Der Freischütz
Werkdaten | |
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Titel: | Der Freischütz |
![]() Ansicht einer Aufführung in Nürnberg, um 1822 | |
Form: | Romantische Oper in drei Aufzügen |
Originalsprache: | Deutsch |
Musik: | Carl Maria von Weber |
Libretto: | Johann Friedrich Kind |
Uraufführung: | 18. Juni 1821 |
Ort der Uraufführung: | Schauspielhaus Berlin |
Spieldauer: | ca. 2 ½ Stunden |
Personen | |
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Der Freischütz ist eine romantische Oper in drei Aufzügen von Carl Maria von Weber, op. 77. Das Libretto stammt von Johann Friedrich Kind.
Handlung
Libretto und Theaterzettel der Uraufführung geben als Ort und Zeit der Handlung Böhmen kurz nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges an. Für die konkrete Imagination des Komponisten kann das Elbsandsteingebirge eine Rolle gespielt haben; Weber hat sich möglicherweise, wie auch andere Künstler der Romantik, von der wilden Felsenlandschaft der Sächsischen Schweiz inspirieren lassen, und die Wolfsschluchtszene ist vielleicht in der Nähe von Rathen denkbar.[1][2][3]
Erster Akt
Platz vor einer Waldschänke
Bauer Kilian wird von den Landleuten als Schützenkönig gefeiert (Viktoria, der Meister soll leben). Mit dieser Ehrung verspotten sie zugleich den Jägerburschen Max, sonst der beste Schütze weit und breit. Aber seit Wochen hat er, dank Samiel, nichts getroffen. Max möchte seine Braut Agathe, die Tochter des Erbförsters Kuno, heiraten. Dazu muss er morgen vor dem Fürsten und seiner Jagdgesellschaft beim Probeschuss treffen (Kuno zu Max: Ich bin Dir wie ein Vater gewogen, doch wenn du morgen beim Probeschuss fehltest, müsst ich dir meine Tochter versagen!). Kuno erzählt den Landleuten und Jägern die Legende vom Probeschuss: Sein Urahn war Leibschütz in einer fürstlichen Jagdgesellschaft, der Hunde einen Hirsch zutrieben, auf dem ein Wilderer angeschmiedet war. So bestrafte man in alten Zeiten die Waldfrevler. Bei dem Anblick bekam der Fürst Mitleid und versprach demjenigen, welcher den Hirsch erlege, ohne den Wilderer zu verletzen, eine Erbförsterei. Der Leibschütz legte an, traf den Hirsch und der Angeschmiedete blieb unverletzt. Böse Zungen behaupteten jedoch, der Leibschütz habe eine Freikugel geladen. Sechs von sieben Freikugeln treffen. Aber die siebente gehört dem Bösen; der kann sie hinführen, wohin’s ihm beliebt.
Demütigendes Versagen und den Verlust seiner Braut vor Augen, malt sich Max seine Prüfung aus (O, diese Sonne). Nachdem die Landleute zum Tanz in die Waldschenke aufgebrochen sind (Walzer), erinnert er sich verzweifelnd glücklicher Tage (Durch die Wälder, durch die Auen). Kunos erster Jägerbursche Kaspar lädt ihn zum Trinken ein (Hier im ird’schen Jammertal). Er hatte früher selbst um Agathe geworben, bis diese sich für Max, Kunos zweiten Jägerburschen, entschied (Kaspar zu Max während des Trinkens: Jungfer Agathe soll leben! Die mich um deinetwillen verwarf). Mit der Heirat von Agathe würde Max auch die Försterei von Kuno erben. Für diese Zurücksetzung sinnt Kaspar auf Rache an allen dreien. Er leiht Max sein Gewehr und drängt ihn, damit auf einen Adler zu schießen, gerade als die Uhr sieben schlägt. Obwohl der Adler weit über der Reichweite des Gewehrs fliegt, trifft Max, worauf Kaspar ihm erklärt, dass er mit einer Freikugel geschossen habe. Es sei seine letzte gewesen, nun müssten neue gegossen werden. Max lässt sich davon überzeugen, dass Freikugeln ihm aus seiner Lage helfen könnten. Er sagt zu, zum Gießen um Mitternacht in die Wolfsschlucht zu kommen und gegen jedermann zu schweigen, um sie beide nicht zu gefährden. Als Kaspar allein ist, triumphiert er hinterlistig und rachsüchtig (Schweig, damit dich niemand warnt!).


