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Edward Bernays

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Edward Bernays, 1917

Edward Louis Bernays (* 22. November 1891 in Wien; † 9. März 1995 in New York) gilt neben Ivy Lee und anderen als Vater der Public Relations und bedeutender Spin-Doctor. Er selbst prägte für seinen Beruf die Bezeichnung PR-Berater (Public Relations Counselor).

Leben

Stammbaum Edward Bernays

Edward Bernays war ein Neffe von Sigmund Freud und ein Urenkel des Hamburger Rabbiners Isaak Bernays.[1] Seine Mutter war Freuds Schwester Anna, sein Vater Ely Bernays war der Bruder von Freuds Ehefrau Martha.[2]

Die Wiener Eltern Bernays’ wanderten mit Säugling Edward in die USA aus. 1892 nach New York City gezogen, ging er zur DeWitt Clinton High School. 1912 erlangte er einen Abschluss in Agrarwissenschaft an der Cornell University, aber begann eine journalistische Karriere.
1922 Jahre heiratete Bernays seine Freundin Doris Fleischman, die er schon aus Jugendzeiten kannte und die später in seinem ersten Unternehmen mitarbeitete. Ein Jahr zuvor hatte sie sich der Lucy Stone League angeschlossen, einer amerikanischen Frauenrechtsorganisation, die sich dafür einsetzte, Frauen nach der Eheschließung zu gestatten, ihren Geburtsnamen zu behalten. Zu ihrer Hochzeitsnacht im New Yorker Waldorf-Astoria unterschrieb Doris Fleischman Bernays mit ihrem Geburtsnamen. Als erster Ehefrau stellte ihr das US Außenministerium drei Jahre später einen Pass allein auf ihren Geburtsnamen aus.

Bernays’ Arbeiten

Theoretische Grundlagen

Bernays war Pionier in der Anwendung von Forschungsergebnissen der noch jungen Psychologie und Sozialwissenschaften in der angewandten Öffentlichkeitsarbeit. Seine Erfolge in der Öffentlichkeitsarbeit halfen, die Psychoanalyse Freuds in den Vereinigten Staaten von Amerika zu popularisieren. Das Freudsche Menschenbild ist grundlegend für Bernays’ Wirken und Argumentation: Der Mensch ist ein irrationales, von unbewussten Triebimpulsen motiviertes Wesen, das notwendig kultureller Bändigung und Steuerung bedarf. Dies gilt insbesondere für die Psychologie der Masse. Auf dieser Grundlage entwickelte er Kampagnen zur Meinungsbeeinflussung auf Basis damals aktueller Erkenntnisse der Massenpsychologie. Bernays argumentierte:

„Wenn wir den Mechanismus und die Motive des Gruppendenkens verstehen, wird es möglich sein, die Massen, ohne deren Wissen, nach unserem Willen zu kontrollieren und zu steuern.“

Er bezeichnete diese auf Wissenschaft basierende Technik der Meinungsformung als engineering of consent (sinngemäß: Technik zur Herstellung von Zustimmung und Konsens). Bernays’ wohl bekanntestes Buch Propaganda (1928) beginnt mit dem Kapitel Organising Chaos und den Worten:

„Die bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in der demokratischen Gesellschaft. Wer die ungesehenen Gesellschaftsmechanismen manipuliert, bildet eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschermacht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Verstand geformt, unsere Geschmäcker gebildet, unsere Ideen größtenteils von Männern suggeriert, von denen wir nie gehört haben. Dies ist ein logisches Ergebnis der Art wie unsere demokratische Gesellschaft organisiert ist. Große Menschenzahlen müssen auf diese Weise kooperieren, wenn sie in einer ausgeglichen funktionierenden Gesellschaft zusammenleben sollen. In beinahe jeder Handlung unseres Lebens, ob in der Sphäre der Politik oder bei Geschäften, in unserem sozialen Verhalten und unserem ethischen Denken werden wir durch eine relativ geringe Zahl an Personen dominiert, welche die mentalen Prozesse und Verhaltensmuster der Massen verstehen. Sie sind es, die die Fäden ziehen, welche das öffentliche Denken kontrollieren.“

