Stromnetz
Der Begriff Stromnetz steht in Deutschland meist für das Verbundnetz zur Versorgung der Verbraucher mit elektrischer Energie.
Aufgaben der verschiedenen Netze
Um die Verbraucher mit elektrischer Energie zu versorgen, ist es notwendig, Leitungen von den Elektrizitätswerken zum Verbraucher zu legen. Über weite Distanzen wird in Deutschland die Energie mittels Dreiphasenwechselstrom mit einer Frequenz von 50 Hz und einer Spannung von bis zu 400 kV übertragen. Erst kurz vor dem Verbraucher wird er auf die bekannte Niederspannung von 230 V Einphasenwechselstrom bzw. 400 V Dreiphasenwechselstrom transformiert.
Noch bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts wurden viele Haushalte in Deutschland mit Gleichstrom versorgt, weil die begonnene Umstellung durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen wurde.
In anderen Ländern sind auch andere Spannungen oder Frequenzen möglich. Weit verbreitet ist auch das System mit 110 V Netzspannung und einer Frequenz von 60 Hz (insbesondere in Nordamerika).
Dabei werden Leistungen von bis zu 600 MW übertragen. Um diese Leistung zu übertragen, wird entweder eine hohe Spannung oder ein hoher Strom benötigt (siehe: Leistung). Die Übertragung mit Hochspannung hat sich aus verschiedenen Gründen durchgesetzt, weil
- hohe Spannungen technisch leichter zu kontrollieren sind als hohe Ströme,
- eine hohe Übertragungsleistung gewährleistet ist,
- geringere Übertragungsverluste auftreten,
- große Entfernungen überbrückt werden können
- und geringere Investitionen getätigt werden müssen.
Spannungsebenen
Durch die Spannung die anliegt, werden folgende Netze unterschieden:
- Höchstspannung 220 kV bzw. 380 kV
- Hochspannung 50 kV bis 150 kV
- Mittelspannung 10 kV bis 30 kV
- Niederspannung 230 V bzw. 400 V
In Westeuropa sind die Spannungen im Höchstspannungsnetz (220 kV und 380 kV), im Hochspannungsnetz (110 kV) und im Niederspannungsnetz (400 V/230 V) weitgehend standardisiert. Im Mittelspannungsnetz ist eine solche Maßnahme nicht möglich, da in zahlreichen Städten ältere Erdkabel im Einsatz sind, die hierfür mit hohem Aufwand ausgetauscht werden müssten. Man verwendet in dieser Spannungsebene Werte zwischen 6 kV und 30 kV. In Mittelspannungsnetzen mit hohem Freileitungsanteil ist ein Spannungswert von 20 kV üblich. In manchen Ländern werden abweichende Spannungen in den Netzen verwendet. Es gibt auch Länder, in denen höhere Spannungen als 400 kV zum Einsatz kommen. In Russland existiert ein ausgedehntes 750-kV-Netz, von dem einzelne Leitungen auch nach Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien führen. In Kanada und in den USA werden Übertragungsspannungen von 735 kV und 765 kV angewandt. Zwischen dem Kohlekraftwerk Ekibastus und Elektrostal wurde zu Beginn der 1980er Jahre eine Drehstromleitung für 1.200 kV errichtet, die aber zurzeit nur mit 400 kV betrieben wird.
Netzbetreiber

Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB)
Im Bereich der Höchstspannungsnetze sind die Netze der einzelnen Betreiber zum nationalen Verbundnetz zusammengeschlossen. Zurzeit sind dies vier Netzbetreiber in Deutschland:
- EnBW Transportnetze AG (umfasst das Netz der früheren Badenwerk AG und der EVS Energie-Versorgung Schwaben AG,
- E.ON AG Netz GmbH (umfasst heute das frühere Netz von PreussenElektra und der Bayernwerk AG,
- RWE Transportnetz Strom GmbH (umfasst heute das frühere RWE-Netz und das der VEW Vereinigte Elektrizitäts-Werke Westfalen AG) und
- die Vattenfall Europe Transmission GmbH (umfasst heute das frühere Netz der VEAG, der BEWAG und der HEW).
