Zyperntürken
Zypern-Türken | ||
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Die Zypern-Türken (Eigenbezeichnungen: Türkler; daneben Kıbrıs Türkleri) oder auch Zyperntürken sind ethnische Türken, die der Bevölkerung Zyperns angehören (Zyprer) und die zyprisch-türkische Diaspora bilden.
Sie bilden heute das "Staatsvolk" der international nur von der Türkei anerkannten Türkischen Republik Nordzypern und 99% der Bevölkerung dieses Inselteils. Die Zypern-Türken gehören zur oghusischen Gruppe innerhalb der Turkvölker und sprechen einen besonderen türkischen Zypern-Dialekt. Mehrheitlich gehören sie dem sunnitischem Islam an, die der hanefitischen Rechtsschule angehören.
Die Bezeichnung »Zypern-Türken« wird auch von den »Zypern-Griechen« für die in Zypern geborenen Türken verwendet, um sie von den nach der Teilung der Insel eingewanderten Türken aus Anatolien zu unterscheiden. Die Zypern-Türken und -Griechen wurden lange Zeit gemeinschaftlich als »Zyprer/Zypriot«bezeichnet.
Heute gibt es weltweit etwa eine Million Zypern-Türken. Davon leben etwa 500.000 allein in der Türkei, 262.000 (Ergebnis der Volkszählung 2006) in der Türkischen Republik Nordzypern, 200.000 im Vereinigten Königreich, 50.000 in Australien, 10.000 in Nordamerika, 2.000 in Südzypern und weitere 8.000 in anderen Ländern.
Geschichte
Durch die Eroberung Zyperns durch das Osmanische Reich im Jahre 1573 wurde die ethnische, sprachliche und kulturelle Zusammensetzung der Inselbevölkerung verändert. Politisch war die Insel eine unbedeutende Provinz des Reiches, weitgehende Folgen hatte aber die Ansiedlung osmanischer Siedler. Diese türkischen Siedler übernahmen nun im Namen des Sultans wichtige Verwaltungsämter.
Obgleich die Insel zuvor von anderen Mächten beherrscht wurde und andere Menschen mit der Inselbevölkerung verschmolzen, war die Inselbevölkerung überwiegend griechischsprachig. Nach der Eroberung der Insel siedelten nach der Verordnung von Selim II. 5.720 Haushalte (Hane) nach Zypern. Die türkischen Siedler kamen aus den Städten und Regionen um Karaman (Türkei), Mersin, Yozgat, Alanya, Antalya und Aydın. Zusätzlich kamen mit den Siedlern 12.000 Soldaten, 2.000 Reiter der Kavallerie und 20.000 ehemalige Soldaten mit ihren Familien auf die Insel.
Das Osmanische Reich gestand seiner nichtmuslimischen Bevölkerung Autonomie zu (Millet-System), wenn sie ihre Steuern zahlten und dem Sultan ergeben waren. Dadurch konnten die Zypern-Griechen im Millet-System des Reiches ihre Siedlungen und Institutionen behalten. Die türkischen Zyprer gründeten neue Dörfer, lebten aber meist mit den Zypern-Griechen in ihren Dörfern zusammen. Obwohl die gemeinschaftliche Beziehung eng war, kam es durch die Heiratsgewohnheiten der Kulturen zu keiner nennenswerten Vermischung. Nur selten wurden griechisch-türkische Ehen geschlossen.
Im späten 16. Jahrhundert lebten ungefähr 40.000 bis 60.000 Türken auf der Insel. Im 18. Jahrhundert schätzte der britische Konsul in Syrien, dass die türkische Bevölkerung auf Zypern der griechischen Bevölkerung durch ein Verhältnis von zwei zu eins zahlenmäßig überlegen war. Demnach lebten auf der Insel 30.000 Zypern-Griechen und 60.000 Zypern-Türken. Viele europäische Forscher lehnen Schätzungen ab, die türkische Bevölkerung auf Zypern als Mehrheit darstellen.
Als Gegenleistung für die Unterstützung im 8. Russisch-Türkischen Krieg (1877/8) trat der osmanische Sultan 1878 die Insel an die englische Krone ab. Zwar war Zypern de jure noch dem Osmanischen Reich angehörig, de facto wurde sie aber unmittelbar dem englischen Herrscherhaus unterstellt. Großbritannien baute die Insel zu einem der wichtigsten Marinestützpunkte im Mittelmeer aus.