Aufbau einer PR-Kampagne

Bernays entwickelte einen Acht-Punkte-Plan zur Durchführung einer PR-Kampagne,[3] der auch heute noch häufig als Grundlage vieler PR-Kampagnen weltweit Verwendung findet und ebenso als Basis für die Arbeit gemeinnütziger Organisation dienen kann:

  1. Define your objectives – Definiere Deine Ziele
  2. Conduct research – Führe Forschungen durch
  3. Modify your objectives based on that research – Verändere Deine Ziele auf Basis dieser Forschungen
  4. Set a strategy – Lege eine Strategie fest
  5. Establish themes, symbols, and appeals – Erstelle Themengebiete, Symbole und Anreize
  6. Create an organization to execute your strategy – Rufe eine Organisation ins Leben, um deine Strategie auszuführen
  7. Decide on timing and tactics – Entscheide über den Zeitplan und die Taktiken
  8. Carry out your plans – Führe deine Pläne aus

Eine seiner bevorzugten Techniken zur Manipulation der öffentlichen Meinung war die indirekte Nutzung prominenter Dritter: „Wenn man die Führer beeinflussen kann, entweder mit oder ohne deren bewusste Zusammenarbeit, beeinflusst man automatisch deren Gruppe“.

Praktisches Wirken

Edward Bernays (3. von links) 1917 bei der Eröffnung der Liberty Bond-Verkaufsstelle in der Aeolian Hall (New York)

Bernays unterstützte die amerikanische Regierung unter Wilson im Ersten Weltkrieg im Committee on Public Information bei ihrem Bemühen, Zustimmung der Öffentlichkeit für einen Kriegseintritt der USA zu erzielen. Seine Kampagne im Kriegsjahr 1917 stellte er unter den Slogan: „Make the world safe for democracy.“

In den Nachkriegsjahren versuchte er, die Wirksamkeit von Propaganda als Steuerungsmittel des Kaufverhaltens und politischer Meinungsbildung einer Massendemokratie auch in Friedenszeiten nutzbar zu machen. Um den belasteten Begriff Propaganda zu vermeiden, nannte er sein Vorgehen Public Relations.[4] Bernays arbeitete für verschiedenste Wirtschaftsunternehmen, aber auch für karitative Vereinigungen. Klienten waren u. a. der US-Präsident Calvin Coolidge, Procter & Gamble, CBS, British American Tobacco, United Fruit, General Electric und Dodge Motors. Ab den 1920ern wirkte er einige Jahre für die amerikanische Tabakindustrie, auch für die American Tobacco Company (ATC).

Das grundlegende Problem der Industrie in den Nachkriegsjahren bestand in der Stagnation der Nachfrage. Man kaufte nur, was man brauchte: Waren, die mit rationalen Kriterien wie Nützlichkeit und Qualität beworben wurden. War der Markt gesättigt, stagnierte das Geschäft. Man musste also die Leute dazu bringen, Dinge zu kaufen, die sie nicht in dieser Weise brauchten. Bernays’ Strategie zielte auf einen Mentalitätswandel der potentiellen Käufer, die die Ware ihres symbolischen Charakters wegen erwerben sollten; der Konsument Bernays’ kauft Dinge zur Selbstdarstellung und zum Selbstausdruck: „Express yourself“ sollte zur maßgeblichen Maxime der Kaufentscheidung werden, die Werbung an das irrationale Begehren der Kunden appellieren.

Als die American Tobacco Company ihn bat, den Umsatz ihrer Lucky Strike Zigaretten zu steigern, befragte Bernays Abraham Brill, den führenden Schüler seines Onkels in New York nach dem symbolischen Mehrwert der Zigarette für das weibliche Unbewusste. Der bestätigte ihm den phallischen Symbolcharakter der Zigarette als Zeichen männlicher Macht und wies auf den freudschen Penisneid als unbewusste Motivation von Frauen im Umgang mit Zigaretten hin. Tatsächlich galt vor allem öffentliches Rauchen für Frauen zu dieser Zeit als Tabu.

