Freikörperkultur

Die Freikörperkultur (FKK) (auch: Nacktkultur, Naturismus, Nudismus) bezeichnet die gemeinsame Nacktheit der Geschlechter, meistens in der Natur. Anliegen dabei ist die Freude am Nacktsein ohne Bezug zur Sexualität. Die Anhänger dieser Kultur heißen Naturisten, FKK'ler oder Nudisten (lat. nudus „nackt“).
Geschichte
Schon im 18. Jahrhundert propagierte und praktizierte Lord Monboddo (1714–1779) Nacktbaden als Wiedererwachen der altgriechischen Nacktkultur. Es fand literarische Erwähnung in Georg Christoph Lichtenbergs (1742–1799) Buch Das Luftbad. Um 1900 kam das schwedisch baden im Raum Berlin und an Nord- und Ostsee immer mehr auf. Wenige Jahre zuvor war vielerorts ein gemeinsames Baden in der Öffentlichkeit – selbst in zeitgemäß umfänglicher Badebekleidung – noch undenkbar, weil offiziell verboten oder nicht mit der herrschenden Moral vereinbar. Noch lange Zeit nach der allgemeinen Liberalisierung wurde das besonders in der einfachen Bevölkerung zunehmend populäre Baden von konservativen Gesellschaftskreisen, wie Adel und Bürgertum, als Sittenverfall zu bekämpfen versucht. Als Gegenbewegung dazu formierten sich vor allem in Preußen, das traditionell weltanschaulich toleranter und zu dieser Zeit bereits sozio-ökonomisch fortgeschrittener war als andere Länder des Deutschen Reiches, lebensreformerische und naturistische Nacktkultur(FKK)-Vereinigungen, von denen es bereits 1913 über 50 gab. Nachdem im Jahre 1920 in Deutschland der erste offizielle Nacktbade-Strand auf Sylt entstand, wurde das öffentliche Nacktbaden (außerhalb geschlossener Vereinsgelände) ab 1931 wieder generell verboten und die FKK-Vereine nach der Machtergreifung durch Hitler 1933 entweder aufgelöst oder als Sportverbände in nationalsozialistische Organisationen integriert, Beispiel der Bund für Leibeszucht. Das Verbot des Nacktbadens wurde per Reichsverordnung vom 10. Juli 1942 gelockert, indem das Nacktbaden abseits von Unbeteiligten gestattet wurde.
Im Jahr 1953 wurde unter dem Einfluss der Jugendbewegung die fkk-jugend gegründet.
In den 60er Jahren kam es zu einem erheblichen Aufschwung der FKK-Bewegung. Besondere Popularität erlangte durch ausgiebige Berichterstattung in den Medien der FKK-Strand bei Kampen auf Sylt. Zum Geheimtipp entwickelten sich die FKK-Strände Jugoslawiens. In der 80er Jahren sorgten vor allem die Nackerten vom Englischen Garten in München für Aufsehen.
In neuester Zeit gibt es Bestrebungen, das Nacktsein auf den gesamten öffentlichen Raum außerhalb von Vereinsgeländen und Badezonen auszudehnen. So ist die Rede von Nacktwandern, Nacktreiten, Nacktradeln, Nacktjoggen, Nacktbalgen (Ringsport) oder Nacktgärtnern. Nacktsein in der Öffentlichkeit wird teilweise auch als Protesthaltung bei Demonstrationen eingesetzt.
Begriff
Die Bezeichnung Freikörperkultur ist erweitert aus Körperkultur, worunter zu Anfang des 20. Jahrhunderts die Hinwendung zum Körperlichen durch Sport, Wandern und allgemeiner Freizeitgestaltung in der Natur zu verstehen war. Dies galt als Gegenbewegung zu einem bis dahin üblichen "muffigen" Bürgertum ohne Luft und Licht und war zugleich eine Jugend-Protestbewegung der Befreiung aus Bevormundung. Diese Körperkulturbewegung mit bequemer und freizügiger Kleidung vollzog dann zum Teil den Schritt zur totalen nichtsexuellen Nacktheit und wählte den Zusatz frei- zum Hauptbegriff Körperkultur. Damit heißt Freikörperkultur vom Wort her nichts anderes als Nacktkultur, der ursprüngliche Begriff, der jedoch wegen der Gleichsetzung von "nackt"="unanständig" alsbald in das berühmte "FKK" um gewandelt wurde (übrigens sagen viele auch heute noch: "wir haben da FKK gemacht", statt "wir haben da nackt gebadet"...).
Hinter der Freikörperkulturbewegung steht eine Lebenseinstellung, nach welcher der nackte Körper etwas Natürliches und kein Grund für Schamgefühle (siehe jedoch oben: Bezeichnung FKK) ist. Die Nacktheit der FKK soll in keiner Weise das Bedürfnis nach Sexualität ansprechen. (Nacktheit unter der Dusche oder in der Sauna gehört nicht unter den Begriff Freikörperkultur. Hier wird sie als notwendig erachtet und ist damit allgemein gebräuchlich und bedarf deshalb keiner reservierten Zonen.)
Die Bezeichnung Freikörperkultur umfasst im deutschsprachigen Raum heute zwei voneinander abweichende Ausprägungen. Da steht einerseits der Begriff Nudismus für eine allgemeine Haltung, die jegliche Lebensgestaltung ohne Kleidung bevorzugt, unabhängig von weiteren positiven Lebenszielen. Der Begriff Nudisten wird zuweilen abwertend gebraucht und ihr Nacktsein in die Nähe von sexuellem Exhibitionismus gerückt. Im Unterschied dazu ist der Naturismus eine umfassende, ideelle Lebenshaltung im Sinne der Lebensreform, bei der Nacktheit neben dem Streben nach körperlicher, seelischer und geistiger Gesundkeit nur ein Teil ist.
