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Rangierbahnhof

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Rangierbahnhof m., abgeleitet von "Rang(ordnung)"; englisch: hump yard, marshalling yard, (USA:) classification yard; französisch: gare de triage f., (Belgien:) gare de formation; italienisch: scalo di smistamento m., stazione di smistamento f.; spanisch: estación de clasificación f.; niederländisch: rangeerterrein n., (Belgien:) vormingstation n.


Rangierbahnhöfe sind die Zugbildungsbahnhöfe des Wagenladungsverkehrs (das heißt: Transport einzelner Waggons in gemischten Zügen statt Ganzzugverkehr) im Güterverkehr. Es handelt sich um die größten Bahnhöfe überhaupt. Im Gegensatz zu Personenbahnhöfen und Güterbahnhöfen dienen sie somit nicht verkehrlichen, sondern betrieblichen Aufgaben; wohl kann aber ein ganzer Bahnhof aus mehreren nebeneinander liegenden Bahnhofsteilen mit unterschiedlichen Aufgaben bestehen. Die offizielle Abkürzung ist in Deutschland "Rbf" und in der Schweiz "RB". Bis 1901 schrieb man "Rangirbahnhof", weiter waren die veralteten Begriffe "Verschubbahnhof" und "Verschiebebahnhof (Vbf)" in Gebrauch, letzteres einerseits vor allen Dingen in Norddeutschland bis 1960 und andererseits nach wie vor als offizieller Begriff in Österreich.

Die im Wagenladungsverkehr beförderten einzelnen Waggons müssen für den Transport zu Zügen zusammengestellt und die Züge wieder zerlegt werden. Daher ist ein im Wagenladungsverkehr aufgegebener Waggon in der Regel mehrere Male zu rangieren, und zwar einerseits im Abgangs- und Zielbahnhof und andererseits während des Laufweges in Rangierbahnhöfen.

Standorte

Rangierbahnhöfe wurden vor allem in oder am Rande von Industriegebieten, großstädtischen Ballungsräumen, großen Hafenstädten und weiteren Eisenbahnknotenpunkten (zum Teil eigentlichen "Eisenbahnstädten" wie Bebra oder Offenburg) angelegt, sowie in geringerer Anzahl an Grenzübergängen und in Spurwechselbahnhöfen, darüber hinaus in den USA auch an oft in abgelegenen Ortschaften gelegenen Betriebsmittelpunkten ("hub") der Netze der dort seit jeher privat betriebenen Eisenbahngesellschaften.

Die größte Anzahl und Dichte von Rangierbahnhöfen bezogen auf die Streckenlänge der Eisenbahnen befindet sich in Mitteleuropa, den Beneluxländern und Frankreich; gefolgt von den übrigen Teilen Europas, Russland, China sowie den USA (in diesen beiden Ländern hauptsächlich in der Osthälfte), und früher auch Japan, also mehrheitlich in überwiegend industriell geprägten Gebieten. In Ländern der so genannten "Dritten Welt", besonders Südamerika, gibt es dagegen nur wenige Rangierbahnhöfe, oft auch überhaupt keinen.

Innerhalb des Knotenbereiches befinden sich die Rangierbahnhöfe entweder direkt neben dem Personenbahnhof, oder entlang einer der den Personenbahnhof verlassenden Strecken oder an einer nur dem Güterverkehr dienenden Umgehungs- oder Ringbahn. Weiter besitzen insbesondere in Europa die Anschlussbahnen sehr großer Industrieanlagen (vor allem Eisenhütten und Chemiewerke) und sehr großer Häfen teilweise eigene Rangierbahnhöfe, die von diesen selbst und nicht von der öffentlichen Eisenbahn betrieben werden.


Bauweise und Betrieb

In den Rangierbahnhöfen werden die Waggons entweder mit Lokomotiven ohne Anwendung der Schwerkraft im Gleisfeld bewegt oder durch Ablaufenlassen mittels Schwerkraft.

