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Piercing

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Datei:Septum and labret.jpg
Septum- und Labretpiercing
Datei:FlyBelly.jpg
Nabelpiercing

Piercing (von engl. to pierce [pɪəs], „durchbohren, durchstechen“ über altfrz. percier und lat. pertundere, „durchstoßen, durchbrechen“) ist eine Form der Körperkunst, wobei Ringe oder Stäbe an verschiedenen Stellen des menschlichen Körpers angebracht werden, indem der Schmuck durch die Haut und das darunter liegende Fett- oder Knorpelgewebe gezogen wird.

Schmuck

Piercingschmuckvariation

Hauptartikel: Piercingschmuck

Zum Einsatz werden vorzugsweise verschraubbare Barbells (Stäbe mit zwei verschraubten Kugeln an den Enden) oder Ball Closure Ringe mit Klemmkugel verwendet.

Materialien

Als Ringmaterial geeignet ist 750er Gold, Platin, Niobium, Titan, PTFE oder medizinischer Edelstahl, wobei der Schmuck für den Ersteinsatz aus Titan, Niob oder PTFE bestehen sollte. Nickel sollte wegen der Gefahr von allergischen Reaktionen nicht verwendet werden. Seit kurzem darf auch wieder 316L-Implantatstahl für den Ersteinsatz verwendet werden. Renommierte Piercing-Studios mit langjähriger Erfahrung verwenden ausschließlich Ringe oder Stecker aus G23-Titanium oder 316L-Implantatstahl für den Ersteinsatz.

Stechen

Stechen eines Zungenpiercings

Meistens werden Piercings mit einer Venenverweilkanüle gestochen. In aller Regel kommt eine sog. Braunüle zum Einsatz. Hierbei ist die Nadel durch einen Plastik- oder Teflonüberzug geschützt. Nachdem die Nadel durch die Haut gestochen wurde, wird sie entfernt. Lediglich der Überzug verbleibt in dem Stichkanal. Mit Hilfe dieses Überzuges wird der Schmuck durch den Stichkanal gezogen. Natürlich muss auch auf ausreichende Hygiene geachtet werden, da sich das "Loch" sonst entzünden kann. Nach dem Stechen darf der Schmuck für mehrere Wochen nicht gewechselt werden, da ansonsten der Heilprozess negativ beeinflusst wird und dadurch die Gefahr von Infektionen steigt.

Bei Ohren- oder Nostril-Piercings wird meistens die Ohrlochpistole angewendet. Hiervon ist jedoch abzuraten, da das Gewebe einreißen, an Knorpelstellen sogar splittern kann und der Apparat nicht vollständig sterilisierbar ist. Zudem sind die hierbei verwendeten Ohrstecker für den Ersteinsatz ungeeignet.

Eine weitere Methode ist der sogenannte Dermal Punch. Dabei werden Gewebeteile mit einer Hohlnadel bis zu einem Durchmesser von 8 Millimetern herausgestanzt. Dies wird vor allem angewendet um größeren Schmuck in Knorpelgewebe einsetzten zu können. Weil hierbei Gewebe komplett entfernt und nicht verdrängt wird, heilen gepunchte Piercings besser, da der Schmuck weniger Druck ausübt.

Vor dem Stechen sollten kein Alkohol, Drogen und Koffein, so wie blutverdünnende Medikamente eingenommen werden da diese den Kreislauf und die Blutgerinnung beeinträchtigen können.

Piercingarten

Verschiedene Ohrpiercings
  • Helix: Piercing durch das Knorpelgewebe der Ohrkante (1).
  • Industrial Piercing: Hierbei wird ein Barbell in zwei gegenüberliegende Helix-Piercings eingeführt (2).
  • Rook: Piercing durch den Anti-Helix (3).
  • Daith: Piercing durch die waagerechte Auswölbung in der Ohrmuschel (4).
  • Tragus: Piercing durch den Knorpelfortsatz am Eingang des Gehörkanals (5).
  • Snug: Piercing durch die innere Knorpelauswölbung parallel zur Ohrkante (6).
  • Conch: Piercing durch die innere oder äußere Ohrmuschel (7).
  • Anti-Tragus: Piercing durch den dem Tragus gegenüberliegenden Knorpelfortsatz (8).
  • Lobe: Klassisches Piercing durch das Ohrläppchen (9).

Gesichtspiercings

seitlich gepiercte Augenbraue

Körper

Brustwarzenpiercing

Intimpiercings bei Männern

 

Intimpiercings bei Frauen

 

 

Variationen

  • Gedehnte Piercings: Um Schmuck mit größerem Durchmesser einzusetzen kann ein Piercing vorsichtig geweitet werden. Meist wird diese Praxis beim Lobe-Piercing durchgeführt.
  • Oberflächenpiercing: Hierbei handelt es sich um ein Piercing bei dem sowohl dessen Einstich- als auch dessen Austrittskanal auf einer Ebene liegen.
  • Orbital: Zwei Piercings die mit einem Ring verbunden sind.
  • Venom-Piercings: Mehrere symmetrisch angeordnete Piercings in der Zunge oder der Lippe, auch entlang des Ohrrandes oder der Labien.

