Aileen Wuornos

Aileen Carol Wuornos (* 29. Februar 1956 in Troy, Michigan als Aileen Carol Pittman; † 9. Oktober 2002 im Bradford County, Florida) war eine US-amerikanische Serienmörderin, die zwischen Dezember 1989 und November 1990 wahrscheinlich sieben Männer tötete.
Kindheit
Wuornos’ Vorfahren stammen aus Finnland. Ihre Mutter Diane Pittman (geb. Wuornos) war 16 Jahre alt, als sie Aileen am 29. Februar 1956 in Troy im US-Bundesstaat Michigan zur Welt brachte.[1] Diane hatte mit 14 Jahren Leo Pittman geheiratet, der psychische Probleme hatte und seine Frau während der Ehe und Schwangerschaft fast täglich schlug.[1] Sie ließen sich einige Monate vor Aileens Geburt scheiden. Aileen lernte Leo Pittman nie kennen. Er wurde wegen der Vergewaltigung eines siebenjährigen Mädchens in ein psychiatrisches Krankenhaus eingewiesen und kam später ins Gefängnis, wo er sich erhängte. Außerdem wurde er verdächtigt, zwei zehnjährige Mädchen sexuell missbraucht und ein Kind getötet zu haben.[1] Als Aileen sechs Monate alt war, wurden sie und ihr elf Monate älterer Bruder Keith verwahrlost auf einem Dachboden gefunden, wo ihre Mutter sie zurückgelassen hatte. Die Geschwister wurden am 18. März 1960 von ihren Großeltern Lauri und Britta Wuornos adoptiert. Aileen erfuhr erst im Alter von zehn Jahren von ihrer Adoption. Ihre Tante Lori und ihren Onkel Barry, mit denen sie im selben Haushalt aufgewachsen war, hatte sie bis dahin für ihre Geschwister gehalten.[1]
Ihr Großvater Lauri Wuornos war ein Alkoholiker, der sie und Keith sowohl physisch als auch emotional misshandelte. Er bezeichnete sie als „wertlos“ und „ungewollt“ und schlug Aileen bei einem Vorfall so heftig mit einem Gürtel, dass die damals Siebenjährige am nächsten Tag nicht zur Schule gehen konnte.[1] Wuornos berichtete einem Freund gegenüber auch von sexuellem Missbrauch durch ihren Großvater, spielte ihre Aussage aber später herunter.[1] Mit 14 Jahren wurde sie vergewaltigt und dabei schwanger, woraufhin sie in ein Heim für ledige Mütter kam.[1] Am 23. März 1971 brachte sie einen Sohn zur Welt.[2] Der Junge wurde gegen ihren Willen zur Adoption freigegeben.[3]
Ein paar Monate nach Ableben ihrer Großmutter begann Wuornos sich zu prostituieren. Nach eigenen Angaben lebte sie meistens im Wald am Stadtrand und suchte sich Freier aus, die sie in ein Hotel oder zu sich nach Hause mitnahmen, wo sie duschen und sich der Körperpflege widmen konnte.
Kriminelle Laufbahn
Am 27. Mai 1974 wurde Wuornos wegen Trunkenheit am Steuer, Ruhestörung und Schießens aus einem fahrenden Fahrzeug festgenommen. 1976 trampte sie nach Florida, wo sie den damals 69-jährigen Yachtklub-Präsidenten Lewis Gratz Fell (1907–2000) kennenlernte, den sie am 4. Mai heiratete. Auch nach der Hochzeit suchte sie weiterhin in Bars Streit und kam schließlich wegen Körperverletzung in Haft. Nachdem sie ihren Mann mit dessen Krückstock geschlagen hatte, erwirkte dieser gerichtlich ein Kontaktverbot gegen sie.
Daraufhin ging sie nach Michigan zurück, wo sie am 14. Juli 1976 verhaftet und wegen Körperverletzung und Ruhestörung angeklagt wurde, da sie einem Barkeeper eine Billardkugel an den Kopf geworfen hatte. Vier Tage später ließen sich Wuornos und Fell nach nur elf Wochen Ehe scheiden.
Am 20. Mai 1981 wurde sie wegen bewaffneten Raubüberfalls auf einen Lebensmittelladen verhaftet. Sie kam ins Gefängnis und wurde am 30. Juni 1983 wieder entlassen. Am 1. Mai 1984 wurde sie ein weiteres Mal verhaftet, weil sie versucht hatte, einen gefälschten Scheck einzulösen. Am 4. Januar 1986 wurde sie wegen schweren Autodiebstahls und am 2. Juli desselben Jahres wegen versuchten Raubes verhaftet und verurteilt. 1988 wurde sie zusammen mit ihrer Freundin Tyria Moore, einem ehemaligen Zimmermädchen, mit der sie seit 1986 zusammenlebte, wegen tätlichen Angriffs mit einer Bierflasche bestraft.
