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Felix Platter (Mediziner, 1536)

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Hans Bock: Felix Platter mit exotischen Pflanzen und antiken Ruinen (1584)

Felix Platter (der Ältere) (* 28. Oktober 1536 in Basel; † 28. Juli 1614 ebenda) war ein Schweizer Arzt, Anatom und Psychiater. Er wurde damals auch Platerus genannt.

Biografie und Rezeption

Felix Platters Eltern waren der Humanist Thomas Platter der Ältere, Buchdrucker und Lehrer in Basel, und Anna Dietschi. Felix Platter hatte drei Schwestern, die älter waren als er, und aus der zweiten Ehe seines Vaters sechs Halbgeschwister. Er wuchs im protestantischen Glauben Zwingli’scher Prägung auf. 1557 heiratete er Margarete, die Tochter des Ratsherrn und Wundarztes Franz Jeckelmann, der in ihm auch das Interesse an der Anatomie erweckte[1]; die Ehe blieb kinderlos.

Platter immatrikulierte sich 1551 in Basel für das Studium der Medizin, studierte von 1552 bis 1556 Medizin in Montpellier bei Guillaume Rondelet und wirkte danach, nachdem er Frankreich durchwandert hatte, als Arzt in Basel, wo er auch 1557[2] zum Doktor der Medizin promoviert wurde und heiratete. 1571 wurde er zum Stadtarzt und Professor für „praktische Medizin“[3] an der Universität Basel ernannt, deren Rektor und Dekan er mehrfach war. Er war berühmt als Kunst-, Musikinstrumenten-, Präparate- und Gesteinssammler. Montaigne liess es sich auf seiner Reise nach Italien 1580 nicht entgehen, sein Herbarium zu besichtigen.

Platter war ein Pionier der pathologischen Anatomie, der bereits ab 1559 in Basel öffentliche Sektionen[4] durchführte, und einer der Begründer der Gerichtsmedizin. Zu seinen gerichtsärztlichen Aufgaben gehörte unter anderem die Überwachung der Berufstätigkeit von Wundärzten, Apothekern und Hebammen sowie das Seuchenwesen.[5] Unter dem Einfluss der Optik fand er 1583 heraus, dass die Linse des Auges zur Fokussierung des Bildes auf dem Augenhintergrund dient, und belegte seine Theorie mit deutlichen pathologischen Fällen. In seinem dreibändigen Lehrbuch Praxeos medicae opus (1602–1608) gab Platter einen Gesamtüberblick der klinischen Medizin.[6] Im Pestbericht über die Basler Pestepidemie von 1610 und 1611 zeigt er sich als wegweisender Epidemiologe. Die Observationes von 1614 bieten eine Sammlung von Krankengeschichten.

Daneben stellte er in Basel eine Systematik der Geistesstörungen vor, die auf genauen klinisch-psychopathologischen Beobachtungen basierte. Darin beschrieb er Zwangs- und Wahnsymptome, Hypochondrie, Melancholie, Delir, Trunksucht, Eifersucht und Symptome der „Verblödung“. Dabei wurden Einzelsymptome dargestellt, die dann zu Syndromen zusammengefasst wurden.

In seinem kulturhistorisch bedeutenden Tagebuch, das erst 1840 publiziert wurde, berichtet er über seine Jugendzeit, sein Leben als Student in Frankreich und die erste Zeit in Basel bis 1561. Diese autobiographische Schrift bildet die Grundlage für drei psychobiographische Studien zu Felix Platter, die insbesondere die problematische Vater-Sohn-Beziehung in den Mittelpunkt gestellt haben.[7]

In Basel wurde ein Spital nach Felix Platter benannt: das Felix Platter-Spital. Es befindet sich nahe der französischen Grenze.

Werke

  • De partium corporis humani structura eius et usu. 3 Bände, Basel 1583.
  • Beschreibung der Stadt Basel 1610 und Pestbericht 1610/11. Hrsg. von Valentin Lötscher. Schwabe, Basel/Stuttgart 1987, ISBN 3-7965-0860-X
  • Observationes in hominibus affectibus plerisque corpori et animo functionum laesione, dolore aliave molestia et vitio incommodantibus. Libri tres. Basel 1614; deutsch: Observationes. Krankheitsbeobachtungen in drei Büchern. 1. Buch: Funktionelle Störungen des Sinnes und der Bewegung. Übersetzt von Günther Goldschmidt, bearbeitet und hrsg. von Heinrich Buess. Huber, Bern/Stuttgart 1963.
  • Historia vitae Thomas Platteri. Zürich 1724; deutsch: Lebensbeschreibung. Hrsg. von M. Lutz, Basel 1790.
  • Tagebuch (Lebensbeschreibung) 1536-1567. Hrsg. v. Valentin Lötscher. Schwabe, Basel/Stuttgart 1976.

Literatur

  • Casimir Bumiller: Die "Selbstananalyse" des Arztes Felix Platter. In: Ralph Frenken; Martin Rheinheimer (Hrsg.): Die Psychohistorie des Erlebens. (= Psychohistorische Forschungen, Band 2), Kiel 2000, 303–324.
  • Ralph Frenken: Kindheit und Autobiographie vom 14. bis 17. Jahrhundert: Psychohistorische Rekonstruktionen. 2 Bände. (= Psychohistorische Forschungen. Band 1/1 u. 1/2). Oetker-Voges, Kiel 1999, 487–537.
  • Katharina Huber: Felix Platters „Observationes“. Studien zum frühneuzeitlichen Gesundheitswesen in Basel. Schwabe, Basel 2003, ISBN 3-7965-2022-7 (zugleich Dissertation, Universität Basel 2003)
  • Stephan Pastenaci: Erzählform und Persönlichkeitsdarstellung in deutschsprachigen Autobiographien des 16. Jahrhunderts: ein Beitrag zur historischen Psychologie. WVT Wissenschaftlicher Verlag Trier, Trier 1993, 225–242
  • Stephan Pastenaci: Platter, Felix. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 20, Duncker & Humblot, Berlin 2001, ISBN 3-428-00201-6, S. 518 f. (Digitalisat).
  • Theo R. Payk: Psychopathologie. Vom Symptom zur Diagnose. Springer-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-35451-2
  • Gustav Steiner: Ärzte und Wundärzte. Chirurgenzunft und medizinische Fakultät in Basel. In: Basler Jahrbuch 1954, S. 179–209; hier: S. 180–195.
  • Barbara I. Tshisuaka: Plat(t)er, Felix. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/ New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 1169 f.
Commons: Felix Platter – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Gustav Steiner: Ärzte und Wundärzte. Chirurgenzunft und medizinische Fakultät in Basel. In: Basler Jahrbuch. 1954, S. 179–209; hier: S. 186–191
  2. Barbara I. Tshisuaka (2005), S. 1169.
  3. Dieter Sasse: Am Beginn der Neuzeit: der Arzt Felix Platter (1536–1614) und der Humanist Thomas Platter (1499?–1582). In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen. Band 23, 2004, S. 328–338; hier: S. 328.
  4. Barbara I. Tshisuaka (2005), S. 1169.
  5. Dieter Sasse (2004), S. 328.
  6. Johanna Bleker: Die Geschichte der Nierenkrankheiten, Boehringer Mannheim, Mannheim 1972, S. 25 und 128.
  7. Pastenaci, Erzählform und Persönlichkeitsdarstellung…, S. 232 ff.; Frenken, Kindheit und Autobiographie…, S. 517 ff.; Bumiller, Die Selbstanalyse…, S. 311 ff.