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Sächsische Landstände

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Eingang des Landtagsgebäudes in Dresden
Die Außenansicht des Sächsischen Landtages

Der Sächsische Landtag ist das Landesparlament des Freistaates Sachsen mit Sitz in Dresden.

Geschichte

1089 bis 1500: Entwicklung der Markgrafschaft Meißen zum sächsischen Ständestaat

Seit das Haus der Wettiner im Jahr 1089 mit der Markgrafschaft Meißen belehnt wurde, stützte sich die Macht des Fürsten auf eine Schicht waffentragender unfreier Dienstmannen. Da sie als Unfreie einen niedrigen sozialen Rang hatten, konnte sich der Fürst auf die Loyalität dieser unfreien Ministeriale, wie sie in den Urkunden bezeichnet werden, verlassen. Die Ministerialen waren über das gesamte Land in befestigten Wohnsitzen zerstreut, von wo aus sie den Fürsten für militärische Einsätze zur Verfügung standen. Der Fürst übte seine Herrschaft aus, indem er von Ort zu Ort reiste und vor Ort auch Entscheidungen traf, Gericht abhielt und die Abgaben der hiesigen Bevölkerung im Form von Naturalien verbrauchte. Dabei konnten auch die Ministerialen der Region zur Beratung vom Fürsten herbeigerufen werden. So wurden die Minsteriale durch ihren Dienst zu erfahrenen und nützlichen Ratgebern, konnten dabei aber auch die Interessen der Landschaft, in der sie ansässig waren, vertreten. Im Laufe des späten 13. Jahrhunderts entstand so aufgrund des Ansehens der Ministeriale aus der Schicht ehemals unfreier waffentragender Dienstmannen der niedere Adel.[B 1]

1293 schließlich wurde eine wichtige Entscheidung gemeinsam von Fürst und der Gemeinschaft der ritterlichen Vasallen getroffen, weil letztere das Land gegenüber den Fürsten vertraten. Anders als bei der 1215 vom englischen König ausgestellten Magna Carta zog der Markgraf von Meißen seine Untergebenen wohl freiwillig mit bei der Entscheidung ein. Dennoch zeigt dieser Vorgang die gewachsene Bedeutung der Vertreter des niederen Adels, die Entscheidung von 1293 ist der erste Schritt hin zur Mitbestimmung in der sächsischen Verfassungsgeschichte.[B 2]

Im 14. Jahrhundert bildeten sich in allen Territorien des Reiches die Landstände aus, die zusammen in einem Spannungsverhältnis mit den Landesherren die Landepolitik bestimmten. Die Landstände waren Inhaber öffentlicher Gewalt unterhalb des Landesfürsten. Da die Landstände die Grundherrschaft ausübten, also direkt von den schaffenden Menschen ihrer Landschaft oder ihrer Stadt abhängig waren, vertraten sie eher die Interessen dieser Menschen als der Fürst selbst. Den ersten Stand bildete jedoch die höhere Geistlichkeit des Landes, die aufgrund der hohen Bedeutung der Kirche wichtige Ratgeber des Fürsten waren. Den zweiten Stand bildeten zum einen der niedere Adel, der aus den Ministerialen entstanden war, und zum anderen der höher einzustufende alte Adel. Die Vertreter der Städte, die sich von der adligen Grundherrschaft freigemacht hatten, bildeten den dritten Stand.[B 3]

Durch die Entstehung und dem Ausbau des Städtewesens stieg im 12. und 13. Jahrhundert die Bedeutung der Geldwirtschaft. Dadurch nahm der Geldumlauf zu, wodurch Geld in Wirtschaft und Gesellschaft immer wichtiger wurde. Die Fürsten, die bisher von Naturalien und Dienstleistungen ihrer Untergebenen lebten, mussten zur Absicherung ihrer Macht auch nach Wegen suchen, um ihre Geldeinkünfte zu steigern. Daher baten die Fürsten der Markgrafschaft um eine Steuerabgabe bei den Bürgern. Diese Bede wurde wahrscheinlich nicht direkt an die steuerzahlenden Bürger und Bauern des dritten Standes gerichtet, sondern an den niederen Adel als Inhaber der Grundherrschaft, die über einen unmittelbaren Zugang zu den Stadt- und Dorfbewohnern verfügten. Das früheste überlieferte Bedeverzeichnis stammt aus dem Jahr 1314.[B 4]