Zweiter Akt
1. Szene. Vorsaal im Forsthaus
Im Hause des Erbförsters Kuno ist Agathes Kusine Ännchen damit beschäftigt, das Bild des Urahns wieder aufzuhängen (Schelm! Halt fest!). Gerade als die Uhr sieben schlug, war es von der Wand gefallen und hatte Agathe verletzt. Dabei gelingt es Ännchen, Agathes dunkle Vorahnungen zu zerstreuen und Fröhlichkeit zu verbreiten (Kommt ein schlanker Bursch gegangen). Aber Agathes kurze Heiterkeit weicht der Sorge um Max (Wie nahte mir der Schlummer / Leise, leise, fromme Weise). Als Max endlich kommt, bringt er nicht den erhofften Siegesstrauß, sondern einen Busch Adlerfedern am Hut. Er müsse noch einmal aus dem Hause, erzählt Max zum Entsetzen seiner Geliebten (Wie? Was? Entsetzen!), um noch einen kapitalen Sechzehnender aus der Wolfsschlucht zu holen.
2. Szene. Furchtbare Waldschlucht
In der gespenstischen Wolfsschlucht bereitet Kaspar das Gießen der Freikugeln vor (Stimmen unsichtbarer Geister Milch des Mondes fiel aufs Kraut). Um Mitternacht ruft er Samiel herbei (Samiel! Samiel! Erschein!) und bietet Max, Agathe und Kuno als Opfer an. Samiel soll die siebte Kugel verwünschen, sodass sie Agathe trifft (Die siebente sei dein! Aus seinem Rohr lenk sie nach seiner Braut. Dies wird ihn der Verzweiflung weihn, ihn und den Vater). Samiel kann aber nur über Max Macht erlangen, wenn dieser mit Kaspar die Freikugeln gießt. Bei Agathe vermag Samiel nichts (Noch hab ich keinen Teil an ihr). Kaspar verhandelt weiter (Genügt er dir allein?) und Samiel willigt ein (Es sei. – Bei den Pforten der Hölle! Morgen er oder du!). Samiel verschwindet. Jetzt erscheint der verstörte Max, der auf dem Weg von wilden Phantasien gepeinigt wurde (Trefflich bedient!). Beim Kugelgießen erscheinen wilde Tiere und Geister, Gewitter toben, Blitze zucken und Sturm heult. Als Kaspar die letzte Kugel gießt, erscheint Samiel und greift nach Max. Die Turmuhr schlägt eins – und der Spuk ist vorbei. Erschöpft sinkt Max zu Boden.
Dritter Akt
1. Szene. Wald
Kaspar und Max haben die sieben Freikugeln aufgeteilt: Kaspar drei, Max vier. Drei seiner Kugeln verbraucht Max auf der fürstlichen Jagd. Kaspar verschießt seine Kugeln auf Elstern und die sechste Kugel auf einen Fuchs (Dort läuft ein Füchslein; dem die sechste in den Pelz! – Wohl bekomm’s der schönen Braut!). Nun steckt die letzte, die Teufelskugel, in Max’ Gewehr.
2. Szene. Agathes Zimmer
Als Braut gekleidet betet Agathe in ihrem Zimmer (Und ob die Wolke sie verhülle). Im Traum wurde sie als weiße Taube von Max erschossen, verwandelte sich dann zurück, und die Taube wurde zum großen schwarzen Raubvogel. Um sie zu beruhigen, erzählt ihr Ännchen eine lustige Geistergeschichte (Einst träumte meiner sel’gen Base). Die Brautjungfern erscheinen und singen ihr Brautlied (Wir winden dir den Jungfernkranz). Erschrocken brechen sie ab: In der Schachtel, die Ännchen gebracht hatte, liegt eine silberne Totenkrone statt des grünen Brautkranzes. Die Mädchen und Ännchen sind ratlos, doch auf Agathes Vorschlag flechten sie einfach einen neuen Kranz aus den geweihten weißen Rosen, die Agathe vom Eremiten bekommen hatte.
