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Adolf von Harnack

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Adolf Harnack, Kirchenhistoriker

Adolf Harnack, ab 1914 von Harnack (* 7. Mai 1851 in Dorpat, Estland, Baltikum; † 10. Juni 1930 in Heidelberg, Baden), Prof. D.theol. Dr.jur., med. et phil., königlich preußischer Wirklicher Geheimrat, gilt als der bedeutendste protestantische Theologe und Kirchenhistoriker des späten 19. Jahrhunderts und beginnenden 20. Jahrhunderts sowie als bedeutender Wissenschaftsorganisator in Preußen.

Familie

Harnack war der Sohn des Theologen Theodosius Harnack, Professor an der Universität Dorpat.

Er heiratete am 27. Dezember 1879 in Leipzig Amalie Thiersch (* 31. August 1858 in Erlangen; † 28. Dezember 1937 in Berlin), die Tochter des o. Prof. der Chirurgie und königlich sächsischen Geheimen Medizinalrats Dr.med. Karl Thiersch, Professor an den Universitäten München, Erlangen und Leipzig, und der Johanna Freiin von Liebig, einer Tochter des Chemikers Justus von Liebig (1803-1873). Das Ehepaar hatte 3 Töchter und 2 Söhne.

Sein von den Nazis wegen dessen Beteiligung am Attentat vom 20. Juli hingerichteter Sohn Ernst von Harnack (1888-1945) engagierte sich in der SPD.

Seine Lieblingstochter Agnes von Zahn-Harnack (1884-1950) wurde eine prominente Vertreterin der bürgerlichen Frauenbewegung und war Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei.

Der ebenfalls hingerichtete Widerstandskämpfer Arvid Harnack (1901-1942) war sein Neffe.

Leben

Harnack kommt aus der Welt des baltischen Luthertums, sein Vater war ein strenggläubiger Luther-Forscher an der Universität Dorpat. An dieser Universität begann auch Harnack seine Studien und trat der Corporation Livonia bei. Als junger Privatdozent in Leipzig gewinnt er kritische Perspektiven auf die christliche Dogmengeschichte durch die Theologie von Albrecht Ritschl. Harnacks Verständnis des Protestantismus ist das von Reformation und Revolution: Reformation der Heilslehre und Revolution gegen die Autorität der katholischen Kirche, gegen ihren hierarchischen Apparat mit eigener kirchlicher Rechtsordnung und gegen ihre Kultusordnung.

Im Wilhelminischen Kaiserreich lehrt Harnack an der Universität Berlin, seine sechzehn Vorlesungen über "Das Wesen des Christentums", die er im Wintersemester 1899/1900 hält, werden von mehr als 600 Studenten aller Fakultäten gehört. Auch der später international bekannte Kirchenhistoriker und Theologe Prof. D. Ernst von Dobschütz (1870-1934) gehört ab 1890 zu seinen Studenten. Harnack wird zum politischen Berater mit vielfältigen politischen Kontakten bis hin zum Kanzler Theobald von Bethmann Hollweg. Im engen Zusammenspiel mit den Reformern der Staatsbürokratie vertritt er eine mittlere Linie, setzt auf Interessenausgleich durch Sozialreformen, Konfliktvermeidung und Konsens, wendet sich gegen kulturkämpferische Polarisierung und Verschärfung der Klassenkonflikte.

Seine Wertvorstellungen sind bürgerlich-liberal, zielen auf eine parlamentarisch-konstitutionelle Monarchie und stehen damit gegen die autoritäre politische Kultur des Kaiserreichs, dessen Reformfähigkeit er überschätzt. Seine traditionskritische Persönlichkeitsreligion enthält starke Sozialideale, die im Reich Gottes symbolisiert sind. Den innerweltlichen Beruf eines Christen deutet er als Dienstpflicht am Gemeinwesen. Harnack wird Präsident der auf seinen Vorschlag hin gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, gegründet 1911, und von 1905-1921 Generaldirektor der Königlichen Bibliothek/(ab 1918:) Preußischen Staatsbibliothek.

