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Hadschi Bektasch

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Hadschi Baktāsch Wali (arab. «Der heilige Hadschi Baktāsch»; türkische Schreibweise: Hacı Bektaş Veli) war ein Mystiker (Sufi) aus Khorasan, der in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Anatolien lebte und wirkte. Nach ihm ist die Bektaschi-Tariqa (Bektaschi-Derwisch-Orden) benannt, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht von ihm selbst gegründet wurde.

Über sein Leben ist nicht viel bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass eine Person dieses Namens existiert hat und bedeutenden Einfluss auf die Bevölkerung Anatoliens hatte. Alles weitere fällt in den Bereich der Legende.

Die Hauptquelle für das Leben Hadschi Baktāschs ist die Walāyat-Nāma (türk: Velayet-Name) des türkischen Gelehrten Uzun Firdausi-e Tawil[1] aus dem späten 15. Jahrhundert, geschrieben in anatol. Türkisch.

Herkunft

Hadschi Baktāsch wurde in Nischapur im Westen Khorasans (heute Iran) geboren. Nach der Walāyat-Nāma war er der Sohn eines gewissen Sayyid Muhammad bin Musā und - so wird behauptet - ein Urenkel des Imam Mūsā al-Kāẓim, des 7. Imam der Imamiten - ein offensichtlicher Fehler des Autors, denn diese Angabe ist zeitlich betrachtet unmöglich.

Ob er tatsächlich aus Nischapur stammte, ist durch andere Quellen nicht nachweisbar; zudem war besonders bei den turkmenischen Nomaden Anatoliens die Bezeichnung "Khorasan erleri" (türk. "die Heiligen Khorasans") ein allgemeiner Ehrentitel für viele Mystiker und religiöse Gelehrten jener Zeit. Zur selben Zeit ist diese Bezeichnung aber auch ein Indiz dafür, dass Hadschi Baktāsch wohl tatsächlich aus Khorasan stammten könnte und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit persischer Abstammung war[2][3], denn zur Lebzeit Hadschi Baktāschs hatte sich das Reich der Rum-Seldschuken zu einer Fluchtstätte für persische Gelehrten und Heilige entwickelt, die aus ihrer Heimat aufgrund der mongolischen Invasion fliehen mussten - wohl der Kern der türkischen Redewendung. (siehe auch: Rumi, Attar)

Der Legende nach war er zum Zeitpunkt seiner Flucht nach Anatolien ein vierzigjähriger Derwisch der Yesevi-Tariqa und der khalifa (Stellvertreter) Ahmad Yasawis, des Begründers des Ordens. Aber auch das ist zeitlich betrachtet unmöglich und ist eher als eine spätere Innovation, die die beiden Heiligen zusammenführen soll, anzusehen.

Glaubhafter ist hingegen die Annahme, dass Hadschi Baktāsch zu den Qalandari-Sufis Bābā Rassul-Allāh Eliyās Khorāsānīs (1240 hingerichtet) gehört hat. Diese Annahme wird durch frühe Chronographen der Mevlevi-Derwische indirekt bestätigt, die ihn als einen anti-orthodoxen Mystiker mit "gnostischer Illumination"[4] beschrieben, welcher "die Scharia vollkommen ablehnte" (sehr typisch für ostpersische Qalandari-Mystiker jener Zeit)[5][6].

Geschichte

Hadschi Baktāsch ließ sich in Sulucakarahöyük (heute Hacıbektaş, Provinz Nevşehir) nieder, möglicherweise aus dem Grund, weil es dort zur damaligen Zeit wenig Tekkes gab. Sulucakarahöyük war ein entlegener Ort, weit entfernt von den Zentren Anatoliens, wo das politische Geschehen und ein reger Handel stattfanden.

Schon bald nach seiner Ankunft verbreitete sich sein Ruf als spiritueller Führer. Gesinnungsleute halfen ihm, seine Lehre zu systematisieren. Ein Kloster wurde gebaut und zahlreiche Schüler - hauptsächlich aus den turkmenischen Nomadenstämmen - sammelten sich um ihn. Wanderne Derwische trugen seine Lehre in Dörfer und Städte. Einer der bekanntesten unter ihnen war der dichtende Derwisch des Bektaschi-Tariqa, Yunus Emre (gest. ca. 1321), der die Lehren von Hadschi Baktāsch in unzähligen Gedichten festhielt. Ein anderer, nicht weniger bekannte Schüler war der persische Dichter und Wanderprediger Schams von Tabriz, der Dschalal ad-Din Rumi zu seinen mystischen Gedichten inspirierte.

Lehre und Werke

Das einzige Werk, dass glaubhauft auf Hadschi Baktāsch selbst zurückgeführt werden kann, ist das Maqālāt, im Türkischen auch als Küçük Velayet-Name bekannt. Es wurde auf Arabisch veröffentlicht, basierend auf seine Reden, die er in türkischer Sprache für die turkmenischen Nomaden hielt[3].

Seine Gedanken waren zu seiner Zeit revolutionär und faszinierten Menschen verschiedenster Glaubensrichtungen.

Philosophie

Auf Hadschi Baktāsch Wali gehen Hunderte von Aussprüchen zurück, die seine Philosophie erläutern und von Aleviten bzw. Bektaschis überliefert werden:

  • Das Universum ist die sichtbare Gestalt Gottes
  • Rituelle Gebete machen keinen Menschen besser
  • Die Taten zählen, nicht die Worte
  • Betet nicht mit den Knien, sondern mit dem Herzen
  • Das wichtigste Buch zum Lesen ist der Mensch
  • Glücklich ist, wer die Gedankenfinsternis erhellt
  • Ermögliche den Frauen eine gute Bildung
  • Es gibt kein Gegeneinander von Gott und Mensch, sondern ein Miteinander in tiefer Verbundenheit
  • Rost glüht nicht von selbst, sondern durch das Feuer
  • Der Verstand sitzt im Kopf, nicht in der Krone
  • Was Du suchst, findest Du in Dir selbst, nicht in Jerusalem, nicht in Mekka

Einfluss

Auch heute noch nennen sich die türkischen/kurdischen Aleviten (die eine schiitisch beeinflusste Glaubensrichtung darstellen und neben anderen Imamen insbesondere Ali, den Vetter und Schwiegersohn Mohammeds verehren) "Aleviten-Bektaschiten".

Quellen und Literaturangaben

  1. A. Gölpinarli, ed., 1958, ff. xix-xxv
  2. Köprülü, "Hacı Bektaş Veli", f. 295, 1920
  3. a b H. Algar, "Khorāsanian Sufī Hāji Bektāŝ", Encyclopædia Iranica, v, f. 117, Online Edition 2006
  4. Aflākī, 1953, I, S. 381-82
  5. Elvân Çelebi, ed., 1984, S. 17
  6. Erünsal/Ocak, "Hacı Bektaş Veli", Introduction, xli-xlv