Nach dem die Insel unter die britische Krone fiel, verließen viele Türken die Insel. Dadurch fiel die Zahl der Türken auf Zypern. 1881 wurde eine britische Volksauszählung auf der Insel durchgeführt, wonach die Zahl der Zypern-Griechen 140.000 und die der Zypern-Türken 45.000 (24,3%) betrug.
Nach dem I. Weltkrieg annektierte England Zypern und erhob die Insel 1925 zur Kronkolonie. Bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1960 wurde das Land von einem englischen Generalgouverneur verwaltet.
Nach dem II. Weltkrieg gewann die griechische Anschlussbewegung der Inselgriechen an Bedeutung: Das Oberhaupt der zyprisch-orthodoxen Kirche, Erzbischof Makarios III. (1950-1977), übernahm nun die Führung des politischen Widerstandes und forderte nun offen die »Wiedervereinigung Zyperns mit dem griechischen Mutterland« (Enosis). Als Schutzmacht der Zypern-Türken fühlte sich die türkische Regierung verpflichtet zu handeln.
Zwischen 1950 und 1974 gab es bedeutende Auswanderungen der Zypern-Türken, hauptsächlich nach Großbritannien, Australien und in die Türkei. Viele auswanderungswillige Bürger profitierten von der liberalen britischen Immigrationpolitik.
Etwa 10.000 zypern-türkische Sicherheitskräfte, die sich zwischen 1955 und 1961 gegen die Terrororganisation EOKA eingesetzt haben, wurden vertrieben und wanderten größtenteils nach Großbritannien und Australien aus. Ehemalige EOKA-Kämpfer nahmen hoch qualifizierte Pfosten in der neuen Regierung an.
Als die Insel am 16. August 1960 unabhängig wurde, waren die Zypern-Griechen und Türken noch als gleichwertige Partner anzusehen: Präsident der Inselrepublik wurde ein Grieche (Makarios III.), sein Stellvertreter bzw. Vizepräsident ein Türke (Fazıl Küçük). Doch bereits 1963 zerbrach diese politische Einheit, als der griechische Präsident die Verwaltungsstellen den Bevölkerungsanteilen entsprechend aufteilen wollte. Nach dieser Aufteilung hätte die türkische Bevölkerung nun keine Rolle mehr auf Zypern gespielt. Nach Übergriffen der EOKA auf den türkischen Bevölkerungsteil kam es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Um die Kämpfe zu unterbinden, wurden am 10. August 1964 durch die UNO UN-Friedenstruppen auf Zypern dauerhaft stationiert.
Bis 1974 blieb die Zahl der Türken auf Zypern konstant und betrug rund 118.000 Personen. Am 15. Juli 1974 putschte sich die zyperngriechische Nationalgarde mit offener Unterstützung der griechischen Regierung in Athen (damals herrschte auch dort eine demokratisch nicht legitimierte Militärdiktatur) an die Macht, setzte den Präsidenten Makarios ab und erklärte ihrerseits den Anschluß der Insel an Griechenland.
Zum "Schutz" der Zypern-Türken landeten am 20. Juli 1974 türkische Truppenteile im Norden Zyperns. Der Putsch der zyperngriechischen Militärs scheiterte zwar und eine »zyprische Gesamtregierung« wurde formal wieder eingesetzt. Aber die ethnische Teilung der Insel blieb bestehen, wurde sogar ausgebaut: 12.000 Zypern-Türken verließen die griechisch-dominierte Südhälfte der Insel, während aus dem türkischen Nordteil 170.000 Zypern-Griechen umgesiedelt wurden; Zypern war nun ethnisch klar geteilt, in einen griechischen Süden und einen türkischen Norden.
Nach der von der türkischen Regierung als Friedensoperation "Atilla" bezeichneten Landung türkischer Soldaten im Jahre 1974 wurde der Nordteil der Insel (1/3 der Fläche) als sogenannte Sicherheitsschutzzone für die Zypern-Türken erobert. Die Zypern-Türken im Südteil flüchteten in den Norden, wobei die Griechen nach und nach in den Süden abwanderten. Die wichtigsten Gründe dafür war die internationale Isolierung, Embargo, schlechte Lebensverhältnisse und Trennung von den restlichen Inselgriechen im Süden. Einige Tausend Zypern-Griechen sind aber bis heute in Nordzypern (Halbinsel Karpaz) geblieben ebenso wie die arabischsprachige Maroniten. Zusätzlich kamen etwa 40.000 Siedler aus der Türkei nach Nordyzpern und 50.000 Siedler aus Griechenland nach Südzypern.
