Verbreitung von H5N1
Die Ausbreitung von Influenza A/H5N1 zwischen 1997 und 2005, des bekanntesten hoch pathogenen Erregers der so genannten Vogelgrippe von Südostasien nach Europa wurde sowohl von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), von der World Organisation for Animal Health (OIE) als auch von den Massenmedien genau verfolgt und analysiert. Es bestand (und besteht) die Befürchtung, dass die hoch pathogene Variante des Erregers Influenza A/H5N1 in verstärktem Maße von Mensch zu Mensch übergehen und so zu einer neuerlichen Pandemie der echten Virusgrippe (Influenza) führen könnte.
1959 - 1996: die Vorgeschichte
Als natürliches Reservoir der als minder pathogen eingestuften Variante von A/H5N1 sind seit langem Wasservögel und Geflügel bekannt. Erste Berichte über zwei rein lokale Übergänge dieser Variante von A/H5N1 auf eine Tierhaltung sind der Weltgesundheitsorganisation aus den Jahren 1959 (Hühner in Schottland) und 1991 (Truthühner in England) bekannt [1]. Bei Wildvögeln konnte vor 1996 - auch in Europa - jeweils nur eine apathogene, also nicht krankheitsauslösende Variante nachgewiesen werden.
Im Sommer und Frühherbst 1996 ereignete sich der erste Ausbruch einer später als hoch pathogen klassifizierten Variante von A/H5N1, und zwar auf einer Gänsefarm in der Provinz Guangdong der VR China, wo 40 Prozent der Tiere erkrankten. Dies war zugleich der erste Nachweis überhaupt für eine hoch pathogene Variante von H5-Viren. Diese Virusvariante mit der vollständigen Bezeichnung Influenza A/Goose/Guangdong/1/96 (H5N1) erwies sich in umgehend veranlassten Experimenten auch als tödlich für Hühner. Das Hämaggluttinin-Gen (H5) erwies sich als verwandt mit den ab 1997 in Hongkong isolierten H5N1-Virusstämmen. Eine genetische Analyse des Neuraminidase-Gens (N1) ergab allerdings eine größere Ähnlichkeit mit einem 1973 in Nordirland aus einem Papagei isolierten H7N1-Virus als mit den später in Hongkong isolierten H5N1-Viren. Aus diesen und weiteren Details schlossen chinesische Forscher, dass es im Jahr 1996 in Südchina zu einer Reassortierung der Gene bei H5N1-Viren gekommen sein muss, die letztlich zu den wiederholten Ausbrüchen unter Zuchtgeflügel im Jahr 1997 führten [2].
1997 – 2004: massive Ausbrüche der hochpathogenen Variante unter Zuchtgeflügel
Massiv in Erscheinung getreten ist die hoch pathogene Form des Virus A/H5N1 ab dem Frühjahr 1997 in Geflügelfarmen von Hongkong und im angrenzenden Gebiet der VR China, was dort zu einem Hühnersterben führte. Die Behörden von Hongkong reagierten mit einer zuvor nie gekannten Massentötung von 1.5 Millionen Hühnern auf Farmen und Märkten. Diese Maßnahme wurde als Erfolg bewertet, da man weitere Fälle zunächst nicht entdeckte. Erst im Jahr 2003 wurden erneut A/H5N1-Erkrankungen nachgewiesen. Erneute Massentötungen in Hong Kong hatten jedoch keinen längerfristigen Erfolg. Im Januar 2004 kam es sogar in einem Hühnerbestand der tibetischen Hauptstadt Lhasa zu einem Ausbruch, nachdem infizierte Hühner aus der 1.500 km entfernten Stadt Lanzhou (Provinz Gansu) dorthin transportiert worden waren.
Im Dezember 2003 und im März 2004 wurden Ausbrüche in 19 südkoreanischen Geflügelbeständen gemeldet, im Januar 2004 in Thailand und Vietnam sowie bei Legehennen in Japan, im Februar 2004 in Indonesien, ferner im Sommer 2004 wiederholt in Malaysia.
