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Boxermotor

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Datei:Boxer-Doppelkurbel.jpg
Gegenüberliegendes Kolbenpaar in einem Boxermotor

Der Boxermotor ist eine Bauform des Verbrennungsmotors. Die Zylinder oder auch Zylinderbänke sind dabei um 180° gegenüberliegend und etwas versetzt zueinander angeordnet (siehe Abbildung).

Geschichte

Erfunden wurde der Boxermotor von Carl Benz im Jahre 1896. Er nannte ihn „Contra-Motor“, da sich die beiden Zylinder gegenüber befanden.

Vor- und Nachteile

Die Vorteile dieser Anordnung gegenüber der eines konventionellen Reihenmotors sind u. a. ein gleichmäßigerer Motorlauf und eine flache, kurze Bauweise, bei allerdings mehr Bauteilen. Ausgleichswellen und an den Kurbelwellenwangen vergossene Ausgleichsgewichte können wegen der sich kompensierenden Massen- bzw. Kolben-Bewegungen entfallen. Zudem ist z. B. bei einem Vierzylinder-Boxermotor eine dreifach gelagerte Kurbelwelle (gegenüber Fünffach-Lagerung) wegen der kurzen Bauweise und des günstigeren Kraftflusses ausreichend, da weniger mechanische Beanspruchungen wie z. B. Spannungen oder Schwingungen auftreten. Die luftgekühlte Variante eines solchen Motors war bei Fahrzeug-Konstrukteuren sehr beliebt, da sich mehr Zylinder im direkten Luftstrom befanden. Auch der VW Käfer ist mit einem Boxermotor ausgestattet. Moderne wassergekülte Boxer-Motoren mit vier oder sechs Zylindern fließen bei Subaru in die Gesamtkonzeption des Allrad-Antriebs ein, und sie sind nach wie vor weiterhin im Porsche 911, Modell Porsche 997 das Antriebskonzept der Wahl.

Durch ihre Bauweise erzielt man dort einen sehr tiefen Schwerpunkt im Fahrzeug und einen streng symmetrischen Kraftfluss zu den Antriebsrädern. Dies verschafft deutliche Handlingvorteile gegenüber asymmetrischen, mehrfach umgelenkten Kraftflüssen.

Der wohl größte Nachteil von Boxermotoren liegt aus Sicht der Fertigungstechnik im höheren Material- und Werkzeugeinsatz, der sich dann in der Serienproduktion merklich in Mehrkosten im Vergleich zu Reihenmotoren niederschlägt. Jedoch wird dieser Nachteil relativiert, wenn man moderne Konzeptwechsel z.B. bei Mercedes und BMW auf V-Motoren bedenkt, die ebenso wie ein Boxermotor zwei separate Zylinderköpfe erfordern. Ein weiterer Nachteil ist, dass Boxermotoren sich wegen ihrer großen Baubreite für den Quereinbau schlecht eignen.

Boxer versus V-180°, Prinzipskizze

Der Unterschied zum V-Motor

Einen Sonderfall stellen die Flachmotoren in verschiedenen Ferrari-Straßen- und Rennfahrzeugen wie der Berlinetta Boxer oder dem Testarossa dar. Diese Motoren wurden seitens Ferrari zwar als Boxermotoren bezeichnet, in Wirklichkeit handelt es sich dabei jedoch um 180°-V-Motoren. Dabei teilen sich jeweils die Pleuel zweier gegenüberliegender Kolben eine Kurbelwellenkröpfung. Ein V-Motor hat also halb soviele Kurbelwellenkröpfungen wie Zylinder.

Ebenfalls zu Unrecht als Boxermotoren werden oft die 170°-V-Zweizylinder-Viertakt-Motoren des Motorradmodells Zündapp KS 601 bezeichnet; um bei niedriger Schwerpunktlage mehr Platz für die Füße zu schaffen und eine größere Neigung bei Kurvenfahrt zu ermöglichen, wählte Zündapp diese ungewöhnliche Bauweise. Auch die Zündapp-Kolben "boxen" im Wesentlichen gegeneinander, haben also je einen eigenen Hubzapfen, jedoch nicht um 180 Grad, sondern "ungenau", nur um 170 Grad versetzt.

Per Definition hat die Kurbelwelle eines Boxermotors genau so viele Kurbelwellenkröpfungen wie Zylinder, welche so angeordnet sind, dass sich die Hubzapfen gegenüberliegender Zylinder genau um 180° Kurbelwelle verdreht befinden. (Die Kröpfungen für die Pleuel eines Kolbenpaares bilden eine Doppelkurbel.)

Aus der gegenseitigen Aufhebung der Massenkräfte Erster Ordnung resultiert die ausgesprochene Laufruhe der Boxer-Triebwerke. Lediglich der Mittenversatz jeweils zweier (fast genau) gegenüberliegender Kolben bewirkt noch geringfügige Momente Zweiter Ordnung.

