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Chemische Evolution

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Chemische Evolution oder auch präbiotische Evolution ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte derjenigen Moleküle, die in rezenten Lebewesen von Bedeutung sind. Dabei entstanden aus anorganischen Moleküle durch Einwirkung von Energie organische, präbiotische Moleküle.

Einleitung

Eine genaue Rekonstruktion dieser Entwicklungsgeschichte wird durch das Fehlen von Fossilien und die genauen Kenntnisse der geochemischen Verhältnisse der Erde vor ca. 3,8 Milliarden Jahren erschwert.

Deshalb existieren viele verschiedene Hypothesen zum Ablauf der chemischen Evolution. Diese Hypothesen werden durch Modell-Experimente gestützt, die stets auf Annahmen über die damalige chemische Zusammensetzung der Atmosphäre, Hydrosphäre und Lithosphäre sowie klimatische Bedingungen beruhen.


Bis heute gibt es keine zusammenhängende Theorie, die erklären kann, wie Leben entsteht. Die im Folgenden angeführten Experimente und Vorschläge gelten als gute Diskussionsgrundlagen. Sie machen plausibel, dass Leben mittels solcher Prozesse entstanden sein kann. Es gibt zur Zeit keine experimentellen Hinweise darauf, dass die genannten Hypothesen richtig sind. Man kann auch nicht erwarten, Fossilien aus der Zeit, zu der die ersten Lebensformen entstanden sein sollen, zu finden. Diese hypothetischen ersten Lebens(vor)formen waren einfache Moleküle, die keine geologischen Spuren hinterlassen.

Vorüberlegungen

Biomoleküle

Die präbiotische Entstehung der komplexen organischen Moleküle kann in drei Schritte unterteilt werden:

  1. Entstehung einfacher organischer Moleküle (Alkohole, Säuren, Heterozyklen wie Purine und Pyrimidine) aus anorganischen Stoffen.
  2. Entstehung der Grundbausteine (Einfachzucker, Aminosäuren, Pyrrole, Fettsäuren, Nukleotide) komplexer organischer Moleküle aus einfachen organischen Molekülen.
  3. Entstehung der komplexen organischen Moleküle aus den Grundbausteinen:
Datei:BioMoleküle.jpg
Biomoleküle- Entstehung und Funktion

Die Elementaranalyse dieser Moleküle führt zu der Frage, welche anorganischen Verbindungen zu ihrer Entstehung notwendig waren.

Zusammensetzung der Biomoleküle:
  C H O N S P
Kohlenhydrate X X X      
Lipide X X X X   X
Proteine X X X X X  
Nucleotide X X X X   X
Porphine X X X X    
mögliche anorganische Quelle der Elemente:
  reduziert oxidiert
Kohlenstoff (C) Methan (CH4), Kohlenstoffmonoxid (CO) Kohlenstoffdioxid (CO2)
Wasserstoff (H) Wasserstoff (H2) Wasser (H2O)
Sauerstoff (O) H2O Sauerstoff (O2)
Stickstoff (N) Ammoniak (NH3) Nitrat (NO3-)
Schwefel (S) Schwefelwasserstoff (H2S) Sulfat (SO42-)
Phosphor (P)   Phosphat (PO43-)

Alle Hypothesen gehen davon aus, dass neben Wasser und Phosphat zunächst nur die reduzierten Formen in ausreichender Menge zur Verfügung standen, da die Uratmosphäre kaum molekularen Sauerstoff enthielt.

Als Energiequelle werden UV-Strahlen, Wärme vulkanischer Prozesse, ionisierende Strahlen radioaktiver Prozesse und elektrische Entladungen angenommen.