In Bahnhöfen ohne Ausnutzung der Schwerkraft werden die Waggons aus Ausziehgleisen (Stumpfgleis an einem oder beiden Bahnhofsenden) heraus entweder abgestoßen oder mit der Lokomotive punktgenau im Gleisfeld rangiert. Dieses Verfahren ist in Europa, der ehemaligen Sowjetunion und China mehrheitlich nur in kleineren Anlagen üblich (in Italien auch in wenigen größeren), während es in vielen anderen Ländern (besonders in Südamerika) auch in größeren Rangierbahnhöfen angewendet wird. Es ist umständlich, arbeitsintensiv, wenig leistungsfähig und daher teuer und für Anlagen mit großem Verkehrsaufkommen ungeeignet. Zur Leistungssteigerung bei gleichzeitiger Arbeitserleichterung und Kostensenkung wurde daher zum Rangieren schon seit dem 19. Jahrhundert die Schwerkraft ausgenutzt.

Rangierbahnhöfe, in denen zum Rangieren die Schwerkraft benützt wird, sind mehrere Kilometer lang und können mehrere Tausend Waggons pro Tag bewältigen. Sie werden in zwei Typen unterschieden: die meisten sind Flachbahnhöfe, hinzu kommen wenige Gefällsbahnhöfe (oder Gefällebahnhöfe). Beiden Bauarten gemeinsam ist die Geleiseanordnung in mehreren Gruppen: eine Einfahrgruppe; danach oder daneben die Richtungsgruppe, worin die Waggons nach Zerlegung des eingefahrenen Zuges nach den Zielbahnhöfen rangiert werden und aus der die Züge entweder direkt ausfahren oder, sofern vorhanden, in der anschließenden Ausfahrgruppe den Bahnhof verlassen. Viele Rangierbahnhöfe haben noch eine Nachordnungsgruppe zum endgültigen Zusammenstellen von Zügen, die aus Waggons für mehrere Zielbahnhöfe bestehen.

Flachbahnhof

Im Flachbahnhof werden die Waggons aus der Einfahrgruppe oder dem Ausziehgleis heraus über ein erhöhtes ausgerundetes Gleis "abgedrückt" und in die Richtungsgruppe rangiert. Dieses Gleis nennt man Ablaufberg, Ablaufrücken oder Eselsrücken (in Österreich: Rollberg). In Hochleistungsanlagen besitzt der Ablaufberg häufig zwei Berggleise statt einem. In Deutschland ist in manchen Rangierbahnhöfen stattdessen der gesamte Weichenkopf an dem entsprechenden Ende der Einfahrgruppe in Form eines mehrgleisigen Ablaufberges ausgerundet angelegt. Die Waggons werden von einer Rangierlokomotive auf den Ablaufberg geschoben, um sie von dort entweder einzeln oder bei gleichem Zielbahnhof in kleinen Gruppen ablaufen zu lassen, und auf dessen Spitze an den erforderlichen Stellen entkuppelt, und rollen dann mithilfe der Schwerkraft vom Ablaufberg in die den Zielbahnhöfen entsprechenden Geleise der Richtungsgruppe hinab.