Nach dem Verband der Netzbetreiber (VDN), eine Unterorganisation des Verband der Elektrizitätswirtschaft (VDEW), beträgt die Anzahl der in Deutschland im Jahre 2003 installierten Transformatoren 557.000 Stück.
Diese Betreiber sind Mitglieder im UCTE und somit auch am europäischen Verbundsystem beteiligt.
Verteilungsnetzbetreiber (VNB)
Neben diesen vier Netzbetreibern gibt es noch um die 900 weitere Netzbetreiber, die auf regionaler Ebene agieren und den Strom zu den Endverbrauchern liefern. Diese werden Verteilungsnetzbetreiber genannt.
Vergütung der Netzbetreiber
Die Netzbetreiber erhalten ihre Vergütung nicht über den Verkauf von Strom, sondern für die Bereitstellung der Netze. Dafür erhalten sie von den Stromverbrauchern ein Netznutzungsentgelt für die Dienstleistung "Durchleiten vom Strom vom Kraftwerk zum Verbraucher".

Funktion der einzelnen Netze
- Das Höchstspannungsnetz ist ein Übertragungsnetz. Es verteilt die größtenteils von Kern- und Kohlekraftwerken, aber auch Wasserkraftwerken eingespeiste Energie landesweit an Transformatoren die nahe an den Verbrauchsschwerpunkten liegen. Diese Kraftwerke übernehmen die Grundlastversorgung. Auch ist es an das internationale Verbundnetz angeschlossen.
- Das Hochspannungsnetz sorgt für die Grobverteilung von elektrischer Energie. Leitungen führen hier in verschiedene Regionen, Ballungszentren oder große Industriebetriebe. Abgedeckt wird ein Leistungsbedarf von 10 bis 100 MW.
- Das Mittelspannungsnetz verteilt den Strom an die Transformatorstationen des Niederspannungsnetzes oder Einrichtungen wie zum Beispiel Behörden, Schulen oder Fabriken. Stadtwerke, die ebenfalls Kraftwerke oft auch mit Kraft-Wärme-Kopplung betreiben, speisen ihren Strom in dieses Netz.
- Die Niederspannungsnetze sind für die Feinverteilung zuständig. Die Mittelspannung wird auf 400 V bzw. 230 V transformiert und damit werden Haushalte, Industrie, Gewerbe und Verwaltungen versorgt.
Die Transformatoren im Niederspannungsnetz haben im allgemeinen ein festes Übersetzungsverhältnis. Um trotz der im Laufe eines Tages auftretenden großen Lastschwankungen die Netzspannung beim Verbraucher in etwa konstant halten zu können, kann das Übersetzungsverhältnis vieler Mittelspannungstransformatoren in Grenzen variiert werden. Dazu werden von der Primärwicklung mehrere Anzapfungen nach außen geführt. Ein extra dafür gebauter Schalter, ein sogenannter Stufenschalter, erlaubt das Umschalten zwischen den Anzapfungen ohne den Transformator dazu abschalten zu müssen.
Daneben gibt es auch noch Leitungen mit hochgespanntem Gleichstrom für Übertragung über weite Strecken, insbesondere Seekabel (Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung).
Verbindung der Stromnetze untereinander
Die Verbindung von Stromnetzen mit unterschiedlichen Spannungsebenen erfolgt über Transformatoren, die in Umspannanlagen installiert sind. Der Stromfluß durch die Netze und zu Netzen mit anderer Spannungsebene erfolgt über Schaltanlagen.
Verbundnetz
In einem Verbundnetz werden Kraftwerke und Abnehmerzentren zusammengefasst. Sie stellen somit den Gegenpol zu Inselnetzen dar.