Außerhalb des deutschen Sprachraums gibt es den Begriff Freikörperkultur nicht; der Begriff Nudismus ist dort gleichbedeutend.
In Deutschland wird öffentliche Nacktheit gelegentlich als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeld belegt, während sie zum Beispiel in Spanien an allen öffentlichen Orten gesetzlich erlaubt ist. Die in Freiburg/Breisgau ansässige Bürgerinitiative Wald-FKK tritt für die Anerkennung öffentlicher Nacktheit als Bürgerrecht ein.
Es sei hier auch auf unterschiedliche Ausprägungen des Nacktbadens zwischen Ost- und Westdeutschland hingewiesen. Vor der deutschen Wiedervereinigung war das Nacktbaden an offenen Badeseen und Gewässern (beispielsweise der Ostsee) in der ehemaligen DDR altersunabhängig weit verbreitet. An Gewässern, an denen offiziell Badeverbot herrschte (Kiesgruben u.ä.), wurde i.a. überall nackt gebadet. An offiziellen Badeseen gab es häufig speziell ausgewiesene "FKK-Bereiche", die u.a. auch in den Stadtplänen und Wanderkarten verzeichnet waren. Gerade unter der Jugend führte diese Natürlichkeit zu einem offenen Verhältnis der Geschlechter jenseits von Sexismus. Nach der deutschen Wiedervereinigung wurde die allgemeine Freizügigkeit an öffentlichen Badestellen in Ostdeutschland stark zurückgedrängt. Besonders an den Ostseestränden kam es in den 1990er Jahren zu Konfrontationen zwischen ostdeutschen FKK-Anhängern und westdeutschen Urlaubsgästen, in deren Folge die lokale Tourismuswirtschaft sowie die kommunalen Entscheidungsträger nachhaltige Imageprobleme befürchteten und FKK nunmehr genauso wie die ausgewiesenen Hundestrände in räumlich begrenzte Randlagen verbannten.
Auch das Verhalten, dass sich "Textile" unter die Nackten begeben, wurde erst nach der Wiedervereinigung ein Problem, als die Schilder "FKK" häufig entfernt wurden und sich Ortsunkundige bekleidet an die ehemaligen FKK-Badestrände legten. Die FKK-Anhänger "verteidigten" oft ihren Strand - ebenso, wie vor der Wende nicht akzeptiert wurde, dort bekleidet zu sein.
An einigen Binnenseen in Mecklenburg und anderen Regionen im Osten hat sich an offenen Badestellen die ungezwungene Nacktheit trotzdem weitgehend erhalten. Auch an der Ostsee werden die Gepflogenheiten wieder ein wenig lockerer.
Inzwischen ist es an vielen ehemals textilfreien Orten weitgehend akzeptiert, sowohl bekleidet als auch nackt zu sein. Ausnahme bilden einerseits ausgesprochene Textilstrände und andererseits von FKK-Vereinen betriebene Strandabschnitte und Seen.
In Deutschland wird der Markt für FKK-Ferien auf ca. 10 Mio. Urlauber jährlich geschätzt. Führend in diesem Segment sind derzeit Frankreich und Kroatien.
Der Ausdruck FKK hat als Synonym für nackt in viele Wortschöpfungen in Zusammenhang mit dem Nacktsein Eingang gefunden, zum Beispiel in FKK-Baden für Nacktbaden, FKK machen (oder ... treiben) für Nacktsein generell. Damit wird das Tabu des Wortes nackt umgangen. Von Außenstehenden werden die Begriffe Freikörperkultur, FKK, Nacktkultur, Nudismus, Naturismus und selbst nackt vielfach mit Ausleben des Sexualtriebs in Verbindung gebracht, wenn sie sich Nacktheit nur in diesem Zusammenhang vorstellen können.
In vielen Kulturen der Welt wird Nacktheit in der Öffentlichkeit als anstößig betrachtet und ist außer in bestimmten Zusammenhängen verboten als Erregung öffentlichen Ärgernisses. Dazu zählt auch die Entblößung des Oberkörpers bei Frauen.
Bekannte FKK-Anhänger
- Karl Wilhelm Diefenbach (1851–1913) - Maler und FKK-Vorkämpfer
- Heinrich Pudor (1865–1943) - Früher Propagandist der Nacktkultur, völkisch-nationaler Publizist
- Richard Ungewitter (1869–1958) - Buchautor und erster Organisator der FKK-Bewegung
- Adolf Koch (1896–1970) - Arzt und Sozialist
- Hans Surén - Autor von FKK-Schriften, wegen seiner Nähe zur NS-Ideologie umstritten
- Herbert Rittlinger (1909–1978) - Weltreisender und Schriftsteller, der u.a. in seinen Büchern die Verbindung von FKK und Kanusport schildert
Literatur
- Michael Grisko (Hrsg.): Freikörperkultur und Lebenswelt: Studien zur Vor- und Frühgeschichte der Freikörperkultur in Deutschland. Kassel University Press: Kassel 1999, ISBN 3-933146-06-2
- Michael Andritzky, Thomas Rautenberg (Hrsg.): „Wir sind nackt und nennen uns Du“: von Lichtfreunden und Sonnenkämpfern; eine Geschichte der Freikörperkultur. Anabas-Verlag, Gießen 1989, ISBN 3-870381-42-6 (Fesselnde Kulturgeschichte der FKK-Bewegung von Kaisers Zeiten bis in die 1970er)
Weblinks
- FKK-Dachverbände
- Weitere Infos
- Linkkatalog zum Thema Freikörperkultur bei curlie.org (ehemals DMOZ)