Am Fuße des Ablaufberges muß die zunächst nicht kontrollierbare Geschwindigkeit der ablaufenden Waggons reguliert werden, damit sie je nach Gewicht, Windverhältnissen und benötigtem Laufweg im leeren oder vollen Gleis möglichst zielgenau bis zum letzten bereits im Gleis stehenden Waggon ablaufen können. Diese Geschwindigkeitsregulierung erfolgte in älteren Rangierbahnhöfen manuell, und zwar üblicherweise in Europa mit Hemmschuhlegern und in den USA mit Waggonbremsern. Seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde dieses nach und nach durch ein neues Verfahren ersetzt, bei welchem die ablaufenden Waggons in den ersten Weichen nach dem Ablaufberg mit mechanischen Gleisbremsen für jeweils etwa 6 bis 12 Richtungsgleise abgebremst werden (mechanisierter Ablaufberg). Diese Gleisbremsen bestehen aus einer Art Schienen, welche im Gleis zum Abbremsen der Waggons gegen dessen Räder gedrückt werden. Sie werden wie die nachfolgenden Weichen vom Stellwerk am Ablaufberg aus bedient und entweder überwiegend hydraulisch (z.B. in Deutschland, der Schweiz, Italien oder den Niederlanden) oder überwiegend pneumatisch (z.B. in Frankreich, Russland, China oder den USA) angetrieben; in manchen Ländern sind beide Systeme in Gebrauch. Daneben gibt es andere seltenere Gleisbremsbauarten, von denen insbesondere das System "Dowty" erwähnenswert ist; hierbei handelt es sich um zahlreiche senkrechte Zylinder, die im Gleis von unten gegen die Räder gedrückt werden. Die Steuerung der Gleisbremsen und Weichen im Ablaufstellwerk erfolgte zunächst manuell, während dafür in modernen automatischen Anlagen Computertechnik benützt wird und die einzelnen Richtungsgleise für die Feinregulierung der Ablaufgeschwindigkeit weitere Gleisbremsen unterschiedlicher Bauart besitzen, was früher im Richtungsgleis auch in mechanisierten Bahnhöfen noch durch Hemmschuhleger besorgt wurde. Außerdem konnten die Waggons in älteren Rangierbahnhöfen im Richtungsgleis allein durch das Ablaufenlassen und Abbremsen noch nicht kupplungsreif zusammengestellt werden, weshalb sie dort noch von einer Rangierlok zusammengeschoben ("beigedrückt") werden mußten. Hierfür wurden in die Richtungsgleise später so genannte Beidrückeinrichtungen, eine Art kleine Traktoren im Gleis, eingebaut. Die Richtungsgruppe besitzt in Europa in der Regel nach je einer Gleisbremse je 8 Gleise in symmetrischer Weichenanordnung, häufig 32 Richtungsgleise mit vier Gleisbremsen. Abweichend hiervon folgen je einer Gleisbremse meistens in China 6, in Russland 7 sowie in den USA 9 oder 10 Richtungsgleise.

Gefällsbahnhof

Gefällsbahnhöfe unterscheiden sich von Flachbahnhöfen dadurch, dass in ihnen nicht nur der auf die Spitze des Ablaufberges folgende Gleis- und Weichenbereich im Gefälle liegt, sondern der gesamte Bahnhof. Diese Bauart hat bei hoher Personalintensität eine sehr hohe Leistungsfähigkeit. Rangierlokomotiven werden darin, wenn überhaupt, nur zum Hinaufziehen eines zu rangierenden Zuges vor die im durchgehenden Gefälle liegende Ablaufanlage benützt. Bis zum Beginn des Ablaufenlassens werden die zu zerlegenden Züge darin durch Gleisbremsen zurückgehalten. Ansonsten entspricht die Anlage und Arbeitsweise der Gefällsbahnhöfe derjenigen der Flachbahnhöfe. Die meisten Gefällsbahnhöfe wurden in Deutschland (besonders in Sachsen) errichtet, sodann mehrere in England, und noch einige wenige in einigen anderen Ländern. Sie wurden insbesondere bei entsprechenden topographischen Verhältnissen am gewählten Standort angelegt, aber zu ihrer Entstehungszeit unabhängig davon auch aus Kostengründen anstelle von Flachbahnhöfen errichtet, da damals Personal billig und Technik teuer war. Da diese Kostenverhältnisse sich später umgekehrt haben, ist diese Bauart heute veraltet. Deshalb werden auch seit Jahrzehnten keine neuen Gefällsbahnhöfe mehr errichtet. Der weltweit größte heute noch in Betrieb befindliche Gefällsbahnhof ist Nürnberg Rbf.

Einseitige und zweiseitige Rangierbahnhöfe

Rangierbahnhöfe können einseitig oder zweiseitig angelegt sein. Die meisten Rangierbahnhöfe sind einseitig. In einseitigen Bahnhöfen werden die Züge beider den Bahnhof durchlaufenden Richtungen in einem gemeinsamen Rangiersystem zerlegt und neu gebildet.

