Innenstadtmaut
Überblick
Eine Innenstadtmaut bezeichnet die Erhebung von Gebühren für die Nutzung innerstädtischer Straßen in der Regel für Lkw und Pkw. Mit der Einführung von städtischen Straßenbenutzungsgebühren sind häufig folgende praktischen Gründe verbunden:
- Entlastung der Umwelt durch weniger Verkehr (Verringerung der CO2-Emissionen, Russpartikel und Feinstaub);
- Zeitliche und räumliche Steuerung der Verkehrsnachfrage (Staureduktion bzw. effizientere Nutzung);
- Generierung zusätzlicher Einnahmen;
Es gibt verschiedene Innenstadtmaut-Modelle, die sich hinsichtlich Bemessung und Zahlung der Preise/Gebühren, der räumlichen Implementation und Technik der Gebührenerhebung unterscheiden. Bisher realisierte Vorhaben haben häufig ein Kordonsystem implementiert, d.h. die Einfahrt in einen bestimmten innerstädtischen Bereich ("Gebührenring") wird mit einer Gebühr belegt. Die Erhebung der Gebühren kann z.B. via Vignette, Mautstation (bemannt vs. unbemannt), fahrzeugintern (on-board-unit) oder fahrzeugextern (Post-pay-Verfahren) erfolgen.
Beispiele
Das älteste City-Maut-System befindet sich in Singapur, das 1975 eingeführt und 1998 beträchtlich erweitert worden ist. Für lange Zeit waren die Systeme in den norwegischen Städten Oslo, Bergen und Trondheim die einzigen Straßenbenutzungsgebühren ihrer Art in Europa. Diese sind mit dem Ziel der Finanzierung von Straßeninfrastruktur in den späten achtziger Jahren eingeführt worden und waren bzw. sind auf eine Laufzeit von ca. 15 Jahre begrenzt.
Seit Februar 2003 ist in London eine „Staugebühr“ (London Congestion Charge) für ein 21 km² großes Gebiet im Stadtzentrum (1,3 % des Stadtgebiets) eingeführt worden. Es ist eine Gebühr von 8 Pfund für die Einfahrt in dieses Gebiet von Mo.-Fr. 7:00-18:30h zu zahlen. Diese Gebühr fällt einmal pro Tag an, d.h. die weitere Durchfahrt ist kostenlos. Es bestehen allerdings zahlreiche Ausnahmeregelungen bzw. Gebührenbefreiungen oder Ermäßigungen (z.B. für Taxis, Anwohner etc.). Die Auswirkungen der beträchtlichen Gebühr sind dennoch deutlich. In den ersten 6 Monaten ist der Verkehr innerhalb der Zone um ca. 15 % zurückgegangen (Unfallrückgang um 20 %), wobei sich 50-60 % der unterlassenen MIV-Fahrten auf den ÖPNV verlagert haben. Eine umfassende Evaluation steht aber noch aus. Ken Livingstone ist trotz der von ihm eingeführten Maut 2004 als Oberbürgermeister wiedergewählt worden. Derzeit wird eine Erweiterung des Gebührenrings diskutiert (Western Extension).
Seit Juni 2004 läuft in der Schwedischen Hauptstadt Stockholm ein zweiter Versuch, Straßenbenutzungsgebühren in der Innenstadt von Stockholm einzuführen. 1997 scheiterte ein Vorschlag zur Einführung von Gebühren (sog. Dennis-Agreement). Dazu hat die Stadt 2003 beschlossen, Straßenbenutzungsgebühren vorläufig im Rahmen eines Versuchs einzuführen, die sogenannte Trängselskatt, frei übersetzt Gedrängelsteuer. Dieser begann am 3. Januar 2006 und soll bis 31. Juli 2006 laufen. Nach einem halben Jahr Probelauf zeigten sich folgende Ergebnisse: 23% weniger Verkehr in der Innenstadt, 13% weniger Feinstaubbelastung sowie 14% weniger Kohlenwasserstoffe in der Luft. Im Anschluss an die Probephase soll am 17. September 2006 ein Referendum (Bürgerentscheid) gemeinsam mit allgemeinen Wahlen über die dauerhafte Einführung von Straßenbenutzungsgebühren entscheiden.
