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Urknall

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Der Urknall ist eine Bezeichnung für den Beginn des Universums. Der Begriff wurde von Sir Fred Hoyle geprägt, der als Kritiker dieser Theorie mit dem Begriff Big Bang versuchte, diese unglaubwürdig erscheinen zu lassen.

Übersicht

Der Zeitpunkt dieses Ereignisses wird auf 13,7 ± 0,2 Milliarden Jahre vor unserer Zeit geschätzt. Wenn man den heutigen Bewegungszustand der Galaxien auf die damalige Zeit zurückrechnet, kommt man zu einem Punkt, an dem die Temperatur unendlich und die Entfernung zwischen allen Objekten null gewesen sein müsste. Da der Raum bei Abständen kleiner als die Planck-Länge (ca. 10-35 m) seine bekannten Eigenschaften verliert, muss am Urknall jedoch nicht unbedingt eine mathematische Singularität vorgelegen haben.

Der Urknall ist nicht nur der Beginn der Existenz von Materie sondern auch der Beginn von Raum und Zeit. Nach Stephen W. Hawking hat es einen Zeitpunkt 1 Sekunde vor dem Urknall ebenso wenig gegeben wie eine Stelle 1 km nördlich des Nordpoles.

Der Urknall fand nicht an einer speziellen Stelle im Raum statt, von der aus die Materie anschließend in den leeren Raum hinein expandiert wäre, sondern das gesamte Universum war zu jedem Zeitpunkt mit Materie gefüllt, und der Raum selbst dehnte sich aus. Die Kosmologie modelliert diese Expansion des Universums mit Hilfe von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie.

Die Urknalltheorie erklärt insbesondere folgende experimentellen Beobachtungen:

Das prinzipiell mögliche Gegenstück des Urknalls, ein zeitlich Ende des Universums, wird als Endknall bezeichnet.

Phasen des Urknalls

Wendet man die bekannten physikalischen Gesetze auf den Urknall an, so ergibt sich, dass der Kosmos in den ersten Sekundenbruchteilen der Expansion eine Vielzahl von verschiedenen extrem kurzlebigen Phasen durchlaufen haben muss. Aufgrund der geringen Abstände und der hohen Geschwindigkeiten der beteiligten Teilchen können sie jedoch durchaus vergleichbar ereignisreich wie spätere Phasen gewesen sein. Gewisse Details dieser Phasen sind noch ungeklärt. Im Wesentlichen geht man von folgendem Ablauf aus:

10-43 s – Planck-Ära und Beginn der GUT-Ära

Das Universum beginnt mit einem Zustand, bei dessen Beschreibung die bekannten physikalischen Gesetze versagen. Aus sehr elementaren Überlegungen folgt jedoch, dass die Dichte zu Beginn etwa 1094 g/cm3 und die Temperatur etwa 1032 K betragen haben muss (siehe Planck-Skala). Insbesondere muss man davon ausgehen dass die Zeit selbst unterhalb von 10-43s, der Planck-Zeit, ihre Eigenschaften als Kontinuum verliert, so dass Aussagen über einen Zeitraum zwischen einem Zeitpunkt Null und 10-43 s sinnlos sind. In diesem Sinn hat die Planck-Ära keine Dauer.

In diesem ersten Moment sind alle vier bekannten Grundkräfte der Natur,

noch zu einer einzigen Urkraft vereint. Mit dem Beginn der Expansion und damit dem Ende der Planck-Ära spaltet sich die Gravitation als eigenständige Kraft ab. Die drei restlichen Kräfte werden als GUT-Kraft (Grand Unified Theorie) bezeichnet. Abspaltungen dieser Art ereigneten sich später noch zweimal und stehen in Zusammenhang mit so genannten Symmetriebrechungen.

Die hohe Temperatur hat zur Folge, dass sich ständig Teilchen und Energie in Form von Strahlung gemäß der Beziehung E=mc2 der Relativitätstheorie ineinander umwandeln. Materie und Strahlung befinden sich dabei im thermischen Gleichgewicht. Die Natur der meisten in der GUT-Ära vorliegenden Teilchen ist jedoch unbekannt. Aufgrund einer gewissen Asymmetrie der GUT-Kraft bezüglich Materie und Antimaterie kann sich dabei ein winziger Überschuss von Materie im Vergleich zur Antimaterie bilden. Dabei spielt möglicherweise ein noch hypothetisches X-Teilchen eine entscheidende Rolle. Dieser Überschuss von nur einem Milliardstel bildet später die Basis für die gesamte Materie, die wir heute im Kosmos finden, und damit auch für unsere Existenz.