In der Markgrafschaft Meißen wurden jeweils 1350 in Leipzig die versammelten Vertreter des Adels und der wichtigsten Städte der Markgrafschaft und 1376 in Meißen die gesamten Landstände von den jeweils in diesen Jahren herrschenden Markgrafen versammelt, um eine Bede bewilligt zu bekommen. Durch den gesteigerten Geldbedarf des Landesherren stieg deren Abhängigkeit von den Landständen. So beschwerten sich 1428 die versammelten Landstände über landesherrliche Amtleute, die die Gerichtsbarkeit der Stände behinderten. Um die Landstände bei der Geldbeschaffung hinter sich zu wissen, mussten die Landesherren zugeständnisse machen. 1438 erreichten die Landstände bei einer Versammlung in Leipzig als Ausgleichsleistung einer bewilligten Bede das Recht, sich zu gemeinsamen Versammlungen zu treffen, ohne von den Landesfürsten gerufen wurden zu sein. Dadurch wurde der Landtag zu einer selbständigen Körperschaft, mit dessen Einmischung in die Landespolitik ständig zu rechnen war. Auf den Landtag 1451 in Grimma setzte die Versammlung eine ständische Deputation zur Überwachung der Steuereinnahmen ein, bestehend aus 18 Mitgliedern, darunter sechs Bürger. Bei den Streit der fürstlichen Brüder Friedrich und Wilhelm um die Altenburger Teilung 1445 setzte sich die Stände beider Landesteile für die Wahrung der Interessen des Landes ein. 1458 setzten sie ein Mitspracherecht über Krieg und Frieden durch. Bei all diesen Verhandlungen bewiesen die Landstände eine eigenständige Politik gegenüber den Landesfürsten.[B 5]

Durch die Abhängigkeit der Landesfürsten von den Ständen bei der Bewilligung von Steuern wurde die Macht der Fürsten durch die Landstände eingeschränkt. Somit war um die Jahrhundertwende zum 16. Jahrhundert die ungeschriebene Landesverfassung des sächsischen Ständestaates voll ausgebildet.[B 6]

1500 bis 1831: Behauptung der ständischen Verfassung im absolutistischen Zeitalter und Reformbestrebungen danach

Da die ständische Landesverfassung ungeschrieben blieb, war ihre Anwendung abhängig von den jeweiligen Charakter des Herrschers. Unter den Kurfürsten Ernst, Friedrich den Weisen, Johann den Beständigen und Johann Friedrich den Großmütigen sowie den Herzögen Albrecht, Georg und Heinrich blieb das Mitbestimmungsrecht der Landstände uneingeschränkt gültig. Herzog Moritz jedoch fühlte sich durch die Mitspracherechte der Landstände in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt: Er rief den Landtag nur selten ein und verhandelte lieber mit kleineren Ausschüssen des Landtages, weil er so hoffte, eher Zustimmung zu seinen Plänen zu erhalten. Die Rechte des Landtages wurden von ihm aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Im Sommer 1546 während des Schmalkaldischen Krieges und zwei Jahre später 1548, als der Kaiser eine Änderung der Kirchenordnung verlangte, rief er jeweils den Landtag ein, um sich bei seinen Entscheidungen beraten zu lassen. Moritz' Nachfolger August hingegen rief den Landtag oft zusammen. Auf dem Landtag 1577 in Torgau wurde eine Konkordienformel angenommen, die von kursächsischen Theologen erarbeitet wurde und die die meisten lutherischen Territorien des Reiches annehmen sollten. Durch diese Entscheidung wurde die Mitverantwortung der Landstände in der Kirchenpolitik deutlich. Die Landstände sahen es als ihre Aufgabe an, das lutherische Bekenntnis der sächsischen Kirche zu verteidigen.[B 7]

Der Nachfolger von August Christian I. (Regierung ab 1586) stellte die Machtfrage gegenüber den Landständen, in dem er sich vom lutherischen Glauben abwandte und sich dem Calvinismus zuwandte. Sein Kanzler Nikolaus Krell versuchte den Einfluss der lutherisch gesinnten Kräfte durch kleine Schritte zu umgehen oder zu brechen. Ziel Krells Bemühungen war die Ausschaltung der Landstände als politischer Machtfaktor im Land. Jedoch starb 1591 Christian I. und damit Krells Beschüzer, noch bevor dessen Bemühungen größere Erfolge zeitigten. Er wurde eingekerkert und nach 10 Jahren hingerichtet. Nach den Tod Christans I. konnten die Landstände während der folgenden Vormundschaftsregierung von Christians I. Sohn ihre alte Stellung wieder herstellen.[B 8]