3. Szene. Romantisch schöne Gegend
Fürst Ottokar und sein Gefolge sind zum Probeschuss des Kandidaten für die Erbförsterei erschienen. Die Jäger besingen die Freuden der Jagd (Jägerchor Was gleicht wohl auf Erden dem Jägervergnügen), Kaspar hat sich in einem Baum versteckt. Ottokar stellt Max die Aufgabe, eine weiße Taube vom Baum zu schießen. Max legt an, zielt und drückt ab. Agathe, die gerade mit den Brautjungfern hinzugekommen ist, fällt wie getroffen zu Boden (Schaut, o schaut, er traf die eigne Braut). Doch das Erscheinen des Eremiten bei Agathe hat die siebte Freikugel umgelenkt: Nicht Agathe, sondern Kaspar wird tödlich getroffen. Während er stirbt, verflucht er den Himmel. Der Fürst fordert von Max Erklärung, und dieser gesteht, Freikugeln verschossen zu haben. Zornig verbietet Ottokar die Heirat und verbannt Max des Landes. Der Eremit begütigt (Wer legt auf ihn so strengen Bann! Ein Fehltritt, ist er solcher Büßung wert?), nur Liebe zu Agathe und Furcht, sie zu verlieren, habe Max fehlgeleitet. Das Glück zweier Menschen dürfe nicht von einem Probeschuss abhängig gemacht werden. Nach einem Probejahr solle Max Agathe heiraten. Unter dem Jubel aller stimmt Ottokar diesem Urteil zu. Der Schlusschor preist die Milde Gottes gegenüber denen, die reinen Herzens sind.
Orchester
Die Orchesterbesetzung der Oper enthält die folgenden Instrumente:[4]
- Holzbläser: zwei Piccoloflöten, zwei Flöten, zwei Oboen, zwei Klarinetten, zwei Fagotte
- Blechbläser: vier Hörner, zwei Trompeten, drei Posaunen
- Pauken
- Streicher
- Bühnenmusik: Klarinette, zwei Hörner, Trompete, Streicher (Violine, Violoncello)
Geschichte
Vorlagen
Die Handlung des Freischütz folgt im Wesentlichen der Geschichte Der Freischütz. Eine Volkssage des 1811 bei Göschen in Leipzig erschienenen ersten Bandes des Gespensterbuches[5] von August Apel und Friedrich Laun, dem Pseudonym von Friedrich August Schulze. Weitere Quellen werden weder von Weber noch Kind genannt, noch lassen sich weitere Einflüsse nachweisen. Dazu sind sich Volkssage und Libretto zu ähnlich.
Die Volkssage spielt in Lindenhayn bei Leipzig und endet tragisch: Max (in der Erzählung Wilhelm) tötet beim Probeschuss seine Braut und verfällt dem Wahnsinn.
Friedrich Kind, der eng mit dem Komponisten zusammenarbeitete, verlegte die Handlung nach Böhmen, kurz nach der Beendigung des dreißigjährigen Krieges, in eine Zeit, in der man noch Kugeln für Vorderlader goss. Im Libretto schützt der Eremit, eine neu in die Geschichte eingeführte Person, Agathe vor der Teufelskugel und Max vor dem Zorn des Fürsten und führt die Geschichte zu einem glücklichen Ende.