Zu Beginn des Jahres 2004 und erneut im Herbst 2004 kam es im Sri Racha Tiger Zoo in Thailand zu Infektions- und Todesfällen bei mehreren Leoparden, Tigern und einer größeren Anzahl Hauskatzen, denen rohes Geflügelfleisch verfüttert worden war.
2005: Ausbreitung unter Tieren
Im Jahr 2005 wurden erstmals Ausbrüche von A/H5N1unter frei lebenden Vögeln beobachtet. Vogelzüge wurden auch dafür verantwortlich gemacht, dass sich die Seuche im Jahr 2005 von Südostasien bis Europa ausbreiten konnte. Eindeutige Beweise gab es für diese These jedoch nicht.
In der Tierhaltung
Am 26. Mai 2005 berichtete die Fachzeitschrift Nature, dass offizielle Stellen in Indonesien A/H5N1 in Schweinen nachgewiesen hatten und befürchteten, das Virus könne in einigen Teilen des Landes die Hälfte aller Schweine infiziert haben, ohne bei ihnen Krankheitssymptome auszulösen. Zuvor hatte es bereits aus China Berichte über H5N1-Funde in Schweinen gegeben [3].
Am 26. August 2005 teilten vietnamesische Behörden mit, dass drei Owston Zibetkatzen Ende Juni 2005 im Cuc Phuong National Park, der südlich von Hanoi liegt, an H5N1 verendet seien. Die Behörden teilten mit, dass auch andere Tiere des Parks, u.a. Hühner und Ratten, untersucht worden seien, ohne dass man weitere Erkrankungsfälle habe feststellen können [4].
Nach Angaben des indonesischen Landwirtschaftsministeriums hatte sich A/H5N1 bis Mitte September 2005 in mindestens 22 der 33 Provinzen des Landes ausgebreitet. Von Ende 2003 bis Mitte 2005 verendeten in diesem Land mehr als 16 Millionen Stück Federvieh an diesem Virus oder wurden notgeschlachtet. Ein Sprecher der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) erklärte am 22. September 2005, das Virus sei in Indonesien mittlerweile endemisch geworden und breite sich weiter aus. Am 21. September 2005 gab das indonesische Gesundheitsministerium bekannt, dass bei 19 Tieren des Ragunan-Zoos in der Hauptstadt Jakarta, darunter Adler und Pfauen, sowie bei mehreren Zoo-Mitarbeitern H5N1 nachgewiesen worden sei. Der Tierpark wurde daraufhin für drei Wochen geschlossen.
Am 7. Oktober 2005 berichtete zunächst der schweizerische Landwirtschaftliche Informationsdienst (LID) und später auch andere Quellen von einem weiteren, besonders dramatischen Ausbruch von A/H5N1 in Russland. Betroffen war ein Betrieb in der Region Kurgan im südlichen Sibirien mit rund 460.000 Vögeln.
Aus einem offiziellen Dokument des chinesischen Landwirtschaftsministeriums vom 10. November 2005 geht hervor, dass es in der nordostchinesischen Provinz Liaoning ab dem 6. November zu einem Ausbruch von A/H5N1 kam, dass 300 Todesfälle bei Geflügel registriert wurden, 2,5 Millionen Tiere vorbeugend getötet und 198 Millionen Tiere gegen H5N1 und H5N2 geimpft wurden. Einem WHO-Bericht zufolge kam es im Jahr 2005 in 12 chinesischen Provinzen zu insgesamt 32 Ausbrüchen von H5N1 in der Tierhaltung, in deren Folge wurden 24 Millionen Tiere getötet und vernichtet.
Laut Science vom 21. Oktober 2005 sollen bis dahin mehr als 100 Millionen Zuchtvögel im Rahmen von Maßnahmen zur Eindämmung von A/H5N1 getötet worden sein.