Seit der Herrschaft Christians I. wurden bis zum Regierungsantritt Friedrich August I. 1664 die Rechte der Landstände nicht mehr angefochten. Regelmäßig traten sie zu Landtagen zusammen, um Anregungen und Beschwerden für die Landesgesetzgebung vorzubringen. Außerdem wachten sie über die Einnahme und Verwaltung der Steuern. 1576 wurde ein Obersteuerkollegium gegründet, indem zur Hälfte vom Landtag und zur anderen Hälfte vom Kurfürsten ernannte Räte über die Verwendung der eingenommen Steuergelder wachten. Unter Johann Georg II. konnten die Landstände ihre Stellung weiter Ausbauen, da zum einen die Stellung Johann Georgs II. durch das väterliche Testament (indem dessen Erbe unter vier Brüdern aufgeteilt wurde) geschwächt wurde und sich der neue Kurfürst trotz seiner formalen Oberherrschaft durch mühsame Verhandlungen seine Vorherrschaft sichern musste, und zum anderen Johann Georg II. große Summen Geld für kulturelle Prachtentfaltung benötigte und so den Landständen entgegen kommen musste.[B 9]

Kurfürst Friedrich August I. verstand sich im Gegensatz zu seinen Vorgängern als absolutistischer Herrscher, der die Macht der Landstände einschränken oder völlig ausschalten wollte. Die Polnische Krone kostete hohe Summen an Bestechungsgelder, zudem benötigte sein fürstliches Repräsentationsbedürfnis und die damit verbundene barocke Kulturentfaltung am Hof in Dresden zusätzlich kontinuierlich hohe Geldeinnahmen. Die dazu notwendigen Gelder konnten und wollten die Stände den Kurfürsten nicht bewilligen. Sein Wechsel zum Katholizismus, um den polnischen Königstitel annehmen zu können, schwächte jedoch seine machtpolitische Position in Sachsen zu sehr, um die Landstände auszuschalten. Um finanziell unabhängiger zu sein, schuf sich Friedrich August I. daher die Akzise, eine Verbrauchsteuer, bei der er bei der Verwaltung der Einnahmen nicht von den Ständen abhängig war. Jedoch konnten sich die Landstände trotz des absoluten Machtanspruches des Kurfürsten sich gegenüber diesen behaupten, und so blieb es bei der Herrschaft Friedrich August I. bei einem mühsam gegen den Ständen verteidigten gemäßigten Absolutismus. Nach dem Tod nicht nur des Kurfürsten-Königs Friedrich August II. sondern auch des langjährigen Premierministers Graf Brühl und dem Ende des Siebenjährigen Krieges endete das augusteische Zeitalter und die Verbindung zum polnischen Thron. Mit Kurfürst Friedrich Christian kam ein Herrscher an die Macht, der den Idealen der Aufklärung aufgeschlossen gegenüberstand, auch wenn er seine Entscheidungen wie seine beiden augusteischen Vorgänger selbst traf. Friedrich Christian sah sich selbst als ersten Diener des Staates. Auch die als Berater des Kurfürsten tätigen Männer, die dem Bürgertum entstammten, trachteten danach, möglichst viele Ideale der Aufklärung in ihrer täglichen Arbeit im Staatsleben zu verwirklichen. Es existierten zur jener Zeit sogar Pläne, die Landstände nach dem Vorbild des englischen Parlamentes mit dem Recht zur Gesetzgebung auszustatten.[B 10]

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gingen von den Stände auf den Landtag 1811 Anregungen aus, die verschiedenen Verfassungs- und Verwaltungsstrukturen des 1806 von Napoléon gegründeten Königreich Sachsens zu vereinheitlichen und so einen modernen zentral verwalteten Staat zu bilden. Jedoch wurden auf den Wiener Kongress 1815 das Territorium des Königreiches aufgrund der Bündnistreue des sächsischen Königs zu Napoléon während der Befreiungskriege 1813 verkleinert, wodurch die Vorschläge der Landstände nicht verwirklicht werden konnten.[B 11]

Nach dem Wiener Kongress wurden die Landstände in Zuge der Restauration in ihrer ursprünglichen Form von vor 1806 wieder hergestellt. Durch die in Sachsen einsetzende Industrialisierung begann eine wesentliche Veränderung innerhalb der Gesellschaft: Das Bürgertum wurde zur treibenden Kraft und in den Städten entstand eine wachsende Arbeiterschaft. Die Landstände mit ihren mittelalterlichen Wurzeln entsprachen in ihrer Zusammensetzung ganz offensichtlich nicht mehr den Gefüge der Gesellschaft. Die Vertreter der Landstände wurden als Vertreter der Reichen und Mächtigen im Lande angesehen, obwohl die Zusammensetzung den veränderten Verhältnissen angepasst hätte werden sollen. So entlud sich der Unmut des Bürgertums über die rückständigen Verhältnisse 1830 in Dresden über einen unbedeutenden Anlass. König Anton nahm die Unmutsbekundungen sehr ernst, und entließ als erste Maßnahme den als verantwortlich für die Krise geltenden erzkonservativen Minister Graf Einsiedel und berief statt diesen den liberalen Bernhard von Lindenau zum neuen Minister. Ein Jahr später stand als Ergebnis der Reformmaßnahmen der neuen Regierung die schriftlich festgelegte Verfassung vom 4. September 1931.[B 12]