In zweiseitigen Rangierbahnhöfen besteht für jede Richtung ein gesondertes Rangiersystem. Waggons, die den zweiseitigen Bahnhof am selben Ende, von dem sie eingefahren sind, wieder verlassen müssen, müssen innerhalb des Bahnhofes nach dem ersten Ablauf in das andere Rangiersystem überführt werden, um sie dort in das für den Zielbahnhof zutreffende Richtungsgleis ablaufen zu lassen (Eckverkehr). Dies ist gegenüber dem Vorteil der hohen Leistungsfähigkeit wegen der kosten- und zeitaufwändigeren zusätzlichen Rangierarbeit ein entscheidener Nachteil zweiseitiger Rangierbahnhöfe. Ältere Rangierbahnhöfe wurden häufiger zweiseitig angelegt als neuere. Die zweiseitige Bauform wurde insbesondere gewählt, wenn die erforderliche Leistungsfähigkeit in einem einseitigen Bahnhof nicht mehr bewältigt werden konnte oder wenn zwischen den beiden Fahrtrichtungen nur ein geringer Waggonaustausch erforderlich war; und zwar besonders in Großbritannien, Mitteleuropa, Russland, Indien, China und den USA; in anderen Ländern dagegen nur selten.

Darüberhinaus wurden auch wenige Rangierbahnhöfe mit mehr als zwei Rangiersystemen (besonders in Deutschland) sowie in Kopfform (besonders in Italien) erbaut.


Geschichte

Frühzeit

Bereits 1846 wurde im Güterbahnhof Dresden-Neustadt erstmals zum Rangieren die Schwerkraft angewendet, allerdings noch mit einem geneigten Ausziehgleis statt einem Ablaufberg heutiger Bauweise. Nachdem das Rangiergeschäft in der Frühzeit der Eisenbahn noch in einigen den Güterbahnhöfen angeschlossenen Rangiergleisen verrichtet wurde, zeichnete sich seit den 1860er Jahren ab, dass diese kleinen Rangieranlagen dem gestiegenen Verkehrsaufkommen nicht mehr genügten und aus diesem Grunde der Bau gesonderter "Rangirbahnhöfe" erforderlich wurde. In diesen frühen Rangierbahnhöfen wurde noch nicht mit Ablaufbergen, wohl aber teilweise mit geneigten Ausziehgleisen oder auch mit Pferden rangiert. In diesen Bahnhöfen befanden sich im Gleisfeld als Rangierhilfsmittel teilweise noch Drehscheiben oder seltener Schiebebühnen.

Technischer Fortschritt

Der erste einfache Ablaufberg wurde 1858 im heute verschwundenen Übergabebahnhof Leipzig errichtet. Der erste Rangierbahnhof mit hintereinander angelegten Einfahr-, Richtungs- und Ausfahrgruppen war der Gefällsbahnhof Terre Noire bei Saint-Etienne in Frankreich (1863). Dem folgte 1869 in Nordostengland der Bahnhof Shildon. 1876 wurde im Bahnhof (Mülheim/Ruhr-)Speldorf der erste Ablaufberg mit Gegensteigung, wie er noch heute benützt wird, errichtet. Die heute übliche Anordnung der Geleiseanlagen in den Rangierbahnhöfen hat sich ab Ende der 1880er Jahre durchgesetzt. In dieser Bauweise wurde 1889 in (Oberhausen-)Osterfeld-Süd der erste Hochleistungsrangierbahnhof als zweiseitige Anlage errichtet. Dem folgten in einer ersten großen Neubauwelle ab Ende des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa sowie ab den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts auch in den übrigen Teilen Europas, den USA, Russland und Indien zahlreiche weitere sowie in verschiedenen anderen Ländern vereinzelte (noch nicht mechanisierte) Rangierbahnhöfe.

