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Caniner Diabetes mellitus

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Caniner Diabetes mellitus ist der medizinisch korrekte Fachbegriff für die Zuckerkrankheit beim Haushund. In der Umgangssprache werden auch die Begriffe „Hundediabetes“ und „Zuckerhund“ verwendet.

Formen

Im Gegensatz zum Menschen und zur Katze ist beim Hund der sekundäre Diabetes mellitus vorherrschend, es lassen sich aber grundsätzlich auch beim Hund alle drei Formen der Zuckerkrankheit unterscheiden:

  • der primäre Diabetes mellitus mit absolutem Insulinmangel
  • der primäre Diabetes mellitus mit relativem Insulinmangel und
  • der sekundäre Diabetes mellitus.

Beim primären Diabetes mellitus mit absolutem Insulinmangel (auch Typ-I-Diabetes oder IDDM) arbeiten die insulinproduzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse nicht mehr oder nicht mehr ausreichend, entweder aufgrund genetischer Disposition, Infektion oder Antikörperbildung gegen Inselzellen des Pankreas.

Der primäre Diabetes mellitus mit relativem Insulinmangel (auch Typ-II-Diabetes oder NIDDM) basiert auf einer Insulin-Resistenz der peripheren Insulin-Zielzellen (v. a. Leber und Skelettmuskulatur). Er kommt zum Beispiel auch bei Adipositas vor oder bei Ablagerung von Amylin in den Inselzellen.

Der sekundäre Diabetes mellitus (häufig beim Hund) entsteht im Gegensatz dazu in Folge einer anderen - also nicht auf die Insulin-produzierenden Zellen basierenden - Pathologie. Auszuschließen sind hier Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatis), ein Pankreastumor, Cushing-Syndrom, Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose). Außerdem kann ein sekundärer Diabetes mellitus ausgelöst werden durch die Verabreichung diabetogener Medikamente (Cortisone, STH, Progestagene).

Häufigkeit

Wie beim Menschen, so nimmt beim Hund die Anzahl der Zuckerkranken zu. Es ist jedoch unklar, ob die Krankheitshäufigkeit real ansteigt, oder ob die Erkrankung durch die verbesserte Diagnostik in der Tierarztpraxis nur häufiger erkannt wird.

Man schätzt, dass etwa 0,3 bis 1 % der Gesamtpopulation der Haushunde an Diabetes mellitus erkrankt ist.

Die sekundäre Diabetes mellitus stellt mittlerweile die zweithäufigste Endokrinopathie des Hundes dar. In 8 von 10 Fällen handelt es sich bei den erkrankten Tieren um erwachsene, unkastrierte Hündinnen.

Symptome

Der Hundehalter kann eine mögliche Erkrankung an Diabetes mellitus des Hundes an folgenden Symptomen erkennen:

  • starke Flüssigkeitsaufnahme (Polydipsie)
  • stark erhöhte Harnausscheidung (Polyurie)
  • stark erhöhte Futteraufnahme (Polyphagie)
  • Gewichtsverlust
  • schlechter Allgemeinzustand des Hundes
  • Haarverlust (Alopezie) oder auffällig dünnes Haarkleid
  • Schläfrigkeit.

Die Symptome können auch einzeln auftreten. In jedem Fall ist eine Abklärung durch den Tierarzt dringend angeraten.

Diagnostik

Die Diagnose durch den Tierarzt erfolgt mit Hilfe einer Messung des Blutzuckerspiegels. Als Beweis für die Erkrankung an Diabetes mellitus gilt beim Hund eine persistierende Nüchternhyperglykämie von über 150 mg/dl (8,3 mmol/l).

Physiologisch (d. h. als gesund geltend) sind Nüchternwerte im Plasma von 70 bis 120 mg/dl (3,9 bis 6,7 mmol/l).

Folgeschäden

Der am häufigsten vorkommende Folgeschaden der Diabetes mellitus beim Hund ist der diabetische Katarakt. Dabei wird die geordnete Struktur der Linsenfasern des Auges zerstört, es kommt zu einer fortschreitenden Linsentrübung.

Behandlung

Bei der Behandlung sind zwei Phasen zu unterscheiden

  • die Stabilisierung des Hundes durch Gabe der korrekten Insulindosis und
  • die Erhaltung des Hundes durch eine regelmäßige Überwachung der Blutzuckerwerte.

Das Ziel der Behandlung ist stets eine Minimierung der klinischen Symptome, des Risikos einer Hypoglykämie und der Entwicklung von Folgeschäden.

Insulin-Substitution

Die Therapie des Diabetes mellitus entspricht in weiten Punkten der Therapie beim Menschen. Das wichtigste ist die Verabreichung einer korrekten Menge an Insulin durch subkutane Injektion.

Beim Hund wird fast ausschließlich Intermediär-Insulin vom Schwein (porcines Lente-Insulin) verwendet, da sich dieses nicht vom Insulin des Hundes unterscheidet. (z. B. Caninsulin® von intervet). Es sind jedoch auch rekombinante Humaninsuline in Verwendung. Dieses unterscheidet sich vom Hundeinsulin jedoch in Bezug auf einige wichtige Aminosäure.

Die orale Gabe von Antidiabetika ist beim Hund nicht indiziert.

Weitere Maßnahmen

Eine der wichtigsten Maßnahmen - neben der Gabe von Insulin - ist die Kastration (Ovariohysterektomie, Ovarioektomie) der Hündin. Diese ist dringend zu empfehlen, da die Bildung von Progesteron während des Metöstrus oder Diöstrus zur Destabilisierung der Diabetes führt.

Begleitende Massnahmen bei der Behandlung des erkrankten Hundes sind außerdem:

  • Einstellung auf das ideale Körpergewicht (Gewichtsabnahme, Gewichtszunahme)
  • Einhaltung eines strikten Fütterungskonzeptes (Futterart, Futtermenge und Fütterungszeit sollen stets gleichleibend sein)
  • Minimierung von physischem und psychischem Streß (z. B. keine ungewohnte körperliche Belastung)

Außerdem müssen weitere eventuell vorliegende Grundkrankheiten ausgeschlossen bzw. behandelt werden, zum Beispiel Bauchspeicheldrüsenentzündung (Pankreatitis) oder eine Unterfunktion der Schilddrüse (Hypothyreose).

Unterzuckerung

Auch bei einem gut eingestellten Hund kann es zu einer Unterzuckerung (hypoglykämischer Schock), d. h. zu einem zu niedrigen Blutzuckerwert kommen. Die Anzeichen dafür sind starker Hunger, Unruhe, Zittern, Bewegungsstörungen (Zuckungen) bis hin zum Koma. Eine Unterzuckerung ist immer ein Notfall und muss sofort behoben werden.

Als Gegenmaßnahme wird empfohlen:

  • Anbieten von Futter
  • Einflössen einer Zuckerlösung (Traubenzucker oder Honig) in die Backentasche,
  • Gabe eines Würfelzuckers unter die Zunge

Sollten diese Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, ist eine umgehende Vorstellung beim Tierarzt unumgänglich.

Quellen

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