Mordopfer
- Richard Mallory (51): Getötet am 30. November 1989 mit mehreren Schüssen. Sein verlassenes Auto wurde zwei Tage später gefunden, seine Leiche erst am 13. Dezember. Mallory war ein verurteilter Vergewaltiger, den Wuornos, wie sie zu Anfang der polizeilichen Vernehmungen behauptete, aus Notwehr tötete.
- Dick Humphreys (USAF) (56): Getötet am 19. Mai 1990 mit sechs Schüssen. Seine Leiche wurde am 12. September desselben Jahres gefunden.
- David Spears (43): Mit sechs Schüssen getötet. Seine nackte Leiche wurde am 1. Juni 1990 gefunden.
- Charles Carskaddon (40): Getötet am 31. Mai 1990 mit neun Schüssen. Seine Leiche wurde am 6. Juni 1990 gefunden.
- Troy Burress (50): Am 30. Juli 1990 mit zwei Schüssen getötet. Seine Leiche wurde am 4. August 1990 gefunden.
- Walter Gino Antonio (62): Am 19. November 1990 mit vier Schüssen getötet. Seine beinahe nackte Leiche wurde am selben Tag gefunden, sein Auto fünf Tage später.
Ebenso wird Wuornos die Ermordung von Peter Siems (65) zugerechnet, der am 7. Juni 1990 auf der Fahrt von Florida nach Arkansas verschwand. Seine Leiche, die bis heute nicht aufgefunden wurde, soll sich laut Wuornos’ Aussage auf dem Gebiet des US-Bundesstaates Georgia befinden.[4] Siems’ Auto wurde am 4. Juli 1990 aufgefunden, nachdem Wuornos und Moore damit einen Unfall verursacht hatten. Sie hatten zwar anschließend die Fahrzeugkennzeichen entfernt, die Polizei konnte jedoch den Abdruck eines blutverschmierten Handballens am Türinnengriff sichern.[5] Sie wurde jedoch in diesem Fall nicht angeklagt.
Festnahme, Verurteilung und Hinrichtung
Der oben erwähnte Autounfall brachte die Polizei auf die Spur der Verbrecherin. Zeugen hatten Aileen Wuornos und Tyria Moore gesehen, wie sie das Auto an der Unfallstelle verließen. Auf der Innenseite des Türgriffs fand die Polizei einen Handflächenabdruck von Wuornos. Ebenso waren Gegenstände aus dem Besitz der Opfer in Pfandleihen versetzt worden, auf ihnen konnten ebenfalls Wuornos’ Fingerabdrücke gesichert werden.
Wuornos wurde am 9. Januar 1991 festgenommen. Gegenüber ihrer Freundin Tyria Moore hatte sie im Dezember 1989 ihren ersten Mord gestanden. Moore gab später an, ihr nicht geglaubt zu haben, und unterstützte während Wuornos’ Untersuchungshaft die Polizei, die Moores Telefonate mit der Inhaftierten aufzeichnete, um Details über das Tatgeschehen zu erhalten. Wuornos gestand, sieben Männer ermordet und ausgeraubt zu haben. Gegenüber der Polizei und im späteren Prozess behauptete sie zunächst, dass jedes ihrer Opfer sie bedroht, angegriffen oder vergewaltigt habe.
Während des Prozesses, am 22. November 1991, wurde Wuornos von der wiedergeborenen Christin Arlene Pralle und deren Ehemann adoptiert, die von dem Fall aus der Zeitung erfahren hatten. Trotz der anfänglichen Hilfe erwies sich die Freundschaft als nachteilig für Wuornos, da Arlene Pralle sowie der unerfahrene Rechtsanwalt eher am lukrativen Verkauf der Geschichte Wuornos’ interessiert waren und Wuornos sogar davon überzeugten, das Todesurteil anzunehmen. Ein sehr spät engagierter neuer Anwalt konnte beim Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Vollstreckung der Todesstrafe nicht mehr verhindern.
1992 wurde Wuornos von einem Gericht wegen Mordes in sechs Fällen in Florida zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung durch tödliche Injektion fand am 9. Oktober 2002 im Florida State Prison statt. Ihre Asche wurde von ihrer Freundin Dawn Botkins auf deren Farm in Wuornos’ Heimatstaat Michigan verstreut.
Rezeption
Wuornos’ Leben und ihre Hinrichtung waren Gegenstand mehrerer Filme, Fernsehsendungen und Bücher. Der Dokumentarfilmer Nick Broomfield drehte zwei Porträts über sie: Aileen Wuornos: The Selling of a Serial Killer (1992) und Aileen: Life and Death of a Serial Killer (2003). Ebenfalls 1992 entstand unter der Regie von Peter Levin der Fernsehfilm Overkill: The Aileen Wuornos Story. Im Jahre 2001 wurde in San Francisco die Oper Wuornos von Carla Lucero aufgeführt. Auch in der 2015 erschienenen Staffel Hotel der erfolgreichen Serie American Horror Story kommt der Geist der bereits verstorbenen Aileen Wuornos vor, gespielt wird sie hier von Lily Rabe.
