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Oikumene

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Unter Ökumene versteht man die Beziehungen zwischen christlichen Kirchen verschiedener Konfessionen, allgemeiner auch zwischen verschiedenen Religionen.

Der Begriff Ökumene wird mit verschiedenen Bedeutungen verwendet:

  1. die ganze (bewohnte) Erde (ursprüngliche Bedeutung von gr. oikoumenê)
  2. die christliche Kirche als ganze
  3. allgemeine christliche oder kirchliche Gültigkeit besitzend (Ökumenisches Konzil)
  4. den weltweiten missionarischen Auftrag der Kirche betreffend
  5. die Beziehungen zwischen mehreren Kirchen oder zwischen einzelnen Christen verschiedener Konfessionen
  6. die geistige Haltung, die das Wissen um die Zugehörigkeit zur weltweiten Gemeinschaft der christlichen Kirchen und das Streben nach Einheit der Kirche Christi ausdrückt

Begriff und Geschichte

Der Begriff Ökumene (v. griech.: oikeo/oikia wohnen bzw. Haus) bezeichnete ursprünglich den gesamten bewohnten Erdkreis. Ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. wurde der Begriff prägend für die gesamte Welt des Hellenismus, die er von der nichtgriechischen "barbarischen" Welt abgrenzte. Diese Verwendung erhielt sich in der römischen Welt und beschrieb so das römische Kaiserreich.

Das Neue Testament sieht in dem Ausdruck einmal die bewohnte Welt (Lk. 2,1) und dann auch die bewohnte Welt als den Adressaten der christlichen Botschaft (Mt. 24,2).

Die Alte Kirche greift den römischen Ökumenebegriff auf. Sie beansprucht eine Verbreitung über die gesamte Welt und bezeichnet sich auch mit Basilius und Origenes als die "neue Ökumene". Mit ihrer weltweiten Ausdehnung rechtfertigt Augustinus ihre Rechtgläubigkeit, welche auch als Kriterium zur Abgrenzung gegen bestimmte Häresien dient. "Ökumenisch" und "katholisch" werden dabei synonym gebraucht.

Alle gesamtkirchlichen Angelegenheiten wurden durch sieben Ökumenische Konzile (325 - 787), die der Kaiser einberief, geregelt. Die orientalischen Kirchen außerhalb des Reiches schieden dabei wegen dogmatischer (und darin ausgetragener politischer) Gegensätze aus der Ökumene aus.

Im 6. Jahrhundert brach ein Konflikt zwischen Konstantinopel und Rom über den jeweiligen ökumenischen Anspruch aus. Seither führt der Patriarch von Konstantinopel den Titel ökumenischer Patriarch, wenn auch mit regionaler Bedeutung.

Es entstanden folgende Auffassungen von Ökumene

  1. die orthodoxe: Ökumenisch ist, was dem Patriarchat von Konstantinopel untersteht
  2. die katholische: Ökumenisch ist, was der durch die sieben ökumenischen Konzilien, sowie dem ebenfalls ökumenisches Konzil genannten II. Vaticanum bestätigten Jurisdiktion der römisch-katholischen Kirche untersteht.
  3. die reformatorische: ökumenisch ist, was seine Wurzeln im ersten ökumenischen Konzil von Nicäa sieht.

Ökumene im 19. Jahrhundert

Nach dem Zeitalter des Konfessionalismus erwuchs auf protestantischer Seite das Bestreben nach einer, auf den Kern des Glaubens gerichteten Lebensweise. Mit dem Pietismus wurden konfessionelle und nationale Begrenzungen gesprengt.

Der Begriff der Ökumene erfuhr mit der Mission eine Erweiterung. So gründete man im 19. Jahrhundert die Evangelische Allianz. Zahlreiche Missionsgesellschaften und Bibelgesellschaften schufen Voraussetzungen für ökumenische Kontakte.

Im CVJM entstand der Begriff einer "ökumenischen Gesinnung", der auch das 20. Jahrhundert prägte und wohl in der Ökumenischen Missionskonferenz 1900 in New York einen ersten Höhepunkt fand.

Ökumene im 20. Jahrhundert

1929 wurde der Ökumenische Rat für Praktisches Christentum ins Leben gerufen.

