 11. August 1979 in Leipzig) war ein deutscher Bauingenieur und Hochschullehrer.
Leben und berufliche Laufbahn
Erhard Schlechte wurde als einer von vier söhnen eines Behördenangestellten am 14. August 1911 in Dresden geboren.
1932 nahm er das Studium der Bauingenieurwissenschaften an der Technischen Hochschule Dresden auf. Er absolvierte das Studium Erfolg, und erhielt 1938 im Privatbüro seines Professors Kurt Beyer, bei dem er promovierte, eine Anstellung. Das Ingenieurbüro Beyer befasste sich mit der statisch-konstruktiven Planung, Prüfung, Begutachtung und Überwachung von Brückenbauwerken, Bergwerkanlagen,und Wasserkraftanlagen. Kurt Beyer galt als führende Persönlichkeit seiner Zeit im Ingenieurwesen Deutschlands. Ein Schwerpunkt von seiner Forschungstätigkeit waren baustatische Analysen von Großgeräten des Braunkohletagebaus. Die Anstellung im Ingenieurbüro von Kurt Beyer war nicht nur eine große berufliche Chance, sondern hat ihm letztlich wohl sein Leben gerettet. Kurt Beyer ermöglichte ihm vom Wehrdienst befreit zu werden. 1940 beendetet er seine Doktorarbeit erfolgreich. Im Juli 1941 heiratete er in Dresdenu Maria Schüßler, mit der er drei gemeinsame Kinder hat (Horst * 1942, Anna * 1945 und Christine * 1949).
Am 13. Februar 1945 wurden er und seine Familie Opfer der Bombennacht von Dresden. Sie verloren ihre Wohnung sowie allen Besitz und mussten in einem kleinen Dorf bei Liebstadt Zuflucht suchen. Auch das Ingenieurbüro Beyer wurde in der Bombennacht zerstört. Erst nach zwei Jahren kehrten die Familie nach Dresden zurück. Kurt Beyer hatte sein Ingenieurbüro inzwischen in seine Privatvilla verlegt, aber viele seiner Mitarbeiter hatten den Krieg nicht überlebt oder wollten nicht mehr in das russisch besetzte Dresden kommen. In dieser schweren Nachkriegszeit begann der Wiederaufbau von Dresden unter schwierigen Umständen.
1945 stellte sich Kurt Beyer der Dresdner Stadtverwaltung für den Wiederaufbau der Stadt zur Verfügung. Vorrangige Aufgabe war zunächst der provisorische Wiederaufbau der zerstörten Elbbrücken. Das Büro übernahm den Wiederaufbau der alten historischen Elbebrücke zwischen der Hofkirche und dem Goldenen Reiter, genannt Augustusbrücke. Das Büro überlebte den Umschwung zum kommunistischen System auf Grund des Einsatzes von Kurt Beyer und den hohen Leistungen seiner Mitarbeiter. Kurt Beyer verstarb am 9. Mai 1952 in Dresden. Er hatte vor seinem Tod Erhard Schlechte die technische Leitung seines Büros übergeben. Er blieb technischer Leiter des Ingenieurbüros Beyer bis um 1963. Unter der technischen Leitung von Erhard Schlechte hat das Ingenieurbüro Beyer baustatische Leistungen in den Fachbereichen der Vorkriegszeit weitergeführt und um zusätzliche neue Aufgaben erweitert.

Ende der 1950er Jahre reichte das Ingenieurbüro Beyer einen Entwurf für den Wiederaufbau der Eisenbahnbrücke über die Elbe ein. Dieser Entwurf wurde von der Bewertungskommission bestätigt. Daraufhin erhielt das Büro seine bedeutendsten ingenieurtechnische Auftrag und die Verantwortung für die gesamte Entwurfsphase. Das Entwurfskonzept beabsichtigte eine neuartige Stahlbaubrücke in zwei Abschnitten mit jeweils einem Dreifeldträger als Bauwerkssystem in Längsrichtung. Der westliche Brückenteil ist 195 m lang und überspannt die zirka 14,3 m hohe Schifffahrtsöffnung mit einer Stabbogenbrücke. Die Hauptöffnung spannt 101,4 m weit und das Randfeld hat eine Stützweite von 50,0 m. Der anschließende, dreifeldrige Überbau im östlichen Vorlandbereich ist 151,6 m lang. Der Brückenbau wurde 1964 begonnen und 1966 beendet. Neuartig war auch die Montage der Brücke. Der neue Überbau wurde oberhalb des alten Brückenzuges in der Achse der ehemaligen Straßenbrücke hergestellt und mit einem Gleis in Betrieb genommen. Anschließend folgte der Abbruch der alten Brücke und schließlich das Querverschieben der neuen Brücke um den Abstand der beiden Gleisachsen.
1956 wurde Erhard Schlechte zum Professor an die neu gegründete Hochschule für Bauwesen [1] (heue Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig- HTWK]) berufen. Seinen Ruf an die Hochschule hat er unter der Bedingung angenommen, seine Arbeitszeit in Leipzig mit den Verpflichtungen im Büro in Dresden zu teilen. Die HfB Leipzig erstellte 1955 erste Studienpläne nach dem Vorbild des Lehrkonzepts der Technischen Universität Dresden Fachrichtung Konstruktiver Ingenieurbau. Erhard Schlechte wurde am 1. August 1956 Ordentlicher Professor mit Lehrstuhl für Stahlbau und Festigkeitslehre.
Während seiner Tätigkeit als Professor hat er an Gutachten und Forschungsprojekten gearbeitet. Er war Bausachverständiger für den Bereich Statik im Bauwesen, sowie zugelassener Gutachter und Prüfingenieur für Statik.