Mechanisierung

Zu Beginn der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Rangierbahnhöfe mit Gleisbremsen mechanisiert: 1923 in den USA der Bahnhof Gibson bei Chicago noch mit einer komplizierten, mit einer Vielzahl von Gleisbremsen versehenen Ablaufanlage, dann 1924 in Seddin bei Potsdam (Knotenbereich Berlin) eine modernere Versuchsanlage aus Anlass der eisenbahntechnischen Ausstellung. Die erste den praktischen Anforderungen vollauf genügende mechanisierte Gleisbremsanlage (vier hydraulische Bremsen Bauart Frölich) wurde dann 1925 in der heute stillgelegten Ablaufanlage Hvw des Bahnhofes Hamm (Westf.) Rbf, der während Jahrzehnten Europas größter Rangierbahnhof war, in Betrieb genommen; weitere folgten in den nächsten Jahrzehnten.

Automatisierung

Der erste automatische Ablaufberg mit Computersteuerung wurde 1958 im Bahnhof Kirk bei Gary im Ballungsraum Chicago eröffnet, worauf ab den 60er Jahren zahlreiche weitere Rangierbahnhöfe automatisiert wurden. Mit der durch Mechanisierung und Automatisierung erreichten Leistungssteigerung bestimmter Rangierbahnhöfe konnte gleichzeitig durch Stillegung anderer Rangierbahnhöfe eine durchgreifende Rationalisierung erzielt werden, dem gleichen Zweck diente auch der Umbau einiger zweiseitiger Bahnhöfe in einseitige sowie in einer zweiten Welle etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts der Neubau großer Rangierbahnhöfe an Standorten, die bisher nur veraltete Rangierbahnhöfe besessen haben, welche dann stillgelegt wurden. Gleichzeitig entstanden auch in Ländern mit später einsetzender Industrialisierung viele neue Rangierbahnhöfe. Vor allem in China wurden zahlreiche neue Rangierbahnhöfe errichtet - unter anderem der zweiseitige größte Rangierbahnhof Asiens in Zhengzhou Bei (Nord) mit zweimal 36 Richtungsgleisen. Diese Neubautätigkeit erreichte zum Beginn der achtziger Jahre ihren Höhepunkt, lediglich in Südamerika ist es bei nur sehr wenigen Rangierbahnhöfen geblieben.

Große Rangierbahnhöfe

Es entstanden als größter Rangierbahnhof der Welt der zweiseitige Bahnhof Bailey Yard bei North Platte (64 und 50 Richtungsgleise), gelegen nahezu im Herzen der USA an der Transkontinentalbahn von San Francisco nach Chicago; sowie als größter Rangierbahnhof Europas der zweiseitige Bahnhof Maschen Rbf südlich Hamburg (64 und 48 Richtungsgleise). In Südafrika wurde der Bau des Rangierbahnhofes Sentrarand nordöstlich von Johannesburg begonnen, der mit vier Systemen à 64 Richtungsgleisen noch größer werden sollte, allerdings wurde davon nur ein System verwirklicht; damit ist er wenigstens der größte Rangierbahnhof Afrikas. Die größte Ablaufanlage eines einseitigen Rangierbahnhofes besitzt zur Zeit der Bahnhof Young Yard bei Elkhart am äußersten südöstlichen Rand des Knotenbereiches Chicago mit 72 Richtungsgleisen, bezüglich der Anzahl aller Bahnhofsgleise in einseitigen Rangierbahnhöfen ist jedoch der (kopfförmige!) Bahnhof MacMillan in Toronto noch größer.