Unter frei lebenden Tieren
Im Mai 2005 wurde erstmals ein A/H5N1-Ausbruch unter Zugvögeln bekannt, und zwar in der Provinz Qinghai im Nordwesten der Volksrepublik China. Dort waren nach offiziellen Angaben im Frühjahr 2005 ca. 6.000 tote Zugvögel unterschiedlicher Arten aufgefunden worden [5], 90 Prozent davon waren Streifengänse. Unmittelbar nach dem Ausbruch unter den Zugvögeln wurde in der gleichen chinesischen Provinz ein Ausbruch in einer Geflügelfarm bekannt. Da die Behörden sowohl chinesische wie ausländische Wissenschaftler daran hinderten, die Ausbrüche und den Weiterzug der überlebenden Zugvögel zu untersuchen, konnte nicht geklärt werden, ob das Zuchtgeflügel von Zugvögeln infiziert wurde oder - umgekehrt - die Zugvögel vom Zuchtgeflügel. Genetische Untersuchungen der Viren aus Qinghai erlauben den Schluss, dass die Zugvögel mit Virus-Varianten infiziert waren, die man zuvor nur aus Südchina kannte.
Im Mai 2006 wurde durch einen Bericht in der Fachzeitschrift Nature bekannt [6], dass Streifengänse in der Nähe des Quinghai-Sees seit 2003 auch in Farmen gehalten wurden. Diese Zuchten sollten einerseits dazu beitragen, den Bestand der Wildpopulationen zu vergrößern. Andererseits strebte man langfristig die Domestikation dieser Gänseart an. Laut "Nature" nährt dies den Verdacht, dass sich das Eindringen der hochpathogenen H5N1-Variante in die Wildpopulation (und in der Folge die großräumige Ausbreitung nach Sibirien und Europa) in der Wildvogelzuchtstation zugetragen haben könnte.
- Ende Juli 2005 wurde A/H5N1 in Geflügelbeständen in Sibirien (Region Nowosibirsk) und in Kasachstan nachgewiesen. Als Infektionsweg wurde eine Übertragung durch Zugvögel genannt, als Folge einer gemeinsamen Gewässernutzung von Wild- und Zuchtgeflügel.
- Anfang August 2005 verendeten an einem abgelegenen See in der Mongolei (etwas 350 Kilometer südlich des Baikalsees) um die 100 Enten, Gänse und Schwäne an A/H5N1. Laut Science vom 21. Oktober 2005 gilt bei diesem lokalen Ausbruch der Krankheit eine Übertragung durch menschliche Einflüsse (Tiertransporte) als wenig wahrscheinlich.
- Am 16. August 2005 gab das russische Katastrophenschutzministerium in Moskau bekannt, dass der in der Stadt Tscheljabinsk im Ural bei Zugvögeln entdeckte Erreger A/H5N1 sei. Von China aus hatte sich der Erreger über Nowosibirsk, Tjumen, Omsk, Kurgan und Altai nach Tscheljabinsk ausgebreitet, das rund 1.000 Kilometer von Nowosibirsk entfernt liegt.
Auf der arabischen Halbinsel
Am 10. November 2005 wurde der World Organisation for Animal Health aus Kuwait gemeldet, dass eine am 2. November routinemäßig bei einem Flamingo entnommene Probe positiv auf Antikörper gegen H5N1 getestet worden und das Tier später getötet worden sei. Als mögliche Überträger der Infektion wurde der Kot von Zugvögeln genannt. Wiederholte routinemäßige Tests an weiteren Vögeln in Kuwait erbrachten keine zusätzlichen positiven Befunde.
