Schwangerschaftsabbruch
Bei einem Schwangerschaftsabbruch, auch Abtreibung (englisch: Abortion) genannt, wird der menschliche Embryo respektive der Fötus abgetötet und anschließend durch chemische oder mechanische Methoden aus dem Mutterleib entfernt.
In nahezu allen Kulturen besteht ein großer Dissens bezüglich der Beurteilung der Abtreibung, der sich im Kern um die Frage dreht, ob bzw. ab wann der Embryo Mensch ist und eigenes Lebensrecht besitzt, und wie sich dies auf die Entscheidungsfreiheit der Mutter auswirkt. Viele Menschen sehen den Fötus als Menschen an und verurteilen daher Abtreibung als Tötung.
Rechtslage in Deutschland
Der Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland im § 218 des Strafgesetzbuches geregelt. Abtreibung ist rechtswidrig, nach heutigem Recht aber bis zum dritten Schwangerschaftsmonat straffrei, wenn vor dem Eingriff eine Beratung stattgefunden hat. Rechtskonform ist die Abtreibung bis zur Geburt, wenn Gefahr für das Leben oder eine schwerwiegende körperliche Beeinträchtigung der Mutter besteht und dies nur durch eine Abtreibung verhindert werden kann. Das Gesetz regelt an dieser Stelle nicht, wer für die Beurteilung in einem solchen Fall zuständig ist. In der Praxis nimmt dies der behandelnde Arzt vor. Auch ist eine Abtreibung bis zur 12. Woche rechtskonform, wenn eine so genannte kriminologische Indikation vorliegt (Vergewaltigung, Nicht-Zustimmungsfähigkeit der Partnerin). Im Falle einer Abtreibung nach Beratung zwischen der 12. und 22. Woche bleibt die Mutter selbst straffrei, der Arzt handelt jedoch strafbar.
Sollte das Kind die Abtreibung überleben, muss Erste Hilfe geleistet werden. Das juristische Desinteresse an der Durchsetzung zeigt der bekannte Fall des sogenannten "Oldenburger Babies" Tim [1].
Die seit Ende der 1960er einsetzende Bewegung der Liberalisierung des Abtreibungsrechts ist stets von scharfen Debatten und Protesten begleitet gewesen. Besonders viele Gegner findet die Abtreibung unter den Christen und Muslimen, hierbei ragen die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche sowie viele evangelikale Christen heraus.
Rechtslage in Österreich
Seit 1975 ist in Österreich ein von einem Arzt nach vorhergehender Beratung vorgenommener Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate straffrei (Fristenlösung). Ein späterer Schwangerschaftsabbruch ist straffrei, wenn Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung vorliegt (medizinische Indikation), die Schwangere zum Zeitpunkt ihrer Schwängerung noch nicht 14 Jahre alt war oder das Kind schwer behindert sein wird (eugenische Indikation).
Niemand ist verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder daran mitzuwirken, außer bei Lebensgefahr für die Schwangere. Niemand darf wegen Mitwirkung oder Verweigerung der Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch benachteiligt werden.
Rechtslage in der Schweiz
Seit dem 1. Oktober 2002 ist der Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Schwangerschaftswoche auch in der Schweiz entkriminalisiert. Artikel 119 des Strafgesetzbuches hält zwei Voraussetzungen für einen straffreien Schwangerschaftsabbruch fest: Die Frau muss sich in einer Notlage befinden und von der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt vor dem Eingriff umfassend informiert werden. Siehe Fristenlösung.
Abtreibung weltweit
Nach Informationen der UNIFEM sind weltweit etwa ein Drittel aller Schwangerschaften ungeplant und etwa ein Viertel aller schwangeren Frauen entscheiden sich zu einem Abbruch. Dies sind - hochgerechnet - jährlich etwa 53 Millionen Abtreibungen weltweit. Geschätzte 20 Millionen davon finden illegal und unter hygienisch prekären Bedingungen statt, was in 40% dieser Fälle zu schweren medizinischen Komplikationen führt, im Gegensatz zu 1% schweren Komplikationen bei unter medizinischen Bedingungen durchgeführten Schwangerschaftsabbrüchen (unter "schwerer medizinischer Komplikation" werden hier jene Komplikationen verstanden, die Unfruchtbarkeit respektive Tod der Frau zur Folge haben). Diese Zahlen sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, da es sich - was die Situation in Ländern ohne legalisierte Abtreibung betrifft - um Hochrechnungen und Dunkelziffern handelt, da dort nur die Fälle statistisch erfasst werden, wo sich die Frau nach einer misslungenen Abtreibung in ärztliche Behandlung begeben muss oder stirbt.
