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Abdullah Öcalan

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Abdullah Öcalan

Abdullah Öcalan (* 4. April 1949 in Ömerli/ Provinz Şanlıurfa) (kurz Apo), war Vorsitzender der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von deren Gründung 1978 bis zu ihrer Auflösung im Jahre 2002.

Ideologie Öcalans

Öcalans Schriften und Reden aus den 1970er Jahren sind geprägt von einem relativ klassischen Marxismus gepaart mit Ideen nationaler Befreiungsbewegungen wie der vietnamesischen oder der algerischen im Sinne von (Frantz Fanon).

Ab Mitte der 1980er Jahre übt Öcalan teils heftige Kritik am Realsozialismus. Seit den 1990er Jahren gibt er der Frauenbefreiung in seinen Schriften breiten Raum. Auf ihn geht auch die Gründung der Frauenarmee und später der "Partei der freien Frau" (PJA) zurück. In seinen im Gefängnis verfassten Büchern vertieft er seine Kritik am Realsozialismus und propagiert eine demokratisch-ökologische Zivilgesellschaft, die keine Staatsgründung zum Ziel haben soll, sondern die Abschaffung des Staates und aller Hierarchien, insbesondere zwischen den Geschlechtern.

Leben

Jugend

Nach einer Schulausbildung gegen den Willen seiner Eltern in Nizip und Ankara arbeitete er als Katasterbeamter u.a. in Diyarbakır.

Die Erfahrungen als Beamter und seine eigene ärmliche familiäre Situation prägten ihn stark. Als Katasterbeamter sah Öcalan die schlechte wirtschaftliche Situation der kurdischen Bevölkerung. Als Ursache für diese Situation betrachtete er die Stammesstrukturen und den Imperialismus in der Türkei und besonders in Süd-Ostanatolien.

Zunächst war Öcalan sehr geprägt von der religiösen Szene in der Türkei. Doch mit seiner aufflammenden Begeisterung für die linken Studentenbewegungen in der Türkei entdeckte er immer mehr sein Interesse für den Kommunismus.

Studium und Anfänge seiner politischen Engagement

Anfang der 70er Jahre begann er in Ankara Politikwissenschaften zu studieren. Dort kam er mit sozialistischen Ideen in Kontakt und entwickelte Sympathie für die THKP-C. Der politische Einfluss der THKP-C stieg in der damaligen Zeit sowohl bei der türkischen als auch der kurdischen Bevölkerung.

Öcalan symphatisierte mit der Partei weil sie damals die einzige sozialistische Partei war, die öffentlich sich für die Rechte der Kurden stark machte und die Probleme im Süd-Osten der Türkei thematisierte.

Wegen Teilnahme an einer Protestaktion gegen die Hinrichtung von Mahir Çayan und anderen führenden Figuren der THKP-C, wurde er verhaftet und entging nur knapp einer mehrjährigen Haftstrafe. Im Gefängnis wurde er Zeuge der Hinrichtungen des Führungskaders der THKP-C (Deniz Gezmiş, Yusuf Aslan und Hüseyin Inan), auf dem Gefängnishof.

Nach seiner Freilassung gründete Öcalan zusammen mit Haki Karer und Kemal Pir, zwei Sozialisten türkischer Herkunft, eine Gruppe, die ideologisch von sozialistischen Ideen und nationalen und antikolonialen Befreiungskämpfen beeinflusst war.

Die Gruppe propagierte einen nationalen Befreiungskampf in Kurdistan. Das Ziel war am Anfang gegen die kurdischen Großgrundbesitzer, die aus ihrer Sicht die Bauern ausbeuteten und unterdrückten.

PKK

Gründung der PKK

Öcalan Anhänger in London 2003

Die PKK wurde am 27. November 1978 gegründet. Öcalan wurde als Vorsitzender gewählt. Nach dem Militärputsch wurde vielen Parteien vorgeworfen, Separatismus zu treiben.

In der Folge wurden viele Parteien verboten und ihre Mitglieder verhaftet. Das Militär gab den Befehl, vor allem die Führungskader hinzurichten. Die Judikative war nicht unabhängig und setzte sich zum größten Teil aus Militärrichtern zusammen.

Auch die PKK war von diesen Antiterrornotstandsgesetzen betroffen. 1979 verließ Öcalan die Türkei, nachdem etwa 1000 PKK-Mitglieder verhaftet wurden.

Er floh zuerst in Richtung Libanon, von wo er die Mahsum Korkmaz Akademie aufbaute, später ging er nach Syrien, wo er die Parteischule der PKK in der Nähe von Damaskus gründete.

Der bewaffnete Kampf

1984 begannen bewaffnete Einheiten der PKK mit Angriffen auf Garnisonen der türkischen Armee einen Guerillakrieg im Südosten der Türkei.

