Definition
Eine Definition (lat. de ab, weg; finis Grenze, also Definitio = Abgrenzung) ist die Verdichtung von Merkmalen zu einer Zeichenkette (für einen Begriff, eine Relation, eine Funktion oder einen Namen), deren Sachverhalt (Definiendum) danach auf Eigenschaften (Definiens) zurückgeführt wird. Kurz: Eine Definition ist die kürzeste sprachliche Darstellung eines wahrnehmbaren Sachverhalts in einer natürlichen Sprache. Was sich nicht auf eine natürliche Sprache (also eine für Menschen verständliche Sprache) zurückführen lässt, hat keinen Definitionswert.
Wissenschaftstheoretische Klassifikation
Nominal- vs. Realdefinitionen
Die in der Wissenschaftstheorie meist an erster Stelle genannte, traditionelle Klassifikation von Definitionen ist die Unterscheidung zwischen Nominal- und Realdefinition. Während die Nominaldefinitionen einen neuen Begriff aus alten zusammenstellt, zerlegt die Realdefinition einen gängigen Begriff in seine Merkmale. Während Nominaldefinitionen besonders der Domäne der Strukturwissenschaften zuzuordnen sind, lassen sich Realdefinitionen vor allem in den Geistes-, Natur- und Sozialwissenschaften finden. Da in diesen meist die (notwendigerweise) vagen und ambigen bereits vorhandenen Begriffe der natürlichen Sprache begründet werden, empfiehlt sich für Realdefinitionen der treffendere Ausdruck der Begriffsexplikation oder -zerlegung.
Identitäten vs. Gebrauchsdefinitionen
Man spricht von Gebrauchsdefinition (oder Kontextdefinition), weil das Definiendum darin nur so definiert wird, wie man es innerhalb von Sätzen gebraucht. Fällt beispielsweise eine allgemeine Definition des Prädikates "'adäquat"' schwer, so lässt sich leicht definieren, dass die Aussage "'X ist ein adäquater Kalkül"' genau dann wahr ist, wenn X ein Kalkül ist, der vollständig und korrekt ist. Adäquatheit wurde damit nur im Kontext "'Kalkül"' definiert, und die Frage, wann überhaupt etwas adäquat ist, beziehungsweise welche Dinge unter diesen Begriff fallen, stellt sich nicht. Dieser ontologische Unterschied erspart beispielsweise der modernen Mathematik die philosophische Frage nach dem Wesen der Zahl (empirisch, psychologistisch oder logisch). Die mathematischen Axiome sagen nicht, was eine Zahl ist, sondern wann sich etwas Zahl nennen darf und welche arithmetischen Eigenschaften dann für diese gelten. Dass zum Beispiel die Gruppenaxiome gerade davon leben, dass sie verschiedenste Interpretationen erlauben, widerspricht zudem der klassischen Anschauung, Definitionen müssten eindeutig sein.
Totale vs. Partielle Definitionen
Während in totalen Definitionen Definiendum und Definiens äquivalent sind, gilt dies in partiellen Definitionen nur für einen Teilbereich, das heißt nur für den Fall, dass eine Vorbedingung erfüllt ist. Operationale Definitionen sind häufig partiell. In ihnen ist die Vorbedingung die Operation, mit der man die zu definierende Eigenschaft überprüft. Die zugehörige Gattung der Dispositionsbegriffe wie "wasserlöslich" beschreibt keine Eigenschaften, die direkt ablesbar sind, sondern ist an eine (Prüf-)Bedingung geknüpft. Zum Beispiel: "Wenn man den Gegenstand in Wasser gibt, dann löst er sich auf".
