Jüdische Gemeinde Heilbronn
Historische Entwicklung
Nathan ha parnass
Um das Jahr 1050 wird urkundlich auch eine bedeutende Judensiedlung in der Judengasse (heute: Lohtorstraße) genannt. In diesem Bereich wurden auch unterirdische Grabanlagen aus dieser Zeit, so genannte Ossuarien, gefunden. Rituelle Bäder sind nachweisbar an der Stelle des Hauses Kieselmarkt 1, zu dem eine unterirdische Verbindung zum Haus der (zweiten) Synagoge in der Lohtorstraße 22 bestand, und in dem früheren Eckhaus Lammgasse/Lohtorstraße 33. Da sich das erstgenannte Bad nahe dem ersten jüdischen Friedhof am Kieselmarkt befand, könnte es sich dabei zuerst um einen Totenwaschraum gehandelt haben, der nach Stilllegung des Friedhofes 1415 in ein rituelles Bad umgewandelt wurde. Dort wurde auch ein Stein mit der Inschrift "Nathan ha parnass" gefunden[1]. Dieser Stein soll aus dem 12. oder 13. Jahrhundert stammen. Ein oberirdischer Judenfriedhof wurde im 13. Jahrhundert unmittelbar am Rathaus angelegt.
Rintfleisch-Pogrom(1289)
Im Jahr 1298 werden beim so genannten Rintfleisch-Pogrom 143 Juden ermordet.
Pogrom(1348)
1348 kommt es im Zuge der Pest-Epidemie in Europa erneut zu Ausschreitungen gegen die Heilbronner Juden, die Synagoge wird niedergebrannt. Die zweite Synagoge stand an der Stelle des Hauses Lohtorstraße 22. Mit ihrem Bau wurde im Monat Adar (Februar/März) des Jahres 1357 durch Mose, Sohn des Eljakim, begonnen. Sie ersetzte die 1349 verbrannte Synagoge.
Das Stadtrecht unter Karl IV. von 1361 gemahnt den Stadtrat, Juden in der Stadt aufzunehmen. 1371 verleiht Karl IV. Heilbronn die reichsstädtische Verfassung, die auch als paritätische Verfassung gilt. Kaiser Sigismund verschafft viele Schutzbriefe.
Stadtverbot (1490)
Bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts herrscht in Heilbronn jedoch wieder Missgunst gegen Juden, die ab 1438 Stadtverbot erhielten und aus der Stadt vertrieben wurden. 1469 wurde dieser Beschluss vom Rat der Stadt erneuert und erhielt 1490 auch die Zustimmung Kaiser Friedrichs III.Nach der Vertreibung der Juden aus Heilbronn kaufte die Stadt 1490 von Kaiser Friedrich die Synagoge und den jüdischen Friedhof für 250 Gulden. Diese Synagoge wird als „einen ganzen Stock aus Stein“ beschrieben. Später soll sie als Färbhaus gedient haben.
Emanzipationsgesetz und Hochzeit
Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Stadtverbot für Juden aufrecht erhalten. Abschnittsweise konnte sich die Heilbronner jüdische Gemeinde im 19. Jahrhundert emanzipieren: Im Jahre 1830, nach dem Emanzipationsgesetz der Königlich Württembergischen Regierung von 1828, zog der erste jüdische Neubürger namens Veit wieder in die Stadt Heilbronn. Mit den Emanzipationsgesetzen wurden jüdische Bürger rechtlich andersgläubigen Bürgern gleichgestellt und 1868 wurde der heute noch bestehende Judenfriedhof unterhalb des Wartbergs eröffnet, wo im September 1920 eine Gedenktafel für 26 im Krieg gefallene jüdische Mitbürger angebracht wurde. Am 18. Oktober 1902 konnte eine Jubiläumsfeier - 25 Jahre Synagogenchor der israelitischen Gemeinde - gefeiert werden. Der israelitische Wohltätigkeitsverein (Gründer: Liebmann Strauss) konnte am 16. November 1907 sein 50-jähriges Jubiläum feiern. Aus dem Wohltätigkeitsverein heraus ist 1861 die jüdische Gemeine Heilbronn entstanden. Schließlich wurde am 25. Mai 1927 der Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Synagoge begangen.
Überhaupt hatten am wirtschaftlichen Aufschwung Heilbronns im 19. Jahrhundert gerade die jüdischen Einwohner beträchtlichen Anteil: Jüdische Likör-, Metall-, Schuhe- und Zigarrenfirmen entstanden .Das Bankhaus Gumbel finanzierte zahlreiche Industrieprojekte.
1889 wurden 994 jüdische Einwohner in Heilbronn gezählt, entsprechend % der gesamten Einwohnerschaft.
Das Heilbronner Judentum spielte eine bedeutende Rolle in allen Bereichen des städtischen Lebens.