Ursprünglich wollten Kind und Weber den Eremiten schon zu Beginn auftreten lassen, aber auf Rat von Webers Verlobten Caroline Brandt wurde alles vor dem Schützenfest gestrichen. (Brief vom 18. April 1817 von Weber an Caroline: Die Jägersbraut wird nach deinen Befehlen zugestuzt, und habe ich den Kind schon von der Nothwendigkeit überzeugt.)[6]
Entstehung
Am 14. Januar 1817 traf Weber in Dresen ein, um seine Stelle als Hofkapellmeister anzutreten. Acht Tage später vermerkt er erstmals Johann Friedrich Kind in seinem Tagebuch. Am 19. Februar schreibt Weber seiner Verlobten Caroline Brandt[7]
„Heute Abend im Theater sprach ich Friedrich Kind. Den hatte ich gestern so begeistert, daß er gleich heute eine Oper für mich angefangen hat. Morgen gehe ich zu ihm, um den Plan ins Reine zu bringen. Das Sujet ist trefflich, schauerlich und interessant, der Freyschütze. Ich weiß nicht, ob du die alte Volkssage kennst.“
Am 21. Februar notiert er eine Konferenz mit Kind über den Probeschuß, am 26. Februar hat er den zweiten Akt gelesen, am 3. März kauft er Kind die Rechte am Buch Die Jägersbraut für die nächsten 5 Jahre ab und schreibt Caroline, Kind sei schon mit der ganzen Oper fertig.
In einem Brief schreibt Kind vier Monate später, dass er an einer Oper nach der Volkssage, der Freischütz, arbeite. Zunächst habe er nicht eine schon vorliegende Erzählung bearbeiten wollen, aber Weber habe ihm während des Gesprächs eine Lunte an die Pulverkammer gelegt. Als er, Kind, danach hin und her dachte, gab's eine Explosion und die Oper war in 8 Tagen fertig.[8]
Friedrich Kind hatte drei Jahre zuvor eine Geschichte zum Buch Das Gespenst[9] beigetragen, ebenso wie Friedrich Laun (Friedrich August Schulze), von dem zusammen mit August Apel das Gespensterbuch mit dem Freischütz stammt. Kind und Schulze lebten in Dresden. Dies legt nahe, dass Kind das Gespensterbuch kannte, die Volkssage Weber erzählte, der sie für eine Oper geeignet fand und Kind dafür begeisterte.
Für die spätere Erinnerung von Alexander von Dusch, der eng mit Weber befreundet war, das Gespensterbuch sei Weber schon im Sommer 1810 auf Stift Neuburg in die Hände gefallen, gibt es keinen Hinweis in Webers Tagebuch oder Briefen. Sie ist schon deshalb falsch, weil das Gespensterbuch erst 1811 erschien.
Nach den schwungvollen ersten Arbeiten 1817 entstanden der Bauernwalzer und im April 1818 die Arie Durch die Wälder, durch die Auen[10]. Die Arbeit an der Oper zog sich aber wegen anderer Verpflichtungen in die Länge. 1819 drängte Carl Graf von Brühl, der Generalintendant der königlichen Theater zu Berlin, die Oper zur Eröffnung des neuerbauten Schauspielhauses in Berlin fertigzustellen, und besprach im September auf seinem Landsitz Schloss Seifersdorf bei Dresden mit Weber den Fortgang der Arbeiten.[11] Am 13. Mai 1820 schließlich vermeldet Weber in seinem Tagebuch
„Ouverture der Jägersbraut vollendet und somit die ganze Oper.
Gott sei gelobt und ihm allein die Ehre.“
Kurz danach wird auf Wunsch von Graf von Brühl [12] die Oper in Der Freischütz umbenannt.