In Europa
Die Leiterin des deutschen Referenzlabors für Influenzaviren bei Geflügel am Friedrich-Loeffler-Institut, Ortrud Werner, wurde am 15. September 2005 von der Nachrichtenagentur dpa dahingehend zitiert, dass die von Zugvögeln ausgehende Gefahr, A/H5N1 nach Westeuropa einzuschleppen, von Experten als gering eingeschätzt werde. Die Ausbreitung der Influenza-Viren nach Russland sei eher über den Tierhandel als über den Vogelzug erfolgt. Auch für Westeuropa gehe die größte Gefahr vom illegalen Import infizierter oder erkrankter Tiere aus. Man wisse aus China und der Mongolei, dass infizierte Tiere rasch erkranken und zeitnah sterben. Bei klinisch gesunden Wildvögeln, die in der Lage seien, einen längeren Vogelzug zu überstehen, sei das Virus bisher nicht nachgewiesen worden. Diese Einschätzung steht allerdings in Widerspruch zu den Aussagen asiatischer Experten, die die Ausbreitung der H5N1-Viren in Südostasien wiederholt mit Vogelzügen in Verbindung gebracht haben.
Tatsächlich wurden aber H5N1-Viren in Europa bei Zugvögeln im Jahr 2005 nicht nachgewiesen.
- Am 7. Oktober 2005 wurde aus Rumänien bekannt, dass bei 3 im September verendeten Hausenten aus der Ortschaft Ceamurlia de Jos im Verwaltungskreis Tulcea im Donaudelta Antikörper gegen das Virus festgestellt worden waren. Am 15. Oktober 2005 wurden vom EU-Referenzlabor in Weybridge bei London A/H5N1-Viren definitiv nachgewiesen. Bei einem später im Nordosten des Landes im Kreis Vaslui an der Grenze zu Moldawien tot aufgefundenen Fischreiher wurde das Virus am 27. Oktober ebenfalls nachgewiesen.
- Am 8. Oktober 2005 wurde bekannt, dass im Nordwesten der Türkei in der Provinz Balikesir rund 2.000 Puten an A/H5N1 verendet waren. Nach Angaben der EU vom 13. Oktober 2005 konnte das Virus zweifelsfrei nachgewiesen und eine direkte Verwandtschaft mit den aus Russland, der Mongolei und China bekannten Virenfunden festgestellt werden.
- Am 17. Oktober 2005 berichteten Experten der Universität Athen, dass man auf der Chios vorgelagerten Insel Oinousses (Ost-Ägäis) eine Verdachtsfall festgestellt habe. Spätere Laboruntersuchungen im EU-Referenzlabor in Weybridge bei London konnten aber eine H5N1-Infektion ausschließen.
- Nach Angaben der EU-Kommission vom 19. Oktober 2005 gab es auch in der russischen Region Tula, rund 300 Kilometer südlich von Moskau, einen Ausbruch von A/H5N1. Spätere Analysen wiesen die enge Verwandtschaft des Erregers mit den aus Nowosibirsk, aus der Mongolei und aus der chinesischen Provinz Qinghai bereits bekannten Virusvarianten nach. Für einen zugleich aus Mazedonien (aus den Dörfern Mogila und Germiyan bei Bitola) gemeldeten Verdachtsfall wurde später keine Bestätigung für H5N1 bekannt.
- Am 19. Oktober 2005 wurden in Kroatien in der Nähe des Ortes Zdenci bei mehreren verendeten Wildschwänen Influenza-Viren vom Typ H5 festgestellt. Etwa 1500 Tiere (Zugvögel) waren auf einem Fischteich niedergegangen, von denen 15 dort verendeten. Am 26. Oktober 2005 wurde vom EU-Referenzlabor in Weybridge bei London bestätigt, dass es sich um A/H5N1 handelt. Schon unmittelbar nach Bekanntwerden des Verdachts hatte die EU vorbeugend ein Importverbot für Geflügel aus Kroatien verhängt. Ebenfalls am 22. Oktober 2005 in Schweden, südlich von Stockholm bei Eskilstuna aufgefundene verendete Enten waren amtlichen Angaben zufolge jedoch nicht mit A/H5N1 infiziert [7].