Viele Länder Lateinamerikas, Afrikas und Asiens haben eine sehr restriktive Gesetzgebung in Sachen Abtreibung, was jedoch nur einen sehr geringen Einfluss auf das Abtreibungsverhalten hat. Tendenziell wird in Ländern wie den Niederlanden, wo legal abgetrieben werden kann und gleichzeitig Mittel zur Empfängnisverhütung leicht erhältlich und in den Schulen eingehende Sexualaufklärung stattfindet, sogar weniger abgetrieben als in Ländern mit restriktiver Gesetzgebung, schlechtem Zugang zu Verhütungsmitteln und strengen sexuellen Tabus
Medizinische Aspekte
Mit Embryo bezeichnet man das ungeborene Kind ab Empfängnis/Zeugung (gr.: ungeborenes Lebewesen). Ab dem dritten Monat spricht man auch vom Fetus bzw. Fötus (lat.: ungeborenes Kind).
Von Frühabtreibung spricht man, wenn ein Embryo getötet wird, der zwar schon existent, aber noch nicht in der Gebärmutter eingenistet ist (bspw. durch künstliche Befruchtung, Nidationshemmer).
Von Spätabtreibung spricht man, wenn ein Embryo getötet wird, der bereits außerhalb der Gebärmutter überlebensfähig wäre, also bereits ab etwa 20-22 Wochen (von 38 Wochen).
Abtreibungsmethoden
Absaugmethode/Vakuumaspiration (chirurgisch)
In örtlicher Betäubung oder in Vollnarkose wird zunächst der Muttermund mit speziellen Stiften aus Metall oder Plastik aufgedehnt. Danach wird ein Saugrohr in den Uterus eingeführt und der Körper des Embryos abgesaugt. Dies ist die in Deutschland häufigste Methode (ca. 80 %) und wird meist zwischen 6. und 10. Woche nach der Empfängnis durchgeführt. Diese Methode kann aber bis zur 12. Woche (bzw. 14. Woche, gerechnet ab dem 1. Tag der letzten Regelblutung) angewendet werden.
Ausschabung/Curettage (chirurgisch)
Nach der Aufdehnung des Muttermundes mit Hilfe von Hegarstifte kann der Embryo und die Plazenta entfernt werden. Danach erfolgt die Ausschaben der Gebärmutter. Sie ist teilweise auch nach anderer unvollständiger Abtreibung (Absaugung, Mifegyne) nötig. Deutschland: ca. 10 %
Mifepriston, Handelsnahme Mifegyne
Die Abtreibungspille, früher auch Ru-486 genannt, blockiert die Wirkung des Gelbkörperhormons (Progesteron) und leitet damit die Abstoßung der Gebärmutterschleimhaut mitsamt dem eingenisteten Ei ein. Der Vorgang ähnelt dabei einer frühen Fehlgeburt. Sie wird bei uns bis zur siebten Woche eingesetzt, in England und Schweden bis zur 9. Woche. Ihre Anwendung zu einem späten Zeitpunkt ist mit erheblichen Risiken verbunden. 6% der Abtreibungen in Deutschland werden mit Hilfe dieses Präparates durchgeführt. Lebensrechtler kritisieren die Freigabe des Präparats massiv, da sich das Sterben des Embryos durch die Mangeldurchblutung der Gebärmutter (keine Versorgung mehr mit Sauerstoff und Nährstoffen) über mehrere Tage hinziehe, wobei der Prozeß nach der Einnahme der Tabletten nicht mehr unterbrochen werden kann. Die Kritik von Juristen bezieht sich auch auf den Aspekt, daß die Schwangere selbst die Tabletten schluckt und somit die Abtreibung selbst vornimmt (und nicht ein Arzt).
