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Annette Schlemm

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Annette Schlemm (2017)

Annette Schlemm (* 1961 in Burgstädt) ist eine deutsche Philosophin[1] und Autorin.

Leben

Geboren in einer Kleinstadt wuchs Annette Schlemm in Karl-Marx-Stadt auf. Sie absolvierte zunächst eine Lehre als Zootechnikerin[2] und studierte anschließend Physik an der Universität Jena.[3] 2005 wurde sie an der Universität Kassel mit einer wissenschaftsphilosophischen Arbeit zum Thema Wie wirklich sind Naturgesetze? promoviert.[4] Gutachter waren Rainer E. Zimmermann und Wolfdietrich Schmied-Kowarzik, die Dissertation wurde noch im selben Jahr veröffentlicht. Darin setzt sie sich am Beispiel der Physik mit dem Wirklichkeitsbezug physikalischer Gesetze auseinander, indem sie aus Hegels Verständnis von der Stellung der Gesetze zur Wirklichkeit, aus nichtdialektischen Wissenschaftstheorien und der dialektischen Erkenntnistheorie (sie spricht von „Onto-Epistomologie“) im Begriff naturwissenschaftlicher Gesetze Schlussfolgerungen ableitet.

Schlemm ist unter anderem Autorin der Zeitschriften Streifzüge[5] und Contraste[6] und veröffentlicht im Packpapier-Verlag.[7] Sie ist Mitglied der Ernst-Bloch-Assoziation, auf deren Jahrestagungen sie wiederholt Vorträge hielt.[8] Zudem ist sie Mitglied der Gesellschaft für dialektische Philosophie. Sie beteiligt sich an verschiedenen Initiativen der alternativen Szene und in sozialen Bewegungen.[9]

Ende 2018 nahm Schlemm eine Tätigkeit an der Universität Bonn auf, in deren Rahmen sie sich mit dem Thema Gesellschaft ohne Geld befasst.[2] Im Kontext dieser Projektarbeit wurde von der Projektgruppe im Jahr 2019 das Buch Postmonetär denken – Eröffnung eines Dialogs herausgegeben, in dem Schlemm den Beitrag Das Geld als Alien. Postmonetäres in der utopischen Literatur und Science-Fiction verfasste.[10] Darin arbeitet sie heraus, „unter welchen Voraussetzungen die Welten ohne oder mit anderen Geldformen vorgestellt werden können“.[11]

Schlemm hat eine erwachsene Tochter, wohnt in dem kleinen Dorf Milda und arbeitet als Applikations-Ingenieurin.[12] Auf ihrer Website haben u. a. Christoph Spehr, Herbert Hörz und Rainer Zimmermann Beiträge veröffentlicht.[13]

Positionen

Im Jahr 2008 interviewte der Zukunftsforscher Werner Mittelstaedt Schlemm für die von ihm gegründete und herausgegebene Zeitschrift Blickpunkt Zukunft.[9] Mittelstaedt fragt nach den „drei wichtigsten Zukunftsgefährdungen“. Die sieht Schlemm zunächst in den „ökologisch drastischen Folgen der Klimaerwärmung“, für die „mittelfristige Worst-Case-Szenarien“ mitbedacht werden müssten. Für die Probleme, die durch die Globalisierung erzeugt werden, setze sie „auf die Entwicklung der ‚Anti-Globalisierungs‘-Bewegungen“. Anfang der 1990er Jahre wären sie und ihre Kollegen aus der Zukunftswerkstatt wegen ihrer Warnungen „verlacht“ worden. Zwar könne auch jeder Einzelne ein Scherflein zur Verbesserung beitragen, im Wesentlichen aber müsse sich die Wirtschaft ändern, „die nicht an den Bedürfnissen von Menschen orientiert ist, sondern am Profit“. Und dabei sollten die Menschen ihre Interessen, „ihre Entscheidungs- und Handlungsfreiheit“ nicht an die Politik abtreten, „sondern völlig neue kooperativ-gesellschaftlichen Strukturen entwickeln“. Sie wünsche sich, dass sich die Menschen, egal in welchem Land, „gegen die Durchkapitalisierung ihrer Heimat wehren“. Befragt zu den Lebensverhältnissen in den neuen Bundesländern meint Schlemm, die „wirkliche Kluft bezüglich der Lebenslagen“ bestehe nicht zwischen den Regionen, „sondern nach wie vor zwischen ‚oben‘ und ‚unten‘ in der sozialen Hierarchie“ – und jene Menschen, die nach „unten“ sortiert würden, leben „eher in den Gebieten der ehemaligen DDR“. Sie habe sich u. a. mit der Chaostheorie befasst, sei aber inzwischen vorsichtig geworden, aus abstrakten Theorien Handlungsorientierungen abzuleiten: „Es ist sehr willkürlich, was da herausgelesen wird“. Allerdings würden sie das Wissen über komplexe Vorgänge erweitern helfen.

