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Günther Keyser

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Günther Friedrich Carl Ernst Keyser (* 22. August 1820 in Sondershausen; † 22. Dezember 1874 ebenda) war Jurist und Politiker im Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. Er war Mitglied der Stadtverordnetenversammlung von Sondershausen, des Landtags in Sondershausen und des Reichstags des Norddeutschen Bundes.

Familie

Günthers Vater Georg Friedrich Keyser (auch: Kayser; 1776–1842) war Oberpfarrer in Sondershausen, Archidiakon, Superintendent und Kirchenrat. Daneben war er 1829–1835 mit der Leitung des neugegründeten Gymnasiums in Sondershausen beauftragt.[1] Günthers Mutter Friederica Eleonora Christiane geb. Mönch (1788–1850) war eine Tochter der unverheirateten Johanna Friederica Carolina Mönch (1766–1852) und des 1758 bis 1794 regierenden Fürsten Christian Günther von Schwarzburg-Sondershausen.

Günther hatte zwei Geschwister. Sein Bruder Thilo Eduard (1810–1896) studierte Theologie und war 1840–1843 Diakon in Sondershausen. 1844–1860 war er Direktor des Landesseminars für Volksschullehrer ebenda; 1860–1890 Pfarrer in Niederspier.[2] Sein Bruder Gustav Adolph (1807–1901) studierte Jura und war ab 1830 in verschiedenen Verwaltungsstellen der Sondershäuser Regierung tätig. 1850–1857 war er Landrat in Gehren. Er war Ende 1851 bis 1862 Mitglied des Landtags in Sondershausen; dort rechnete er zu den Konservativen. 1862 bis 1877 war er Regierungschef (Staatsminister), zugleich Vorstand der Abteilungen für die Inneren und die Auswärtigen Angelegenheiten. Er wurde 1866 in den Schwarzburg-Sondershäuser erblichen Adelsstand erhoben.[3]

Günther heiratete 1846 Johanna Gabriele Friederike Busch (* 1824 in Arnstadt, † 1920 in Sondershausen[4]), Tochter von Ferdinand Benjamin Busch (* 1797), Jurist, Regierungsmitglied und 1850–1860 Vizepräsident des neu eingerichteten Appellationsgerichts in Eisenach sowie Verfasser von juristischen und bienenkundlichen Schriften.[5] Günthers Tochter Stefanie (1847–1926) wurde Schriftstellerin; sie veröffentlichte rund 50 Bücher und Erzählungen.[6] Sie hatte keine Geschwister und hat nicht geheiratet.[7]

Die Familie war nachhaltig befreundet mit dem Gymnasiallehrer Thilo Irmisch (* 1816), einem namhaften Botaniker, dann auch Landesgeschichtler und Redakteur bei Sondershäuser Zeitschriften für diesen Bereich.[8]

Beruf

Nach dem Abitur in Sondershausen studierte Keyser von 1838 bis 1841 Rechtswissenschaft in Jena, Berlin und Leipzig. Er war 1842–1850 Regierungsadvokat in Sondershausen und daneben Verwalter des Patrimonialgerichts der Familie von Wurmb[9] in Großfurra. Er war 1850 bis 1852 Justizamtmann in Keula, 1853 in Ebeleben. Ab 1853 war er Vertreter des Staatsanwalts in Sondershausen und Ebeleben. Am 1. Oktober 1854 wurde er Staatsanwalt am Kreisgericht in Sondershausen. Als im Juni 1870 die Stelle des Gerichtsdirektors frei wurde, rückte er dort ein.[10] Er hatte die Stelle bis zu seinem Tod inne.[11]

Von Januar 1874 bis zu seinem Tod fungierte Keyser als Mitherausgeber einer juristischen Zeitschrift, die von seinem Schwiegervater (F. B. Busch) und dessen Sohn Hermann Busch betrieben wurde.[12]

Keyser erhielt das Schwarzburgische Ehrenkreuz III. Klasse (1866) und II. Klasse (1871).[13] Ebenfalls 1871 wurde er Ritter der 1. Abteilung des Großherzoglichen Hausordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken von Sachsen-Weimar-Eisenach[14] und erhielt den preußischen Kronen-Orden III. Klasse[15].