10-36 s – Inflationäres Universum

Die Temperatur ist auf 1027 K abgesunken. Die Starke Wechselwirkung spaltet sich von der GUT-Kraft ab. Dieser Vorgang ist vergleichbar mit einem Phasenübergang wie dem Kristallisieren von Eis in Wasser durch Abkühlung. Man geht davon aus, dass diese Abspaltung verzögert eingesetzt hat, so wie es auch bei einem Kristallisationsvorgang möglich ist. Anders als Wasser besitzt ein Eiskristall bestimmte Vorzugsrichtungen, die sich bei der Kristallisation in eine zufällige Richtung orientieren. Dieser Vorgang wird als spontane Symmetriebrechung bezeichnet, in diesem Beispiel die der Kugelsymmetrie von Wasser.

Die bei der verzögerten Abspaltung freiwerdende Energie führt zu einer Phase extrem rascher Expansion, dem so genannten Inflationären Universum, wobei zwischen den Zeitpunkten 10-35s und 10-33s eine Ausdehnung um einen Faktor von etwa 1030s stattfindet. Der Bereich, der dem heute sichtbaren Universum entspricht, expandiert dabei von einem Durchmesser, der den eines Protons weit unterschreitet, auf etwa 10 cm.

Eine derartige Inflation würde elegant mehrere kosmologische Beobachtungen erklären, für die man die andernfalls keine Erklärung hätte, nämlich

Siehe dazu Inflationäres Universum.

10-33 s – Beginn der Quark-Ära

Die Temperatur ist auf 1025 K abgesunken. Es bilden sich Quarks und Anti-Quarks. Die Temperatur ist so hoch und die Zeiten zwischen zwei Teilchenstößen so kurz, dass sie keine Protonen oder Neutronen bilden können, sondern als freie Teilchen anzusehen sind. Schwerere Teilchen, wie die X-Teilchen, sterben aus, da sie instabil sind, und die Temperatur für eine erneute Entstehung aus Strahlung nicht mehr ausreicht.

10-12 s – Vier Grundkräfte

Unterhalb von 1016 K bildet sich aus der verbliebenen Elektroschwachen Kraft die Schwache und die elektromagnetische Kraft. Damit ist der Zerfall der Urkraft in die vier bekannten Grundkräfte abgeschlossen.

10-6 s – Beginn der Hadronen-Ära

Unterhalb von 1013 K können die Quarks nicht mehr als freie Teilchen existieren sondern vereinigen sich zu Hadronen. Mit abnehmender Temperatur sterben die schwereren Hadronen aus, und es bleiben schließlich Protonen und Neutronen sowie ihre Antiteilchen übrig. Durch ständige Umwandlungen von Protonen in Neutronen und umgekehrt entsteht auch eine große Zahl von Neutrinos.

10-4 s – Beginn der Leptonen-Ära

Die Temperatur ist auf 1012 K gesunken. Die meisten Protonen und Neutronen werden bei Stößen mit ihren Antiteilchen vernichtet bis auf den oben erwähnten Überschuss von einem Milliardstel. Aufgrund ihres geringen Massenunterschieds bildet sich dabei ein Verhältnis von Protonen zu Neutronen von 6:1 aus, das für den späteren Heliumanteil im Kosmos von Bedeutung sein wird. Die Temperatur reicht nun lediglich noch dazu aus, Leptonen-Paare, wie ein Elektron und sein Antiteilchen, das Positron, zu bilden, die damit die dominante Teilchensorte stellen. Die Dichte sinkt auf 1013 g/cm3, ein immer noch immens hoher Wert. Für Neutrinos, die kaum mit anderen Teilchen wechselwirken, ist er jedoch niedrig genug, um völlig vom Rest der Welt zu entkoppeln.