Der türkische Staat brachte die alten DDR Panzerbestände gegen die Bevölkerung in Cizre und Diyarbakir zum Einsatz. Der damalige Staatspräsident Turgut Özal bot trotz des militärischen Drucks in seinen eigenen Reihen der PKK diplomatische Lösungen an. Öcalan reagierte und rief 1993 einen einseitigen Waffenstillstand aus. Özal ließ 1991 auch Gesetze verabschieden, die die kurdische Sprache im Privaten legalisierte.

Turgut Özal starb am 17. April 1993 durch einen Herzinfarkt. Mit der Regierungsübernahme durch Tansu Ciller endete die Annäherung zwischen dem Staat und der PKK. In den folgenden Jahren eskalierte der Konflikt. Durch das Militär wurden ca. 4500 Dörfer geräumt, teilweise zerstört und die Bevölkerung zum Verlassen gezwungen. Durch diese Maßnahmen wollte die Regierung die Unterstützungsbasen der PKK zerstören.

Der Krieg dauerte über 15 Jahre und forderte mehr als 30.000 Todesopfer. Die meisten Opfer bilden kurdische Zivilisten.


Verhaftung

Festnahme in Kenia

Oktober 1998 musste Öcalan seinen Aufenthaltsort in Syrien verlassen, nachdem die Türkei Syrien mit Krieg gedroht hatte. Versuche, in Europa politisches Asyl und Unterstützung für eine politische Lösung zu erhalten, schlugen fehl.

Nach einer Odyssee durch verschiedene Länder wurde Öcalan am 15. Februar 1999 in Kenia, nach dem Verlassen der griechischen Botschaft, vom türkischen Geheimdienst Millî İstihbarat Teşkilâtı entführt. Eine Beteiligung des Mossad gilt als sehr wahrscheinlich, wofür aber keine Beweise existieren. Für Anhänger von Öcalan gilt der 15. Februar seitdem als ein Trauertag und wird jährlich mit Demonstrationen begangen.


Friedensbemühung

Öcalan hatte vor seiner Gefangennahme dreimal einseitige Waffenstillstände verkündet (1993, 1995, 1. September 1998). Auch seinen Prozess in der Türkei betrachtete als eine Chance für einen Aufruf zum Frieden. So distanzierte er sich vom Separatismus und propagierte eine Demokratisierung der Türkei. Er rief die Guerilla zum Rückzug aus dem Gebiet der Türkei auf, was diese ab August 1999 befolgte. Seither hat er in seinen Büchern verschiedene Vorschläge für eine politische Lösung der kurdischen Frage vorgelegt. Der einseitige Waffenstillstand hielt bis zum 1. Juni 2004.

Der Demokratische Konföderalismus

Abdullah Öcalan verkündete in den Treffen mit seinen Anwälten,eine mögliche Lösung der Kurdenfrage mit dem Demokratischen Konförderalismus. "Was wir wollen ist klar. Wir wollen weder wie Tschetschenien Unabhängigkeit, noch wollen wir eine Föderation. Ich bin für einen unitären Staat, und in diesem Rahmen eine demokratische Lösung. Wenn eine Lösung gewollt wird, warum zeichnet sie sich dann nicht ab? Mein Lösungsansatz ist der des 21. Jahrhunderts. Ich verteidige die These der Demokratischen Republik. Ich diskutiere (bekrittle) hier nicht die Verfassung der Türkei, ihr Parlament und Armee. Den Staatsbürgerbegriff der Verfassung der Türkei als überzuordnende Identität akzeptieren wir. Wir wollen, dass die Hindernisse betreffs der unterzuordnenden Identitäten aufgehoben werden. Der Demokratische Konföderalismus ist kein Staatsbau. Es ist Ausdruck eines ökonomischen, kulturellen, sozialen, umweltbewussten Etwas in demokratischem Gewand und Organisiertheit."

Verfahren vor dem EGMR

Am 29. Juni 1999 wurde Öcalan vor dem Staatssicherheitsgericht Ankara wegen Hochverrates zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde unter anderem auf europäischen Druck hin nicht vollstreckt und 2002 mit der Aufhebung der Todesstrafe in Friedenszeiten in lebenslange Haft umgewandelt. Öcalan sitzt seit dem 15. Februar 1999 in Isolationshaft auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in letzter Instanz am 12. Mai 2005 das Verfahren Öcalans als unfair bezeichnet. Die Türkei wird damit verpflichtet, das Verfahren wiederaufzunehmen, sofern Öcalan dies beantragt. Darüber hinaus muss sie die Kosten seiner Anwälte tragen.

Bücher

  1. Zur Lösung der kurdischen Frage - Visionen einer demokratischen Republik (1999)
  2. Gilgameschs Erben Bd. I, (2001) ISBN 3-926529-15-6
  3. Gilgameschs Erben Bd. II, (2001) ISBN 3-926529-16-4
  4. Plädoyer für den freien Menschen, (2003, deutsche Ausgabe 2005) ISBN 3-931885-73-9