1831 bis Gegenwart

Vorgänger sind im historischen Sinne der seit dem 15. Jahrhundert zusammentretende Landtag, der 1831 in ein konstitutionelles Parlament in zwei Kammern umgewandelt wurde (vgl. Sächsischer Landtag (1831–1918)), die aus der Novemberrevolution 1919 hervorgegangene Volkskammer, die 1920 wieder zum Landtag wurde und 1933 gleichgeschaltet wurde, sowie zwischen 1946 und 1952 eine Vertretung unter wachsendem Einfluss der SED.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in der Sowjetischen Besatzungszone wieder ein Landesparlament Sachsens errichtet. Bis zu seiner Auflösung durch die Verwaltungsreform von 1952 wurden zwei Legislaturperioden gewählt. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde ein neues Landesparlament Sachsens gebildet.

Wahlergebnisse (Zweitstimmen bzw. Listenstimmen in Prozent) und Sitzverteilung im Sächsischen Landtag von der 1. bis 5. Wahlperiode (seit 1990)[1]
Partei 1. WP 2. WP 3. WP 4. WP 5. WP[2]
% Sitze % Sitze % Sitze % Sitze % Sitze
CDU 53,8 92 58,1 77 56,9 76 41,1 55 40,2 58
SPD 19,1 32 16,6 22 10,7 14 9,8 13 10,4 14
PDS/Die Linke 10,2 17 16,5 21 22,2 30 23,6 31 20,6 29
BÜ90/GRÜNE 5,6 10 4,1 0 2,6 0 5,1 6 6,4 9
FDP 5,3 9 1,7 0 1,1 0 5,9 7 10,0 14
NPD 0,7 0 - - 1,4 0 9,2 12 5,6 8

Mandatsvergabe, Konstituierung und Auflösung des Parlaments

Wahlen zum Sächsischen Landtag

Seit dem Beginn der zweiten Wahlperiode im Oktober 1994 besteht der Landtag aus in der Regel 120 Abgeordneten, die auf fünf Jahre durch allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen in das Parlament gewählt werden. Die erste Wahlperiode betrug vier Jahre. Wählen dürfen den Sächsischen Landtag alle am Wahltag seit mindestens drei Monaten mit ihrem Hauptwohnsitz in Sachsen gemeldeten Bürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wählbar sind alle Wahlberechtigen, die ihren Hauptwohnsitz seit mindestens 12 Monaten in Sachsen gemeldet haben. Die Mandate werden durch eine personalisierte Verhältniswahl bestimmt. Mit der als Direktstimme bezeichneten Erststimme werden durch Mehrheitswahl die in den 60 sächsischen Landtagswahlkreisen gegeneinander antretenden Direktkandidaten gewählt. Mit der als Listenstimme bezeichneten Zweitstimme wird die prozentuale Zusammensetzung des Landtages bestimmt. Die Anzahl der in den Wahlkreisen gewonnenen Direktmandate einer Partei wird von der Anzahl der auf Basis der Zweitstimmen vergebenen Mandate abgezogen. Die übrigen Mandate für die jeweiligen Parteien werden nach der Reihenfolge der Kandidaten auf den Landeslisten, die vor der Wahl von den Parteien aufgestellt wurden, vergeben. Bei der Mandatsvergabe werden jedoch nur Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 % der Listenstimmen erhalten haben oder mindestens zwei Direktmandate in den Wahlkreisen gewonnen haben.[A 1]

Wenn jedoch eine Partei mehr Direktmandate gewonnen hat, als ihr nach der Anzahl der Listenstimmen zustehen würden, muss die Partei diese Überhangmandate nicht zurückgeben. Man kann den durch direkte Wahlen gewählten Parlamentariern nicht ihr Mandat wieder entziehen. Stattdessen werden entsprechend dem Verhältnis der Zweitstimmen an die übrigen Parteien Ausgleichsmandate vergeben. Durch diese Überhang- und Ausgleichsmandate kann der Landtag sich aus mehr als 120 Abgeordnete zusammensetzen.[A 2]

