Zertifikat (Finanzprodukt)
Ein Zertifikat ist ein strukturiertes Finanzprodukt, das (erstmals 1989) in der Rechtsform einer Schuldverschreibung bzw. Anleihe von einer Bank, bzw. Kapitalanlagegesellschaft emitttiert und an der Börse gehandelt wird. Zertifikate wurden vorwiegend für Privatanleger konzipiert und ermöglichen dem Käufer, an der Entwicklung eines Basiswertes ("Underlying") zu partizipieren. So realisiert etwa der Käufer eines Index-Zertifikats auf Basis des Deutschen Aktienindex DAX dessen Wertentwicklung, ohne in das entsprechende Aktienportfolio direkt investieren zu müssen. Im Vergleich zu einem solchen Direkt-Investment ist der Investitionsbedarf für das entsprechende Zertifikat gering (z.B. 1:100)
Die Laufzeit eines Zertifikates ist in der Regel auf einen bestimmten Termin beschränkt, aber es existieren auch Zertifikate mit unbeschränkte Laufzeit (so gennante Endlos-Zertifikate). Bei Endlos-Zertifikaten sichert sich allerdings der Emittent ein gewisses Kündigungsrecht.
Im Jahr 2003 wurden allein in Deutschland rund 160 Milliarden Euro im Handel mit Zertifikaten umgesetzt (Quelle: Handelsblatt)
In diesem Artikel werden die wichtigsten Zertifikate und deren Funktionsweise kurz erläutet. Zumal dieser Sektor in den ersten 2000er Jahren zu den innovativsten auf dem Privatanleger-Markt zählt, sollte der interessierte Anleger aber zusätzliche Quellen in Anspruch nehmen, um die jeweils aktuellen Produkte und deren Spezifikationen zu prüfen. Durch die kreativen aber manchmal auch verwirrenden Bezeichnungen einzelner Produkte durch die Emittenten ist zudem eine Zuordnung nicht immer einfach. Alternative (Marketing-)Bezeichnungen sind, so bekannt, in Klammer angegeben.
Index-Zertifikate
Index-Zertifikate haben als Basiswert einen Wertpapier- oder Rohstoff-Index. Sie werden in der Regel 1:100 zum Index gehandelt. Stünde der DAX etwa bei 4000 Punkten, wäre ein DAX-Index-Zertifikat 40 Euro wert.
Bei Index-Zertifikaten ist zu beachten, ob sich diese auf einen Performance-Index (beispielsweise den DAX) beziehen oder auf einen Kurs-Index (beispielsweise Dow Jones). Bei einem Performance-Index werden die Dividendenzahlungen mit einbezogen, bei einem Kurs-Index nicht.
Ursprünglich auf die Leitindizes wichtiger Börsen beschränkt, sind mittlerweile auch Zertifikate auf Rohstoff- oder Hedge-Fonds-Indizes im Handel.
Hebel-Zertifikate (auch: Turbo-, Knock-out- oder DoubleChance-Zertifikate)
Bei Hebel-Zertifikaten profitiert der Käufer gemessen an der Wertentwicklung des Basiswertes überproportional, falls der die Entwicklung in die entsprechende Richtung verläuft. Bei gegensätzlicher Wertentwicklung riskiert der Anleger im Extremfall den Verlust des eingsetzten Kapitals.
Hebel-Zertifikate erlauben die Spekulation auf steigende oder fallende Kurse des Basiswertes: Hebel-Zertifikate auf steigende Kurse werden als Long- oder Bull-Zertifikate oder Wave Calls bezeichnet. Hebel-Zertifikate auf fallende Kurse werden häufig als Short- oder Bär-Zertifikate oder Wave Puts bezeichnet.
Ein Beispiel:
Ein DAX Short-Hebelzertifikat kostet bei einem Indexstand von 5000 Punkten und einer Knock-Out-Schwelle (=Basis) von 6000 Punkten 10 EUR (Bezugsverhältnis 100:1 für die Differenz von 1000 Punkten). Fällt der DAX - wie erhoffft - um 10% auf 4500, steigt das Zertifikat um das fünffache des Kursverlustes des DAX (Hebel = 5):
Kosten bei Kauf also: (6000 (Knock-Out-Schwelle) - 5000 (DAX-Stand)) / 100 = 10
Ertrag bei Verkauf also: (6000 (Knock-Out-Schwelle) - 4500 (neuer DAX-Stand))/100 = 15
Der Hebel ist klar: 1:5. Während der DAX 10 % an Wert verloren hat, hat das Zertifikat 50 % an Wert gewonnen.
Sollte der DAX allerdings die Knock-Out-Schwelle überschreiten (in diesem Beispiel 6000 Punkte), ist das Zertifikat verfallen und damit das eingesetzte Kapital verloren.
Emittenten bieten als Absicherung mittlerweile auch Hebel-Zertifikate an, die den drohenden Verlust durch eine sogenannte Stop-Loss Marke begrenzen, bei deren Erreichen ein Restwert des Zertifikates ausgezahlt wird.
Hebel-Zertifikate unterscheiden sich von Optionsscheinen dadurch, dass kein Zeitwertverlust entsteht und auch zwischenzeitliche Wertschwankungen (Volatilität) des Basiswertes keine Rolle spielen.
Bandbreiten-Zertifikate (auch: Korridor-, Sprint-, Klick-Start-Zertifikate)
Beim Kauf eines Bandbreiten-Zertifikates geht der Käufer davon aus, dass sich der Kurs des Basiswertes innerhalb einer bestimmten Bandbreite bewegen wird. Der Höchstkurs wird hierbei als CAP bezeichnet und der Tiefpunkt als Floor.