Geschichte des modernen Piercings

Frau im Piercingstudio

Zwar gab es mit The Gauntlet in Los Angeles schon 1975 den ersten modernen Piercing-Shop, die Verbreitung dieser Mode beginnt aber erst in den 1980er Jahren in Kalifornien, als die Bewegung der Modern Primitives, der modernen Wilden, entstand. Man übernahm bewusst die bei „wilden“ Völkern verbreiteten Bräuche, um den eigenen Körper zu verändern (Body Modification): Dazu gehörten vor allem die Tattoos, das Piercing oder die Narbenbildung (Scarification), später auch das Branding. Noch zu Beginn der 90er Jahre blieb das Piercing überwiegend auf die Punk- und BDSM-Szene beschränkt. Von da aus breitete es sich im Lauf weniger Jahre aus und ist heute als Schmuck beinahe allgemein akzeptiert.

Mögliche Gefahren

Wird das Piercing nicht fachgerecht vorgenommen, kann es zu Komplikationen kommen: Piercings durch den Ohrknorpel führen leicht zu Entzündungen. Beim Augenbrauenpiercing und beim Nasenflügelpiercing könnten Ausläufer des Trigeminusnervs getroffen werden. Bei allen Formen des Piercings kann es zu lokalen Schwellungen kommen, die meist nach einer Weile abklingen. Beim Bauchnabelpiercing, das bei Frauen beliebt ist, kann die Abheilungsphase bis zu einem halben Jahr dauern. Piercings im Dammbereich können zu dauerhaften Entzündungen führen, wenn man beruflich ständig sitzen muss.

Piercingschaden an den mittleren unteren Frontzähnen

Piercings im Mundbereich (Zunge, Lippe, Lippenbändchen) bergen ein hohes langfristiges Gefahrenpotential für Zähne und Zahnhalteapparat. Der Schmuckknopf eines Zungenpiercings führt relativ häufig zu Traumatisierung der zungenwärts gelegenen Zahnhöcker, was zu Zahnfrakturen und Absterben des Zahnmarkes führen kann. Die innen gelegene Konterplatte von Lippenpiercings drückt bei ungünstiger Lokalisation bei jeder mimischen Bewegung aufs Zahnfleisch und den darunter liegenden hauchdünnen Alveolarknochen. Da Knochen auf Druckbelastung schwindet, kann es so zu Zahnlockerungen bis hin zum Zahnverlust kommen. Ähnliches gilt für Piercings des Frenulums (Lippenbändchen).

Beim so genannten Prinz Albert (PA) wird der Ring durch den Ausgang der Harnröhre zur unteren Seite der Eichel des Penis gezogen. Zu dünne Ringe bis ca. 2 mm Materialstärke bergen die Gefahr des "Käseschneidereffekts": bei mechanischer Belastung kann der Schmuck durch das Gewebe schneiden; das Piercing reißt aus. Bei ausreichender Materialstärke kann ein PA allerdings recht belastbar sein. Bei zu engen Ringen kann es zu Quetschungen kommen.

Ein nicht vollständig abgeheiltes Intimpiercing erhöht, wie auch jede andere offene Wunde im Genitalbereich, die Gefahr einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, z. B. Hepatitis B und C oder HIV.

Bei Temperaturen unter -10°C kann es bei offen getragenen Piercings mit Metallschmuck zu Erfrierungen kommen da Metall sehr kalt werden kann und Wärme besser leitet als organisches Gewebe.

Rechtliches

Gepierct werden darf wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, bzw. Minderjährige mit Einverständnis des Erziehungsberechtigten. Wer Minderjährige ohne Einverständniserklärung des Erziehungsberechtigten pierct, macht sich nicht strafbar, denn auch der Minderjährige kann eine wirksame Erklärung gem. § 228 StGB abgeben. Für diese Erklärung ist Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich.

Laut der Nickelrichtlinie (94/27) der EU darf für den Ersteinatz kein Schmuck verwendet werden, dessen Nickelfreisetzung fünf Nanogramm pro Quadratmeter und Woche durch Abrieb übersteigt. Demzufolge geeignet sind Titan, Niobium und PTFE.

Der Piercingvorgang ist rechtlich gesehen eine Körperverletzung. Deshalb muss der Klient in der Regel vor dem Piercen eine schriftliche Einverständniserklärung abgeben, die den Piercer vor rechtlichen Folgen diesbezüglich befreit.

Der Piercer hat Beratungspflicht. Weist der Piercer nicht auf mögliche Folgen des Piercings, insbesondere etwaige Entzündungen oder Nervenschädigungen hin, kann dieser belangt werden. In einem Fall, bei dem bei einer Klientin die Teilamputation der Zunge drohte, wurde der Piercer zu 300 Euro Schmerzensgeld verurteilt. (AG Neubrandenburg, AZ "18 C 160/00")

Das Piercen befindet sich aus gesetzlicher Sicht in einer Grauzone. Wer Piercen darf und wer nicht, ist nicht klar definiert. Das VG Gießen kam mit Urteil vom 09. Februar 1999 (AZ "8 G 2161/98") zu dem Schluss, dass der Piercingvorgang, gleichgültig ob dabei lokale Anästhesie eingesetzt wird oder nicht, ausschließlich von Personen mit entsprechendem Fachwissen durchgeführt werden darf. So sei mindestens eine Ausbildung zum Heilpraktiker von nöten, um Piercings setzen zu dürfen.

Oben genanntes Urteil wurde in nächster Instanz vom VGH Hessen mit Urteil vom 02. Februar 2000 (AZ "AZ 8 TG 713/99") insofern bestätigt, dass zumindest für das Piercen mit lokaler Anästhesie mittels Injektion eines Betäubungsmittels, Personal mit entsprechender Kompetenz (Heilpraktiker, Arzt) vorausgesetzt wird.

Literatur