Seit 1948 besteht der Ökumenische Rat der Kirchen, dem heute etwa 340 Kirchen aus etwa 120 Ländern angehören. Die Basisformel des ÖRK lautet:

Der Ökumenische Rat der Kirchen ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Der Ökumenische Rat der Kirchen besteht im Wesentlichen aus Kirchen der protestantischen und aus Kirchen der orthodoxen Tradition. Diese Traditionen unterscheiden sich sehr stark in ihrem Selbstverständnis als Kirche und in ihrer Theologie, was von Anfang an zu Spannungen geführt hat.

Während der ÖRK sich ursprünglich als Bewegung in Richtung auf die Wiederherstellung der Einheit der christlichen Kirchen verstand, hat er sich in den letzten Jahrzehnten mehr bemüht, der Pluralität der Bewegungen, Aktionen und Probleme in der Welt gerecht zu werden. In dieser Richtungsänderung folgen die Kirchen nicht, die sich besonders der Einheitsbewegung verpflichtet sehen - insbesondere die orthodoxen Kirchen.

Die gegenwärtige Struktur des ÖRK mit Mehrheitsabstimmungen bevorzugt stark die Sicht der protestantischen Kirchen, die daher auch in den Prioritäten und Programmen des ÖRK dominiert. Die aus dieser Situation resultierenden Spannungen führten bis zu Austrittsdrohungen einzelner orthodoxer Kirchen. Eine paritätische Sonderkommission hat Vorschläge erarbeitet um Struktur, Stil und Ethos des ÖRK entsprechend zu verbessern, wobei auch ähnliche Anliegen anderer Kirchenfamilien und Kirchen aufgenommen wurden. Die Empfehlungen sind gegenwärtig beim Zentralausschuss des ÖRK (Abschlussbericht der Sonderkommission zur Orthodoxen Mitarbeit im ÖRK).

Die römisch-katholische Kirche gehört zwar dem Ökumenischen Rat der Kirchen nicht an, hat jedoch, insbesondere nach dem zweiten vatikanischen Konzil, eine deutliche ökumenische Öffnung gezeigt, insbesondere durch das Ökumenismusdekret Unitatis redintegratio. So hat sie ökumenische Beziehungen zur orthodoxen Kirche angeknüpft, was 1995 im apostolischen Brief "Orientale Lumen" und in der Enzyklika "Ut unum sint" von Papst Johannes Paul II. resultierte. Bilaterale Gespräche zwischen Lutheranern und Katholiken führte zur "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung" vom Oktober 1999 über einen der strittigsten Punkte seit der Reformation. Die Enzyklika "Ecclesia de Eucharistia" wird da allerdings wieder als ein Rückschritt empfunden.

Neben den offiziellen Beschlüssen gibt es vielerorts eine informelle, aber lebendige ökumenische Zusammenarbeit auf der Ebene der lokalen Kirchen.

Sowohl die evangelikale als auch die charismatische Bewegung sind nicht auf bestimmte Konfessionen beschränkt, sondern konfessionsübergreifend.

Ökumene in Europa

Im Jahr 1940 gründete Fr. Roger Schutz in Taizé die Communauté de Taizé, einen ökumenischer Männerorden mit der Zielsetzung, die Risse zwischen den christlichen Kirchen zu heilen.

In Europa gibt es seit 1959 die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK, englisch CEC für Conference of European Churches), der die meisten orthodoxen, reformatorischen, anglikanischen, freikirchlichen und altkatholischen Kirchen in Europa angehören. Die KEK ist eine selbständige Organisation, die mit dem Ökumenischen Rat der Kirchen zusammenarbeitet. Sie ist einer von weltweit sieben regionalen ökumenischen Zusammenschlüssen.

Die Konferenz Europäischer Kirchen hat 2001 gemeinsam mit dem Rat der (römisch-katholischen) Europäischen Bischofskonferenzen die Charta Oecumenica unterzeichnet, ein Dokument mit Leitlinien für die wachsende Zusammenarbeit unter den Kirchen in Europa.

Nachdem in Deutschland unter Ökumene lange nur die Beziehungen zwischen der protestantischen und römisch-katholischen Kirche gesehen wurden, kommen jetzt auch die Beziehungen zu den in Deutschland immer stärker vertretenen orthodoxen Einwandererkirchen und zu den Freikirchen ins Blickfeld.