Entwicklung der Uratmosphäre

  1. Nach der Erstarrung der Erdoberfläche vor ca. 4,5 Milliarden Jahren und dem Verlust der leichten Gase Wasserstoff und Helium (1. Atmosphäre) in den Weltraum entsteht durch Vulkanismus die 2. Atmosphäre aus Wasser, Methan Ammoniak, Schwefelwasserstoff und Wasserstoff H2, der auf Grund der Abkühlung der Erde langsamer in den Weltraum diffundiert.
  2. Durch Verlust des Wasserstoffs und Reaktionen zwischen den Molekülen entwickelt sich die 3. Atmosphäre, bestehend aus Stickstoff N2, Kohlenstoffmonoxid, Kohlenstoffdioxid und Wasser, die miteinander zu Carbonaten reagieren, die teilweise ausgefällt werden. Vor allem aus Wasser, Methan und Stickstoff können sich unter den Bedingungen der frühen Erde zunächst kleine organische Moleküle (Säuren, Alkohole, Aminosäuren) später auch organische Polymere (Polysaccharide, Fette, Polypeptide) bilden
  3. Mit Beginn der Photolyse des Wassers durch autotrophe Organismen vor ca. 3,5 Milliarden Jahren beginnt die Anreicherung von Sauerstoff O2 in der 4. Atmosphäre. Der Gehalt an Sauerstoff beträgt vor 1,4 Milliarden Jahren 0,2 %, vor 0,4 Milliarden Jahren 2 % und heute 20 Volumen-%.

Frühe Stoffwechselvorgänge (gärende und chemolithotrophe Bakterien) erhöhen den Gehalt an Stockstoff (N2) und Methan (CH4).

  • vor ca. 3,5 Mrd. Jahren:

Beginn der Photolyse des Wassers Es wird soviel Sauerstoff gebildet, dass zunächst alle der Atmosphäre ausgesetzten Erze oxidiert werden, z.B. FeS wird durch O2 zu Fe2O3 und Fe2(SO4)3.

  • vor ca. 2 Mrd. Jahren:

Dieser geochemische Prozess ist abgeschlossen, der überschüssige Sauerstoff wird an die Atmosphäre abgegeben. Der sehr reaktive Sauerstoff oxidiert leicht die empfindlichen organischen Biomoleküle und stellt damit für die frühen Organismen einen selektierenden Umweltfaktor dar. Ein Teil der anaeroben Organismen kann sich in Sauerstoff freie Lebensräume zurückziehen, ein anderer Teil entwickelt Enzyme (zum Beispiel Katalasen), die den Sauerstoff unschädlich machen. Diese Enzyme haben einen gemeinsamen Ursprung mit den Enzymen der Redoxketten der Photolyse des Wassers und der Atmung.

  • vor ca. 1,5 Mrd. Jahren:

Es treten die ersten aeroben Organismen auf, die den Sauerstoff nicht nur unschädlich machen, sondern dabei zusätzlich Energie gewinnen (Atmungskette). Damit ergibt sich die Möglichkeit, dass sich zwischen den Sauerstoff erzeugenden Prozessen (Photosynthese) und den Sauerstoff verbrauchenden Prozessen (Atmung) ein Gleichgewicht einstellt. (Siehe auch Kohlenstoffkreislauf)

  • vor ca. 750 Mill. Jahren:

Mit Erhöhung des Sauerstoff-Gehaltes in der Atmosphäre kann sich in den äußersten Schichten soviel Ozon bilden, dass die für Lebewesen schädliche UV-Strahlung soweit abgeschwächt wird. Damit wird die Besiedlung terrestrischer Ökosystem durch Organismen möglich.

Die Rolle des Wassers für die Evolution des Lebens

  • Wasser ist in einem Temperatur-Bereich flüssig, in dem organische Moleküle stabil sind.
  • Wasser ist als Medium für chemische Reaktionen besonders geeignet, da es eine homogene Durchmischung ermöglicht, eine hohe Wärmekapazität hat und somit überschüssige Reaktionswärme aufnimmt, und Protonen für Katalysen zur Verfügung stellen kann.
  • Wasser weist global geringe Schwankungen in Temperatur und osmotischen Werten auf (lokal können große Unterschiede entstehen), was zu einem global ausgeglichenen Klima führt.
  • Wasser absorbiert die für Makromoleküle schädliche UV-Strahlung.

Experimente

Das Miller-Experiment

1953 simulierte Stanley Miller zusammen mit Harold Clayton Urey im Labor der University Chicago eine hypothetische frühe Erdatmosphäre. Das Experiment beschrieb er in seiner Veröffentlichung: Herstellung von Aminosäuren unter möglichen Bedingungen einer einfachen Erde.

Im Miller-Experiment (auch Miller-Urey-Experiment oder Urey-Miller-Experiment genannt) mischt man einfache chemische Substanzen einer hypothetischen frühen Erdatmosphäre – Wasser (H2O), Methan (CH4), Ammoniak (NH3) und Wasserstoff (H2) – und setzt diese Mischung elektrischen Entladungen aus. Dabei entstehen nach einer gewissen Zeit organische Moleküle (z.B. Aminosäuren).

