Wendisch-Deutsche Doppelkirche
Die Wendisch-Deutsche Doppelkirche ist eine Doppelkirche in Vetschau/Spreewald. Die evangelische Kirche verfügt bei gemeinsamen Turm und Sakristei über zwei nebeneinander errichteten Kirchenschiffen.
Geschichte
Vorgängerbau
Der erste Kirchenbau an dieser Stelle dürfte bereits Ende des 13. Jahrhunderts im Zuge der Christianisierung der hier lebenden Wenden erfolgt sein. Diese wendische Kirche war aus Feld- und Raseneisensteinen gebaut. 1540, die Schlossherrschaft derer von Schlieben war evangelisch, erfolgte die Reformation. Die Kirche wurde evangelisch. Bei einem Stadtbrand im Jahr 1619 brannte die Kirche jedoch ab. Erhalten blieb nur der Turmsockel, der noch heute den unteren Teil des Kirchturms bildet.
Bau der wendischen Kirche
Auf den alten Fundamenten wurde, wohl nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs, eine neue schlichte Backsteinkirche mit einer flachen Decke errichtet. Der Westturm wurde zunächst nicht wieder aufgebaut. An der nördlichen Seite dieser Dorfkirche wurde eine Schlosskapelle angebaut. Diese Kapelle diente als Raum für die Gottesdienste der deutschen Schlossherren. Für diese und einige wenige Deutsche wurde hier nach Bedarf in Deutsch gepredigt.
Die eigentliche Kirche, die später als wendische Kirche bezeichnete wurde, wird in einer Matrikel aus den Jahren 1673/1674 als die Hauptkirche bezeichnet. Sie diente für die Gottesdienste in wendischer Sprache für 10 benachbarte wendische Ortschaften. Von deutscher Seite gab es jedoch Bemühungen den Status der Hauptkirche der deutschen Kapelle zu zusprechen. Es gab dann den Befehl die Schlosskapelle abzureißen und durch eine ordentliche Kirche für die wachsende deutschsprachige Gemeinde zu ersetzen. Die örtlichen Pfarrer sollen dem Neubau ablehnend gegenüber gestanden haben.
Bau der deutschen Kirche
1689 erfolgte der Abriss der Schlosskapelle. Nach der Grundsteinlegung für die deutsche Kirche im Jahr 1690 erfolgte 1693 die Fertigstellung. Die Einweihung fand 1694 statt. Es standen nun zwei Kirchenschiffe direkt Wand an Wand. Unabhängig von einander bestand sowohl eine wendische als auch eine deutsche Gemeinde. Die wendische Kirche blieb jedoch Hauptkirche. Die prächtigere deutsche Kirche fungierte als Tochterkirche mit einem dort amtierenden Archidiakonus. Die Verbindung der Kirche erfolgte die die vor den gemeinsamen Ostgiebel vorgesetzte gemeinsame Sakristei.
Umbauten
1709 wurde auf den erhalten gebliebenen quadratischen Turmstumpf ein achteckiger Aufbau errichtet. Dieser wurde in Fachwerkbauweise errichtet, jedoch mit Backsteinen verblendet. Den Turmabschluss bildet eine Haube mit Laterne und Spitze.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts, nach 1853, erfolgte in der wendischen Kirche ein grundlegender Umbau. Ein Holztonnengewölbe ersetzte die bisherige flache Decke. Zu gleich wurden Doppelemporen und eine neue Orgel der Firma Kaltschmidt aus Stettin eingebaut. Aus der alten Kanzel, die eher einer Tonne geglichen haben soll, entstand ein von einem Kreuz gekrönter Kanzelaltar. In den Predellen beiderseits des Kenzelstiels ursprünglich angebrachte Bibelsprüche wurden später übermalt.
Die deutsche Kirche erhielt in dieser Zeit eine neogotische Bemalung, wobei die ursprüngliche prächtige spätbarocke Farbgebung verschwand. 1899 wurde auch in dieses Kirchenschiff eine neue Orgel der Firma Schlag & Söhne aus Schweidnitz (Schlesien) eingebaut. Zeitgleich entstanden neue Fenster.