Politik

Landtag

Günther Keyser wurde für die Wahlperiode ab 29. Dezember 1851 in den Landtag von Sondershausen gewählt. Dies war der erste Landtag in der Geschichte des Landes, der aus allgemeinen gleichen geheimen direkten Wahlen hervorging, eine Frucht der Revolution von 1848. Seine Hauptaufgabe war es, die im vorherigen Landtag erarbeitete liberale Landesverfassung den restaurativen Forderungen des Bundesreaktionsbeschlusses anzupassen.[16]

Zu Beginn unternahm die Gruppe der Abgeordneten um den liberalen ‚Märzminister‘ und Abgeordneten Friedrich Chop[17] den Versuch, die Gruppe um den konservativen Abgeordneten (und Amtsvorgänger von Chop) Albert von Holleuffer[18] mittels Wahlanfechtung zu schwächen. Günther Keyser gehörte zu von Holleuffers Gruppe[19], die die entscheidende Abstimmung knapp (mit 9 gegen 8 Stimmen) gewann, worauf Chop von Regierungsamt und Landtagsmandat zurücktrat.[20] Nach dieser Schwächung der liberalen Seite in Regierung und Parlament ging der Umbau der Verfassung konsequent voran.[21]

Nach der veränderten Verfassung wurde ein neues Zwei-Klassen-Wahlrecht beschlossen, in dem die Höchstbesteuerten stärker repräsentiert waren als die allgemeinen Wähler und wo es – als „eine bisher nirgends getroffene Einrichtung“[22] – vier auf Lebenszeit von Fürst und Landtag gemeinsam bestimmte Abgeordnete geben sollte.[23] Aufgrund der neuen Verfassungssituation wurde die Wahlperiode am 23. Mai 1853 beeendet, der Landtag aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt.[24]

Für die neue Wahlperiode (28. November 1853 bis Ende 1855, mit erster Sitzungsperiode vom 28. November 1853 bis 25. März 1854) wurde Günther Keyser in der Gruppe der allgemeinen Wähler gewählt. Dieser Landtag wählte ihn am 2. Dezember zu seinem Vizepräsidenten. Im Oktober 1854 erlosch Keysers Mandat wegen seiner Ernennung zum Staatsanwalt; er verzichtete auf eine neue Bewerbung.[25]

Reichstag

Bei der Wahl zum konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes am 12. Februar 1867 bewarb Keyser sich für den Wahlkreis Schwarzburg-Sondershausen. Dank der Unterstützung aus der Sondershäuser Unterherrschaft, insbesondere auch vom dortigen Arbeiterverein,[26] verfehlte er die geforderte absolute Mehrheit nur knapp und erreichte sie problemlos in der ‚engeren Wahl‘ (Stichwahl) am 2. März.[27] In der Wahl zum ordentlichen Reichstag am 31. August 1867 erzielte er sofort die absolute Mehrheit.[28] Als Mitglied des Reichstags gehörte er auch dem Zollparlament an, das ab Mai 1868 tagte.

Keyser schloss sich zunächst der Fraktion des Zentrums an, später der Freien konservativen Fraktion.[29] Er legte am 16. Februar 1870 sein Reichstagsmandat nieder.[30]

Stadtrat

Keyser wurde am 11. November 1867 zum Stadtverordneten in Sondershausen gewählt.[31] Er hatte dieses Amt bis zu seinem Tod inne.[32]

Literatur

  • Der Deutsche. Sondershäuser Zeitung nebst Regierungs- und Intelligenzblatt für das Fürstenthum Schwarzburg-Sondershausen. [Sondershausen: Eupel.] (unvollständiges) Digitalisat.
  • Staats-Handbuch für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach 1874. Weimar: Böhlau 1874. Digitalisat.
  • Verhandlungen des Landtags von Schwarzburg-Sondershausen. Sitzungsprotokolle. Digitalisate.
  • Deutsche Reichstage: Handbücher und Protokolle. Digitalisate.
  • Fritz Specht, Paul Schwabe: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnisse der gewählten Abgeordneten. 2. Auflage. Verlag Carl Heymann, Berlin 1904, S. 287.
  • Bernd Haunfelder, Klaus Erich Pollmann: Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867–1870. Historische Photographien und biographisches Handbuch (= Photodokumente zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Bd. 2). Droste, Düsseldorf 1989, ISBN 3-7700-5151-3, Foto S. 193, Kurzbiographie S. 425.
  • Thüringer Pfarrerbuch, Band 2: Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. 1997. ISBN 3768641481. (hier: S. 216f.)
  • Jochen Lengemann (Mitarbeit: Karl-Heinz Becker, Jens Beger, Christa Hirschler, Andrea Ziegenhardt): Landtag und Gebietsvertretung von Schwarzburg-Sondershausen 1843–1923. Biographisches Handbuch. 1998. ISBN 3437353683. (S. 68–76; S. 202–204: Kurzbiographie Günther Keyser, mit Porträt.)
  • Jochen Lengemann: Nachkommen aus nichtehelichen Verbindungen regierender Schwarzburgischer Grafen und Fürsten. Folge 1: Fürst Christian Günther von Schwarzburg-Sondershausen, Johanna Mönch und die Familie Keyser/von Keyser. In Sondershäuser Beiträge. Püstrich. Zeitschrift für Schwarzburgische Kultur- und Landesgeschichte. Heft 9, 2007, S. 148–157 und Heft 12, 2011, S. 196f. (hier: S. 151–157.)