Spätabtreibung durch Kaiserschnitt
Das Kind wird durch einen Kaiserschnitt zur Welt gebracht und dann nicht weiter gepflegt, so dass es stirbt. Wird verwendet, wenn andere Methoden zu gefährlich für die Mutter sind (Spätabtreibung). Diese Methode darf nur verwendet werden, wenn die Gesundheit der Mutter durch eine Fortsetzung der Schwangerschaft gefährdet ist.
Spätabtreibung durch die Prostaglandin-Hormon-Methode
Dieses Hormon leitet eine künstliche Fehlgeburt ein. Diese Art kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft durchgeführt werden. Prostaglandin wird in niedrigeren Dosen auch zur Einleitung einer Geburt verwendet, es verstärkt oder leitet Wehen ein. Aus diesem Grund überleben 30% der Kinder Abtreibungen mit dieser Methode. [2]. Diese Methode darf nur verwendet werden, wenn die Gesundheit der Mutter durch eine Fortsetzung der Schwangerschaft gefärdet ist.
Instillation/Salzsäure
Unter anderem in den USA praktizierte Form der Abtreibung, bei der der Fötus durch Injektion einer Salzsäurelösung innerlich verätzt bzw. getötet wird.
Teilgeburtsabtreibung
Amerikanische Sonderform für späte Abtreibungen, die auf der Rechtsaussage beruht, dass der Fötus sich in der Entscheidungsgewalt der Mutter befindet, solange sein Kopf die Mutter nicht verlassen hat. Aus diesem Grund wird das Kind im Mutterleib gedreht und an den Beinen herausgezogen. Dem Kind wird dann das Hirn punktiert und ausgesaugt, so dass es stirbt. Seit Ende 2003 in den USA hierzu wieder heftige juristische Auseinandersetzung ("Partial Birth Abortion Ban Act 2003").
Nidationshemmung
Teilweise werden auch so genannte Nidationshemmer als Frühabtreibungsmittel bezeichnet. Diese verhindern eine Einnistung des Embryos in die Gebärmutter. Dazu zählen die Spirale und die Pille danach. Der Straftatbestand Abtreibung bezieht sich in Deutschland nur auf den Embryo nach Nidation, so daß Nidationshemmer juristisch gesehen keine Abtreibungsmittel sind.
Risiken
Körperliche Risiken
Die direkten Risiken für die Mutter variieren je nach Abtreibungsmethode. Von Blutungen und Rückständen des Embryos sowie Entzündungen im Gebärmutter. In Gesundheitsinstitutionen ist zusätzlich eine Debatte entbrannt, ob durch die Störung des Hormonhaushalts bei einer Abtreibung ein höheres Krebsrisiko im Uterus- und Brustbereich vorliegt. Das Risiko für schwere direkte Komplikationen infolge einer unter medizinisch korrekten Bedingungen durchgeführten Abtreibung (Infektionen oder Gebärmutterperforation mit Todesfolge oder bleibender Unfruchtbarkeit) liegt laut WHO bei ungefähr 1%.
Psychische Risiken
Ein Schwangerschaftsabbruch kann eine schwere psychische Belastung für die Frau darstellen. So legt eine finnische Studie eine Erhöhung des Selbstmordrisikos um einen siebenfachen Faktor nahe. Verschiedene Beratungsorganisation, die Frauen im Prozess nach der Abtreibung zur Seite stehen, geben Probleme wie Schlafmangel, Depressionen und Albträume an. Dazu kommen bisweilen psychosomatische Entwicklungen, die oft erst nach Jahren auf eine Abtreibung zurückgeführt werden können.
Die möglichen psychischen Folgen werden unter dem Begriff "Post Abortion Syndrome" (PAS) zusammengefasst. Während vor einer Abtreibung der Aspekt "mein Kind" häufig durch andere Argumente überlagert oder als unsachlich bezeichnet wird, scheint er nach einer Abtreibung im Zentrum zu stehen.
In ihrer Fachbroschüre "Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik" fordert die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, dass die möglichen psychischen Folgeprobleme und ihre Behandlungsmöglichkeiten Gegenstand der Schwangerschaftskonfliktberatung sein sollen.