Bernays versuchte, das Rauchen auch für Frauen akzeptabel und attraktiv zu machen. Er beeinflusste dazu unter anderem die Modeindustrie, den typischen Grünton der Lucky-Strike-Packungen zur Farbe der Saison zu machen. Er beauftragte öffentlichkeitswirksam eine Gruppe von Frauen und bat sie, für die Osterparade 1929 sich als Suffragetten zu verkleiden. Die Frauen marschierten durch New Yorks Fifth Avenue; als Zeitungsreporter sie fotografierten, zündeten sie Zigaretten an und proklamierten diese als „torches of freedom“ (Fackeln der Freiheit). Die Werbestrategie zielte darauf ab, Zigaretten als Symbol weiblicher Emanzipation zu etablieren und den Widerstand der Frauen gegen das Rauchen zu brechen.[5][6] Einige Jahrzehnte später (in den 1960ern) arbeitete er für die Anti-Rauch-Kampagne.

In den 1930ern arbeitete Bernays für einige große Verlagshäuser. Neben seiner Taktik, angesehene Personen der Öffentlichkeit zur Befürwortung der Wichtigkeit von Büchern für die Zivilisation zu bewegen, hatte er die Idee, Möbelhersteller zum verstärkten Einbau von Bücherregalen in die Stubenmöbel zu veranlassen. Seine einfache Theorie lautete: „Wo es Bücherregale gibt, wird es auch Bücher geben.“ Ähnlich verfuhr Bernays, als er ab 1949 für Mack Trucks bzw. die amerikanische Truck-Industrie arbeitete. Um sich gegen die Eisenbahngesellschaften durchsetzen zu können, hatte Bernays einen indirekten und weitsichtigen Plan ausgeklügelt, von dem er zunächst seinen Auftraggeber überzeugen musste. Bernays gewann letztlich nicht nur die Zustimmung von Mack Trucks, sondern brachte in den 1950er Jahren auch den US-Kongress dazu, Milliarden von US-Dollar in den Ausbau des Highway-Systems zu investieren.

Bernays arbeitete auch für die Amerikanische Gesellschaft für Multiple Sklerose. Er stellte fest, dass der Name der Krankheit zu kompliziert sei, „um von den meisten Amerikanern verdaut werden zu können.“ Kurzentschlossen ließ er den Namen auf „MS“ abkürzen. Mitunter waren seine Kampagnen derart komplex, dass er selbst den Überblick etwas verlor; manchmal – wie im Fall von „MS“ – waren sie aber auch im Grunde genommen sehr einfach.[7]

Einfluss auf Joseph Goebbels

Bernays behauptete in seiner Autobiographie, Joseph Goebbels habe sein Buch Crystallizing Public Opinion benutzt, um die antijüdische Propaganda im nationalsozialistischen Deutschland aufzubauen.[8] Bernays, selbst Jude, habe davon durch Karl von Wiegand, Deutschland-Reporter der amerikanischen Hearst-Zeitungen, erfahren. Dieser habe Goebbels besucht und mit ihm einen Rundgang durch dessen Bibliothek unternommen. Bernays kommentierte das in seiner 1965 erschienenen Autobiographie wie folgt:

“I knew that any human activity can be used for social purposes or misused for antisocial ones. Obviously the attack on the Jews of Germany was no emotional outburst of the Nazis, but a deliberate, planned campaign.”

„Ich wusste, dass jede menschliche Aktivität für soziale Zwecke benutzt oder asozial missbraucht werden kann. Offenbar war die Attacke gegen die Juden Deutschlands kein emotionaler Ausbruch der Nazis, sondern eine wohlüberlegte, geplante Kampagne.“[9]