Der Niedergang

Mit diesen Bahnhöfen wurde der Höhepunkt und gleichzeitig im wesentlichen auch der Abschluss der Entwicklung erreicht, und es begann ab den 80er Jahren nunmehr ein dramatischer Niedergang des Wagenladungsverkehrs. Die Ursachen sind Desindustrialisierung und dadurch weitgehende Änderung der Art der beförderten Güter von schweren Massen- und Investitionsgütern für mehrheitlich zentral gelegene Großkunden zu kleinteiligen Konsumgütern für unzählige verstreute kleine Kunden, Wegfall des Transports von Hausbrandkohle und deren Feinverteilung infolge Ersatz durch andere Brennstoffe, teilweiser Ersatz des Wagenladungsverkehrs durch Containerisierung und Ganzzugbetrieb sowie vor allem Verlagerung erst des Stückgutverkehrs und dann auch zunehmend des übrigen Wagenladungsverkehrs auf die kostengünstigere Straße. Hinzu kommt in vielen Ländern die Umwandlung der Eisenbahnen von gemeinnützigen staatlichen zu gewinnorientierten privaten Betrieben bei gleichzeitiger Begünstigung des Straßenverkehrs durch dessen Finanzierung der Fahrwegkosten aus den Steuermitteln der Allgemeinheit und nicht ausschließlich denen der Spediteure im Gegensatz zur privatisierten Eisenbahn, die diese nunmehr allein zu tragen hat, und die geringere Entlohnung der Lastwagenfahrer gegenüber den aus Sicherheitsgründen höherqualifizierten Lokomotivführern nebst Notwendigkeit des Stellwerkspersonals bei der Eisenbahn. Die Folge war die Schliessung der meisten kleinen und vieler mittlerer Güterbahnhöfe und Gleisanschlüsse.

Der aufgrund des notwendigen Rangierens gegenüber dem Ganzzugverkehr vor allem wegen der höheren Personalkosten teurere Wagenladungsverkehr wurde daher von den Eisenbahngesellschaften wegen fehlender Wirtschaftlichkeit entweder stark eingeschränkt oder ganz aufgegeben. Die Unwirtschaftlichkeit des Wagenladungsverkehrs wurde durch die in Europa (im Gegensatz zu den USA, Russland oder China) bis heute noch fehlende automatische Kupplung der noch immer mit handbedienten Schraubenkupplungen ausgerüsteten Waggons verstärkt. Die einst die Betriebskosten des Wagenladungsverkehrs vermindernden modernen Rangierbahnhöfe wurden deshalb selbst unwirtschaftlich. Während die Eisenbahnen in ihren Veröffentlichungen früher mit Stolz die Rangierbahnhöfe als Hinweis auf die hohe Leistungsfähigkeit vorgewiesen haben, wird dies von ihnen heute vermieden, da in den Augen der Kundschaft Rangierbahnhöfe aufgrund der Aufenthaltszeiten der zeitweise nach starrem Fahrplan im Bahnhof stehenden statt fahrenden Waggons für eine im Vergleich zum flexiblen rollenden Straßenverkehr zu langsame Beförderung stehen. So wurden bis 1984 in Großbritannien und Japan alle Rangierbahnhöfe stillgelegt, später auch in Australien und Dänemark, zum Jahresende 2003 folgt Norwegen. In allen anderen Ländern, welche Rangierbahnhöfe besessen haben, wurde deren größter Teil ebenfalls stillgelegt, außerdem wurde teilweise die Anzahl der Richtungsgleise reduziert oder in zweiseitigen Rangierbahnhöfen ein System stillgelegt. Der verbliebene Wagenladungsverkehr wird heute nur mehr mit sehr wenigen Rangierbahnhöfen abgewickelt.

In vielen einst typischen "Eisenbahnstädten" wie Rheine, Betzdorf, Weil am Rhein, Amersfoort (Niederlande), Aulnoye (Frankreich), Mestre (Italien) oder Altoona (USA) wurden die Rangierbahnhöfe ebenso stillgelegt wie in manchen Metropolen wie Kopenhagen, Düsseldorf, Amsterdam, Brüssel, Rom, Boston oder Washington. Auch wurde in manchen Orten mit mehreren Rangierbahnhöfen der größere stillgelegt und der kleinere beibehalten, beispielsweise in Frankfurt (Main) oder Prag. Ehemalige Rangierbahnhöfe werden manchmal in Containerbahnhöfe oder Abstellbahnhöfe für Personenzüge umgebaut, meistens aber nach der Stillegung noch mit oft reduzierten Geleiseanlagen für einige Zeit ohne Benützung des Ablaufberges im Ortsverkehr oder zum Abstellen von Waggons verwendet und später vollständig abgebrochen, so zum Beispiel 1986 der einst zweitgrößte Rangierbahnhof Deutschlands in Hohenbudberg (zwischen Duisburg und Krefeld). Der allfällige Erhalt von Rangierbahnhöfen als technische Denkmäler scheitert an den aufgrund der gewaltigen Größe zu hohen Kosten. Die Rangierbahnhöfe sind somit auch als einst wichtiger Bestandteil des Wirtschaftslebens und der Kulturlandschaft wichtiger Eisenbahnverkehrszentren verschwunden.