Wichtig ist zu erkennen, daß unter einer Abtreibung (und entsprechenden psychischen Folgen) oft nicht nur die Mutter selbst leiden und PAS-Symptome zeigen, sondern auch der Vater des Kindes und häufig auch weitere Kinder (Geschwister), Großeltern, andere nahestehende Personen sowie teilweise auch das medizinische Personal.
Eine Selbsthilfegruppe für Frauen nach Abtreibung ist Rahel [3].
Geschichtliche und Philosophische Standpunkte zur Abtreibungsfrage
Naturreligionen
In manchen animistischen Naturreligionen gilt die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch als Angelegenheit der Frau. Diese Weltanschauungen glauben zum Teil an Seelenwanderung. Somit wird ein Schwangerschaftsabbruch zum Teil nicht als Töten eines Kindes angesehen.
Die Ureinwohner Australiens und andere Nomadenvölker setz(t)en Abtreibung gezielt zur Geburtenregelung ein.
Hinduismus
In den Ländern des fernen Ostens war die Abtreibung bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Bewegungen des Kindes spürbar wurden (ungefähr ab dem 5. Monat), legal. In der Philosophie der Brahmanen hatte das Kind bis zu diesem Zeitpunkt keine Seele und konnte deshalb straflos zerstört werden. Sobald es sich jedoch selbständig bewegte, hatte es eine Seele, und eine Frau, die ihren Fötus dann noch abtrieb, musste wegen Kindesmord bestraft werden.
Antike
Sowohl im alten Griechenland wie auch im römischen Recht war Abtreibung ebenso wie Kindsaussetzung erlaubt - auch ein lebendgeborenes Kind bekam im römischen Recht erst durch die Anerkennung des Vaters ein Existenzrecht. Blieb diese aus, wurde das Kind ausgesetzt. Allerdings muß die Abtreibung und die Hilfe dazu bereits im alten Griechenland verpönt gewesen sein, bereits im Eid des Hippokrates ist der Schwur enthalten "ebenso werde ich keiner Frau ein Abtreibungsmittel aushändigen".
Judentum
Das antike Judentum war gegen Kindstötung, wie z.B. den Kult des Moloch, und war ganz prinzipiell auch gegen Abtreibung, es sei denn, dass das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet war. z.B. Philo von Alexandria (1. Jahrhundert) verurteilte die Nichtjuden wegen der weit verbreiteten Praktiken von Abtreibung und Kindstötung.
Christentum
Das Christentum war von Anfang an gegen die Abtreibung. Bereits die Didache, einer der frühesten nicht-biblischen Texte sagt in Kapitel 2 "Du sollst nicht töten, ...du sollst kein Kind abtreiben, du sollst kein Neugeborenes töten." Auch der etwa gleichzeitige Clemens von Rom und spätere Kirchenväter (Basilius von Caesarea, Augustinus von Hippo, Johannes Chrysostomus) sprachen sich einhellig gegen die Abtreibung aus.
In der Bibel als wichtigste Grundlage des Christentums steht "Du sollst nicht töten" (2. Moses 20,13 und 5. Moses 5,17) Unabhängig von den Aussagen der Amtskirchen gilt dieses Gebot für alle Christen.
In der Katholischen Kirche des Mittelalters wurde die Abtreibung eines lebendigen Fötus ein Mord genannt (Todesstrafe und Exkommunikation), die Abtreibung eines nicht-belebten Fötus (bevor Kindsbewegungen spürbar waren) war ebenfalls Sünde, aber kein Mord (3 bis 14 Jahre Buße, je nach Fall). Diese Position galt gemeinhin auch im angelsächsischen Recht bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
In der Aufklärung kam von ärztlicher Seite die Erkenntnis, dass der Fötus von Anfang an ein Leben ist. Das führte Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa und in Amerika dazu, dass der Schwangerschaftsabbruch zur Straftat erklärt wurde. 1869 erließ Pius IX. ein generelles Abtreibungsverbot, und stellte fest, dass das Kind seine Seele bereits zum Zeitpunkt der Zeugung empfängt. Johannes Paul II. gibt die Lehre der Katholischen Kirche in dieser Frage in der Enzyklika "Evangelium vitae" (Nr. 62) mit folgenden Worten wieder: "Mit der Autorität, die Christus Petrus und seinen Nachfolgern übertragen hat, erkläre ich deshalb in Gemeinschaft mit den Bischöfen — die mehrfach die Abtreibung verurteilt und, obwohl sie über die Welt verstreut sind, bei der eingangs erwähnten Konsultation dieser Lehre einhellig zugestimmt haben — daß die direkte, das heißt als Ziel oder Mittel gewollte Abtreibung immer ein schweres sittliches Vergehen darstellt, nämlich die vorsätzliche Tötung eines unschuldigen Menschen. Diese Lehre ist auf dem Naturrecht und auf dem geschriebenen Wort Gottes begründet, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt der Kirche gelehrt."