Durch ein Verbundnetz ergeben sich Vorteile
- so wird das Energiesystem stabiler, da so Überkapazitäten und Unterkapazitäten abgefangen werden können,
- durch Energieaustausch können Lastschwankungen minimiert werden,
- Kraftwerke werden besser ausgenutzt und so müssen weniger Kraftwerke bereitgestellt werden,
- Kraftwerke müssen nicht an Orten des Verbrauches errichtet werden sondern können an produktionsgünstigen Orten errichtet werden
- und die Betriebszuverlässigkeit des Netzes wird gesteigert.
Durch ein Verbundnetz ergeben sich auch Probleme, so muss bei der Nutzung von Wechselstrom darauf geachtet werden, dass alle Kraftwerke Strom mit der gleichen Frequenz einspeisen. Auch müssen alle Kraftwerke das gleiche Regelverfahren anwenden, da sonst unkontrollierte Stromflüsse, die zur Überlastung des Netzes führen, auftreten. In Mittel- und Westeuropa wird dies im Rahmen der UCTE festgelegt, wobei für Deutschland die Deutsche Verbundgesellschaft im Auftrag der UCTE die entsprechenden Vorschriften festlegt. In Nordeuropa heißt der entsprechende Zusammenschluss NORDEL. Für den Energieaustausch zwischen verschiedenen Verbundsystemen wird die Technik der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, entweder in Form einer Kurzkupplung oder einer Fernübertragung (häufig mit Seekabelabschnitt) verwendet.
Generell muss bei einem Verbundnetz zwischen dem synchronen und den asynchronen Verbund unterschieden werden. Ersterer erfolgt mit Hilfe von Drehstromleitungen letzterer mit Hilfe der Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung. Im Regelfall wird man wegen der hohen Kosten der Stromrichter und ihrer im Verhältnis zu anderen Betriebsmitteln nur geringen Überlastbarkeit stets den synchronen Verbund vorziehen, doch kann dieser nicht immer realisiert werden. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Seekabel von über 30 Kilometer Länge notwendig ist.
Verteilung

Die elektrische Energie kann in diesen Größenordnungen nur kabelgebunden über Hochspannungsleitungen übertragen werden. Für diese Aufgabe stehen Freileitungen und Kabel zur Verfügung. Hierbei haben beide Systeme Vor- und Nachteile.
Für die Freileitung sprechen die geringeren Kosten, die leichtere Lokalisierbarkeit und Behebbarkeit von Fehlern. Dem gegenüber sind die Leitungen größeren Umwelteinflüssen ausgesetzt, wirken sich störend auf das Landschaftsbild aus und können eine Gefahrenquelle für Menschen, Tiere und Maschinen darstellen (Beispiel: Klettern auf Strommasten). Bei Freileitungen werden verschiedene Typen von Masten eingesetzt, z. B. Tragmasten, Winkeltragmasten, Abspannmasten, Weitabspannmasten und Endmasten. Über besondere Probleme im Leitungsbau bei der Überquerung von Hindernissen, siehe Freileitungskreuzungen.
Kabel haben einen geringeren Platzbedarf, sind vor Umwelteinflüssen besser geschützt und sind bei der Bevölkerung mehr akzeptiert. Sie zeichnen sich auch durch hohe Kosten, hohen Wartungsaufwand bei Defekten aus und es gibt technische Probleme wenn Hochspannungsleitungen gewisse Kabellängen überschreiten. Beispielhaft ist hier die Wärmeabfuhr, die bei Freileitungen durch die umgebende Luft gewährleistet ist, bei Kabeln hingegen nicht.
Das deutsche Stromnetz ist ca. 1,6 Mio. km lang. Davon waren im Jahre 2003 ca. 71 % unterirdisch, d. h. in Kabelausführung verlegt. Im Vergleich zu dem Wert für 1993 von nur ca. 64 % zeigt sich die Tendenz die unterirdische Stromverteilung auszubauen.