Konstituierung und Auflösung des Landtages

Die Konstituierung des Landtages in der ersten Sitzung nach der Wahl muss spätestens am 30. Tag nach der Wahl stattfinden. Der Alterspräsident des neuen Landtages, also der älteste Parlamentarier, ruft die Sitzung ein und leitet sie bis zur Wahl des neuen Landtagspräsidenten. Dieser wird traditionell von der stärksten Landtagsfraktion gestellt. Daneben werden in der ersten Sitzung die Vizepräsidenten, die weiteren Mitglieder des Landtagspräsidiums und die Schriftführer gewählt. In Sachsen wird in der Regel ebenfalls bereits in der konstituierenden Sitzung der neue Ministerpräsident gewählt sowie die neue Geschäftsordnung des Landtages verabschiedet. Den Abschluss bildet die Wahl des Wahlprüfungsausschusses, der Unregelmäßigkeiten während der Wahl und Einsprüchen gegen die Gültigkeit der Wahl nachgehen soll.[A 3]

Sollte innerhalb von vier Monaten nach seiner Konstituierung oder nach dem Ausscheiden eines Ministerpräsidenten der Landtag keinen neuen Regierungschef wählen können, wird der Landtag aufgelöst. Daneben können zwei Drittel der Abgeordneten durch Beschluss den Landtag selbst auflösen. Nach einen solchen Beschluss müssen innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen stattfinden.[A 3]

Funktionen

Kreationsfunktion

Die Abgeordneten des Sächsischen Landtages wählen durch eine geheime Abstimmung ohne vorherige Aussprache den Ministerpräsidenten des Freistaates. Wird die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang verfehlt, muss die Wahl wiederholt werden, bei der die relative Mehrheit der Stimmen ausreicht. Der gewählte Ministerpräsident beruft und entlässt die Regierungsmitglieder. Die einzelnen Staatsminister und Staatssekretäre sind wie der Ministerpräsident dem Parlament gegenüber politisch verantwortlich und von der Mehrheit der Abgeordneten abhängig. Der Ministerpräsident, und damit die gesamte Staatsregierung, kann durch ein konstruktives Misstrauensvotum des Landtages das Vertrauen entzogen bekommen, indem die Landtagsabgeordneten einen Nachfolger mit absoluter Stimmmehrheit in das Amt des Ministerpräsidenten wählen. Daher ist im Falle, dass keine der im Landtag vertretenen Parteien die absolute Mehrheit der Mandate erringen konnte, zur Bildung einer stabilen Regierung ein Koalitionsvertrag oder eine andere Wahlabsprache zwischen mehreren Parteien notwendig.[A 4]

Bundesvers.: sächs. LT-Del.
Jahr Delegierte
1994 41[3]
1999 39[4]
2004 34[5]
2009 33[6]

Außerdem wählen die Abgeordneten mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes. Für die Dauer von neun Jahren werden fünf Berufsrichter und vier andere Mitglieder gewählt, die die Verfassung des Freistaates Sachsen auslegen. Des weiteren wählen die Abgeordneten durch absolute Stimmmehrheit den Sächsischen Datenschutzbeauftragen für sechs Jahre und einen Ausländerbeauftragten für die Dauer einer Wahlperiode des Landtages. Der Präsident des Rechnungshofes wird auf Vorschlag des Ministerpräsidenten für die Dauer von 12 Jahren mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen gewählt. Rechnungshof und Ausländerbeauftragter müssen einmal jährlich den Landtag über die Ergebnisse ihrer Arbeit Bericht erstatten. Zur Wahl des Bundespräsidenten wählt der Sächsische Landtag Delegierte in die Bundesversammlung entsprechend dem Bevölkerungsanteil Sachsens an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik und entsprechend der Fraktionsstärken der Parteien im Sächsischen Landtag.[A 5]

Gesetzgebungsfunktion

Das Gesetzgebungsverfahren beginnt immer mit der Vorlage eines schriftlich begründeten Gesetzentwurfs. Dieser muss entweder aus der Mitte des Landtages, von der Staatsregierung oder durch einen Volksantrag dem Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Gesetzesvorlagen der Staatsregierung werden formell durch den Ministerpräsidenten in den Landtag eingebracht. Gesetzesvorlagen aus dem Landtag heraus können nur von einer Fraktion oder von mindestens sechs Abgeordneten, der Mindeststärke einer Fraktion, eingebracht werden. Um einen Gesetzentwurf durch Volksantrag in den Landtag einzubringen, muss der Antrag von mindestens 40.000 stimmberechtigten Bürgern durch Unterschrift unterstützt werden. Der Volksantrag wird durch den Parlamentspräsidenten empfangen, der nach Einholung einer Stellungnahme der Staatsregierung über die Verfassungsmäßigkeit des Antrages entscheidet. Ist die Einschätzung des Parlamentspräsidenten negativ, entscheidet der Sächsische Verfassungsgerichtshof über die Fortführung des Gesetzgebungsverfahrens. Ist der Gesetzentwurf zulässig, ist der Landtag für das weitere Vorgehen verantwortlich.[A 6]

