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Funktionenfolge

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Eine Funktionenfolge ist eine Folge, deren einzelne Glieder Funktionen sind. Funktionenfolgen und ihre Konvergenzeigenschaften sind für alle Teilgebiete der Analysis von großer Bedeutung.

Definition

Eine (reelle) Funktionenfolge ist eine Folge von Funktionen . Allgemeiner können Definitions- und Zielmenge auch andere Mengen sein, beispielsweise Intervalle; sie müssen jedoch für alle Funktionen dieselben sein.

Abstrakt kann eine Funktionenfolge als Abbildung

für eine Definitionsmenge und eine Zielmenge definiert werden.

Beispiele

Vertauschung Grenzwert und Integralzeichen

Für die Folge , mit

gilt für jedes fixe

,

sie konvergiert punktweise gegen die Nullfunktion. Jedoch gilt

also

Punktweiser Konvergenz reicht also nicht aus, damit Grenzwert und Integralzeichen vertauscht werden dürfen; damit diese Vertauschung erlaubt ist, ist ein strengeres Konvergenzverhalten, nämlich die sogenannte gleichmäßigen Konvergenz, notwendig.

Potenzreihen

In der Analysis treten Funktionenfolgen häufig als Summen von Funktionen, also als Reihe auf, insbesondere als Potenzreihe oder allgemeiner als Laurentreihe.

Fourieranalyse und Approximationstheorie

In der Approximationstheorie wird untersucht, wie gut sich Funktionen als Grenzwert von Funktionenfolgen darstellen lassen, wobei insbesondere die quantitative Abschätzung des Fehlers von Interesse ist. Die Funktionenfolgen treten dabei üblicherweise als Funktionenreihen auf, also als Summe . Beispielsweise konvergieren Fourierreihen im -Sinn gegen die darzustellende Funktion. Bessere Approximationen im Sinne der gleichmäßigen Konvergenz erhält man oft mit Reihen aus Tschebyschow-Polynomen.

Stochastik

In der Stochastik ist eine Zufallsvariable als Funktion eines Maßraums mit einem Wahrscheinlichkeitsmaß definiert. Folgen von Zufallsvariablen sind daher spezielle Funktionfolgen, ebenso sind Statistiken wie z.B. der Stichprobenmittelwert Funktionenfolgen. Wichtige Konvergenzeigenschaften dieser Funktionenfolgen sind z.B. die Gesetze der großen Zahlen oder die Zentralen Grenzwertsätze.

Numerische Mathematik

In der numerischen Mathematik tauchen Funktionenfolgen beispielsweise bei der Lösung von Differentialgleichungen auf, wobei ein (nicht notwendigerweise linearer) Differentialoperator und die gesuchte Funktion ist. Bei der numerischen Lösung etwa mit der finiten Elementmethode erhält man Funktionen als Lösung der diskretisierten Version der Gleichung , wobei die Feinheit der Diskretisierung ist. Bei der Analyse des numerischen Algorithmus' werden nun die Eigenschaften der diskretisierten Lösungen , die eine Funktionenfolge bilden, untersucht; insbesondere ist es sinnvoll, dass die Folge der diskretisierten Lösungen bei Verfeinerung der Diskretisierung gegen die Lösung des Ausgangsproblems konvergiert.

Konvergenzbegriffe

Der Grenzwert f einer Funktionenfolge wird Grenzfunktion genannt. Da die in den Anwendungen auftretenden Funktionsfolgen sehr unterschiedliches Verhalten bei wachsendem Index haben können, ist es notwendig, sehr viele verschiedene Konvergenzbegriffe für Funktionenfolgen einzuführen. Von einem abstrakteren Standpunkt handelt es sich meist um die Konvergenz bezüglich gewisser Normen oder allgemeiner Topologien auf den entsprechenden Funktionenräumen; vereinzelt treten aber auch andere Konvergenzbegriffe auf.

Die verschiedenen Konvergenzbegriffe unterscheiden sich vor allem durch die implizierten Eigenschaften der Grenzfunktion. Die wichtigsten sind:

Klassische Konvergenzbegriffe

Existiert der punktweise Grenzwert

in jedem Punkt des Definitionsbereiches, so wird die Funktionenfolge punktweise konvergent genannt. Beispielsweise gilt

die Grenzfunktion ist also unstetig.

Eine Funktionenfolge ist gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion , wenn die maximalen Unterschiede zwischen und gegen null konvergieren. Dieser Konvergenzbegriff ist Konvergenz im Sinne der Supremumsnorm.

