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ORTF-Stereosystem

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Als ORTF-Stereosystem bezeichnet man eine Anordnung von zwei Mikrofonen für die Tonaufnahme in Äquivalenzstereofonie. Es wurde um das Jahr 1960 von Toningenieuren des französischen Rundfunks (Radio France) entwickelt, der 1964 zum Office de Radiodiffusion Télévision Française = ORTF reorganisiert wurde.

Durch eine Reihe praktischer Versuche und Hörvergleiche fanden sie ein Stereo-Hauptmikrofonsystem, das aus zwei Kleinmembranmikrofonen in Nierencharakteristik besteht und eine recht gleichmäßige Verteilung der Phantom-Schallquellen auf der Stereo-Lautsprecherbasis als Hörereignisrichtung ergibt. Es fand sich hierbei ein Achsenwinkel zwischen den beiden Mikrofonen von α = ± 55° = 110°, sowie eine Mikrofonbasis (Abstand der Mikrofonkapseln) von a = 17,0 cm. Der dadurch wirksame Aufnahmebereich des Mikrofonsystems beträgt ± 48° = 96°.

Nicht selten findet man als Abstand die Angabe von 17,5 cm. Diese Abweichung ist zwar praktisch vollkommen unbedeutend, jedoch entspricht sie nicht dem authentischen Wert! Der Fehler geht zurück auf Michael Dickreiter, welcher in seinem "Handbuch der Tonstudiotechnik, Teil 1" (ISBN 3-598-11320-X) fälschlicherweise diesen Wert als gegenseitigen Mikrofonabstand beim ORTF-System angegeben hat.

Unter dem Namen ORTF-Anordnung kursieren darüber hinaus auch noch weitere ähnliche Winkel- und Abstandsverhältnisse bei Mikrofonsystemen. So ist eine Anordnung mit einem Abstand von 20cm und einem Gesamtwinkel von 60° durchaus gebräuchlich. Diese führen zwar zu tontechnisch sinnvollen Abbildungen, entsprechen aber ebenfalls nicht dem eigentlichen Original.

Das ORTF-System ist demnach allein jenes mit den rein empirisch festgelegten Werten 17 cm und ± 55° = 110°. Der an dieser Stelle wegen der scheinbaren Anschaulichkeit oft zitierte Ohrabstand beim menschlichen Kopf war hierbei ebenfalls nicht von Belang. Dieser Abstand hat auch generell bei der Gewinnung von Signalen für die Lautsprecherwiedergabe keine Bedeutung:

Bei der Bildung der jeweiligen Hörereignisrichtung wirken frequenzunabhängige Pegeldifferenzen ∆ L und gleichsinnige Laufzeitdifferenzen ∆ t als Interchannel-Signale (Lautsprechersignale) zusammen. Diese Aufnahmetechnik wird gemischte Stereofonie oder Äquivalenz-Stereofonie genannt. Somit wird gleichzeitig die Intensitätsstereofonie und die Laufzeitstereofonie angewendet. Das Verwenden dieser Signaldifferenzen wird mit Äquivalenz bezeichnet.

Üblicherweise muss dieses spezielle Mikrofonsystem (Mikrofonanordnung) vom Toningenieur aus zwei einzelnen Kleinmembranmikrofonen zusammengesetzt werden. Großmembranmikrofone oder solche mit Doppelmembran sollten wegen der unausgeglichenen Richtcharakteristiken und der größeren Phasengänge nicht dazu verwendet werden.
Auch wenn es ratsam erscheint, selbst mit den beiden Parametern Achsenwinkel α und Mikrofonbasis a zu experimentieren, wozu es praktische Mikrofonhalterungen gibt, ist ein fest montiertes ORTF-Mikrofonsystem erhältlich. Weitere Mikrofonaufstellungen in Äquivalenz-Stereofonie sind z. B. das NOS-Stereosystem und das EBS-Stereosystem.

Siehe auch

| Äquivalenz (Tontechnik) | Abstandsgesetz | Ausdehnungsbereich | Decca-Tree | Hauptmikrofon | Hörbedingungen | Phantomschallquelle | Stereodreieck