Anregungen für Gesetze oder Gesetzesänderungen kommen zumeist von betroffenen Bürgern, Bürgerinitiativen, Interessenverbänden oder von staatlichen Behörden, die Gesetze ausführen und dabei Bedarf für Nachbesserungen erkennen. Daneben bemühen sich die Parteien und Fraktionen oder einzelne Abgeordnete im Landtag, ihre Wahlprogramme und Wahlversprechen durch Gesetze zu verwirklichen. Jedoch bringt die meisten Gesetzesinitiativen die Staatsregierung in den Landtag ein. Da die Regierung von der Mehrheit der Abgeordneten im Landtag abhängig ist, verlassen sich diese Abgeordneten auf die Kompetenz in den jeweiligen Fachministerien mit deren jeweiligen Verwaltungsapparat bei der Erarbeitung des Gesetzesentwurfes, und fordern die Regierung nur zu Gesetzesinitiativen auf. Gesetzesentwürfe aus dem Parlament heraus werden meist von der Opposition vorgelegt.[A 7]

Jeder Gesetzentwurf muss grundsätzlich im Plenum des Landtages während drei Lesungen beraten werden. Die erste Lesung darf frühestens drei Tage nach Veröffentlichung des Gesetzentwurf stattfinden, damit die einzelnen Fraktionen den Entwurf intern beraten können. Während der ersten Lesung stellt der Einbringer den Gesetzentwurf mit kurzer Begründung vor. Vorlagen der Regierung stellt der zuständige Minister vor, Vorlagen aus den Parlament ein Vertreter der Initiatoren des Gesetzentwurfs. Wenn der Gesetzentwurf durch einen Volksantrag in den Landtag eingebracht wurde, wird die Vertrauensperson der Bürgerinitiative, den den Antrag organisierte, in einen Ausschuss öffentlich angehört, anschließend, wird der Entwurf wie jedes andere Gesetz im Landtag in erster, zweiter und dritter Lesung beraten. In der ersten Lesung finden nur selten Aussprachen fest, Änderungsanträge oder die Ablehnung des Entwurfes sind verboten. Der Entwurf wird nach der ersten Lesung in den oder die zuständigen Ausschüsse zur Weiterberatung übermittelt. An den Ausschussberatungen sind neben den Ausschussmitgliedern der Fraktionen auch die zuständigen Fachminister und ihre Beamte beteiligt, Sachverständige aus Wissenschaft und Verbänden können hinzugerufen werden. Nach Abschluss der Beratungen wird dem Plenum vom Ausschuss die unveränderte oder die veränderte Annahme oder die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen. Spätestens am zweiten Tag nach der Veröffentlichung der Empfehlung muss die zweite Lesung im Plenum stattfinden. Die zweite Lesung beginnt mit der Aussprache über den Gesetzentwurf. Anschließend wird über jeden Paragrafen des Gesetzentwurfs einzeln abgestimmt. Hier kann jeder Abgeordneter noch einmal Änderungsanträge stellen. In diesen Stadion der Gesetzgebung kann der Antrag noch einmal in den oder die zuständigen Ausschüsse zurückverwiesen werden, solange nicht über alle Paragrafen abgestimmt wurde. In der Lesung beschlossene Änderungen werden vom Landtagspräsidenten zusammengestellt und vervielfältigt und bilden die Grundlage für die dritte Lesung. Wurden keine Änderungen während der zweiten Lesung beschlossen, folgt unmittelbar anschließend die dritte Lesung. Bei beschlossenen Änderungen folgt die dritte Lesung frühestens am Tag nach Verteilung der vervielfältigten Änderungen. Nur auf diese Änderungsbeschlüsse dürfen sich Änderungsanträge der dritten Lesung beziehen. Wurden während der dritten Lesung nochmals Änderungen beschlossen, findet die Schlussabstimmung über das gesamte Gesetz erst statt, wenn der Landtagspräsident die vervielfältigten Änderungen verteilt hat. Ansonsten findet die Schlussabstimmung direkt am Anschluss zur dritten Lesung statt. Wird das Gesetz mit der Mehrheit der Stimmen beschlossen, fertigt der Landtagspräsident das Gesetz aus. Bei durch Volksanträge in den Landtag eingebrachte Gesetzentwürfen muss der Entwurf ohne Änderungen innerhalb von sechs Monaten seit Einreichung beim Landtagspräsidenten beschlossen werden. Vefassungsmäßig beschlossene Gesetze müssen innerhalb eines Monats im Gesetz- und Verordnungsblatt des Freistaates Sachsen verkündet werden. Im Landtag abgelehnte Volksanträge können durch ein Volksbegehren unterstützt durch mindestens 450.000 Unterschriften wahlberechtigter sächsischer Bürger und anschließenden Volksentscheid gegen den Willen der Mehrheit der Parlamentarier durchgesetzt werden.[A 8]