Gleichmäßige Konvergenz impliziert einige Eigenschaften der Grenzfunktion, wenn die Folgenglieder sie besitzen:
  • Der gleichmäßige Limes stetiger Funktionen ist stetig.
  • Der gleichmäßige Limes einer Folge integrierbarer Funktionen ist integrierbar, und das Integral der Grenzfunktion ist der Limes der Integrale der Folgenglieder: Ist gleichmäßig konvergent gegen , so gilt
  • Konvergiert eine Folge differenzierbarer Funktionen gleichmäßig gegen eine Funktion , und ist auch die Folge der Ableitungen gleichmäßig konvergent, so ist auch differenzierbar, und es gilt

Viele Reihen in der Funktionentheorie, insbesondere Potenzreihen, sind nicht gleichmäßig konvergent, weil die Konvergenz für zunehmende Argumente immer schlechter wird. Ein ähnlich guter Begriff ist der der kompakten Konvergenz, die gleichmäßige Konvergenz lediglich auf kompakten Teilmengen fordert. Da Stetigkeit eine lokale Eigenschaft ist, überträgt sie sich auch bei kompakter Konvergenz auf die Grenzfunktion.

Maßtheoretische Konvergenzbegriffe

Bei den maßtheoretischen Konvergenzbegriffen ist die Grenzfunktion üblicherweise nicht eindeutig, sondern nur fast überall eindeutig definiert. Alternativ kann lässt sich diese Konvergenz auch als Konvergenz von Äquivalenzklassen von Funktionen, die fast überall übereinstimmen, auffassen. Als eine solche Äquivalenzklasse ist dann der Grenzwert eindeutig bestimmt.

Punktweise Konvergenz fast überall

Sind ein Maßraum und eine Folge darauf messbarer Funktionen mit Definitionsmenge gegeben, so wird die Funktionenfolge punktweise konvergent fast überall bezüglich genannt, wenn der punktweise Grenzwert

fast überall bezüglich exisitiert, wenn also eine Menge vom Maß Null () existiert, sodass eingeschränkt auf das Komplement punktweise konvergiert.

Die Konvergenz fast überall bezüglich eines Wahrscheinlichkeitsmaßes wird in der Stochastik fast sichere Konvergenz genannt.

Beispielsweise gilt

punktweise fast überall bezüglich des Lebesgue-Maßes.

Ein anderes Beispiel ist die Funktionenfolge , wobei für ,

Diese Folge konvergiert für kein , da sie für jedes fixe die Werte 0 und 1 unenendlich oft annimmt. Für jede Teilfolge lässt sich aber eine Teilteilfolge angegeben, sodass

punktweise fast überall bezüglich des Lebesgue-Maßes.

Gäbe es eine Topologie der punktweisen Konvergenz fast überall, so würde daraus, dass jede Teilfolge von eine Teilteilfolge enthält, die gegen 0 konvergiert, folgen, dass gegen 0 konvergieren muss; da aber nicht konvergiert, kann es folglich keine Topologie der Konvergenz fast überall geben. Die punktweise Konvergenz fast überall ist damit ein Beispiel eines Konvergenzbegriffes, der zwar den Fréchet-Axiomen genügt, aber nicht durch eine Topologie erzeugt werden kann.[1]

Konvergenz dem Maße nach

In einem Maßraum wird eine Folge darauf messbarer Funktionen konvergent dem Maße nach gegen eine Funktion genannt, wenn für jedes

gilt [2].

In einem endlichen Maßraum, also wenn gilt, ist die Konvergenz dem Maße schwächer als die Konvergenz fast überall: Konvergiert eine Folge messbarer Funktionen fast überall gegen Funktion , so konvergiert sie auch dem Maße nach gegen [3].

In der Stochastik wird die Konvergenz dem Maße nach als Stochastische Konvergenz oder als Konvergenz in Wahrscheinlichkeit bezeichnet [4].

Lp-Konvergenz und Konvergenz in Sobolew-Räumen

Eine Funktionenfolge heißt konvergent gegen , wenn sie im Sinne des entsprechenden Lp-Raums konvergiert, wenn also

=0.

Ist ein endliches Maß, gilt also , so folgt für aus der Ungleichung der verallgemeinerten Mittelwerte, dass eine Konstante existiert, sodass ; insbesondere folgt dann also aus der -Konvergenz von gegen auch die -Konvergenz von gegen .