Explizite vs. Rekursive und Induktive Definitionen
Eine im Zusammenhang mit Definitionen stets genannte Regel ist die, dass das Definiendum im Definiens selbst nicht vorkommen darf. Unter Beachtung dieser Regel entstehenden die sogenannten Explizitdefinitionen. Wie die Definition der Ackermannfunktion jedoch zeigt, kann eine Definition einer Funktion unter direkter oder indirekter Rückführung auf Terme mit ebendieser Funktion eben doch zweckmäßig sein. Diese Fälle erfordern vielmehr eine genauere Betrachtung und die Angabe spezieller Kriterien zur Vermeidung von Zyklen. Im Einzelnen geschieht dies, indem sich die stufenweise Elemination des Definiendums auf die natürlichen Zahlen abbilden lassen muss.
Notwendigkeit von wissenschaftlichen Definitionen
- Die Notwendigkeit einer wissenschaftlichen Definition ergibt sich in der Regel dann, wenn im Laufe des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnes Hypothesen und Theorien aufgestellt oder Modelle konstruiert werden, welche von verschiedenen Wissenschaftlern nachvollzogen und diskutiert werden sollen. Um den Kriterien der Wissenschaftlichkeit zu genügen, muss deshalb Einvernehmen über die Bedeutung der verwendeten Begriffe herrschen.
- Definitionen bewirken durch ihren abkürzenden Charakter eine leichtere Formulierung und ein leichteres Verständnis von Theorien.
- Zwar sind, wie sich formal beweisen lässt, Definitionen notwendiger Weise weder wahr noch falsch, jedoch tragen sie durch den Auswahlprozess beim Definieren bereits Erkenntnis mit sich.
Definitionsregeln und -anforderungen
Die klassischen Definitionsregeln gehen auf Aristoteles zurück (Vergleiche Analytica Posteriora, Organon) (zitiert nach Kondakow 1983, S. 81):
- Ein Begriff wird durch seine nächste Gattung und den Artunterschied definiert (Praecisio definitionis). (veraltet)
- Der Artunterschied muss ein Merkmal oder eine Gruppe von Merkmalen sein, die nur dem vorliegenden Begriff zukommen und bei anderen Begriffen fehlen, die zur selben Gattung gehören. (veraltet)
- Eine Definition muss angemessen sein, d.h. weder zu weit noch zu eng gefasst sein.
- Eine Definition darf keinen Zirkelschluss enthalten.
- Eine Definition darf keine logischen Widersprüche enthalten.
- Eine Definition darf nicht nur negativ bestimmt sein.
- Eine Definition darf keine Mehrdeutigkeiten enthalten.
Anstatt dieser größtenteils überholten Anforderungen sind die inzwischen entscheidenden formalen Kriterien an Definitionen Eliminierbarkeit und Nicht-Kreativität. Eliminierbar ist ein Begriff dann, wenn er innerhalb einer Theorie vollständig zu Gunsten seines Definiens ersetzt werden kann, ohne den Wahrheitswert der Theorie zu beeinflussen. Nicht-Kreativität bedeutet, dass unter Hinzunahme der Definition zu einer Theorie nichts erschlossen werden kann, was nicht bereits ohne jene Definition erschließbar wäre.
Eine weitere klassische Form der Definition ist die unter Angabe eines genus proximum (Gattung) und einer differentia specifica (Spezifisches Abgrenzungskriterium). Während man lange Zeit glaubte, es handle sich dabei um eine universelle Form, zeigt bereits das einfache Beispiel "Ein Skandinavier ist ein Mensch, der aus Dänemark, Norwegen oder Schweden kommt", dass sinnvolle Definitionen diesem Schema nicht folgen müssen.
Im praktischen Betrieb der (nicht-formal-)Wissenschaften, erweisen sich folgende Anforderungen als sinnvoll:
- Die Anzahl unterschiedlicher Interpretationsmöglichkeiten soll so weit wie möglich reduziert werden.
- Trotzdem soll eine Definition so einfach wie möglich sein.
- Eine Definition ist um so besser, je schärfer die Grenzen zu anderen Begriffen gezogen sind.
- Es dürfen nur Begriffe verwendet werden, die schon als Allgemeinbegriff eindeutig sind oder die bereits der jeweiligen Wissenschaft definiert sind.
- Eine Definition soll möglichst keine Ausnahmeregelungen enthalten.