Drittes Reich und Shoa:
Generelle Stimmung in Heilbronn um 1930
Die Stimmung in Heilbronn war auf Grund der Heilbronner Gesellschaftsstruktur (ein großer Teil der Bevölkerung stammte aus dem Arbeitermilieu) generell nicht sehr antisemitisch.
Entwicklung der Heilbronner Juden nach der Machtergreifung der Nazis
Die Gemeinde reagierte gewappnet. Jedoch gab es im Gemeindeblatt keinen besonderen Hinweis auf dieses bedeutende Ereignis. Erst nach Erlass der Anti-Juden-Gesetze fand sich dort erste Kritik. Im Inneren litt die Gemeinde von Anfang an. Sie begannen sich eine „jüdische Welt“ zu errichten, mit eigenen Schulen, eigenem Seniorenheim und Krankenhaus.Die israelitische Religionsgemeinschaft bietet ab dem 6. Juni 1934 Unterricht in der Gaststätte Adlerkeller an, weil für jüdische Kinder Schulverbot erlassen worden war. Weiter wurden drei jüdische Bürgerinnen wegen Beschäftigung einer nichtjüdischen Haugehilfin verurteilt. Sie hatten das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes damit verletzt. Zur Versorgung der Juden ohne Einkommen wurden Vereine gegründet.
Shoa und Ereignisse, die die jüdische Gemeinde zum Zusammenbruch brachten:
Der Höhepunkt war der 10. November 1938: die noch etwa 350 Personen umfassende jüd. Gemeinde musste mit ansehen, wie ihre prachtvolle Heilbronner Synagoge an der Allee in Flammen aufging und der Betsaal der Israelitischen Religionsgemeinschaft Adass Jeschurun verwüstet wurde. Januar 1940 wird die Synagoge abgebrochen. Die Synagogensteine werden für den Obstkeller der Jugendkunstschule verwendet.
Der Brand:
Ein Gedicht stammt von einem Feuerwehrmann, der beschreibt wie sie, die Feuerwehrleute das Feuer in der brennenden Synagoge förderten und damit den Brandstiftern zum Erfolg verhalfen, indem sie den Feuerwehrschlauch als Blasebalg benutzten.[2]
- ........"Der Brand".............
- Des Morgens um die 6. Stund
- ging durch die Stadt die schnelle Kund
- von einem Synagogenbrand
- ...[]...
- Die Feuerwehr, das muß man lassen
- ließ mit dem Feuer sich nicht spaßen
- ...[]...
- Man löschte nach neuem Verfahren
- man blies den Rauch gleich durch den Schlauch
- das fördert Feuer und den Rauch.
- ...[]...
- Bis einer rief: "guck nuff du Duppel,
- da droben brennt ja schon die Kuppel"
- ...[]...
- Der spritzt gleich in die Kupppel nei
- und runter tropft schons Fensterblei
- grad dem Weidner auf die Luppel
- von der großen ...[]...kuppel
- ...[]...
- Der Stuck fiel von der Decke runter
- bei dieser Hitze wars auch kein Wunder
- die Fenster waren hohl und leer
- selbst Gesangbuch (hebräisch סידור) von der Sarah Bär
- blieb nicht verschont in diesem Brand
- es fehlte auch die silberen Hand (hebr.:יד "Hand"),
- wo man Moses Gebot (hebr.: תנ״ך" Tenach") tat lesen.
Geschäfte sowie Wohnungen von Juden wurden geplündert und deren Habe verbrannt. Führende Gemeindemitglieder flohen, oder wurden nach Dachau deportiert.
Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg:
Über den Verbleib der Kultgegenstände ist viel gesprochen worden: Ein Zeuge gegen die Täter der Reichsprogromnacht hat ausgesagt, dass beobachtet wurde, wie jüdische Kultgegenstände in die Harmonie gebracht worden seien, darunter auch Thorarollen und Gebetsriemen, Spruchbänder in hebräischer Schrift, und jüdische Geschäftsbücher. Die Thora-Rollen waren mit Edelsteinen bestetzt und wurden mit 8000 DM bewertet. In dem Gedicht des Feuerwehrmannes wird gesagt, dass das Silberinventar bereits herausgetragen worden war. Das wäre gut möglich, denn die Synagoge von Heilbronn ist nicht am Abend des 9. November, sondern am frühen Morgen des nächsten Tages der Brandstiftung zum Opfer gefallen. Von der Thorarolle weiß man, dass diese in die USA gerettet worden ist und sich dort in der Synagoge von Baltimore/Maryland befinden [1]. Bei der יד "Hand" könnte es sich um ein Stück aus der Silbersammlung des Adolph Grünwald handeln. Adolph Grünwald ist am 22. Mai 1838 in Affaltrach geboren, war Gründer des "Manufaktur- und Wollwarengeschäft Adolph Grünwald" am Kieselmarkt 7, 1862, später das Schwarz'sche Kaufhaus am Marktplatz. Sein Sohn Heinrich Grünwald vergrößerte diese Silbersammlung. Theoretisch besteht über die nach dem Zweiten Weltkrieg gemäß dem Bundesentschädigungsgesetz gestellten Wiedergutmachungsanträge der Heilbronner jüdischen Institutionen die Möglichkeit genaue Informationen über die erlittenen Verluste und Schäden zu erhalten. Obwohl es Quellenhinweise gibt [3] und [4], dass solche Anträge gestellt wurden, lassen sich diese in den Karteien der zuständigen Behörden nicht mehr nachweisen [5]. In den Rückerstattungsstatistik finden sich leidiglich Hinweise auf Anmeldungen von Wertpapieren, nicht jedoch von Einrichtungs- oder Kultgegenständen.