Die Idee des Produktes besteht darin, bis zum vorgegebenen Höchstbetrag (CAP) mit einem Hebel (etwa 1:2) am Gewinn des Basiswertes zu profitieren. Nach unten ist das Risiko (im Gegensatz zum Hebel-Zertifikat) dagegen gleich dem des Basiswertes.
Drei Mögliche Fälle können zum Laufzeitende eintreten:
1.) Der Kurs des Basiswertes ist innerhalb dieser Bandbreite: der Käufer erhält den gehebelten Kurswert.
2.) Der Kurs des Basiswertes ist unterhalb des Floor: der Käufer erhält den entsprechend verminderten Wert.
3.) Der Kurs des Basiswertes ist überhalb des CAP: der Käufer erhält den Betrag des Caps und die Differenz zwischen Floor und CAP (er profitiert also nicht von der weiteren Kurssteigerung überhalb des Caps).
Bandbreiten-Zertifikate werden vom Emittenten folgendermaßen gebildet: Es wird ein Basiswert und eine darauf lautende Call-Option (in Höhe des Floors) gekauft, gleichzeitig werden zwei Call-Optionen in Höhe des Caps verkauft.
Discount-Zertifikate (auch: Diskont-Zertifikate)
Die grundlegende Idee des Discount-Zertifikats ist die Risiko-Begrenzung im Vergleich zu einem Direkt-Investment in dessen Basiswert. Im Gegenzug ist allerdings auch die erzielbare Rendite mit einem produktspezifischen Höchstwert gedeckelt.
Discount-Zertifikate haben sich aus den Index-Zertifikaten entwickelt, unterscheiden sich aber dadurch, dass sie eine klar begrenzte Laufzeit von i.d.R. 3 bis 18 Monaten haben und die Rückzahlung auf einen Höchstbetrag (CAP) begrenzt ist.
Daraus ergeben sich zur Fälligkeit zwei mögliche Fälle: 1.) Der Basiswert notiert unter dem CAP: Der Käufer erhält den Kurswert 2.) Der Basiswert notiert auf oder über dem CAP: Der Käufer erhält den CAP
Als Ausgleich für die nach oben gedeckelte, erzielbare Wertsteigerung, ist ein Discount-Zertifikat billiger als sein Basiswert. Ein in 18 Monaten fälliges und mit einem CAP bei 110 Euro konstruiertes Discount-Zertifikat, würde bei einem aktuellen Kurs des Basiswertes von 100 Euro etwa nur 80 Euro kosten - eine "Ersparnis" von 20 %, die sich für den Anleger nur dann auszahlt, wenn die Wertsteigerung bis zum Fälligkeitstermin nicht deutlich über den CAP steigt. Käufer von Discount-Zertifikaten spekulieren daher in der Regel auf moderate Wertsteigerungen.
Discount-Zertifikate werden vom Emittenten folgendermaßen gebildet: Es wird ein Basiswert gekauft und gleichzeitig eine Call-Option in Höhe des Caps verkauft.
siehe auch: Discountzertifikat.
Bonus-Zertifikate
Bonus-Zertifikate eignen sich zur Spekulation auf zwei Szenarien: moderate Kursrückgänge oder Seitwärtsbewegungen.
Zwei Grenzen sind entscheidend:
- Bonusgrenze - sie liegt über dem aktuellen Kurswert
- Kursgrenze (Barriere) - sie liegt weit unter dem aktuellen Kurswert (meist 40-60%).
Zur Fälligkeit ergeben sich zwei mögliche Fälle: 1.) Der Basiswert unterschreitet während der Laufzeit niemals die Kursgrenze: Der Käufer erhält den Kurswert und einen Bonus 2.) Der Basiswert notiert über der Bonusgrenze: Der Käufer erhält den Kurswert 3.) Der Basiswert berührt oder unterschreitet während der Laufzeit die Kursgrenze: Der Käufer erhält den Kurswert
Discount-Zertifikate werden vom Emittenten folgendermaßen gebildet: Es wird ein Basiswert gekauft und gleichzeitig und eine Put-Option verkauft, sowie eine so genannte Put-Down-Out-Option gekauft, die durch die Dividende finanziert wird. Der durch die Put-Option erhaltende Betrag ist der Bonus.
Garantie-Zertifikate (auch: Kapitalschutz-, Airbag-Zertifikate)
Bei Garantie-Zertifikaten handelt es sich um Zertifikate bei denen der Emittent garantiert, dass der Käufer auch bei fallendem Kurs des Basiswertes das eingesetzte Kapital zu einem gewissen Prozentsatz (bei "echten" Garantie-Zertifikaten häufig sogar 100%) zurück erhält. Es besteht also ein vermindertes oder gar kein Verlustrisiko für den Käufer, allerdings muss er dafür einen sogenannten "Spread" hinnehmen, mit dessen Hilfe der Emittent sein Risiko abdeckt. Als Spread bezeichnet man die Geld/Brief-Spanne, also den Unterschied zwischen Kauf- und Verkaufskurs. Die Risiko-Minimierung wird daher mit einer unterdurchschnittlichen Teilnahme an etwaigen Wertsteigerungen erkauft.
Weblinks
[Zertifikatejournal]
[Hebelzertifikate]
[Handbuch zur Einführung Zertifikaten]
[Handbuch zu Hebelzertifikaten]