- Am 23. Oktober 2005 wurde bekannt, dass bei einem aus Surinam nach Großbritannien importierten und dort in einer Quarantänestation verendeten Papagei A/H5N1 nachgewiesen wurde. Die britische Chef-Veterinärin erklärte, wahrscheinlich habe sich das Tier erst in der Station mit dem Virus infiziert, wo es zusammen mit Vögeln aus Taiwan gehalten worden sei. Die EU nahm diesen Vorfall umgehend zum Anlass, den Import von Ziervögeln nach Europa zeitweise zu verbieten.
- Am 2. November 2005 teilte das Landwirtschaftsministerium in Zagreb mit, dass bei einem in Kroatien abgeschossenem Schwan A/H5N1 nachgewiesen wurde. Dieses Tier stammte seinem Markierungsring zufolge aus Ungarn und war in einem Gebiet abgeschossen worden, in dem zuvor schon acht weitere Schwäne positiv auf dieses Virus gestestet worden waren. Das ungarische Landwirtschaftsministerium ließ zum selben Zeitpunkt verlauten, dass in ihrem Land bislang alle Tests auf A/H5N1 negativ ausfielen.
- Seit dem 25. November 2005 kam es in der ukrainischen Autonomen Republik Krim wiederholt zu Ausbrüchen von H5N1 in privaten Hühner- und Gänsebeständen.
Bekämpfung
In Deutschland, Österreich, der Schweiz und diversen anderen europäischen Staaten wurden zur Vorbeugung gegen eine mögliche Übertragung von A/H5N1 auf Zuchtgeflügel ab November 2005 Geflügelmärkte und Vogelbörsen nur noch in Ausnahmefällen erlaubt; in einzelnen deutschen Bundesländern und in Österreich waren sie sogar ganz verboten. Bei einer Jagd durften keine Lockvögel mehr eingesetzt und Geflügelbestände durften nur noch mit Leitungswasser getränkt werden. Eine Entnahme von Trinkwasser aus freier Natur (Flüsse, Bäche, Seen, Tümpel usw.) wurde untersagt. Besonders bei seltenen Arten durften die einzelnen Bundesländer das Impfen von Zootieren zulassen.
Die Einfuhr von Ziervögeln in die Europäische Union wurde zunächst bis Ende Januar 2006 verboten. Die Europäische Union und die Schweiz haben außerdem einen Importstopp für Geflügelprodukte aus den von der H5N1-Epidemie betroffenen Ländern verhängt. Ferner wurde bis 15. Dezember 2005 für Deutschland, Österreich und die Schweiz ein Verbot der Freilandhaltung von Geflügel ausgesprochen.
Übergänge von A/H5N1 auf Menschen
Die ersten sicher nachgewiesenen Übergänge von H5N1 auf Menschen wurden sowohl von den jeweils zuständigen nationalen Behörden, aber auch von der Weltgesundheitsorganisation als Einzelfälle ausgewiesen, was bedeutet, dass die H5N1-Viren stets unmittelbar von Tieren auf die anschließend erkrankten Menschen übergegangen waren. Erste Verdachtsfälle von Mensch-zu-Mensch-Übergängen wurden im Jahr 2004 bekannt. Allerdings wurden diese ersten Verdachtsfälle von den Gesundheitsbehörden nicht hinreichend genug analysiert, um sichere Rückschlüsse auf die Infektionskette zu ziehen.
Verdachtsfälle für Mensch-zu-Mensch-Übergänge
Der erste Verdachtsfall wurde aus dem Krankenhaus der nordvietnamesischen Stadt Can Tho gemeldet. Dort starben am 30. Juli 2004 ein 19jähriger Mann und dessen 22jährige Cousine. Die 25jährige Schwester des 19jährigen Mannes entwickelte wenig später grippe-ähnliche Symptome, wurde positiv auf H5N1 getestet und verstarb schließlich ebenfalls. Ihre beiden Verwandten wurden nicht getestet, daher war in den offiziellen Verlautbarungen nur von einem gesicherten Todesfall die Rede.
