Tampa-Affäre
Die Tampa-Affäre ereignete sich im August 2001, als sich die damalige australische Koalitionsregierung von Liberal Party und National Party unter dem Premierminister John Howard weigerte, 438 Boatpeople aufzunehmen, die der norwegische Frachter Tampa von dem nicht mehr seetüchtigen Holzboot Palapa 1 aus Indonesien innerhalb internationaler Gewässer unweit der australischen Seegrenzen gerettet hatte. Der Vorfall führte dazu, dass Australien eine strikte Einwanderungshaft einführte, die bis heute angewendet wird.
Im Verlauf des acht Tage dauernden Vorfalls entwickelte sich eine diplomatische Auseinandersetzung zwischen Australien und Norwegen. Ferner war die Tampa-Affäre ein zentrales Thema im australischen Wahlkampf, der im November 2001 endete und zur Wiederwahl der Howard-Regierung führte.
Seenotrettung
Am 24. August 2001 geriet das Fischerboot Palapa 1, aus Indonesien kommend, mit 438 Personen (369 Männer, 26 Frauen und 43 Kinder) etwa 140 Kilometer nördlich der Weihnachtsinsel in internationalen Gewässern in Seenot. In anderen Darstellungen wird von 433 Personen ausgegangen. [1][2] Am Morgen des 26. August wurden die in der Nähe befindlichen Schiffe vom australischen Seenotrettungszentrum der Australian Maritime Safety Authority aufgefordert, dem Boot zu Hilfe zu kommen. Die Tampa als nächstpositioniertes Schiff wurde mit Unterstützung des Küstenwachflugzeuges Coastwatch 583 die Palapa finden und die Menschen von dem sinkenden Boot retten. Die Rettungsaktion fand in internationalen Gewässern etwa 75 Seemeilen von der australischen Weihnachtsinsel und 250 Seemeilen vom indonesischen Hafen Merak entfernt statt. Die indonesische Rettungsleitstelle zu der das Seenotrettungsgebiet formal gehört, konnte bis dahin von den Australiern nicht erreicht werden.[3]
Nach geltendem internationalen Seerecht sind gerettete Schiffbrüchige unverzüglich in den nächstgelegenen Hafen zu transportieren. Dies war die australische Weihnachtsinsel. Die Verantwortlichen in Australien wollten die Tampa allerdings in den Hafen der indonesischen Stadt Merak leiten, der etwa doppelt soweit entfernt lag. Damit wollten sie verhindern, dass die Boatpeople australischen Boden betreten.[4] Nachdem die Tampa die Boatpeople, von denen die meisten der afghanischen Minderheit der Hazara angehörten, gerettet hatte, bewegte sie sich in Richtung Merak. Kurz darauf kamen fünf Boatpeople auf die Schiffsbrücke und forderten aggressiv, dass die Tampa in Richtung der näher gelegenen Weihnachtsinsel abdrehen müsse.[5] Um Konflikte zu vermeiden, änderte der norwegische Kapitän Arne Rinnan den Kurs.
Weihnachtsinsel
Kapitän Rinnan informierte seine Reederei, die norwegische Wilh. Wilhelmsen, und die australische Küstenwache und bat um Erlaubnis, die Schiffbrüchigen auf der Weihnachtsinsel an Land bringen zu dürfen. Diese wurde ihm von der Küstenwache verweigert und er stattdessen aufgefordert, seinen Kurs wieder in Richtung Indonesien zu ändern. Die Australier drohten dem Kapitän, dass er, falls er sein Vorhaben fortsetzen würde, Gefahr laufe, in Australien wegen Menschenhandels festgesetzt und angeklagt zu werden.[6] Daraufhin änderte Rinnan erneut seinen Kurs, was die Schiffbrüchigen bald bemerkten. Sie drängten ihn wiederum zu einem Kurswechsel. Rinnan befürchtete, dass es beim Beibehalten dieses Kurses zu Widerständen kommen könnte. Ferner befürchtete er auch Angriffe auf seine Besatzung oder dass Schiffbrüchige in ihrer Verzweiflung über Bord springen würden. Daher änderte er seinen Kurs erneut.[7]
Vor der Weihnachtsinsel angekommen, ankerte die Tampa in einer Entfernung von 22 Kilometern in internationalen Gewässern. Die australische Regierung verweigerte weiterhin die Aufnahme der Flüchtlinge, allerdings versorgte sie die Schiffbrüchigen mit medizinischer Hilfe, Verpflegung und Trinkwasser auf dem Schiff.