Niedergang der wendischen Kirche
1910 wurde die Parochie der beiden Gemeinden aufgelöst und eine einheitliche evangelische Gemeinde geschaffen.
Die deutschen Behörden waren zur damaligen Zeit bemüht die sorbische Kultur und Sprache zugunsten des Deutschen zurückzudrängen. Mit der Einstellung des wendischsprachigen Schulunterrichts Anfang des 20. Jahrhunderts verlor die wendische Sprache stark an Bedeutung und Rückhalt. Die Zahl der Besucher des wendischen Gottesdienstes ging stark zurück. Der letzte wendische Gottesdienst fand im Jahr 1932 statt. Denkbar erscheint auch, dass im vorauseilendem Gehorsam gegenüber den ab 1933 herrschenden Nationalsozialisten dann keinen wendischen Gottesdienste mehr angeboten worden.
Bis 1977 waren jedoch beide Kirchenschiffe noch als Raum für regelmäßige Gottesdienste im Gebrauch. Die wendische Kirche wurde nun als Landkirche, die deutsche als Stadtkirche bezeichnet. Ab 1977 wurde die wendische Kirche dann nur noch als Lagerraum genutzt. So wurden Teile der Dorfkirche von Pritzen eingelagert, deren ehemaliger Standort einem Braunkohletagebau weichen musste.
Nutzung als Kulturkirche
Ab 1995 begann dann die Nutzung der wendischen Kirche als Kulturkirche, für die sich der Förderverein Wendische Kirche e.V. einsetzte. In den Jahren 2000 und 2001 erfolgte eine Restaurierung beider Kirchen. Als Raum der Kirchengemeinde dient weiterhin die deutsche Kirche. Die wendische Kirche wurde von der Stadt Vetschau als Kulturkirche per Nutzungsvertrag übernommen.
Seit 1995 findet in der wendischen Kirche immer am Tag des offenen Denkmals ein Gottesdienst in wendischer, also niedersorbischer Sprache statt.
Ausstattung
Bemerkenswert sind in der wendischen Kirche neben den bereits vorgenannten Gegenständen zwei noch vorhandene Grabsteine. Ein Grabstein für einen 1668 verstorbenen E. von Schlieben befindet sich in der Nordhälfte des Ostgiebels und ist von einem Akanthusrahmen umgeben. Ein weiterer Grabstein stammt vom Anfang des 18. Jahrhunderts und befindet sich in der südlichen Hölfte des Ostgiebels.
Doppelkirche Vetschau in der Literatur
Ehm Welk gibt in seinem Buch Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer eine ihm von seinem Vater Gottfried erzählte Begebenheit wieder, die um 1866 an der Doppelkirche spielt:
- Der wendische Oberpfarrer hatte zwei schöne weiße Bänke vor seiner Tür. Da setzten wir uns öfter rauf. Auch mal so`n bisschen mit Mädchen, aber in allen Ehren. Da jagte er uns weg. "Setzt euch lieber auf eine Bank in der Kirche", sagte er, "aber da sehe ich euch nicht!". Da wir nun zwei Kirchen Wand an Wand hatten - nämlich die Wendische und die Deutsche - fragte ich: "In welche von beiden sollen wir uns denn setzen?" Er war wohl verblüfft, aber dann sagte er: "Das ist unserem Herrgott egal!" Na, dachte ich, dann mal zu, und sagte: "Wenn es dem Herrgott egal ist, warum müssen es denn zweie sein?" Da schimpfte er was von "frechen Bengels" und kam hinter uns her."
Literatur
- Hans-Joachim Beeskow, Führer durch die evangelischen Kirchen des Kirchenkreises Lübben, Lübben 1998, ISBN 3-929600-14-5, Seite 222 ff.
- Die Wendisch - Deutsche Doppelkirche, Faltblatt der Stadt Vetschau
Weblink
([1] Beschreibung der Kirche)