1975 riefen die Zypern-Türken unter ihrem politischen Führer Rauf Raif Denktaş einen eigenständigen Teilstaat im Rahmen Zyperns aus. Daneben wurden zahlreiche türkische Militärstützpunkte eingerichtet, die 30.000 Personen umfassen.
1983 rief Denktaş die nun von Gesamt-Zypern unabhängige »Republik Nordzypern« aus. Dieser zypern-türkische Staat wurde zwar der UNO offiziell angezeigt, aber von allen UNO-Staaten erkannte nur die Türkei diesen zypern-türkischen Staat völkerrechtlich an.
Bis 2004 scheiterten alle zyprischen Einigungs- und Vermittlungsversuche der UNO, die Teilung der Insel aufzuheben und wieder einen lebensfähigen Gesamtstaat zu bilden. Die Zypern-Griechen sowie die Staaten der UNO (mit Ausnahme der Türkei) bestanden auf die Beibehaltung des Status Quo, d. h. daß die offizielle Vertretung der Insel durch die griechische Mehrheitsbevölkerung zu erfolgen haben. Dagegen sprachen sich die Zypern-Türken für eine Umwandlung des zyprischen Einheitsstaates in eine Föderation aus zwei de facto unabhängige Staaten, die nur noch de jure zu einem »Gesamtstaat Zypern« zusammengefaßt wären. Damit hatten die Zypern-Türken den berühmten »Schwarzen Peter« bei den Verhandlungen. Denn jedesmal, wenn die Gespräche zwischen den griechischen und türkischen Vertretern scheiterten, hieß es von griechischer Seite: »Wir hätten ja die Wiedervereinigung gewollt, aber die Türken nicht!«
Das änderte sich mit den Betrittsverhandlungen der Republik Zypern mit der Europäischen Union. Es wurde festgelegt, dass am 26. April 2004 eine Volksabstimmung über den Friedensplan Kofi Annans über eine Wiedervereinigung nach einem schweizerischen, kantonalen Muster und den daraus folgenden EU-Beitritt Gesamt-Zyperns stattfinden sollte. Selbst Rauf R. Denktaş war nach anfänglichen Widerständen dafür, dass die Zypern-Türken mit »Ja« stimmen sollten. Bereits zuvor war den Zypern-Griechen von der EU (nach erfolgreichem Abschluss der Beitrittsverhandlungen) zugesichert worden, dass die Eingliederung der griechischen Republik Zypern in die EU in jedem Fall stattfinden werde, ganz gleich, wie das Referendum ausgehen würde. Bei der Volksabstimmung kamen die unterschiedlichen Interessen offen zutage: während sich die Zypern-Türken mit 64,9% für den Friedensplan entschieden, stimmten auf griechischer Seite 75,8% dagegen.
Details der beiden Referenden:
Ja | Nein | Wahlbeteiligung | |
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Türkische Republik Nordzypern (türkisch) | 64.90% | 35.09% | 87% |
Republik Zypern (griechisch) | 24.17% | 75.83% | 88% |
Seit der Gründung der Türkischen Republik Nordzypern unter Rauf R. Denktaş (1983), hat die Regierung der Republik Zypern ein ökonomisches, politisches, kulturelles und sportliches Embargo gegen die TRNC erwirkt, gefolgt von der gesamten internationalen Gemeinschaft, mit Ausnahme der Türkei (im Gegenzug erkennt die türkische Regierung die Republik Zypern nicht an). Die Effekte des Embargos haben viele Zypern-Türken veranlasst, ins Ausland auszuwandern, wovon anatolische Siedler profitierten und nach Nordzypern auswanderten, um die freien Immobilien und Arbeitsplätze zu nutzen. Auf der anderen Seite wirkt sich auch das seit der Teilung der Insel bestehende türkische Embargo auf die Wirtschaft der Republik Zypern aus – so dürfen weder griechisch-zyprische Schiffe türkische (Festlands-)Häfen anlaufen, noch dürfen griechisch-zyprische Flugzeuge in der Türkei landen bzw. überfliegen. Zypern-Griechen, die den Nordteil der Insel besuchen wollten, mussten erst einen Umweg über Griechenland und die Türkei einlegen – und umgekehrt. Letzteres hat sich aber im Laufe der Annäherung zwischen den beiden Regierungen weitgehend erübrigt, die Grenze ist für den alltäglichen Verkehr durchlässiger geworden.
siehe auch: Zypern-Griechen
Literatur
- Ethnische Minderheiten in Europa, 1995
- Diercke Länder-Lexikon, 1999
- Lexikon der Weltbevölkerung, 2000
- Der Nordzypern Almanack, (1985), K.Rustem U. Bro. Verleger, London.