Werke

  • Crystallizing Public Opinion. Boni and Liveright, New York 1923; Neuauflage: Kessinger, New York 2004, ISBN 1-4179-1508-0.
  • Propaganda. Horace Liveright, New York 1928. Neuauflage: Ig Publishing, Brooklyn N.Y. 2005, ISBN 0-9703125-9-8; deutsche Erstausgabe: übersetzt von Patrick Schnur. orange-press, Freiburg im Breisgau 2007, ISBN 978-3-936086-35-5.
  • The Verdict of Public Opinion on Propaganda, (Based on the article A public relations counsel states his views), 1927 by Universal Trade Press Syndicate
  • An Outline of Careers. 1927. (Herausgeber; Beitrag)
  • Universities--pathfinders in Public Opinion, a Survey, 1937 (mit Doris Fleischman)
  • Private Interest and Public Responsibility, 1939, Cooper Union
  • Speak up for Democracy, 1940
  • Democratic Leadership in Total War, "Presented at Cleveland College of Western Reserve University, under the auspices of the Journalism Department"--Foreword, 1943
  • The Postwar Responsibility of the American Press, Reprinted from Journalism quarterly, vol. XXI, no. 2, June 1944
  • Take Your Place at the Peace Table, 1945, Gerent press
  • [Pamphlets] Issued in the Public Interest by Edward L. Bernays and Doris Fleischman Bernays, veröffentlicht 1945
  • Human Relations, the Way to Labor-management Adjustments..., 1946 Pennsylvania State College (Paper presented at the twenty-third annual Industrial Conference conducted by the School of Engineering of the Pennsylvania State College)
  • Public relations. 1952
  • Engineering of Consent (Herausgeber; erstes Kapitel von Bernays). Erstauflage 1955; 1969 University of Oklahoma Press
  • Biography of an Idea: Memoirs of Public Relations Counsel Edward L. Bernays. Simon and Schuster, New York 1965, deutsch: Biographie einer Idee. Die hohe Schule der PR. Lebenserinnerungen (übersetzt von Ulf Pacher, bearbeitet von Carl Hundhausen), Econ, Düsseldorf / Wien 1967.
  • The Future of Public Relations, Reprint of a talk, delivered at the Rotary Club Of New York, February 10, 1972

Siehe auch

Literatur

  • Doris Fleischman: A Wife Is Many Women. Autobiographical account by Edward L. Bernays’ wife. Crown Publishers, New York [1955]
  • Scott Cutlip: The Unseen Power: Public Relations: A History. Erlbaum, Hillsdale NJ 1994, ISBN 0-8058-1464-7.
  • Stuart Ewen: PR! A Social History of Spin. Basic Boosk, New York 1996, ISBN 0-465-06168-0 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • National Public Radio historical report on Bernays (enthält Bernays’ Interview-Aufzeichnungen; Online).
  • John Stauber, Sheldon Rampton: Giftmüll macht schlank. Medienprofis, Spin Doctors, PR-Wizards. Die Wahrheit über die Public-Relations-Industrie. orange-press, Freiburg i.Br. 2006, ISBN 978-3-936086-28-7.
  • Larry Tye: The Father of Spin. Edward L. Bernays and the Birth of Public Relations. Crown, New York 1998, ISBN 0-517-70435-8, Leseprobe books.google
  • Al Gore: The Assault on Reason. Penguin Press, New York 2007, S. 94 (dt. Angriff auf die Vernunft. Riemann, München 2007)

Dokumentationen

Commons: Edward Bernays – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Siehe Aufzeichnungen des Freud Biographen Ernest Jones
  2. Edward Bernays. Nndb.com, abgerufen am 12. Februar 2010.
  3. Tye, Seite 100 books.google
  4. Adam Curtis: The Century of the Self. BBC-Dokumentation, 2002
  5. Gore, S. 94
  6. Moneypulation Teil 7 von 10 arte.tv
  7. Tye, S. 52–53: „Sometimes his campaigns involved strategies so complex and oblique that even he had trouble following the script, which often involved front groups, letter writing campaigns, and alliance after alliance; at other times his tactics were artfully simple, like reducing a name to its initials.“
  8. Marc Tribelhorn: Meister der Manipulation – wie Edward Bernays mit raffinierter PR-Arbeit unsere Konsumkultur veränderte | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. (nzz.ch [abgerufen am 8. März 2019]).
  9. Tye, S. 111
  10. Sendungseite auf arte.de