Uraufführung und Rezeption
Der Freischütz wurde am 18. Juni 1821 im Königlichen Schauspielhaus Berlin mit beispiellosem Erfolg uraufgeführt. Die Ouvertüre und das Lied der Brautjungfern mussten da capo wiederholt werden, 14 der 17 Musikstücke wurde lärmend applaudiert.[13]
Webers Oper wurde in der Musikkritik schon unmittelbar nach der Erstaufführung als die „erste deutsche Nationaloper“ bezeichnet. Die Allgemeine Musikalische Zeitung schrieb im April 1843:
„Kinds und Webers Freischütz ist aber auch eine echt deutsche Oper. Ja, man kann in gewisser Hinsicht sagen, sie hat in sich selbst die erste in jeder Beziehung rein deutsche Nationaloper hingestellt. Die älteren Erscheinungen im Gebiete der deutschen Oper (natürlich ist hier nur von den bedeutenden die Rede) hatten fast alle irgendetwas Fremdartiges, Nichtdeutsches an sich, sei es in der Musik oder in den Büchern.“[14]
Heinrich Heine schildert im März 1822 in seinem Zweiten Brief aus Berlin, dass man dem Brautlied Wir winden dir den Jungfernkranz nicht entkommen könne, das überall geträllert und selbst von Hunden gebellt wird[15]. Der Brief liest sich streckenweise wie ein literarischer Vorläufer der Grotesken von Mark Twain, Jerome Jerome oder Ephraim Kishon.
„Haben Sie noch nicht Maria von Weber’s ‚Freischütz‘ gehört? Nein? Unglücklicher Mann! Aber haben Sie nicht wenigstens aus dieser Oper das ‚Lied der Brautjungfern‘ oder den ‚Jungfernkranz‘ gehört? Nein? Glücklicher Mann! …
Sie begreifen jetzt, mein Lieber, warum ich Sie einen glücklichen Mann nannte, wenn Sie jenes Lied noch nicht gehört haben. Doch glauben Sie nicht, daß die Melodie schlecht sei. Im Gegenteil, sie hat eben durch ihre Vortrefflichkeit jene Popularität erlangt. Der ganze Freischütz ist vortrefflich, und verdient gewiß jenes Interesse, womit er jetzt in ganz Deutschland aufgenommen wird. Hier ist er jetzt vielleicht schon zum 30sten Male gegeben, und noch immer wird es erstaunlich schwer, zu einer Vorstellung gute Billette zu bekommen. In Wien, Dresden, Hamburg macht er ebenfalls Furore. …
Über den Wert des Textes und der Musik des Freischützen verweise ich Sie auf die große Rezension vom Professor Gubitz im Gesellschafter. Dieser geistreiche und scharfsinnige Kritiker hat das Verdienst, daß er der Erste war, der die romantischen Schönheiten dieser Oper ausführlich entwickelte und ihre großen Triumphe am bestimmtesten voraussagte.“
Der Komponist Hector Berlioz schuf im Auftrag der Pariser Grand opéra eine Rezitativ-Fassung des Freischütz in französischer Sprache, um die gesprochenen Dialoge zu ersetzen (1841). Sie wurde von Richard Wagner scharf kritisiert.
Parodien
Der Freischütz löste nicht nur an großen und kleinen Bühnen das fieberhafte Bemühen aus, ihn zu inszenieren, sondern die Geschichte um den Probeschuss und das dramatische Gießen der Freikugeln wurde auch vielfach parodiert.
- Der wilde Jäger Wolfsschlucht-Parodie von Franz Grillparzer, 1822[16]
- Der Freischütz oder Staberl in der Löwengrube von Carl Carl (Karl Andreas von Bernbrunn), Leiter des Isartortheaters, München 1823[17]
- Samiel oder Die Wunderpille, Quedlinburger Freischützparodie von 1824[18]
- Der Freischütz in Kamerun, romantisch-komische Operette von Karl Höpfner, 1877
- Kommt ein schlanker Bursch gegangen, Singspiel von Otto Höser, Eisenach 1918
- Der Hamburger Freischütz oder De Bruutschuss, Opernparodie von Michael Leinert, plattdeutscher Text von Hanne Heinz, Musik von Gerhard Jünemann, Hamburgische Staatsoper (Opera stabile), 1978. Das Stück wurde vom Theater Bremen nachgespielt und von Radio Bremen/NDR als Hörspiel produziert. Bei Phonogram (Polygram) erschien De Bruutschuss auf Schallplatte.[19][20]
- Der Freischütz – oder: Wia a Jaager auf ned ganz saubere Weis zu seim Wei kemma is von Paul Schallweg
Interpretationen und historische Wirkung
Im Programmheft Von Wallenstein zu Napoleon. Der Freischütz, ein Spiegel deutscher Geschichte[21] sieht der Autor im Ort und der Zeit der Handlung, Böhmen, kurz nach der Beendigung des dreißigjährigen Krieges, den Schlüssel zur Deutung der Oper.