Außenpolitisch engagiert Harnack sich für eine Verständigung zwischen England und Deutschland, wendet sich gegen den alldeutschen Imperialismus und rät zu Mäßigung und Ausgleich. Im ersten Weltkrieg aber, den er anfangs unterstützt, schwankt der Unterzeichner des Manifest der 93 zwischen aggressiver Rhetorik und Untergangsstimmung. Seine kulturprotestantische Nationalgeschichte schließt nun die Bereitschaft ein, im Osten deutsche Kultur durch Vasallenstaaten zu sichern. Die Kriegsniederlage und die Novemberrevolution von 1918 deutet Harnack als Übergang zu Demokratie und Sozialismus. Gegen die Linie des Mehrheitsprotestantismus, der nun fast durchweg antirepublikanisch gesinnt ist, engagiert sich der konservative Republikaner entschieden für die soziale Demokratie.

Als er 1930 nach kurzer Krankheit stirbt, war er Professor für Kirchengeschichte an den Universitäten Leipzig, Gießen, Marburg und Berlin gewesen. Sein dreibändiges Lehrbuch der Dogmengeschichte (1886-1890; mehrere erweiterte Neuauflagen) gilt als seine wichtigste theologische Publikation.

Für seine Verdienste wurde Harnack am 22. März 1914 mit Diplom vom 9. Juni 1914 in Berlin in den preußischen Adelsstand erhoben.

== Orden et signes d'honneur == *Kanzler de la classe de paix de l'Ordens Pour le Mérite

Veröffentlichungen

  • Lehrbuch der Dogmengeschichte. 3 Bde. 1886-1890 (4. Aufl. 1909/1910)
  • Geschichte der altchristlichen Literatur. 3 Bde. Leipzig 1893-1904
  • Das Wesen des Christentums. Leipzig 1900
  • Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten. Leipzig 1902 (4. Aufl. 1924)
  • Reden und Aufsätze. 7 Bde. Gießen 1904-1930
  • Die Dienstentlassung des Pfarrers Lic. Gottfried Traub, Leipzig 1912.
  • Marcion. Das Evangelium vom fremden Gott. Leipzig 1921 (2. Aufl. 1924)

Literatur

  • Friedrich Smend: Adolf von Harnack. Verzeichnis seiner Schriften bis 1930, hg. von J. Dummer. München / New York / London / Paris 1990
  • Björn Biester: Harnack-Bibliographie. Verzeichnis der Literatur über Adolf von Harnack 1911–2002. Erfurt/München 2002
  • Agnes von Zahn-Harnack: Adolf von Harnack. Berlin 1936 (2. Aufl. 1951)
  • Christian Nottmeier: Adolf von Harnack und die deutsche Politik 1890-1930. Tübingen 2004
  • Wolfram Kinzig: Harnack, Marcion und das Judentum. Nebst einer kommentierten Edition des Briefwechsels Adolf von Harnacks mit Houston Stewart Chamberlain. Leipzig 2004
  • Gunther Wenz: Der Kulturprotestant. Adolf von Harnack als Christentumstheoretiker und Kontroverstheologe. München 2001, ISBN 3-8316-0038-4
  • Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser B Band XV, Seite 211, Band 83 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 1984, ISSN 0435-2408.
  • Friedrich Wilhelm Kantzenbach: Art. Harnack, Adolf von. In: Theologische Realenzyklopädie 14 (1985), S. 450-458
  • Peter C. Bloth: "Adolf Harnacks Exsamenskatechese Dropat 1872" in Zeitschrift für Kirchengeschichte Band 112 (Vierte Folge XLX) 2001 ISSN 0044-2925
  • Peter C. Bloth: "Beobachtungen und Fragen zur Edition von Adolf Harnacks erster Marcion Schrift" in Zeitschrift für Kirchengeschichte Band 116 (Vierte Folge LIV) Heft 1 ISSN 0044-2925