Die orthodoxe Kirche beruft sich auf die Kirchenväter und hat Abtreibung immer als Sünde gesehen. Auch namhafte evangelische Theologen (im 20. Jahrhundert z.B. Dietrich Bonhoeffer und Karl Barth) haben sich entschieden gegen Abtreibungen ausgesprochen.
Islam
Zum Thema Abtreibung existieren im Islam verschiedene Haltungen. Generell wird die Tötung ungeborenen Lebens missbilligt. Der Koran untergliedert die Entwicklung im Mutterleib in drei Phasen, die jeweils 40 Tage andauern. Nach diesen 120 Tagen empfängt der "Klumpen Fleisch" von Allah die Seele. Nach anderer Interpretation wird der Mensch bereits nach 40 Tagen beseelt. Nach Meinung einiger Gelehrter darf deshalb bei körperlichem oder seelischen Leiden der Mutter abgetrieben werden. Andere Gelehrte stufen wiederum die Entfernung der Leibesfrucht ebenso als schwere Sünde ein, da die Frucht als Teil des weiblichen Körpers betrachtet wird und dieser Körper von Allah anvertraut wurde und damit unantastbar ist. Nach dem 120. Tag ist Abtreibung verboten, ausgenommen die Geburt gefährdet mit Sicherheit das Leben der Mutter.
Atheismus
Häufig werden nur religiöse Standpunkte zur Abtreibung diskutiert und nichtreligiöse Standpunkte übersehen. Unbelastet von ideologischen Vorurteilen kommen atheistische Vertreter zu sehr unterschiedlichen Bewertungen der Abtreibung und Kindstötung. Mit anderen Denkern besteht grundlegende Einigkeit nur darin, daß ein Mensch nicht getötet werden darf. Fraglich ist allerdings, ab wann von einem Menschen die Rede sein kann. Extreme atheistische Standpunkte gehen davon aus, daß dies erst mit der Entstehung des individuellen Selbstbewußtseins der Fall ist. Dies tritt aber erst mit ca. 2-3 Jahren ein. Andere setzen den Zeitpunkt früher an, nämlich mit der Entstehung der Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit. Insoweit wird die Auffassung vom Eintritt des Todes beim Menschen (keine Hirnströme mehr meßbar) logisch konsequent auf seine Entstehung übertragen. Die entsprechende Hirnentwicklung setzt aber erst zwischen der 20. und 40. Schwangerschaftswoche ein. Diese Herangehensweise wird auch von den Resultaten der modernen medizinischen Forschung unterstützt. "Vor der 26. Woche ist die Hirnrinde nicht funktionsfähig. Deshalb ist es auf jeden Fall unzutreffend, von einer «Wahrnehmung» oder einer «bewussten Reaktion» des Foetus zu sprechen" (Maria Fitzgerald, Prof. für Neurobiologie, London).
Ein atheistischer Standpunkt kann es aber auch sein, die Entstehung des Menschen mit seiner Zeugung gleichzusetzen.
Ein Unterschied zu religiös fundierten Standpunkten ist, daß atheistische Vertreter weniger dazu tendieren, ihren besonderen Standpunkt zum moralischen und strafrechtlichen Maßstab aller Menschen zu machen, sondern eher bereit sind, es zu akzpektieren, wenn z.B. ein Katholik die Grenze aus religiösen Gründen für sich enger zieht.