Neue Rangierbahnhöfe werden heute im wesentlichen nur mehr in China errichtet, dessen Eisenbahnnetz noch immer durch größere neue Strecken auch für den Güterverkehr ergänzt wird. Ansonsten wurden Rangierbahnhöfe in der postindustriellen Gesellschaft weitgehend überflüssig. Das hat keine technischen, sondern einzig wirtschaftliche Gründe, denn mit einem intakten Eisenbahnsystem mit Rangierbahnhöfen als logistischem Herz des Güterverkehrs hätte man selbst Handys vom Gleisanschluß der Telefonfabrik bis zum Stückgutbahnhof auf der Schiene befördern können, und der umweltbelastendere Straßentransport wäre nur mehr auf dem Restabschnitt von dort bis zum Einzelhändler erforderlich gewesen.


Literatur

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  • RÖLL Dr. Freiherr von (Hg.) et al.: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. Zweite vollständig neubearbeitete Auflage. Zehnter Band. Berlin/Wien: Urban & Schwarzenberg 1923. (Seiten 124...138: Verschiebebahnhöfe).
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  • BLUM Otto: Personen- und Güterbahnhöfe. Zweite neubearbeitete Auflage von Dr.-Ing. habil. Kurt LEIBBRAND. Berlin/Göttingen/Heidelberg: Springer-Verlag 1961. (= Handbuch für Bauingenieurwesen).
  • GRAU Prof. Berthold: Bahnhofsgestaltung. Band 2. Berlin (Ost): Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, 1968.
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  • PICIOCCHI Dott. Antonio: Le nuove stazioni di smistamento: Osservazioni - Considerazione - problemi. In: Ingegneria ferroviaria, ?(1979)11, Seiten 733...755.
  • HILLER Dr. Wolfgang: Rangierbahnhöfe. Berlin (Ost): Transpress VEB Verlag für Verkehrswesen, 1983. (Ohne ISBN).
  • KRETSCHMANN Heinz Werner: Eisenbahnknotenpunkt Hamm. Entstehung und Entwicklung bis 1927. In: Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 1987, Band 19, Seiten 5...54. Herausgeber: Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, Karlsruhe. Lübbecke: Uhle & Kleimann 1987. ISBN 3-922657-59-1.
  • PARK II Donald K.: The Union Pacific in North Platte. At the Heart of the Railroad. Fort Collins: PARKRAIL 1992. (Ohne ISBN).


Weitere Informationen über Rangierbahnhöfe (allgemein und einzelne Bahnhöfe) sind auf dieser internationalen mehrsprachigen Seite zu finden (einschließlich einer nur im Mitgliederbereich zugänglichen Datenbank mit umfangreicher Bibliographie grundsätzlicher -auch fremdsprachiger- Literatur sowie Literatur über zahlreiche einzelne Rangierbahnhöfe in aller Welt, außerdem mit mehrsprachigem Fachwörterbuch und Daten über einzelne Rangierbahnhöfe), die zugehörige öffentlich zugängliche Linkseite verweist auf hunderte Internetseiten unter anderem mit vielen Fotos und Plänen über Rangierbahnhöfe in aller Welt, auch aus Ländern, von denen entsprechende Informationen schwer zugänglich sind. Die Bahnhöfe sind darin nach Ländern alphabetisch sortiert, wobei aufgrund der Internationalität der Seite nicht die deutschen oder englischen, sondern die im jeweiligen Land offiziellen endonymen geographischen Namen benützt werden, also z.B. "España" statt "Spanien" oder "Spain".