Netz der Bahn

Ein weiteres Energieversorgungsnetz in Deutschland betreibt die Bahn. Die DB Energie betreibt das größte zusammengeschaltete 110-kV-Netz in Deutschland. Das Freileitungsnetz hat eine Länge von ca. 7600 km. Im Gegensatz zum nationalen Verbundnetz beträgt die Netzfrequenz 16,7 Hz und es wird Einphasenwechselstrom verwendet. An 175 Unterwerken wird die Spannung auf 15 kV transformiert und in die Oberleitung eingespeist. Die DB Energie betreibt eigene Kraftwerke zur Abdeckung der Grund- und Mittellast. Die Energie für die Spitzenlast wird aus dem nationalen Energienetz bezogen. Die Lastschwankungen können bei der Deutschen Bahn AG innerhalb weniger Sekunden 300 MW betragen und werden über rotierende Umformer abgefangen, die ihren Strom aus dem 50-Hertz-Netz beziehen. Daneben wird auch noch Elektroenergie mit den Bahnstromnetzen der Schweiz und Österreich ausgetauscht.
Die mit Einphasenwechselstrom mit einer Frequenz von 25 Hertz betriebene Mariazeller Bahn verfügt über ein kleines eigenes 27-kV-Netz zur Übertragung des Stroms zu den Unterwerken.
In den übrigen Ländern erfolgt die Energieversorgung elektrischer Bahnen aus dem öffentlichen Stromnetz. Bei Gleichstrombahnen durch Gleichrichter in den Unterwerken, bei mit Einphasenwechselstrom mit einer Frequenz von 50 Hertz betriebenen Bahnen werden die Phasen des Drehstromsystems im Unterwerk aufgespaltet und verschiedenen Streckenabschnitten zugewiesen. In Schweden, Norwegen, sowie den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wird der für die Speisung der Oberleitung nötige Einphasenwechselstrom von 16,7 Hz in den Unterwerken mit Hilfe rotierender Umformer oder Frequenzumrichter erzeugt. In diesen Gebieten gibt es keine Bahnstromleitungen.
Bezeichnung
Es gibt verschiedene gebräuchliche Bezeichnungen für das Stromnetz: Energieverbundnetz, Stromverbundnetz, Elektroenergienetz, Energieversorgungsnetz, Stromversorgungsnetz, Elektrizitätsnetz. In Fahrzeugen spricht man vom Bordnetz.
Prinzipiell ist ein Stromnetz ein weit gefasster Begriff und bezeichnet in der Physik ein Netzwerk von elektrischen Stromleitungen. Die physikalischen Gesetze in diesen Netzen werden durch die Kirchhoffschen Regeln beschrieben.
Weblinks
- Startseite des Verbandes der Netzbetreiber (VDN)
- Netzseite der RWE-AG
- Startseite der E.ON Energie AG
- Startseite Vattenfall
- Netzseite den En-BW
- Startseite der DB-Energie
Siehe auch: Energieversorgungsunternehmen, Bahnstromleitung, Erdseil, Deadline (Hochspannungstechnik), Europäisches Verbundsystem, Kraftwerksmanagement
Niederspannungsnetze: TNC-Netze TNS-Netze TNCS-Netze TT-Netze und IT-Netze
- zur Geschichte einer kommunalen Stromversorgung: Stromversorgung Lübeck
Spezielle Anlagen des deutschen Stromnetzes: Nord-Süd-Leitung, Elbekreuzung 1, Elbekreuzung 2, Baltic-Cable, Kontek, Konti-Skan.
Literatur
- Strom aus Steinkohle, Stand der Kraftwerkstechnik, Herausgegeben von der STEAG Aktiengesellschaft Essen, Springer-Verlag 1988, ISBN 3-540-50134-7, Bahnstromversorgung Seite 514 bis 534