1961 wurde der Hochschule für Bauwesen das Recht erteilt, Studenten zum Doktoringenieur und Doktor-habil. zu promovieren. Der erste internationale Anwärter als Doktorand der Hochschule, S. B. Synghal aus Indien, wurde von Erhard Schlechte bereits 1959 eingestellt. Er promovierte dann 1962 erfolgreich. Das war der erste internationale Student und andere Das Lehrwerk von Kurt Beyer "Die Statik im Stahlbetonbau". Ein Lehr- und Handbuch der Baustatik wurde von Bauingenieuren dieser Zeit die Bibel des Bauwesens genannt. Erhard Schlechte bearbeitete das Buch nach dem Tod von Kurt Beyer und ermöglichte so weitere Auflagen. Diese Arbeit motivierte ihm dann schließlich ein eigenes Lehrbuch zu verfassen. Sein Lehrwerk „Festigkeitslehre für Bauingenieure“ erschien in 4 Auflagen und wurde ein unverzichtbares Lehrwerk für Bauingenieure über die Grenzen der DDR hinaus.
Als Professor für Stahlbau und Festigkeitslehre baute er das Institut für Konstruktiven Ingenieurbau an der Hochschule für Bauwesen Leipzig auf und war dessen langjähriger Direktor. Er beschäftigte sich vorrangig mit Problemen der Stabilitätstheorie sowie der Theorie der ebenen und räumlichen Flächentragwerke. Zu seinen wichtigsten Praxisleistungen gehörten neben zahlreichen Gutachten die technische Umgestaltung von Tagebaugroßgeräten und der Riesaer Eisenbahnbrücke. Er hat auch neue Ingenieurbereiche wie zum Beispiel den Metallleichtbau und Textilverbundbau/Traglufthallen in seinen Anfangsphasen gefördert und mitgestaltet. Von 1968 bis 1974 war er Stellvertreter für Forschung in der HfB.
Er erhielt in den 1970er Jahren die höchste staatliche Auszeichnung der DDR im technischen Bereich und wurde zum Verdienter Techniker des Volkes ernannt.
Kirchliche Bindungen
Erhard Schlechte war in einer evangelisch-lutherischen Familie aufgewachsen. 1947 entdeckte er die Evangelische Gemeinschaft (später Evangelisch-methodistische Kirche – EmK genannt). Erhard und seine Familie wurden Mitglieder und bald aktive Mitarbeiter im Kirchendienst. Eines seiner ersten freiwilligen Aufgaben 1954 war die Transportorganisation von Teilnehmern aus Dresden zum Anlass des 6. Deutschen Evangelischen Kirchentages in Leipzig, was damals mit Eisenbahngüterwagen stattfand. Später übernahm er zahlreiche ehrenamtliche Ämter in dieser Kirche, wie z.B. Mitglied des Kirchgemeindevorstandes, Laienprediger, Mitglied der Zentralkonferenz und des Zentralrates der Kirche. Von 1972 bis 1976 wurde er in den Kirchenvorstand der EmK gewählt.
Literatur
- Eimerketten-Großbagger des Braunkohlentagebaues / Erhard Schlechte (1956). In: Freiberger Forschungshefte
- Eisenbahnbrücke Riesa / Erhard Schlechte (1968). In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Technischen Universität Dresden
- Prof. Dr.-Ing. Erhard Schlechte 65 Jahre / Hans-Ehrenfried Goeben (1976). In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Hochschule für Bauwesen Leipzig
- Der Stahlbaufachmann Prof. Dr.-Ing. E. Schlechte / Konrad Ehelebe, Ehler Fritzsche, Gottfried Hünersen (1990). In: Beiträge zur Geschichte von Technik und technischer Bildung
- Schlechte, E.: Der Schubmittelpunkt und Wölbwiderstand bei dünnwandigen Staben. Wiss. Z. d. Hochbsch. f. Bauswesen Leipzig 9 (1963) 1, S. 25–37
- Schlechte, E.: Die Torsion dünnwandiger Stäbe mit Schubverformung aus behinderter Querschnittsverwölbung. Bauplan. Bautechnik 18 (1964) 10, S 502–507, 11, S 556–560
- Schlechte, E. Die grafische Darstellung der Schlankheitsgrade mittig gedrückter Stäbe aus Stahl mit offenem dünnwandigem Querschnitt, Bauplan. Bautechnik, 14 (1960) 9, S 418–423
- Schlechte, E. Grafische Darstellung der Schlankheitsgrade des Biegedrillknickens, Drillknickens und Biegeknickens mittig gedrückter offener Stäbe, Konstruktions-Katalog N 51–52 Dresden, Institut für Leichtbau, 1973
Schriften
- Der Verschiebungszustand räumlicher Rahmen mit zyklischer Symmetrie als Grundlage für den Spannungsnachweis. Borna-Leipzig Spezialbetrieb für Dissertationsdruck von Robert Noske, 1940.
- Festigkeitslehre für Bauingenieure. Berlin VEB Verlag für Bauwesen 1967, Werner Verlag, Düsseldorf 1967,2. 3. und 4. verbesserte Auflage. Berlin VEB Verlag für Bauwesen 1974, 4. bearbeitete Auflage Bauverlag Wiesbaden, Berlin 1981.
Einzelnachweise
Personendaten | |
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NAME | Schlechte, Erhard |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Bauingenieur und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 14. August 1911 |
GEBURTSORT | Dresden |
STERBEDATUM | 11. August 1979 |
STERBEORT | Leipzig |