In der Stochastik wird die -Konvergenz als Konvergenz im p-ten Mittel bezeichnet.

Aus der -Konvergenz folgt die Konvergenz dem Maße nach, wie man leicht aus der Tschebyschow-Ungleichung in der Form

sieht. [5]

Eine Verallgemeinerung der Lp-Konvergenz ist die Konvergenz in Sobolew-Räumen, die nicht nur die Konvergenz der Funktionswerte, sondern auch die Konvergenz der gewisser Ableitungen berücksichtigt. Der Sobolewschen Einbettungssatz beschreibt die Abhängigkeiten der Konvergenzbegriffe in den unterschiedlichen Sobolew-Räumen.

Fast gleichmäßige Konvergenz

In einem Maßraum wird eine Folge darauf messbarer reell- oder komplexwertiger Funktionen fast gleichmäßig konvergent gegen eine Funktion genannt, wenn für jedes eine Menge existiert, sodass und auf dem Komplement gleichmäßig gegen konvergiert [6].

Aus der fast gleichmäßigen Konvergenz folgt die punktweise Konvergenz fast überall [7]; aus dem Satz von Egorov folgt, dass in einem endlichen Maßraum auch umgekehrt aus der punktweisen Konvergenz fast überall die fast gleichmäßige Konvergenz folgt [8]. In einem endlichen Maßraum, also insbesondere für reellwertige Zufallsvariablen, sind Konvergenz fast überall und fast gleichmäßige Konvergenz von reellwertigen Funktionenfolgen äquivalent.

Aus der fast gleichmäßigen Konvergenz folgt außerdem die Konvergenz dem Maße nach [7]. Umgekehrt gilt, dass eine dem Maße nach konvergente Folge eine Teilfolge enthält, die fast gleichmäßig (und damit auch fast überall) gegen die gleiche Grenzfolge konvergiert [9].

Hierarchische Ordnung der Konvergenzbegriffe in Räumen mit endlichem Maß

In Maßräumen mit endlichem Maß, wenn also gilt, ist es großteils möglich, die unterschiedlichen Konvergenzbegriffe nach ihrer Stärke zu ordnen. Dies gilt insbesondere in Wahrscheinlichkeitsräumen, da dort ja gilt.

Von der gleichmäßigen Konvergenz über die punktweise Konvergenz zur Konvergenz dem Maße nach

Aus der gleichmäßigen Konvergenz folgt die Konvergenz dem Maße nach auf zwei unterschiedlichen Wegen, die eine führt über die punktweise Konvergenz:

  • gleichmäßig kompakt (d.h. gleichmäßig auf jeder kompakten Teilmenge).
  • kompakt punktweise (jeder einzelne Punkt ist ja eine kompakte Teilmenge).
  • punktweise punktweise fast überall (bzw. fast sicher).
  • punktweise fast überall fast gleichmäßig.
  • fast gleichmäßig dem Maße nach (bzw. stochastisch oder in Wahrscheinlichkeit).

Von der gleichmäßigen Konvergenz über die Lp-Konvergenz zur Konvergenz dem Maße nach

Der andere Weg von der gleichmäßigen Konvergenz zur Konvergenz dem Maße führt über die -Konvergenz:

  • gleichmäßig in .
  • in in für alle reellen .
  • in in für alle reellen .
  • in für dem Maße nach (bzw. stochastisch oder in Wahrscheinlichkeit).

Von der Konvergenz dem Maße nach zur schwachen Konvergenz

  • dem Maße nach schwach (bzw. in Verteilung).

Wichtige Theoreme über Funktionenfolgen

Quellen

  1. J. Cigler, H.-C. Reichel: Topologie. Eine Grundvorlesung. Bibliographisches Institut, Mannheim 1978. ISBN 3-411-00121-6. S 88, Aufgabe 6
  2. A.N. Kolmogorow und S.V. Fomin: Reelle Funktionen und Funktionalanalysis. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975, 5.4.6, Definition 4.
  3. A.N. Kolmogorow und S.V. Fomin: Reelle Funktionen und Funktionalanalysis. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1975, 5.4.6, Satz 7.
  4. Marek Fisz: Wahrscheinlichkeitsrechnung und mathematische Statistik. Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1989, S 212
  5. Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.1.
  6. Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. S. 93.
  7. a b Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.2.
  8. Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.5.
  9. Robert B. Ash: Real Analysis and Probability. Academic Press, New York 1972. ISBN 0-12-065201-3. Theorem 2.5.3.