Der bekannteste Film ist Monster (2003) mit Charlize Theron, die für ihre Darstellung der Mörderin 2004 den Oscar und den Golden Globe für die Beste Hauptdarstellerin erhielt.
Während des Prozesses meldeten sich Feministinnen wie die Frauenforscherin Phyllis Chesler zu Wort, die Wuornos’ Taten als Folge von Gewalt gegen Prostituierte verstand und den Gerichtsprozess als Beispiel dafür ansah, was „zurückschlagenden“ Frauen bevorstehe. Chesler vermutete, dass „eine Viertelmillion Freier“ für Wuornos schließlich zu viel gewesen seien, „bevor sie verrückt wurde, oder, so wage ich zu sagen, einen lichten Moment hatte“. Das kalifornische Center for Lesbian, Gay, Bi, Transgender Art and Culture stellte einen Dokumentarfilm über Wuornos mit den Worten vor, er erzähle die Geschichte „einer gewöhnlichen Frau aus der Arbeiterklasse“, deren Missbrauch durch Männer sie in „außergewöhnliche Lebensumstände“ getrieben habe. Das Prison Activist Resource Center behauptete auf seiner Website, das Todesurteil sei Folge von „Sexismus und Vorurteilen gegen Lesben und Prostituierte“.
Wuornos selbst änderte ihre Aussagen zu den Tathergängen mehrmals. Zunächst berief sie sich – vor allem im ersten Fall – auf Notwehr. In einem Zeitungsinterview sagte sie nach mehreren Jahren in der Todeszelle dagegen, es sei „in keinem Fall Notwehr“ gewesen: „Ich habe sie einfach nur ausgeraubt und umgebracht.“[6] In einem TV-Interview wiederholte sie diese Selbstbezichtigung. Als das Gespräch allerdings beendet war und die Kameras angeblich ausgeschaltet waren, sagte sie dem Reporter wiederum das Gegenteil, berief sich mehrmals auf Notwehr und gab an, sie habe einfach genug von der Quälerei im Gefängnis und wolle der Sache ein Ende machen. In ihrem letzten Interview vor der Hinrichtung machte sie einen geistig verwirrten Eindruck. Der Reporter fragte sich im späteren Kommentar, wie sie den am Vormittag erfolgten Test auf ihre psychische Gesundheit habe bestehen können.[7][8]
Siehe auch
Literatur
- Lisa Kester, Daphne Gottlieb: Dear Dawn: Aileen Wuornos in Her Own Words. Soft Skull Press, Berkeley, CA 2012, ISBN 978-1-59376-290-2.
- Hans Pfeiffer: Der Zwang zur Serie – Serienmörder ohne Maske. Militzke Verlag, Leipzig 1996, ISBN 3-86189-729-6, S. 73 ff.
- Michael Reynolds: Ich hasse alle Männer. Die unfaßbare Geschichte einer Serienmörderin. Heyne, München 1995, ISBN 3-453-08274-5.
- Aileen Wuornos, Christopher Berry-Dee: Monster: My True Story. John Blake Publishing, London 2006, ISBN 978-1-84454-237-6.
Weblinks
Aileen Wuornos bei IMDb
- Ausführliche Darstellung des Falles auf crimelibrary.com (englisch) ( vom 5. Juli 2014 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- ↑ a b c d e f g Abbe Smith: The "Monster" in All of Us: When Victims Become Perpetrators. In: Suffolk University Law Review. Band XXXVIII, 2005, S. 367–394, hier: S. 371 f. (englisch, online [PDF; 2,5 MB; abgerufen am 30. Dezember 2019]). Abrufbar unter Georgetown Law Faculty Publications and Other Works.
- ↑ Michael Newton: Die große Enzyklopädie der Serienmörder. V. F. Sammler, Graz 2002, ISBN 3-85365-189-5, S. 428.
- ↑ Abbe Smith: The "Monster" in All of Us: When Victims Become Perpetrators. In: Suffolk University Law Review. Band XXXVIII, 2005, S. 367–394, hier: S. 373 f. (englisch, online [PDF; 2,5 MB; abgerufen am 30. Dezember 2019]). Abrufbar unter Georgetown Law Faculty Publications and Other Works.
- ↑ The Doe Network: Case File 1810DMFL
- ↑ Aileen Carol Wuornos #805
- ↑ She's a murderer – end of story
- ↑ Dokumentation Eileen: Leben und Tod einer Serienmörderin
- ↑ YouTube – Letztes Interview vor der Hinrichtung. Am Ende ist der erwähnte Kommentar zu hören.
Personendaten | |
---|---|
NAME | Wuornos, Aileen |
ALTERNATIVNAMEN | Wuornos, Aileen Carol (vollständiger Name); Pittman, Aileen Carol |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanische Serienmörderin |
GEBURTSDATUM | 29. Februar 1956 |
GEBURTSORT | Rochester, Michigan |
STERBEDATUM | 9. Oktober 2002 |
STERBEORT | Bradford County, Florida |