Ursprünglich im Jahr 1953 durchgeführt, hat dieses Experiment seitdem in vielen Varianten vergleichbare Ergebnisse gegeben. Es wird als Beweis dafür angesehen, dass die frühe Erdatmosphäre organische Moleküle in nicht zu vernachlässigenden Konzentrationen enthielt. Das Experiment kann aber keine Aussagen darüber machen, wie sich diese Moleküle etwa zu großen Strukturen verbunden hätten.

In anderen Experimenten (Juan Oro, 1961) gelang die Synthese von Adenin, eine der 4 RNS-Basen.

Literatur: Miller, Stanley L.: A production of amino acids under possible primitive earth conditions. Sience 1953, 117, 528-529

Weblinks: http://abenteuer-universum.vol4u.de/miller1.html - Facharbeit: Das Miller-Experiment

Membransynthese

Im Jahr 1970 konnte Sydney Fox nachweisen, dass eine geeignete Mischung von Proteinen unter Erhitzung spontan Membranen in Kugelform, so genannte Mikrosphären, bildet. Da viele als ursprünglich angesehenen Archaebakterien in der Nähe heißer (vulkanischer) Quellen im Ozean vorkommen, gilt diese Beobachtung als ein Hinweis auf die Entstehung zellähnlicher Strukturen.

Siehe auch: Proteinoide

Die RNA-Welt

Die RNA-Welt-Hypothese (erstmals 1986 von Walter Gilbert vorgeschlagen) besagt, dass, bevor erste Zellen existierten, RNA-Moleküle die vorherrschende (oder einzige) Lebensform waren.

Die Hypothese lässt sich aus der Fähigkeit der RNA zur Speicherung, Übertragung, und Vervielfältigung genetischer Informationen sowie aus ihrer Fähigkeit, durch Ribozyme Reaktionen zu katalysieren, ableiten. In einer Evolutionsumgebung würden diejenigen RNA-Moleküle gehäuft vorkommen, die sich selbst bevorzugt vermehren. Sollte die RNA-Hypothese zutreffen, müsste man eine Neudefinition des Begriffs Leben erwägen.

2001 wurde entdeckt, dass die wichtigen katalytischen Zentren der Ribosomen von RNA (und nicht, wie vorher angenommen, von Proteinen) gestellt werden. Dies zeigt, dass eine katalytische Funktion der RNA, wie sie in der RNA-Welt-Hypothese vorgeschlagen wurde, heute von Lebewesen genutzt wird. Da Ribosomen als sehr ursprüngliche Zellbausteine gelten, gilt diese Entdeckung als wichtiger Beitrag zur Untermauerung der RNA-Welt-Hypothese. Man ist nun sicher, dass RNA-Moleküle – zumindest prinzipiell – in der Lage sind, Aminosäuren zu Proteinen zu verketten. In diesem Zusammenhang ist auch die PNA (Peptid-Nucleinsäure) von Interesse.

Siehe auch: Hyperzyklus, Manfred Eigen

Ausblick

Die Ansicht vieler Religionen, dass das Leben notwendigerweise einen übernatürlichen Ursprung habe, wird aufgrund der oben angeführten (und einer Reihe weiterer) Konzepte von den meisten Naturwissenschaftlern nicht mehr ernsthaft in Betracht gezogen, obwohl trotz 50 Jahren Experimentierens kein durchbrechender Fortschritt erzielt worden ist.

Meteore

Die Erde ist seit Anbeginn ihrer Existenz dem Bombardement von Meteoren ausgesetzt, von denen etliche auch einfache organische Moleküle beinhalten, unter anderem Aminosäuren. Beachtet man die Homochiralität irdischer Biomoleküle (L-Aminosäuren und D-Zucker), so wird dieser Ursprung noch plausibler, da die Aminosäuren aus dem Weltall ebenfalls überwiegend vom L-Typ sind. (Rubenstein et al. (1983, Nature 306, 118). Diese Verteilung ist allerdings auch durch anorganische Feststoff-Katalysatoren auf der Erde erklärbar.

Einerseits bleibt aber die Frage offen, wie die Aminosäuren im Weltall entstanden sind. Andererseits wird auch nicht erklärt, wie die organischen Makromoleküle entstanden sind.

Siehe dazu auch: Astrobiologie, Xenobiologie, Bonner-Rubenstein-Hypothese

Siehe auch

Paläontologie

Weblinks