Das derzeitige Vorhaben beinhaltet im Detail:
- je nach Tageszeit zwischen 1,10 und 2,20 Euro "Gedrängesteuer" für die Ein- und/oder Ausfahrt in die Innenstadt (siehe Karte unten). Im Unterschied zur Londoner Maut ist in beiden Fahrtrichtungen eine Gebühr zu bezahlen;
- Gebühren werden fällig werktags von 06.30 bis 18.29. Maximal müssen SEK 60 (c.a. EUR 6,65) pro Tag und Fahrzeug bezahlt werden,
- die Zielvorgaben, den Verkehr um 10-20 Prozent zu verringern und die Durchschnittsgeschwindigkeit deutlich zu erhöhen. Insbesondere das Ziel, die Durchschnittsgeschwindigkeit zu erhöhen, ist nicht ganz unproblematisch, da mit höheren Geschwindigkeiten in der Regel die Zahl und Schwere der Unfälle steigt;
- die Gesundheitsbelastung der Einwohner mit Schadstoffen, Rußpartikeln und Kohlenmonoxid zu verringern.
Edinburgh in Schottland ist eine weitere europäische Stadt, in der die Einführung einer Innenstadtmaut erwogen wurde. Jedoch wurde der Vorschlag im Februar 2005 in einem Referendum mit einer Quote von 74.4% (Wahlbeteiligung 61,8 %) von den Einwohnern Edinburghs deutlich abgelehnt.
In Deutschland wird derzeit in einigen Großstädten über die Einführung einer City-Maut nachgedacht (u.a. München für den Mittleren Ring). Einer der Hauptbeweggründe dafür ist, dass die Luftreinhaltevorschriften der EU im Bezug auf Feinstaub und Kohlenstoffdioxid derzeit Oktober 2004 in praktisch keiner deutschen Großstadt eingehalten werden. Neben Fahrverboten werden deshalb Straßenbenutzungsgebühren als wirkungsvolles Instrument zur Reduzierung des motorisierten Verkehrs diskutiert. Aktuelle Informationen zur Luftreinhaltung gibt das Bundesumweltministerium.
Auch in Wien denkt man laut über die Einführung einer "CityMaut" nach, diese soll fällig werden sobald man mit dem PKW den Gürtel quert und zeitabhängig gestaffelt sein.
Einwände gegen Straßenbenutzungsgebühren
Nicht nur auf politischer Seite bestehen große Vorbehalte gegenüber einer Innenstadtmaut. Zum einen haben viele Politiker Angst, aufgrund der geringen öffentlichen Akzeptanz, solche Maßnahmen einzuführen. Sie befürchten, nicht wiedergewählt zu werden. Daneben gibt es aber auch inhaltliche Einwände gegen Straßenbenutzungsgebühren.
Ein allgemeiner Einwand gegen Straßenbenutzungsgebühren ist, dass sie nicht gerecht seien und die reichen Autofahrer bevorzugen und die armen Autofahrer benachteiligen würden. Denn ein Nutzungsentgelt von z.B. 2 € je Fahrt hat für eine Person mit einem niedrigen Einkommen einen anderen Wert als für eine Person mit einem hohen Einkommen (abnehmender Grenznutzen des Geldes).
Literatur
- Keuchel, S. (1992). Internationale Erfahrungen mit Straßenbenutzungsgebühren im Stadtverkehr. Internationales Verkehrswesen, 10, 377-386.
- Kossak, A. (2004). Straßenbenutzungsgebühren weltweit. Internationales Verkehrswesen, 56, 246-249.
Siehe auch
- Maut
- Pkw-Maut
- London Congestion Charge
- Singapore Area Licensing Scheme
- Stockholm congestion tax
- Toll road
- Road pricing
Weblinks
Transport for London: Congestion Charging Homepage
Erfahrungen des Maut-Probelaufs in London
Diskussionsseite der Münchener Grünen zur City-Maut
Europäisches Netzwerk zu Straßenbenutzungsgebühren
Informationen zur geplanten Straßenbenutzungsgebühr in Stockholm
Erfahrungen des Maut-Probelaufs in Stockholm
Informationen zur geplanten Straßenbenutzungsgebühr in Edinburgh
Zur Akzeptanz von Straßenbenutzungsgebühren
Grundlegende Überlegungen zu Roadpricing und Citymaut aus ordnungspolitischer Sicht