Rezension

Der Journalist Christian Fuchs schrieb in seiner Rezension zum zweiten Band von Schlemms Buch Daß nichts bleibt, wie es ist..., Schlemm komme in ihrer Analyse der kapitalistischen Produktionsweise zu dem Schluss, sie verschärfte die durch den Kapitalismus verursachten globalen Probleme. „Das soziale Selbstorganisationskonzept könne behilflich sein, um Wege aus dem Kapitalismus in eine nachökonomische Gesellschaft zu finden, in der es kein Primat von Ökonomie, Wert und Profit mehr gibt.“ Dabei verstehe Schlemm unter sozialer Selbstorganisation eine „gesellschaftliche Organisation von unten, die sich gegen Fremdbestimmung wendet, sowie die nichtherrschaftsförmige, föderal-vernetzte Assoziationen freier Menschen“. Schließlich empfiehlt Fuchs Schlemms Buch zur Lektüre all „jenen, die Interesse an visionärer und kritischer Gesellschaftsanalyse haben“.[14]

Schriften

  • Daß nichts bleibt, wie es ist ... Kosmos und Leben. Band 1. Lit, Münster 1996, ISBN 3-8258-2928-6.
  • Daß nichts bleibt, wie es ist ... Möglichkeiten menschlicher Zukünfte. Band 2. Lit, Münster 1999, ISBN 3-8258-4267-3.
  • Wie wirklich sind Naturgesetze? Auf Grundlage einer an Hegel orientierten Wissenschaftsphilosophie. Lit, Münster 2005, ISBN 978-3-8258-8723-0.
  • Wie weiter nach radikal ent-täuschten Hoffnungen? In: Doris Zeilinger u. a. (Hrsg.): VorSchein 35. Jahrbuch 2017 der Ernst-Bloch-Assoziation. Der Zukunft auf der Spur. Transformation aus der Perspektive Ernst Blochs. Antogo Verlag, Nürnberg 2018, ISBN 978-3-938286-53-1, S. 77–88.
  • Trägt oder trügt die Hoffnung aus einer dialektischen Geschichtsphilosophie? In: Aufhebung. Zeitschrift für dialektische Philosophie. Nr. 12, 2018, S. 49–69 (dialektische-philosophie.org [abgerufen am 5. September 2019]).
  • Das Geld als Alien. Postmonetäres in der utopischen Literatur und Science-Fiction. In: Projektgruppe Gesellschaft nach dem Geld (Hrsg.): Postmonetär denken. Eröffnung eines Dialogs. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-21706-8.
  • Stichworte: Dialektik, Prozess, Subjekt–Objekt. In: Beat Dietschy, Doris Zeilinger, Rainer Zimmermann (Hrsg.): Bloch-Wörterbuch. Leitbegriffe der Philosophie Ernst Blochs. De Gruyter, Berlin, Boston 2012, ISBN 978-3-11-220488-7.
  • mit Jörg Bergstedt, Jan-Hendrik Cropp: Technik: Für ein gutes Leben oder für den Profit? Hrsg.: Stiftung FreiRäume. Seitenhieb-Verlag, Reiskirchen 2012, ISBN 978-3-86747-049-0.
  • Gruppe Gegenbilder (Hrsg.): Freie Menschen in freien Vereinbarungen. Gegenbilder zu Markt und Staat. Überarbeitet von Jörg Bergstedt. 2. Auflage. Projektwerkstatt, Reiskirchen-Saasen 2012, ISBN 978-3-86747-005-6.
  • mit Richard Fuchs: The Self-Organisation of Society, November 2002 in INTAS "Human Strategies in Complexity" doi 10.2139/ssrn.385284