Nach der Meinung einiger Atheisten ist die strafrechtliche Relevanz der Abtreibung in ihrer heutigen Fassung ein Verstoß gegen das Grundgesetz, da bei der Bewertung dieser Sachverhalte einseitig die religiösen Standpunkte bevorzugt werden.
Frauenbewegung
Die feministische Frauenbewegung setzte sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts für die Straffreiheit der Abtreibung, teilweise auch für ein Recht dazu, ein. Gräfin Bülow von Dennewitz aus Dresden war Vorkämpferin des Rechtes auf "Geburtenregelung". Linke Politiker und Ärzte wie der Arzt und Schriftsteller Friedrich Wolf (Theaterstück "Cyankali") unterstützten diese Forderung aus sozialistischen Gründen. In der DDR bestand ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche. In der BRD wurde heftig darum gekämpft, besonders die Anzeigenkampagne, bei der sich hunderte von Frauen "outeten", trieb die Diskussion voran.
Eine Sichtweise aus der Esoterik
"Bei einer Menschwerdung müssen sich Vater, Mutter und Kind auf einer seelischen Ebene einig werden. Solange du bangst und schwankst, ist es sowohl für dich als auch für deinen Partner als auch für das werdende Kind außerordentlich schwer, eigene Entscheidungen zu treffen. Denn siehe, auch das Kind muss sich [auf einen Abbruch] vorbereiten. Es will Zeit haben, sich zurückzuziehen, und je mehr Klarheit du in dir entwickelst, um so leichter fällt es dem Embryo, sich von deinem Körper zu lösen. Selten will ein Wesen sich in einer Mutter inkarnieren, wenn es nicht erwünscht ist. [...]
Du lädst mit einer Abtreibung kein Karma auf dich. Deine Seele hat ein Mitspracherecht bei dieser Entscheidung." (aus: Hasselmann, Varda und Frank Schmolke: Weisheit der Seele. Trancebotschaften über den Sinn der Existenz. Goldmann, 1995)
Die Entwicklung des deutschen Rechts zur Abtreibung
- 1532: Der Begriff „Abtreibung“ taucht zum ersten Mal in der Peinlichen Gerichtsordnung Kaiser Karl des V. auf. Strafe für die Abtreibung: Folter durch den „glühenden Zangenriss“ und Tod durch das Schwert.
- 1768: Unterzeichnung der „Constitutio criminalis“ von Kaiserin Maria Theresia. Strafe für die Abtreibung: Hinrichtung durch das Schwert. In der Folgezeit war auch das Auspeitschen lediger Schwangerer an der Tagesordnung.
- 1794: Das „Allgemeine Preußische Landrecht“ setzt vorübergehend geringere Strafen fest.
- 1813: im Strafgesetz für Bayern, das für Selbstabtreibung die Strafe von 4 bis 8 Jahren Arbeitshaus vorsieht, bei Fremdabtreibungen eine 16 bis 20jährige Zuchthausstrafe.
- 1870: Das Preußische Strafgesetzbuch wird verabschiedet, das Abtreibungen per Gesetz verbietet.
- 15. Mai 1871: Die Urfassung des § 218 des Strafgesetzbuches tritt in Kraft, in der eine Schwangere, die ihre Frucht vorsätzlich abtreibt oder im Mutterleib tötet, mit Zuchthaus bis zu 5 Jahren bestraft wird. Bei „mildernden Umständen“ konnte die Zuchthausstrafe in eine Gefängnisstrafe umgewandelt werden.
- 1909: Mehrere Entwürfe aus dem Reichstag sehen eine Änderung des § 218 mit dem Ziel der Strafmilderung vor.
- 1920: Ein Antrag der SPD im Reichstag, den Schwangerschaftsabbruch in den ersten 3 Monaten straflos zu lassen, scheitert an den Mehrheitsverhältnissen im Reichstag.
- 1926: Die Abtreibung wird vom Verbrechen zum Vergehen gemildert und nur noch mit Gefängnis bestraft.
- 1943: Verschärfung der Strafe bei Abtreibung für den Fall, dass "die Lebenskraft des deutschen Volkes" fortgesetzt beeinträchtigt wird. Die Todesstrafe für Abtreiber wird vorgesehen. Andererseits bleibt eine Abtreibung straflos, wenn sie die Fortpflanzung "minderer Volksgruppen" verhindert.
