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Teutonismus (Sprache)

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Als Teutonismus bezeichnet man in der Germanistik ein Merkmal der deutschen Standardsprache, das nur in Deutschland oder Teilen davon verwendet wird.

In den anderen deutschsprachigen Ländern (v.a. Deutschschweiz und Österreich) sind diese Elemente entweder

  • völlig unbekannt oder
  • signifikant seltener als in Deutschland oder
  • sie werden zwar verstanden, aber nicht aktiv gebraucht (und wenn, dann höchstens, um einer Aussage oder einem Text absichtlich ein bundesdeutsches Gepräge zu geben).

Zur passiven Bekanntheit vieler Teutonismen (v.a. des Wortschatzes) auch über deren ursprüngliches Verbreitungsgebiet hinaus haben die modernen Massenmedien viel beigetragen.

Forschungssituation

Der Begriff "Teutonismus" ist in letzter Zeit in Analogie zu den Begriffen "Austriazismus" bzw. "Helvetismus" gebildet worden. Diese bezeichnen Merkmale der deutschen Standardsprache, die nur in Österreich bzw. nur in der deutschen Schweiz verwendet werden.

Diese drei Begriffe - Helvetismus, Austriazismus und jetzt auch Teutonismus - sind Zeichen dafür, dass die deutsche Sprache (ebenso wie auch das Englische und Spanische) heute als plurizentrische Sprache angesehen wird.

Da für viele Sprecher des Deutschen das in Deutschland gesprochene und geschriebene Deutsch lange Zeit als die deutsche Sprache schlechthin galt, bestand die Tendenz, Helvetismen und Austriazismen als Abweichung von der Norm zu betrachten. Die Norm jedoch allein nach der Sprecherzahl zu definieren ist jedoch kein sprachwissenschaftlich anerkanntes Verfahren.

Die erwähnte mangelnde Sensibilität hat auch Auswirkungen auf den Stand der Forschung: Es existiert bislang keine wissenschaftlich verlässliche Sammlung von Teutonismen. In einem ersten Schritt ist man neuerdings dabei, Materialien, die in Österreich und der Deutschschweiz nicht zur aktiv verwendeten Standardsprache gehören, zu sammeln. Dies sind die in diesem Artikel aufgelisteten Teutonismen.

Regionale Beschränkung vieler Teutonismen

Noch wenig untersucht ist jedoch die nur regionale Ausbreitung vieler dieser deutschen Eigenheiten. Allein schon aufgrund der Größe Deutschlands und wegen des relativ starken Regionalbewusstseins sind natürlich viele Teutonismen nur in Teilen Deutschlands bekannt. Andererseits ist zu bedenken, dass der seit 1871 bestehende deutsche Nationalstaat mit der immer weiter gehenden Vereinheitlichung des öffentlichen Lebens auch sprachlich vereinheitlichend gegen innen, gegen außen aber abgrenzend gewirkt hat. Dies betrifft nicht bloß den spezifischen Wortschatz der öffentlichen Verwaltung im engeren Sinne (Statalismen), sondern auch andere, zunehmend zentral gelenkte Teile des Lebens, so zum Beispiel alle Bereiche der Ausbildung und den öffentlichen Verkehr, neuerdings auch die Freizeit.

Teutonismen kommen in allen Teilen des Sprachsystems vor; am auffälligsten sind sie im Wortschatz.

Teutonismen im Wortschatz

Küche

  • Abendbrot (Abendessen)
  • Eierkuchen (Pfannkuchen, A: Palatschinke)
  • Hähnchen, Hühnchen (Huhn)
  • Hörnchen (Croissant; A: Kipfel; CH: Gipfel(i))
  • Kloß (Knödel)
  • Karamelle
  • kross
  • Maronen (Maroni, Esskastanien)
  • Mohrrübe (Möhre, Karotte)
  • Napfkuchen (Gugelhupf)
  • Negerkuss (Mohrenkopf; A: Schwedenbombe)
  • O-Saft ugs. (Orangensaft)
  • pellen (schälen)
  • Pellkartoffeln (CH: Geschwellte)
  • Plätzchen (CH: Guetsli, Güetz(l)i)
  • Pommes ugs. (Pommes-frites)
  • rote Bete (A: rote Rübe; CH: Rande)
  • Rotkohl (Blaukraut, Rotkraut)
  • Sahne (Rahm)
  • Sprudelwasser (Mineralwasser)
  • Weißkohl (A: Weißkraut)

Haus, Haushalt

  • Ausguss
  • bohnern
  • Bohnerwachs
  • Diele
  • Mülleimer (A: Müllkübel, Mistkübel)
  • Nudelholz
  • Putzlappen (Putzfetzen)
  • Reinemachen
  • Teppichboden (A: Spannteppich)
  • Tüte (A, CH: Sack; A: Sackerl)

Staatsverwaltung

  • Bundestag
  • Ministerpräsident (Regierungschef eines Bundeslandes)
  • Oberbürgermeister
  • Personenstandsregister

Rechtswesen

  • einsitzen (inhaftiert sein)
  • Knöllchen ugs. (Strafzettel)

Ausbildung

  • Abitur (A, CH: Matura; CH: Matur)
  • Abiturient (CH: Maturand; A: Maturant)
  • Auszubildender ugs.: Azubi (Lehrling)
  • Bafög
  • die Eins (A, CH: der Einser)
  • Studienrat

Armee

  • Feldwebel

Kirche

  • Küster (Mesner)
  • Traufe ugs. (gleichzeitig durchgeführte Trauung und Taufe eines Kindes der Getrauten)

Verkehr

  • blitzen (jemanden, ein Auto)
  • Bürgersteig (Gehweg, Gehsteig)
  • Gully (Kanaldeckel)
  • Vorfahrt (A: Vorrang; CH: Vortritt)

Handel, Gewerbe

  • Friseuse (A: Friseurin, CH: Coiffeuse)
  • Geldautomat (A: Bankomat, CH: Bancomat)
  • Gewerkschaftler (neben Gewerkschafter)
  • Schreibwarengeschäft (CH: Papeterie)
  • tariflich

Sitten, Gebräuche

  • anmahnen
  • abstrafen
  • Biergarten (in A und CH unbekannte Einrichtung)
  • Sonnabend (Samstag)