Am 29. August erklärte Rinnan sein Schiff selbst zu einem Seenotfall und erbat Hilfe. Trotz seiner Seenot wurde ihm die Zufahrt in die Territorialgewässer und den Hafen Flying Fish Cove verwehrt und erbetene medizinische Hilfe wurde nicht geleistet. Daraufhin drang er ohne eine Erlaubnis in die australischen Gewässer vor der Weihnachtsinsel ein.[8] Inzwischen hatte die australische Regierung eine Spezialeinheit mit 45 Soldaten des Special Air Service auf die Insel gebracht. Nachdem die Tampa in die australische Zone eingedrungen war, fingen die Soldaten das Schiff mit Schlauchbooten ab und betraten es. Die Schlauchboote trugen keine nationale Flagge, die Soldaten allerdings australische Rangabzeichen. Die Boatpeople transportierten sie in diesen Booten zum australischen Truppentransportschiff HMS Manoora. Damit hatten die Boatpeople mit dieser Maßnahme kein australisches Hoheitsgebiet betreten und somit keine Möglichkeit erhalten einen Antrag auf Asyl zu stellen.[9] Der Truppentransporter setzte anschließend die Boatpeople in den kleinen Inselstaat Nauru ab (siehe weiter unten).
Deportation

Die Regierung hatte am 29. August 2001 in einem Eilverfahren die „Border Protection Bill 2001“ in beiden Kammern verabschiedet. Dies versetzte sie in die Lage, alle Schiffe mit Asylsuchenden und die darauf befindlichen Personen aus nationalen Gewässern zu entfernen oder sie in in- und ausländische Einwanderungshaft zu nehmen.[10] Die politische Opposition war in den Kammern in der Minderheit. Eine Menschenrechtsorganisation klagte gegen die Border Protection Bill; die Klage wurde abgewiesen.
Die australische Regierung hatte die HMAS Manoora zur Weihnachtsinsel beordert. Das Schiff mit einer Transportkapazität von mehr als 400 Personen sollte die asylsuchenden Schiffbrüchigen aufnehmen und außer Landes absetzen. Am 2. September hatte die australische Regierung mit den Regierungen von Nauru und Neuseeland ein Übereinkommen über die Aufnahme erzielt.[5]
Am 3. September wurden die Boatpeople von der Tampa innerhalb von drei Stunden auf die Manoora gebracht. Da die Schiffbrüchigen keinen australischen Boden betreten sollten, weil dies den Automatismus eines Asylantrags ausgelöst hätte, sollten sie zunächst auf der Manoora nach Papua-Neuguinea gebracht werden. Von dort aus wollte man sie in Gruppen mit Flugzeugen nach Neuseeland und Nauru bringen.[2][11] Davon wurde abgesehen, weil die Boatpeople nach ihrer Landung in Papua-Neuguinea dort ein Recht auf Asyl erlangen würden. Daher entschied die australische Regierung, sie direkt mit der Manoora in den 7000 Kilometer entfernten kleinen Inselstaat Nauru zu transportieren.[12]
131 der Boatpeople wurden von Nauru nach Neuseeland geflogen und im Mangere Refugee Centre in Auckland untergebracht, die anderen blieben im Nauru Regional Processing Centre auf Nauru.[13]
Ein Jahr später wurde durch eine Veröffentlichung von Amnesty International vom 24. August 2002 bekannt, dass 130 der nach Neuseeland gebrachten Boatpeople dort einen permanenten Aufenthaltsstatus erhalten hatten. Im Internierungslager Nauru waren sieben Afghanen kurz vor der Veröffentlichung in ihre Heimat zurückgekehrt. Alle anderen Boatpeople, die sich auf der Tampa befunden hatten, warteten immer noch auf einen Bescheid für eine zeitlich befristete Aufenthaltsgenehmigung in Australien.[14]
Ehrungen
Die Mannschaft und der Kapitän der Tampa wurden für ihr Verhalten im Jahr 2002 mit dem Nansen-Flüchtlingspreis ausgezeichnet, den der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen auslobt.[15] Kapitän Arne Rinnan wurde in Norwegen der höchste zivile Orden verliehen. In der Lloyd’s List wurde er zum Kapitän des Jahres gewählt.[16] Ebenfalls wurde ihm diese Ehre durch das britische Nautical Institute zuteil.[17]
Literatur
- Hartmut von Brevern, M. Bopp: Seenotrettung von Flüchtlingen. (PDF). In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. 2002, S. 841 ff.