Dafür gibt es im Libretto keinen Hinweis: der Krieg wird nur von Kaspar und nur nebenbei erwähnt, einmal um zu entschuldigen, dass er beim Kriegsvolk Schelmenliedchen gelernt habe, und zum zweiten, dass der Schwedenkönig (Gustav Adolf) bei Lützen von Freikugeln getroffen worden sei, was ihre Wirksamkeit belegen soll.
Eine Parallelisierung der Ereignisse von 1648 und 1815 … als Anspielung auf eine nationale Wiedergeburt Deutschlands, … die in der Oper am Ende sogar mit religiösen Weihen versehen wird, findet sich im Kölner Programmheft, nicht aber in einer begreifbaren Darstellung von Geschichte oder einer werktreuen Inszenierung: Was ist die Parallelisierung von Ereignissen, auf welche nationale Wiedergeburt spielen 1648 oder 1815 oder ihre Parallelisierung an, wo versieht das Opernende die nationale Wiedergeburt mit religiösen Weihen?
Dass die Berliner Uraufführung am 18. Juni 1821 stattfand, am Jahrestag der Schlacht von Waterloo 1815, zeigt, dass man diesen Tag der Befreiung Europas von französischer Hegemonie feierte. Der preussische Hof blieb der Aufführung fern. Ihm waren, wie allen angestammten Monarchien, Nationalbewegungen verdächtig. Die Adeligen waren gemäß Heines Zweitem Brief aus Berlin Anhänger von Gaspare Spontinis Opern mit Elefanten auf der Bühne und einer bombastischen Musik, mit der man die Standsicherheit von Neubauten prüfen könne.
Der Freischütz begründete die Stilrichtung deutsche Oper im Gegensatz zur französischen oder italienischen Oper, die bis dahin mit Francesco Morlacchi in Dresden und Gaspare Spontini in Berlin vorherrschten. Weber, der auf eine Stelle in Berlin oder Wien hoffte, vermied es, in Glaubenskriege um Musikrichtungen hineingezogen zu werden.
Der Freischütz mit gesprochenem deutschem Text, innigen Liedern (Leise, leise, fromme Weise), romantischer Musik und volksmärchenhafter Handlung in Wäldern und Auen ist national nicht in einem politischen Sinn, sondern in dem von Friedrich Schiller[22]
„Nationalgeist eines Volks nenne ich die Ähnlichkeit und Übereinstimmung seiner Meinungen und Neigungen bei Gegenständen, worüber eine andere Nation anders meint und empfindet.“
Der Freischütz rührte die Deutschen und verband sie in ihrer Liebe zu diesem Werk, ob sie in den Baltischen Hansestädten, Schleswig, Ostpreußen oder einem der 39 Staaten des Deutschen Bundes lebten.
Die Rezension der Stuttgarter Erstaufführung 1822 von Ludwig Börne spricht das Problem der deutschen Nationalbewegung aus, das fast fünfzig weitere Jahren bestehen bleiben sollte:
„Wer kein Vaterland hat, erfinde sich eins! Die Deutschen haben es versucht auf allerlei Weise, … und seit dem Freischützen tun sie es auch mit der Musik. Sie wollen einen Hut haben, unter den man alle deutschen Köpfe bringe. Man mag es den Armen hingehen lassen, dass sie sich mit solchen Vaterlandssurrogaten gütlich tun.“
Solch eine Rezension bewertet spöttisch und herablassend die Zuschauer, ihre Sehnsüchte, ihre Machtlosigkeit, nicht aber die Oper. Der Freischütz enthält nirgends politische Vokabeln wie deutsch, national oder Vaterland oder Anspielungen darauf. Dennoch bestärkte er nationale Verbundenheit wie kein zweites Bühnenwerk.