- Definitionen sind weder wahr noch falsch, Realdefinitionen sollten jedoch (nach Carnap) die 4 Kriterien zur Adäquatheit erfüllen:
- Ähnlichkeit von Explikat und Explikandum
- Exaktheit des Explikats
- Fruchtbarkeit für das Aufstellen vieler Gesetze
- Einfachheit der Definition selbst und der resultierenden Gesetze
Ohne Definitionen gibt es kein Leben (Immanuel Kant).
Beispiele
- Realdefinition: „Eine Definition ist die genaue Bestimmung eines Begriffes durch Beschreibung und/oder Erklärung seines Inhalts.“
- Nominaldefinition: „Eine Primzahl ist eine natürliche Zahl mit genau zwei natürlichen Teilern.“
- Gebrauchsdefinition:: „Die natürliche Zahl n ist Primzahl n besitzt genau zwei natürliche Teiler.“
- Rekursive Definition: Ackermannfunktion
- Empirische Definition, besser: empirische Analyse: „Der Mensch ist ein ungefiederter Zweibeiner.“
Zitate
„Omnia determinatio negatio est.“ (deutsch: Jede Begriffsbestimmung ist eine Abgrenzung.) (Spinoza)
„Was man überhaupt sagen kann, das kann man auch klar und verständlich sagen.“ (Ludwig Wittgenstein)
„Wir sind unfähig, die Begriffe, die wir gebrauchen, klar zu umschreiben - nicht, weil wir ihre Definition nicht wissen, sondern weil sie keine wirkliche ‚Definition‘ haben. Die Annahme, daß sie eine solche Definition haben müssen, wäre wie die Annahme, daß ballspielende Kinder grundsätzlich nach strengen Regeln spielen.“ (Ludwig Wittgenstein)
„Alle Definitionen sind wissenschaftlich von geringem Wert.“ Friedrich Engels, Anti-Dühring, MEW 20, 77.
„Definitionen sind für die Wissenschaft wertlos, weil stets unzulänglich. Die einzig reelle Definition ist die Entwicklung der Sache selbst, und diese ist aber keine Definition mehr.“ Friedrich Engels, 20, 578.
„[...] als die Creme der im Südwesten tätigen Archäologen zur gleichen Zeit an einem Ort versammelt war und zwei unschätzbare Tage damit verbrachte, die Frage: "wann ist ein Kiva kein Kiva" zu diskutieren. Nicht nur konnten sie sich nicht über diese negative Behauptung einigen, sondern, was viel schlimmer war, sie entschieden auch nie im positiven Sinne, was ein Kiva war. Und das - es mag zu ihrer Schande und ihrem Unbehagen berichtet werden - zu einer Zeit, als jeder Mann, jede Frau und jedes Kind unter ihnen sofort einen Kiva erkannte, soweit ihn überhaupt ein Auge erblicken konnte.“ Ann Morris, zitiert nach C. W. Ceram in „Der erste Amerikaner“.
Siehe auch: Prädikat (Logik), Terminus, Terminologie
Literatur
- Gabriel, Gottfried: Definition, in: Mittelstraß (Hrsg.), Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, 2. Aufl., 2005, S. 137 - 139.
- Wolfgang Stegmüller: Hauptströmungen der Gegenwartsphilosophie, Eine kritische Einführung. Stuttgart, 1989.
- Menne, Albert, Definition, in: Krings/Baumgartner/Wild, Handbuch philosophischer Grundbegriffe, 1973
- Dubislav, Walter, Die Definition, 4. Aufl., Meiner, Hamburg, 1981 (Klassiker)
- Gabriel, Gottfried: Definition II, in: Ritter (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, 1972, Sp. 35 - 42 (siehe auch oben)
- N. Kondakow: Wörterbuch der Logik (2. Aufl.). Leipzig 1983
- Lothar Schmidt (Auswahl, 1971): Schlagfertige Definitionen. Von Aberglaube bis Zynismus - ISBN 3-499-16186-9