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Antiqua-Fraktur-Streit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Die Geschichte des Streits um die in Deutschland zu verwendende Schrift, Fraktur oder Antiqua, ist ebenso lang wie wechselvoll.

Historisch geht das Problem auf den unterschiedliche Sprachgebrauch bei gelehrten Texten, nämlich Latein, und sonstigen Texten auf deutsch zurück. Für Texte in deutscher Sprache wurde üblicherweise die Fraktur verwendet, die in der Renaissance entwickelt wurde und von gotischen Bastarda-Schriften abstammt. Für lateinische Texte verwendete man hingegen vorzugsweise Antiqua-Schriften. Diese Konvention war ursprünglich völlig wertungsfrei.

Interessant ist, dass diese beiden Schriften im Laufe der Geschichte dann jedoch immer wieder synästhetisch interpretiert und konnotiert wurden und somit zum ideologischen Zankapfel gerieten.

Hierbei kann mit 1800 ein gewisser Höhepunkt des Schriftstreits markiert werden, eine Phase in der deutschen Geschichte, in der erstmals versucht wurde, zu bestimmen, was Deutschland kulturell denn eigentlich eine. Um 1800 gab es massive Bemühungen, eine deutsche Nationalliteratur zu kanonisieren - in diesem Kontext sind auch die Volksmärchen-Sammlungen der Gebrüder Grimm zu sehen - oder etwa eine einheitliche deutsche Grammatik festzulegen.

Im Umfeld dieser Debatten wurden nun auch die beiden Schriftarten polarisiert: Antiqua-Schriften galten als undeutsch und sie verkörperten dies durch ihr nun mit Leichtigkeit, Unernsthaftigkeit und Seichtigkeit konnotiertes Schriftbild, wohingegen die Fraktur mit ihrem viel dunkleren und dichteren Schriftbild mit den angeblich deutschen Eigenschaften wie Tiefe, Ernsthaftigkeit, Dunkelheit in Verbindung gebracht wurde.

In der Romantik, die das Mittelalter verherrlichte, gewannen die Fraktur-Schriften noch die (historisch falsche) Interpretation, durch ihr Schriftbild die deutsche Gotik gleichsam darzustellen. So ermahnte auch Goethes Mutter ihren Sohn, der an den klaren Antiqua-Schriften Gefallen gefunden hatte, er solle doch um Gottes Willen deutsch bleiben - auch in den Buchstaben (womit natürlich die Frakturschrift gemeint war).

Die Debatten um die beiden Schriftarten verebbten im 19. Jahrhundert, um dann insbesondere in allen völkisch und national orientierten Kreisen wieder aufzuflammen. Eine besondere Erhöhung erfuhren die Fraktur-Schriften dann im Nationalsozialismus. 1941 wurde sie jedoch abrupt als Schwabacher Judenletter diffamiert, durch den Normalschrifterlaß verboten, wohingegen die Antiqua-Schriften dann als Normalschriften ausschließlich verwendet wurden. Mit dem Ausdruck Normalschrift wurde die Debatte auch insofern beendet, als es ab sofort keine zuvor als undeutsch empfundene Antiqua mehr gab, sondern stattdessen eben nur noch eine normale Schrift.