Der zweite Verdachtsfall wurde im September 2004 aus dem Norden von Thailand bekannt. Dort hatte ein elfjähriges Mädchen grippe-artige Symptome entwickelt, die als Dengue-Fieber behandelt wurden. Ähnliche Symptome entwickelte kurz darauf auch ihre Tante, bei der das Mädchen zu dieser Zeit wohnte. Die Mutter des Kindes reiste von Bangkok in den Norden, um ihre Tochter im Krankenhaus zu besuchen und zeigte kurz darauf ähnliche Symptome wie ihre beiden Verwandten. Tochter und Mutter verstarben, die dritte Person überlebte. Allerdings wurden nur bei den Erwachsenen Tests ausgeführt, daher war in den offiziellen Verlautbarungen nur von einem gesicherten Todesfall, einer Überlebenden und einem Verdacht auf eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung die Rede.
Ende Dezember 2004 erkrankte in Hanoi ein 47jähriger Mann an einer H5N1-Infektion und Anfang Januar 2005 sein 42jähriger Bruder. Untersuchungen zum Nachweis einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung blieben ergebnislos. Eine gemeinsame Infektionsquelle wurde gleichfalls nicht bekannt. Ohne sicheren Befund blieb im Januar 2005 auch der um einige Tage zeitversetzte Tod infolge einer H5N1-Infektion einer 35jährigen Frau und ihrer 13jährigen Tochter sowie eine geringfügig zeitversetzte H5N1-Infektion bei einem 17jährigen Jugendlichen und seiner 22jährigen Schwester im vietnamesischen Distrikt Phuoc Long, an deren Folgen der Junge verstarb. Der Verdachtsfall einer Bruder-zu-Schwester-Übertragung, der im Januar 2005 aus Kambodscha bekannt wurde, blieb gleichfalls ungeklärt. Dort war zunächst ein 14jähriger Junge und kurz darauf seine 25jährige Schwester an den Folgen einer H5N1-Infektion verstorben.
In ähnlicher Form wurden in den folgenden Monaten immer wieder mehrfache Erkrankungen unter Verwandten bekannt, die jeweils zeitversetzt auftraten, so dass eine gemeinsame Infektionsquelle das Geschehen nicht hinreichend sicher erklären konnte [8].
Aus Indonesien wurden im Juli 2005 drei Todesfälle gemeldet (1 Mann und zwei seiner Kinder), die keinen intensiven Kontakt zu infiziertem Geflügel hatten (Science, 29. Juli, S. 684). Ein Expertenteam der Weltgesundheitsorganisation fand in der Nachbarschaft der Familie einzig einen Ziervogel, in dessen Kot A/H5N1 nachgewiesen werden konnte. Ob dies die Quelle der Infektion war und in welcher Weise die Infektion auf die drei Mitglieder der Familie überging, blieb allerdings ungeklärt.