Verwendung von Boxermotoren

Honda Gold Wing 1800a

Der meistgebaute Boxermotor ist der luftgekühlte Vierzylinder, der für den Käfer entwickelt wurde, und in ähnlicher Bauart in Deutschland bis in die 1970er Jahre in fast allen VW-Modellen verwendet wurde. Die Einstellung im Käfer erfolgte 2003 mit dem Ende der Produktion in Mexiko. Im VW Bus (Typ2, T2, in Deutschland von 1968 bis 1979 gebaut), der aktuell noch in Brasilien gebaut wird, finden luftgekühlte Boxermotoren bis zum Jahresende 2005 Verwendung. Erst dann wird die Produktion auf wassergekühlte Motoren umgestellt: Jedoch hat die Frage der Motorkühlung recht wenig mit der Anordnung der Zylinder zu tun. VW gibt damit nach 70 Jahren das Konzept des legendären Boxermotors auf. Dieser Motor findet sich auch heute noch in den meisten Trikes.

Der Citroën 2CV (Ente) und dessen verwandte Modelle hatten einen luftgekühlten Zweizylinder-Boxer. Dies gilt auch für die holländischen DAF-Modelle 33 und 44, die für ihre stufenlose Automatik bekannt waren. Auch die Kleinwagenmodelle von Steyr-Puch (500, 650T(R)), die in den 1960er Jahren Erfolge im Rallyesport erzielten, sowie der Geländewagen Haflinger waren mit luftgekühlten Zweizylinder-Boxermotoren ausgerüstet, ebenso die legendären Fahrzeuge des französischen Herstellers Panhard, die aus einem Einliter-Zweizylinder-Boxermotor bis zu 70 PS schöpften. Der Citroën GS verfügte über einen hochmodernen luftgekühlten Vierzylinder. Ebenfalls legendär sind die luftgekühlten Porsche-Motoren mit vier und sechs Zylindern, die in den Baumustern 356 und 911 eingesetzt wurden. Zu nennen sind daneben noch die Boxer-Motoren, die Alfa Romeo in früheren Zeiten beim Modell Alfasud eingesetzt hatte.

Weitere Fahrzeughersteller experimentierten mit Boxermotoren und setzten sie teilweise auch ein. Heute werden (wassergekühlte) Boxermotoren sehr erfolgreich von Porsche und Subaru eingesetzt. Die Subaru-Boxer werden auch beim Subaru-Derivat Saab 9-2x verwendet. Subaru hat für 2007 den ersten Dieselboxer mit Direkteinspritzung und Turboaufladung angekündigt.

Auch Achtzylinder- und Zwölfzylinder-Boxermotoren wurden realisiert, jedoch nur für Rennzwecke. In den 1960er Jahren experimentierte man in der Formel 1 auch mit "Doppelboxer"-Motoren: die englischen BRM-Rennwagen hatten eine Zeitlang zwei Achtzylinder-Boxermotoren in einem Gehäuse übereinander vereint mit insgesamt 16 Zylindern; beide separaten, übereinanderliegenden Kurbelwellen waren mit einem Zahnradsatz verbunden.

Unter den Motorrädern ist der luftgekühlte Zweizylinder von BMW sehr bekannt. Er wurde hingegen dort nicht erfunden zur Zweiradanwendung, sondern einem englischen Einbaumotor in Queranordnung (Kurbelwelle) bei Victoria (Nürnberg) abgeschaut. Der 750er BMW-Seitenventil-Boxermotor der BMW R 75 des 2. Weltkrieges wird bis heute vom russischen Hersteller Ural, vom chinesischen Hersteller Chang-Jiang und wurde vom ukrainischen Hersteller Dnepr nachgebaut.

Der Boxermotor der berühmten Zündapp KS 601 ist hingegen streng genommen ein V-Motor mit 170-Grad-Stellung der Zylinder, bzw. sie ist ein "Fast-Boxer-Motor", da die Zündapp ebenso wie ein echter Boxermotor jedem der gegenüberliegenden Zylinder einen eigenen Hubzapfen bietet, was deutliche Vorteile bei der Schwingungsarmut bietet.

Im Motorradbau gibt es noch weitere Beispiele für die Verwendung von Boxermotoren. In der Honda GoldWing wurde ein wassergekühlter Vierzylinder-Boxermotor und heute ein Sechszylinder-Boxer verwendet.

Auch im Nutzfahrzeugbereich – vornehmlich im Omnibus als Unterflurmotor, im Motorsport und im Flugzeugbau sowie als Industriemotor z. B. von Volkswagen – fand der Boxermotor Verwendung.

Siehe auch