- Peter Mares: Borderline: Australia's Response to Refugees and Asylum Seekers in the Wake of the Tampa. UNSW Press 2002, ISBN 0-86840-789-5.
- David Marr, Maria Wilkinson: Dark Victory - How a government lied its way to political triumph. Allen & Unwin, 2004, ISBN 1-74114-447-7.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Jason Burke, Matthew Brace, Sandra Jordan: All Australia can offer is guano island
- ↑ a b Australia ships out Afghan refugees, vom 3. September 2001. auf bbc. Abgerufen am 25. März 2017.
- ↑ Peter Mares: Borderline: Australia's Response to Refugees and Asylum Seekers in the Wake of the Tampa. UNSW Press 2002, ISBN 0-86840-789-5, S. 121 f.
- ↑ David Marr, Marian Wilkinson: Dark Victory. 2005, ISBN 1-74114-447-7, S. 30.
- ↑ a b Tampa Affair, o. A., National Museum Australia. Abgerufen am 25. März 2017.
- ↑ David Marr, Marian Wilkinson: Dark Victory. 2005, ISBN 1-74114-447-7, S. 31.
- ↑ David Marr, Marian Wilkinson: Dark Victory 2005, ISBN 1-74114-447-7, S. 33.
- ↑ Hartmut von Brevern, M. Bopp: Seenotrettung von Flüchtlingen. In: Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht. 2002, S. 841.
- ↑ Sovereignty and refugees (I). Chapter 5. Refugees between Pasts und Politics. Sovererignty and memory in the Tampa crisis, o. A., auf anu.ed.au. Abgerufen am 25. März 2017.
- ↑ Border Protection Bill 2001’’, vom 29. August 2001, auf Parliament of Australia. Abgerufen am 25. März 2017.
- ↑ „Tampa“. Die Bootsflüchtlinge verlassen das Schiff, vom 3. September 2001, auf Spiegel Online. Abgerufen am 25. März 2017.
- ↑ AUSTRALIA-PACIFIC Offending human dignity - the “Pacific Solution”, S. 39–40, vom 24. August 2001, auf Amnesty International. Abgerufen am 26. März 2017.
- ↑ AUSTRALIA-PACIFIC Offending human dignity - the “Pacific Solution”, S. 42, vom 24. August 2001, auf Amnesty International. Abgerufen am 26. März 2017.
- ↑ AUSTRALIA-PACIFIC Offending human dignity - the “Pacific Solution”, S. 2, vom 24. August 2001, auf Amnesty International. Abgerufen am 27. März 2017.
- ↑ Nansen Award for captain, crew and owner of ‘Tampa’, vom 25. März 2002. auf UNHCR. Abgerufen am 25. März 2017.
- ↑ Årets kaptein, vom 17. Oktober 2001, auf Dagbladet. Abgerufen am 25. März 2017.
- ↑ Honoring the mariners’ finest traditions at sea. 3. November 2016, auf Naval Today. Abgerufen am 25. März 2017.