In der Schweiz gibt es seit dem 19. Jahrhundert neben den reformierten und der römisch-katholische Kirche noch die christkatholische Kirche als offiziell anerkannte Landeskirche, so dass die Ökumene nie nur als "Zweierbeziehung" gesehen wurde.

Probleme der ökumenischen Annäherung

Ein wesentliches Problem beim ökumenischen Dialog ist die unterschiedliche Zielsetzung bzw. Definition von christlicher Einheit bei verschiedenen Konfessionen.

Ebenso hindernd für die ökumenische Bewegung sind unterschiedliche Verständnisse von grundlegenden christlichen Begriffen wie Kirche (Ekklesiologie), Gnade, Sakrament oder Rechtfertigung, gepaart mit (oft gegenseitigem) mangelndem Wissen über die unterschiedliche Definition in verschiedenen Konfessionen. Das kann zu Kommunikationsproblemen führen, aber ebenso auch zu einer übertriebenen Einschätzung von ökumenischer Annäherung.

Konfessionsverschiedene Ehen

Die immer häufigeren konfessionsverschiedenen Ehen müssen auf die eine oder andere Weise einen Weg finden, Ökumene im Alltag zu leben. Dem stehen von kirchlicher Seite noch einige Hindernisse entgegen, z.B. ist offiziell von katholischer Seite aus eine gemeinsame Teilnahme am Abendmahl nicht möglich.

Andererseits ist es auch hier schon zu wesentlichen Annäherungen gekommen: bis zur Mitte der Sechzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts hatten Katholiken in Mischehen keinen Zugang zur Eucharistie, wurden evangelische Pfarrer wegen Mischehen vom Amt ausgeschlossen.

Heute kann eine Trauung zwischen Protestanten und Katholiken als katholische oder evangelische Trauung oder unter Mitwirkung beider Pfarrer in einer der beiden Kirchen stattfinden.

Ökumene der Religionen

Gegenwärtig wird der Ausdruck Ökumene von einzelnen Autoren auch auf die Beziehungen zwischen dem Christentum und nichtchristlichen Religionen, insbesondere dem Judentum und dem Islam, ausgeweitet. Er wird jedoch weder von christlichen ökumenischen Organisationen (ÖRK, KEK) noch von einzelnen christlichen Kirchen in offiziellen Dokumenten in diesem Sinn verwendet. Ausdrücke wie interreligiöser Dialog oder "multireligiöse Veranstaltung" werden weithin als sachgemäßer empfunden.

Die tiefe Verbindung zwischen Judentum und Christentum wird in vielen ökumenischen Dokumenten erwähnt (z.B. Leuenberger Konkordie, Charta Oekumenica) und dabei unter Berufung auf die "unlösliche Verbundenheit mit Israel" eine besondere Pflege der jüdisch-christlichen Beziehungen gefordert. Dabei wird auch deutlich gemacht, dass die jüdisch-christlichen Beziehungen in einem anderen Sinn zu verstehen sind als die Beziehungen des Christentums zu anderen Religionen. Allerdings wird dabei auch deutlich gemacht, dass Judentum und Christentum nicht gleichzusetzen sind:

"Gegenüber einer unreflektierten Übernahme jüdischer Gebete oder anderer Teile der jüdischen (gottesdienstlichen) Tradition ist allerdings Zurückhaltung angebracht. Eine solche Übernahme steht in der Gefahr, die Austauschbarkeit von Glaubensaussagen vorzuspiegeln. Darüber hinaus kann eine solche Übernahme als mangelnde Achtung gegenüber dem jüdischen Selbstverständnis und Versuch einer substituierenden Aneignung der Traditionen Israels verstanden werden." (Leuenberger Kirchengemeinschaft, Kirche und Israel, 2001)

LITERATUR

Leo Kard. Scheffczyk: Ökumene. Der steile Weg der Wahrheit (Quaestiones non disputatae, Bd. VII, hrsg. von David Berger): Siegburg 2004.

Siehe auch: Interzelebration, Kirchengemeinschaft

Den Begriff Ökumene gibt es auch im geografischen Sinn: Ökumene= der ständig besiedelte Teil der Erdoberfläche, der von der Anökumene durch Trocken-, Höhen- und Kältegrenzen getrennt sind. Beispiele: Europa, Ostasien, Ost USA