1 s – Ende der Leptonen-Ära

Unterhalb von 1010 K vernichten sich nun auch Elektronen und Positronen bis auf den Überschuss von einem Milliardstel an Elektronen. Damit ist die Bildung der Bausteine der Materie, aus der sich der Kosmos auch heute noch zusammensetzt weitgehend abgeschlossen.

10 s – Beginn der Nukleosynthese

Unterhalb einer Temperatur von 109 K vereinigen sich Protonen und Neutronen durch Kernfusion zu ersten Atomkernen. Diesen Prozess nennt man primordiale Nukleosynthese. Dabei bilden sich 25% Helium-4 (4He) und 0,001% Deuterium sowie Spuren von Helium-3 (3He), Lithium und Beryllium. Die restlichen 75% stellen Protonen, die späteren Wasserstoffatomkerne. In den ältesten Sternen im Kosmos findet sich heute noch genau diese Zusammensetzung. Nach 5 min. hat die Dichte der Materie soweit abgenommen, dass die Nukleosynthese zum Erliegen kommt. Die übriggebliebenen freien Neutronen sind nicht stabil und zerfallen im Verlauf der nächsten Minuten.

Alle schwereren Elemente entstehen erst später im Inneren von Sternen. Die Temperatur ist immer noch so hoch, dass die Materie als Plasma vorliegt, einem Gemisch aus freien Atomkernen, Protonen und Elektronen in einem Bad aus Temperaturstrahlung im Röntgenbereich.

10.000 Jahre – Ende der Strahlungs-Ära und Beginn der Materie-Ära

Bisher stellte die Strahlung den Hauptanteil der Energiedichte im Kosmos. Durch die mit der Expansion verbundene Temperaturrückgang nimmt sie jedoch ständig ab. Die Energiedichte der Materie, die über die Beziehung E=mc2 mit der Masse der Teilchen verbunden ist, nimmt aufgrund ihrer Ruhemasse deutlich langsamer ab. Daher überflügelt nun die Materie die Strahlung hinsichtlich ihres Beitrags zur Gesamtenergie.

397.000 Jahre – Entkopplung der Hintergrundstrahlung

Die Temperatur beträgt jetzt 3.000 K. Bei diesem Wert können die Atomkerne und Elektronen zu Atomen rekombinieren. Zuvor stand die Strahlung in permanenter Wechselwirkung mit den freien Ladungen. Das Universum war daher undurchsichtig. Die Wechselwirkung von Licht mit neutralen Atomen ist jedoch sehr viel geringer, so dass Licht sich nun ungehindert ausbreiten kann. Das Universum wird durchsichtig.

Im Verlauf der weiteren Expansion nimmt die Wellenlänge der abgekoppelten Hintergrundstrahlung zu. Sie ist heute in Form von Radiowellen messbar, die einer Temperatur von 2,73 K entsprechen, der sogenannten 3-Kelvin-Strahlung.

1 Millionen Jahre – Beginn der Bildung von großräumigen Strukturen

Durch die Entkopplung der Strahlung gerät die Materie nun stärker unter den Einfluss der Gravitation. Ausgehend von räumlichen Dichtevariationen, die möglicherweise bereits in der inflationären Phase durch Quantenfluktuationen entstanden sind, bilden sich nun die großräumigen Strukturen im Kosmos. Dabei beginnt die Materie in den Raumgebieten mit höherer Massedichte als Folge gravitativer Instabilität zu kollabieren und die Massenansammlungen zu bilden, aus denen später die Galaxien und Galaxien-Cluster entstehen.

1 Milliarde Jahre – Entstehung von Galaxien und Sternen

Viele der jungen Galaxien entstehen zunächst als Quasare. Dabei handelt es sich um Galaxien mit einem Schwarzen Loch im Zentrum, in das große Mengen von Materie stürzt, was enorme Strahlungsausbrüche zur Folge hat.

Die kollabierenden Gaswolken haben sich inzwischen soweit verdichtet, dass sich Sterne und Kugelsternhaufen bilden. In den Sternen bilden sich nun durch Kernfusion alle schwereren Elemente bis zum Eisen. Die schwereren Sterne explodieren bereits nach wenigen Millionen Jahren als Supernova. Während der Explosion können sich auch die Elemente schwerer als Eisen bilden.