Die offiziellen Fallzahlen
Aus der Volksrepublik China liegen erst seit Mitte November 2005 offizielle Meldungen über Erkrankungen und Todesfälle vor, deren Zuverlässigkeit aber u. a. von dem angesehenen japanischen Virologen Masato Tashiro infrage gestellt wurde, nachdem er im November 2005 China bereist hatte. Diese Meldungen erfolgten zudem erst, nachdem Regierungschef Wen Jiabao von einer „sehr ernsten Situation“ besonders in der nordostchinesischen Provinz Liaoning gesprochen hatte. Dort und in anderen Provinzen war es zuvor mehrfach zu großen Ausbrüchen von A/H5N1 unter Geflügel gekommen. So zitierte bereits Nature vom 2. Juni 2005 chinesische Quellen, die von mehreren Dutzend erkrankten und gestorbenen Menschen nach einem Ausbruch von A/H5N1 im Mai 2005 unter Zugvögeln in der nordwestchinesischen Provinz Qinghai berichteten. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua hatte diese Berichte zwar umgehend dementiert, zugleich aber eingeräumt, dass die Krankenhäuser der Region „spezielle Ambulanzen für fiebernde Patienten“ eingerichtet hätten. Tests an Mäusen haben ergeben, dass die Qinghai-Variante von A/H5N1 für Menschen als ähnlich gefährlich einzuschätzen ist, wie die aus Vietnam und Thailand bekannten Varianten [9]. Im Juni 2006 wurde bekannt, dass in China bereits im November 2003 ein 24jähriger Mann nachweislich an den Folgen einer H5N1-Infektion verstarb.[10]
In Thailand ergab eine offizielle Überprüfung aller im 1. Quartal 2004 in 67 der 76 Provinzen registrierten Erkrankungen von Personen, die nach Kontakt zu H5N1-infiziertem Geflügel grippe-ähnliche Symptome oder eine Lungenentzündung entwickelten, dass es neben den 12 bestätigten H5N1-Erkrankungen weitere 21 Verdachtsfälle gab, die aber nicht in die Statistiken eingingen. Sollte dieses Ergebnis auch auf andere asiatische Regionen übertragbar sein, würden die tatsächlichen H5N1-Fallzahlen wesentlich höher, die Todesraten zugleich aber wesentlich niedriger sein, als in den amtlichen Statistiken ausgewiesen [11].
Bei den wiederholten Ausbrüchen der Krankheit starben zwischen Dezember 2003 und Dezember 2005 von 142 offiziell registrierten infizierten Menschen nachweislich 74 Personen (Quelle: WHO, Stand: 30. Dezember 2005). Im Einzelnen wies die WHO-Statistik folgende bestätigte Erkrankungsfälle bei Menschen (confirmed human cases) aus:
- Kambodscha: 4 Erkrankungen, 4 Todesfälle
- VR China: 7 Erkrankungen, 3 Todesfälle
- Indonesien: 16 Erkrankungen, 11 Todesfälle
- Thailand: 22 Erkrankungen, 14 Todesfälle
- Vietnam: 93 Erkrankungen, 42 Todesfälle
Hongkong: Bereits im Jahr 1997 wurden in Hongkong 18 Menschen mit A/H5N1 infiziert, 6 von ihnen starben. Erstes Todesopfer war im Mai 1997 ein dreijähriger Junge, der eine akute Atemwegserkrankung, ein so genanntes Reye-Syndrom entwickelt hatte. Ansteckungsgefährdet waren offenbar vor allem jene Menschen die auf engstem Raum mit dem lebenden Geflügel umgingen.
Siehe auch
Weblinks
Quellen
- ↑ http://www.who.int/csr/don/2004_03_02/en/
- ↑ Xiyan XU u.a.: Genetitic characterization of the pathogenic Influenza A/Goose/Guangdong/1/96 (H5N1) Virus (...) In: Virology 261, 15-19 (1999)
- ↑ Nature 2004, Band 430, S. 955)
- ↑ http://www.b-safe.ch/?mid=&pid=&s=26#newsarticle vom 1.9.05
- ↑ New Scientist vom 9. Juli 2005, S. 14
- ↑ "Nature" Bd. 441 vom 18. Mai 2006, S. 263
- ↑ http://www.oie.int/eng/info/hebdo/AIS_47.HTM#Sec3
- ↑ Details zu den familiären Häufungen 2004/05: http://www.recombinomics.com/News/02030501/Visible_Human_Transmission.html
- ↑ Nature vom 7. Juli 2005
- ↑ The New England Journal of Medicine, Band 354, S. 2731 f. vom 22. Juni 2006
- ↑ http://www.recombinomics.com/News/01050502/Thai_Case_Fatality_Missed.html