Politische Arbeit

Ergebnis der Landtagswahl 2009 und Zusammensetzung des Landtags

Bei der Landtagswahl in Sachsen 2009 überschritten sechs Parteien die 5%-Hürde. Daraus ergab sich folgende Sitzverteilung des Landtags: (Stand: 29. September 2009)

Partei Wahlergebnis Sitze
CDU 40,2 % 58 Sitze
Die Linke 20,6 % 29 Sitze
SPD 10,4 % 14 Sitze
FDP 10,0 % 14 Sitze
B’90/Grüne 6,4 % 9 Sitze
NPD 5,6 % 8 Sitze
sonstige 6,8 %

Gemäß Art. 41 Abs. 1 der Sächsischen Landesverfassung beträgt die Größe des Sächsischen Landtages 120 Abgeordnete. Durch Überhangs- und Ausgleichsmandate erhöht sich seine Größe in der fünften Legislaturperiode (2009–2014) auf 132.

Landtagspräsidium

Das Landtagspräsidium setzt sich aus 27 Mitgliedern wie folgt zusammen:

  • Landtagspräsident
  • 3 Vizepräsidenten
  • Fraktionsvorsitzende aller im Landtag vertretenen Fraktionen
  • 17 weitere Mitglieder gemäß Stärkeverhältnis der Fraktionen

In der 5. Legislaturperiode stehen dem Präsidium des Sächsischen Landtags vor:

Fraktionen

Fraktion Vorsitzender Parlamentarischer Geschäftsführer
CDU Steffen Flath Christian Piwarz
Die Linke André Hahn Klaus Tischendorf
SPD Martin Dulig Stefan Brangs
FDP Holger Zastrow Torsten Herbst
B’90/Grüne Antje Hermenau Karl-Heinz Gerstenberg
NPD Holger Apfel Johannes Müller

Regierung

Ministerpräsident ist seit 28. Mai 2008 Stanislaw Tillich (CDU), der in der fünften Legislaturperiode eine Koalitionsregierung aus CDU und FDP führt. Das Kabinett Tillich II wurde am 30. September 2009 der Öffentlichkeit vorgestellt und vereidigt.

Landtagsgebäude

Runde Fensterfront des Plenarsaals
Hauptartikel: Sächsischer Landtag (Gebäude)

Der Sächsische Landtag hatte nach der Wende in der DDR seinen Sitz vom 27. Oktober 1990 bis zum 17. September 1993 in der Dreikönigskirche in Dresden.

Seine erste Sitzung in dem ehemaligen Gebäude des Landesfinanzamtes in der Dresdner Devrientstraße, welches zwischen 1928 und 1931 errichtet worden war, und wo der Landtag auch noch heute seinen Sitz hat, erfolgte am 14. Oktober 1993. In diesem Gebäude saß von 1946 bis 1990 die Stadt- und Bezirksleitung der SED.

Der Bau des Plenarsaales begann am 1. Oktober 1991. Erstmals genutzt werden konnte er am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1993. Die offizielle Übergabe fand jedoch erst am 14. Februar 1994 statt.

Nach der Sanierung der Altbauten zwischen 1995 und 1997 kann der Komplex seit Mai 1997 vollständig und uneingeschränkt genutzt werden.

Eine Besonderheit des Landtagsgebäudes ist das Bürgerfoyer, wo regelmäßig Ausstellungen stattfinden. Auch ist auf dem Dach des Hauptportals ein Restaurant.