9,2 Milliarden Jahre – Entstehung des Sonnensystems

Am Rande unserer Galaxis kollabiert eine Wolke aus Gas und Staub, die auch Material aus Supernovaexplosionen enthält, und bildet unser Sonnensystem mit seinen Planeten. 4,5 Milliarden Jahre später entsteht der Mensch.

Ungelöste Probleme

Jüngeren experimentellen Erkenntnissen italienischer Forscher vom Nationalen Institut für Kernphysik in Rom zufolge ist das Universum noch mindestens eine Milliarde Jahre älter als bislang angenommen. Sie untersuchten Kernfusionsprozesse wie sie auch in den Sternen vorkommen und konnten zeigen, dass einer dieser Prozesse nur halb so schnell abläuft wie bislang geschätzt. Die ältesten Sterne müssen daher älter sein als bisher vermutet.

Geschichte der Urknalltheorie

  • 1916: Albert Einstein publiziert die allgemeine Relativitätstheorie und begründet damit die theoretische Basis für ein expandierendes Weltall. Er ist jedoch zunächst von einem statischen Universum überzeugt und fügt daher in die Feldgleichungen dieser Theorie eine kosmologische Konstante ein, die zu einer entsprechenden Lösung führt. Später bezeichnet er diesen Schritt als "die größte Eselei meines Lebens".
  • 1918: Der Straßburger Astronom Carl Wilhelm Wirtz stellt eine Rotverschiebung der Spektren bestimmter Nebel fest. Er wusste jedoch nicht, dass es sich um Galaxien außerhalb unserer Milchstraße handelte.
  • 1922: Alexander Friedmann berechnet die Lösungen der einsteinschen Feldgleichungen ohne kosmologische Konstante, und entdeckt, dass sie einem Kosmos entsprechen, der entweder ausgehend von einem Anfangspunkt ewig expandiert, zu einem Endpunkt hin kollabiert oder sowohl einen Anfangs- als auch einen Endpunkt hat.
  • 1923: Edwin Hubble weist nach, dass sich der Andromedanebel weit außerhalb der Milchstraße befindet.
  • 1927-1933: Der Priester und Astronom Abbé Georges Lemaître entwickelt eine erste Form einer Urknalltheorie, bei der das Universum mit einem einzigen Teilchen beginnt, dass er Uratom nennt.
  • 1930: Edwin Hubble entdeckt, dass die Rotverschiebung der Galaxien proportional zu deren Entfernung wächst, das so genannte hubblesche Gesetz. Er erklärt diesen Befund durch den Dopplereffekt als Folge einer Expansion des Universums. Einstein widerruft daraufhin seine kosmologische Konstante.
  • 1948: George Gamow entwickelt eine Theorie von der Entstehung des Kosmos aus einem heißen Anfangszustand. Fred Hoyle entwickelt als Alternative eine Theorie von einem stationären Universums, dessen Expansion überall von einer ständigen Entstehung neuer Materie begleitet ist, derart dass die Dichte und die Struktur des Universums unverändert bleiben. Die Entscheidung zugunsten der gamowschen Theorie fällt erst Jahre später.
  • 1965: Arno Penzias und Robert Wilson entdecken die kosmische Hintergrundstrahlung.
  • 1980: Alan Guth schlägt zur Beantwortung einiger kosmologischer Rätsel eine inflationäre Expansion in der Frühphase des Universums vor.
  • 1990er Jahre: Neue Entwicklung in der Technologie von Teleskopen und Satelliten wie COBE gestatten die Bestimmung von kosmologischen Parametern mit hoher Präzision. Es mehren sich Hinweise auf ein beschleunigt expandierendes Universum.
  • 2001: Der Satellit WMAP wird gestartet und vermisst die räumliche und spektrale Verteilung der kosmischen Hintergrundstrahlung mit extremer Präzision. Daraus berechnen sich mehrere fundamentale kosmologische Größen mit bisher unerreichter Genauigkeit:
Damit bestätigen sich auch die Hinweise darauf, dass das Universum in eine beschleunigte Expansionsphase übergeht.

Siehe auch: Kosmologie

Literatur