Einzelnachweise

  1. Ausführlich Hermann Gresky in Der Deutsche 1926 Nr. 296.
  2. Nachruf in Der Deutsche 1896 Nr. 106.
  3. Lengemann, Landtag S. 204f.
  4. Todesanzeige in Der Deutsche 1920 Nr. 94.
  5. Dessen Vater Gabriel Christoph Benjamin Busch (* 1759) , Pfarrer in Arnstad, war ebenfalls publizistisch sehr aktiv. (Pfarrerbuch S. 108f.)
  6. Vgl. Stefanie Keyser: Wie ich Schriftstellerin wurde. In Die Gartenlaube 1884, S. 828–830. Wikisource.
  7. Nachruf in Der Deutsche 1926 Nr. 27.
  8. Lebenswege in Thüringen. Vierte Sammlung. 2011. ISBN 9783939718574. S. 162–167: Biographie Nr. 344. (hier: S. 166.)
  9. Lengemann, Landtag S. 262f.
  10. Der Deutsche 1870 Nr. 78.
  11. Der Deutsche 1874 Nr. 299.
  12. Nachruf in Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handels- und Wechselrechts. Bd. 31, Berlin 1875, S. 81.
  13. Der Deutsche 1866 Nr. 95 und 1871 Nr. 112.
  14. Staatshandbuch S-W-E 1874 S. 47.
  15. Der Deutsche 1871 Nr. 117.
  16. Lengemann, Landtag S. 29–33.
  17. Lebenswege in Thüringen. Vierte Sammlung. 2011. ISBN 9783939718574. S. 43–46: Biographie Nr. 312.
  18. Lengemann, Landtag S. 192–194.
  19. zusammen mit seinem Bruder Gustav (zu der Zeit Landrat in Gehren) und zwei weiteren Landräten, vgl. Bruno Huschkes Schilderung in Der Deutsche 1903 Nr. 83.
  20. Protokolle des 3. Landtags II. Sitzung.
  21. Von Januar 1852 bis Mai 1855 lag die Leitung der Regierung interimistisch beim Vorstand der Abteilungen für Kirche, Schule und Justiz, dem eher konservativen Friedrich Schönemann. (Lengemann, Landtag S. 31 Anm. 92.)
  22. Friedrich Lammert, Verfassungsgeschichte von Schwarzburg-Sondershausen. Entwicklung einer deutschen Territorialverfassung in kulturgeschichtlichem und staatsrechtlichem Zusammenhange. Bonn und Leipzig: Kurt Schroeder 1920, S. 125.
  23. Wahlgesetz vom 1. Oktober 1852. Digitalisat.
  24. Lengemann, Landtag S. 71 Anm. 113.
  25. Landtagssitzung 13. November 1855 S. 8.
  26. Der Deutsche 1867 Nr. 10.
  27. Der Deutsche 1867 Nr. 21 und Nr. 29.
  28. Der Deutsche 1867 Nr. 109.
  29. Deutsche Reichstage: Handbücher Bd. 3, 1867 S. [106 und Bd. 8, 1869 S. 242.
  30. Deutsche Reichstage: Protokolle Bd. 10, 1870 S. 9.
  31. Der Deutsche 1867 Nr. 137; Lengemann, Landtag S. 203 Anm. 24.
  32. Der Deutsche 1874 Nr. 304.