Für Richard Wagner[23] ist die Melodie die Grundlage der Weberschen Volksoper,
„sie ist, frei aller lokal-nationellen Sonderlichkeit, von breitem, allgemeinen Empfindungsausdrucke, hat keinen andern Schmuck als das Lächeln süßester und natürlichster Innigkeit, und spricht so, durch die Gewalt unentstellter Anmut, zu den Herzen der Menschen, gleichviel welcher nationalen Sonderheit sie angehören mögen, eben weil in ihr das Reinmenschliche so ungefärbt zum Vorschein kommt.“
Adaptionen
- 1961 inszenierte Bohumil Herlischka in Düsseldorf. Seine Fassung empörte viele, da Herlischka im Rückgang auf die literarische Quelle das Stück nicht glücklich enden ließ und die Traumatisierung der Menschen durch den Dreißigjährigen Krieg zeigte.[24]
- 1987 stellte der Film Der Freischütz in Berlin nicht eine Adaption dar, sondern die Entstehung der Oper bis zu ihrer ersten Aufführung; Frank Lienert (Carl Maria von Weber), Kathrin Waligura (Caroline von Weber), Ekkehard Schall (Spontini), Klaus Piontec (Graf von Brühl), Marta Rafal (Frau Beer)[25]
- 1990 wurde in Hamburg The Black Rider: The Casting of The Magic Bullets uraufgeführt, ein Bühnen-Musical von William S. Burroughs, Robert Wilson und Tom Waits frei nach Webers Freischütz. Daraus entstand die österreichische Fernsehproduktion The Black Rider (ebenfalls unter der Regie Robert Wilsons).
- 2010 kam eine Filmadaption von Jens Neubert ins Kino. Die Aufnahmen fanden 2009 in Dresden und der Sächsischen Schweiz statt. Es sangen und spielten[26] Franz Grundheber (Fürst), Benno Schollum (Kuno, fürstlicher Erbförster), Juliane Banse (Agathe, seine Tochter), Regula Mühlemann (Ännchen, seine junge Tochter), Michael Volle (Kaspar, Erster Jägerbursche), Michael König (Max, Zweiter Jägerbursche), René Pape (Eremit) und Olaf Bär (Kilian, ein reicher Bauer) sowie das London Symphony Orchestra dirigiert von Daniel Harding und der Rundfunkchor Berlin geleitet von Simon Halsey.
- 2011 veröffentlichte das Harald Rüschenbaum Trio die CD Swing frei, Schütz beim Münchener Label Downhill Records. Bei der Produktion und dem gleichnamigen Live-Programm handelt es sich um die weltweit einzige Jazz-Fassung der Oper. Mitwirkende sind Harald Rüschenbaum (Schlagzeug), Daniel Mark Eberhard (Piano, Arrangements), Andreas Kurz (Kontrabass) und der Eutiner Literaturwissenschaftler Wolfgang Griep (Sprecher). Die Arrangements stammen von Daniel Mark Eberhard.
Literatur
- Friedrich Kind, Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Romantische Oper in drei Aufzügen. Kritische Textbuch-Edition. Hrsg. von Solveig Schreiter. alliteraverlag, München 2007, ISBN 978-3-86520-209-3.
- Werner Abegg: Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Romantische Oper – Finstere Mächte – Bühnenwirkung. Wißner, Augsburg 2005, ISBN 3-89639-368-5.
- Der Freischütz. Texte, Materialien, Kommentare. Mit einem Essay von Karl Dietrich Gräwe. rororo Opernbuch 7328, Reinbek bei Hamburg 1981, ISBN 3-499-17328-X.
- Michael Leinert: Der Freischütz. In: Carl Maria von Weber. 5. Auflage. Rowohlt Monografien rm 50268, Reinbek bei Hamburg 2003, ISBN 3-499-50268-2.
- Carl Dahlhaus: Zum Libretto des Freischütz. In: Neue Zeitschrift für Musik. Heft 5. Mainz 1972.