Einzelnachweise

  1. Eintrag Deutsche Nationalbibliothek
  2. a b Annette Schlemm: Über mich. In: Annettes Philosophenstübchen. Abgerufen am 9. März 2018.
  3. Partners: Kassel Team. In: self-organization.org. Abgerufen am 28. Januar 2018 (englisch).
  4. Annette Schlemm: Wie wirklich sind Naturgesetze? Auf Grundlage einer an Hegel orientierten Wissenschaftsphilosophie. In: Universität Kassel (Hrsg.): Promotionen in der Philosophie und im Umfeld der Philosophie. Kassel 2005, ISBN 3-8258-8723-5 (uni-kassel.de [PDF; 108 kB; abgerufen am 4. September 2019]).
  5. Schlemm, Annette. Verfasste Beiträge. In: Streifzüge. Abgerufen am 4. September 2019.
  6. Beispielsweise
  7. Beispielsweise
    • Annette Schlemm: Surfende Schmetterlinge im politischen Chaos. Packpapier, Osnabrück 2000, ISBN 3-931504-32-8.
    • Annette Schlemm: Das utopische Klo und andere Besinnlichkeiten für das Bücherregal auf dem Örtchen. Packpapier, Osnabrück.
    • Annette Schlemm: Selbstentfaltungs-Gesellschaft als konkrete Utopie. Zukunftswerkstatt Jena. Packpapier, Osnabrück 2006, ISBN 3-931504-41-7.
    • Annette Schlemm: Schönwetter-Utopien im Crashtest. Packpapier, Osnabrück 2013, ISBN 978-3-931504-51-9.
    • Annette Schlemm: Der Klassenkampf! …da ist er aber immer noch… Packpapier, Osnabrück 2017.
  8. Vgl. Programm der Jahrestagung 2017 (Memento vom 29. Januar 2018 im Internet Archive) mit Ankündigung ihres Vortrags (S. 3) sowie unter VorSchein die Einträge zu den Jahrbüchern 2002, 2004/2005 und 2007, die Tagungsbeiträge von Schlemm enthalten.
  9. a b Werner Mittelstaedt im Gespräch mit Annette Schlemm. In: Werner Mittelstaedt (Hrsg.): Blickpunkt Zukunft. Band 28, Nr. 49, 2008, ISSN 0720-6194, S. 6–9 (blickpunkt-zukunft.com [PDF; 2,8 MB; abgerufen am 5. September 2019]).
  10. Annette Schlemm: Das Geld als Alien. Postmonetäres in der utopischen Literatur und Science-Fiction. In: Projektgruppe Die Gesellschaft nach dem Geld, Universität Bonn (Hrsg.): Postmonetär denken. Eröffnung eines Dialogs. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-21706-8, S. 213–234 (academia.edu [abgerufen am 12. September 2019]).
  11. Annette Schlemm: Das Geld als Alien. Postmonetäres in der utopischen Literatur und Science-Fiction. In: Projektgruppe Die Gesellschaft nach dem Geld, Universität Bonn (Hrsg.): Postmonetär denken. Eröffnung eines Dialogs. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019, ISBN 978-3-658-21706-8, S. 214 (academia.edu [abgerufen am 12. September 2019]).
  12. Ohne Titel. Berufliche Situation. In: Website Annette Schlemm. Abgerufen am 5. September 2019.
  13. Annette Schlemm: Übersicht über die Webseiten von Annettes Philosophenstübchen. Abgerufen am 5. September 2019.
  14. Christian Fuchs: Daß nichts bleibt, wie es ist... Betrachtungen zu einer neuen Veröffentlichung im Bereich sozialer Selbstorganisation. Abgerufen am 5. September 2019.