Bilder des Sächsischen Landtages

Siehe auch

Literatur

  • Karin Algasinger, Thomas Gey, Helmar Schöne: So arbeitet der Sächsische Landtag. 4. Wahlperiode. NDV Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Rheinbreitbach 2005, ISBN 3-87576-544-3.
  • Ulrich Brümmer: Parteien und Wahlen in Sachsen. Kontinuität und Wandel von 1990 bis 2005, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2006, ISBN 3-531-14835-4
  • Christian Demuth/Jakob Lempp: Parteien in Sachsen, Berlin: be.bra-Verlag 2006, ISBN 3-937233-34-2
  • Karlheinz Blascke: Landstände, Landtag, Volksvertretung. 700 Jahre politische Mitbestimmung im Lande Sachsen. In: Der Sächsische Landtag. Geschichte und Gegenwart. Nachauflage. SDV - Die Medien AG, Dresden 2006.

Fußnoten

  1. Quelle für Ergebnisse bis zur 4. Wahlperiode: Algasinger, Tabelle 1 auf S. 11
  2. [%5Bhttp://www.statistik.sachsen.de/12/pressearchiv/archiv2009/LWL04709.htm Endgültiges amtliches Ergebnis der Landtagswahl 2009 im Freistaat Sachsen.] In: Webpräsenz des Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen. Landeswahlleiterin Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher, 11. September 2009, abgerufen am 2. Januar 2010.
  3. 10. Bundesversammlung (23. Mai 1994). In: Webpräsenz des Deutschen Bundestages. Deutscher Bundestag, abgerufen am 1. Oktober 2009.
  4. Mitglieder der 11. Bundesversammlung. In: Webpräsenz des Deutschen Bundestages. Deutscher Bundestag, abgerufen am 1. Oktober 2009.
  5. Mitglieder der 12. Bundesversammlung. In: Webpräsenz des Deutschen Bundestages. Deutscher Bundestag, abgerufen am 1. Oktober 2009.
  6. Wilko Zicht, Martin Fehndrich, Matthias Cantow: Zusammensetzung der 13. Bundesversammlung am 23. Mai 2009. In: Wahlrecht.de. 24. Mai 2009, abgerufen am 1. Oktober 2009.
  • Zur Geschichte:
  1. Zum Aufstieg der Ministeriale unter den Wettinern: Blaschke, S. 7–9
  2. Zur Bedeutung der Entscheidung von 1293: Blaschke, S. 8 (rechte Spalte)
  3. Zur Entwicklung der Landstände im 14. Jahrhundert: Blaschke, S. 8–9
  4. Zur Bedeutung der Geldwirtschaft in der Markgrafschaft Meißen: Blaschke, S. 9 (linke Spalte)
  5. Zur Ausweitung der Rechte des Landtages im 14. und 15. Jahrhundert: Blaschke, S. 9 (rechte Spalte)
  6. Fazit der Entwicklungen bis 1500: Blaschke, S. 10 (linke Spalte oben)
  7. Zur Stellung der Landstände von Kurfürst Ernst bis Herzog August: Blaschke, S. 10 (linke Spalte)
  8. Zur Religionspolitik Christians I.: Blaschke, S. 10 (rechte Spalte)
  9. Zur Stellung der Landstände nach Christian I. bis zum augusteischen Zeitalter.: Blaschke, S. 11 (linke Spalte)
  10. Zur Herrschaft Friedrich Augusts I. und II. sowie Friedrich Christians: Blaschke, S. 11–12
  11. Zum Landtag während des napoleonischen Zeitalters in Sachsen: Blaschke, S. 12 (rechte Spalte)
  12. Zur Entstehung der ersten schriftlich festgehaltenen Verfassung in Sachsen: Blaschke, S. 12–13
  • Zur Mandatsvergabe, Konstituierung, Auflösung und Funktionen:
  1. Zur Mandatsvergabe: Algasinger, S. 11–12
  2. Zu Überhang- und Ausgleichsmandaten: Algasinger, S. 12f.
  3. a b Zur Konstituierung und Auflösung des Landtages: Algasinger, S. 14
  4. Zur Regierungsbildung: Algasinger, S. 15
  5. Zu Wahl von Verfassungsrichtern, Datenschutz- und Ausländerbeauftragten, Präsident des Rechnungshofes und zur Wahl der Delegierten für die Bundesversammlung: Algasinger, S. 16
  6. Zum Start des Gesetzgebungsverfahrens: Algasinger, S. 102 f. (im Landtag)/ S. 106 ff. (durch Volksantrag)
  7. Zu den Ursachen und Initiatoren für Gesetzesentwürfe: Algasinger, S. 103
  8. Zum Gesetzgebungsverfahren nach Vorlage im Parlament: Algasinger, S. 104–108
Vorlage:Navigationsleiste Landtage (BR)

Koordinaten: 51° 3′ 24″ N, 13° 43′ 59″ O