- 1945-1948: Durch Gesetze der Besatzungsmächte wird die NS-Strafrechtsnovelle aufgehoben. Die Abtreibung bleibt aber strafbar.
- 4. August 1953: Abschaffung der Todesstrafe für Fremdabtreibung. (im Wortlaut des StGB; faktisch wurde jegliche Todesstrafe mit Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 abgeschafft)
- Mitte der 60er Jahre: Die aufkommende „Frauenbewegung“ und die Emanzipationswelle fordern in vielen Demonstrationen („Mein Bauch gehört mir“) die Abschaffung des Jahre § 218 StGB. Es kommen mehrere Entwürfe zur Reform des Strafrechts in den Bundestag, die aber erst nach der Regierungsbildung unter Willy Brandt ab 1972 nach und nach beraten werden können.
- 9. März 1972 DDR: Fristenlösung beim Schwangerschaftsabbruch, nach der Abtreibung innerhalb der ersten drei Monate erlaubt ist. Zum ersten Mal gibt es in der Volkskammer Gegenstimmen.
- 18. Juni 1974: Fristenlösung in der BRD, die einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 12 Wochen der Schwangerschaft straffrei lässt. Der Jubel darüber bekommt sofort vom Bundesverfassungsgericht, das von der CDU/CSU angerufen wird, einen Dämpfer:
- 21. Juni 1974: einstweilige Anordnung, dass diese Fristenregelung in wesentlichen Teilen verfassungswidrig sei. Die Reform tritt somit nicht in Kraft.
- 25. Februar 1975: Urteil des BVerfG, dass die Fristenlösung wesentliche Teile des Grundgesetzes verletzen würde. Es wird eine so genannte Indikationslösung vorgeschlagen.
- 18. Mai 1976: Neufassung des § 218 StGB tritt in Kraft und sieht grundsätzlich eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe für denjenigen vor, der eine Schwangerschaft abbricht. In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren möglich. Begeht die Schwangere die Tat, so wird sie mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Eine Geldstrafe ist aber auch möglich. Lediglich in 4 Fällen (Indikationen) bleibt ein Schwangerschaftsabbruch straffrei.
- 3. Oktober 1990: alte Bundesländer: Indikationsregelung, neue Bundesländer: Fristenregelung (DDR Abtreibungsgesetz).
- 26. Juni 1992: Bundestag verabschiedet Schwangeren- und Familienhilfegesetz: Fristenregelung mit Beratungspflicht.
- 4. August 1992: Einstweilige Anordnung des BVerfG (s.o.).
- 5. August 1992: Schwangeren- und Familienhilfegesetz tritt teilweise in Kraft. Es treten nicht in Kraft: Art. 13 Nr. 1 = Änderung des Strafgesetzbuches und Art. 16 = Aufhebung der auf dem Gebiet der ehemaligen DDR fortgeltenden Vorschriften.
- 28. Mai 1993: Urteil des BVerfG: Übergangsregelung für das gesamte Bundesgebiet ab 16. Juni 1993.
- 25. August 1995: Veröffentlichung des Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetzes'. Es tritt in wesentlichen Teilen am 1. Oktober 1995 in Kraft.
Verwandte Themen
Empfängnisverhütung - Engelmacherinnen
Literatur
- Jütte, Robert (Herausgeber): Geschichte der Abtreibung. Von der Antike bis zur Gegenwart.. C.H.Beck, Beck'sche Reihe, 1993
Weblinks
- § 218 Deutsches StGB
- Art. 118 Schweizerisches StGB Art. 119 Art. 120
- http://www.abortions.ch
- http://www.abtreibung.at
- http://www.ak-lebensrecht.de/info/links.html
- http://www.aktion-leben.de
- http://www.choice.org/
- http://www.crlp.org/pri_abortion.html
- Geschichte der Fristenlösung in der Schweiz
- http://www.gynmed.at
- http://www.mamma.ch
- http://www.nein-zu-abtreibung.ch
- http://www.prochoice.org/
- http://www.svss-uspda.ch
- http://www.tim-lebt.de
- http://www.womenonwaves.org
- Eid des Hippokrates