Deportation der Heilbronner Juden:
In Heilbronn gab es verschiedene Deportationen, wobei 234 jüdische Bürger und Bürgerinnen aus Heilbronn und Sontheim ihr Leben in den Vernichtungs- und Konzentrationslagern verlieren:
- 11. November 1938: Deportation in das KZ Dachau und KZ Welzheim
- 26. November 1941: Deportation in das KZ Riga
- 23. März 1942: Deportation in das KZ Theresienstadt, Auschwitz und Maly Trostinec
- 24. April 1942: Deportation in das KZ Izbica
- 20. August 1942: Deportation in das KZ Theresienstadt, Auschwitz und Maly Trostinec
Leben der jüd. Heilbronner Gemeinde nach Zusammenbruch der eigentlichen Gemeinde
Bis 1940 gelingt rund 600 Juden die Emigration bzw. Flucht ins Ausland. 240 Menschen aus dem jüdischen Kulturkreis fallen in Heilbronn dem Nationalsozialismus zum Opfer.
Judendiskriminierung am Beispiel der jüd. Heilbronner Wirtschaft
Von den vor der Machtergreifung 150 jüdischen Betrieben blieben bis zum 01.03.1939 noch viele übrig, d.h. sie waren noch rentabel, bzw. noch nicht arisiert. Folgende Firmen wurden in Heilbronn arisiert:
- Das Warenhaus der Gebrüder Landauer in Heilbronn,
- Dreyfuß und Söhne: Metall- und Schrotthandel,
- Gumbel und Co.: Silberwarenfabrik,
- Anselm Kahn: Zigarrenfabrik,
- Hammer-Brennerei: Landauer und Macholl,
- Kahn: Zigarrenfabrik,
- Schürzenfabrik: Ludwig Maier und Co.,
- Madaform: Seifenbabrik,
- Meth und Co.:Woolworth,
- Oppenheimer und Co.: Darmfabrik,
- Schloss: Kurzwarenhandlung,
- Heinrich Schwarzenbarerger: Putzwollfabrik,
- Steigerwald und Co: Likörfabrik,
- Heinrich Stobetzki: Zigarren,
- Schuhfabrik Wolko,
- Gummersheimer: Konfektionshaus,
- Modehaus Flesch,
- Thalheimer: Schrott und Metallgroßhandlung,
- Marx & Co: Darmgroßhandlung,
- Schuhhaus: Mandellaub,
- Wollenberger: Spirituousen,
- Adler-Brauerei: Würzburger.
Langer Weg zu einem eigenen Denkmal
In der Allee wurde 1966 das Mahnmal für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus errichtet.
2005 hat die Gemeinde etwa 200 Mitglieder.
2006 wurde der neueBetsaal eingeweiht.
Literatur
Jüdische Persönlichkeiten in Heilbronn
Weblinks
Siehe auch
- ↑ http://www.mahnung-gegen-rechts.de/pages/staedte/Heilbronn/pages/menschenverachtend.htm
- ↑ Dr. Christhard Schrenk, Direktor des Stadtarchivs Heilbronn: Die Chronologie der sogenannten Reichskristallnacht in Heilbronn, HVH 32 1992: Historischer Verein Heilbronn Jahrbuch für schwäbisch-fränkische Geschichte 32/1992
- ↑ Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Bestand J 3555, Bü V 252
- ↑ Dr. Schrenk: Chronologie der Reichskristallnacht
- ↑ Angefragt wurden u. a. das Landesamt für Wiedergutmachung Baden-Württemberg, der Schlichter für Wiedergutmachung beim Amtsgericht Stuttgart, die Oberfinanzdirektion Stuttgart und die Budeszentralkartei für Anträge nach dem Bundesentschädigungsgesetz bei der Landesrentenbehörde Düsseldorf