- Bilderwelt des Freischütz. In: Theodor W. Adorno: Moment musicaux. Edition suhrkamp 54, Frankfurt a. M. 1964.
- Wolfgang Michael Wagner: Carl Maria von Weber und die deutsche Nationaloper (= Weber-Studien. Bd. 2). Schott, Mainz 1994, ISBN 3-7957-0284-4 (darin eine ausführliche Besprechung der Musik, des Librettos und der Rezeption).
- Christoph Schwandt: Carl Maria von Weber in seiner Zeit: eine Biografie. Schott Music, Mainz 2014, ISBN 978-3-7957-0820-7 (auch als e-book erhältlich).
Weblinks
- magazin.klassik.com. Abgerufen am 2. April 2020.
- Der Freischütz: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
- Handlung und Libretto von Der Freischütz in deutscher Sprache bei Opera-Guide
- Klavierauszug mit Singstimmen Internet Archive. Abgerufen am 29. März 2020.
- Komplette Tonaufnahme der Oper von 1951 mit den Wiener Philharmonikern unter Leitung von Otto Ackermann (DECCA LXT 2598)
- Carl Maria von Weber: Der Freischütz. Dokumente und Illustrationen beim Goethezeit-Portal, München
- Diskographie beim Stanford Opera Project
- Diskografie zu Der Freischütz bei Operadis
Einzelnachweise
- ↑ Geschichtliches zur sächsischen Schweiz. In: tourismusverein-elbsandsteingebirge.de, abgerufen am 14. Oktober 2014
- ↑ Sächsische Schweiz. In: regionen.sachsen.de, abgerufen am 6. April 2018
- ↑ Felsenbühne Rathen. In: saechsischeschweiz-travel.de, abgerufen am 14. Oktober 2014
- ↑ Carl Dahlhaus, Sieghart Döhring: Der Freischütz. In: Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters. Band 6: Werke. Spontini – Zumsteeg. Piper, München/Zürich 1997, ISBN 3-492-02421-1, S. 660–667.
- ↑ Gespensterbuch Band 1.
- ↑ C.M. v. Webers Brief an Caroline Brandt, 18. April 1817.
- ↑ C.M. v. Webers Brief an Caroline Brandt vom 19. Februar 1817.
- ↑ Brief von Johann Kind. 14. Juli 1817
- ↑ Das Gespenst. 1814.
- ↑ C. M. v. Webers Tagebuch. ,22. April 1818
- ↑ Karl Laux: Carl Maria von Weber. Reclam Biografien, Leipzig 1986, S. 150–152
- ↑ Brief von Carl von Brühl vom 24. Mai 1820.
- ↑ C. M. v. Webers Tagebuch, 18. Juni 1821.
- ↑ Allgemeine Musikalische Zeitung, Band 45, Breitkopf und Härtel, Leipzig 1843, S. 278.
- ↑ Heinrich Heines Zweiter Brief aus Berlin. Abgerufen am 31. März 2020. DHA, Bd. 6, S. 21 -- 26.
- ↑ Der wilde Jäger.
- ↑ Tagebuch der Deutschen Bühnen. Abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Die Wunderpille.
- ↑ Der Hamburger Freischütz.
- ↑ De Bruutschuß. Abgerufen am 30. März 2020.
- ↑ Martin Lade: Von Wallenstein zu Napoleon. Programmheft der Oper Köln, Spielzeit 2007/2008
- ↑ Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet. Friedrich Schiller, Gesammelte Werke, Bertelsmann Verlag, 1955, S. 83
- ↑ Richard Wagner, Oper und Drama, Reclam, 2000, Stuttgart, S. 55
- ↑ Bohumil Herlischka. kultiversum.de, abgerufen am 30. März 2020.
- ↑ Der Freischütz in Berlin. Abgerufen am 30. März 2020.
- ↑ Hunter’s Bride. Abgerufen am 23. März 2020. Auf der DVD und ihrer Hülle stimmen die Abbildungen der Sänger nicht mit den darunterstehenden Namen überein.