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Luftangriffe auf Leipzig

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Trümmerfrauen nach Kriegsende auf der Schillerstraße vor dem zerstörten Fridericianum der Universität.

Die Luftangriffe auf Leipzig fügten der Stadt Leipzig während des Zweiten Weltkrieges schwere Schäden zu. Die Angriffe wurden von Einheiten der Royal Air Force (RAF) und den United States Army Air Forces (USAAF) ausgeführt. Insgesamt wurden 11427 Tonnen Bombenlast auf Leipzig geworfen, von der RAF 6206 Tonnen und von den USAAF 5221 Tonnen[1]

Der schwerste Luftangriff wurde in den Morgenstunden des 4. Dezember 1943 von der britischen RAF ausgeführt und forderte über 1800 Menschenleben. Das Stadtzentrum wurde zu großen Teilen zerstört, während die Industriebetriebe nur zeitweilige Produktionsausfälle zu verzeichnen hatten und später teilweise verlagert oder dezentralisiert wurden.

Im Luftkrieg des Zweiten Weltkriegs sind in Leipzig etwa 6000 Menschen ums Leben gekommen.[2]

Bedeutung als Angriffsziel

Von den über 33.000 Bf-109-Jagdflugzeugen der Luftwaffe baute das Leipziger Erla Maschinenwerk rund ein Drittel.

Im „Großdeutschen Reich“ des Jahres 1939 stand Leipzig auf der Liste der größten deutschen Städte mit über 700.000 Einwohnern auf dem sechsten Platz, wobei Wien mit berücksichtigt ist. Als „Reichsmessestadt“ hatte es zusätzlich eine herausgehobene Bedeutung. Leipzig ist damals wie heute auch ein bedeutender Eisenbahnknotenpunkt.

Für die Kriegsführung besonders bedeutend war das Erla-Maschinenwerk, das an drei Standorten in Heiterblick, Abtnaundorf und Mockau Bf-109-Jagdflugzeuge produzierte. Als weiterer Betrieb stellte die Allgemeine Transportanlagen-Gesellschaft in Großzschocher Flugzeugteile und komplette Maschinen her. Das Werk von Büssing-NAG in Wahren baute Motoren und Fahrgestelle für 8-Rad-Panzerspähwagen. Die bei Leipzig-Portitz in den 1930er-Jahren neu errichteten Mitteldeutschen Motorenwerke fertigten Junkers-Flugmotoren (Jumo 205, Jumo 211 und Jumo 213) sowie Teile für das Strahltriebwerk Jumo 004.

Erst nach zwei britischen Flächenbombardements auf Leipzig im Oktober und Dezember 1943 richteten sich die nunmehr amerikanischen Luftangriffe gezielt auch auf die Standorte der Rüstungsindustrie im Norden der Stadt.

Angriffe

Pläne und erste Angriffe

Sachsen galt wegen des langen Anflugweges von Großbritannien aus als relativ sicher vor Luftangriffen, was sich jedoch im Verlauf des Jahres 1943 mit der verstärkten Indienststellung schwerer viermotoriger Maschinen der Typen Stirling, Halifax und Lancaster bei der RAF änderte. Bereits im August 1940 befanden sich in den Akten des britischen RAF Bomber Command Pläne zur Bombardierung Leipzigs unter dem Codenamen „Haddock“ (Schellfisch).[3] Der Stellvertreter von Arthur Harris, Oberbefehlshaber des Bomber Command, war Air Vice-Marshal Robert Saundby, der als begeisterter Angler alle in Auswahl kommenden deutschen Städte mit einem Fish code versah.[4] Von einem Luftangriff zur Eröffnung der Leipziger Messe am 25. August 1940 oder unmittelbar danach versprach man sich eine Demonstration der britischen Luftmacht auf die aus ganz Europa angereisten Messegäste. Die in der Nacht vom 25. auf den 26. August 1940 gestarteten zweimotorigen Bomber fanden die Stadt Leipzig jedoch nicht.

Am 27. März 1943 wurde durch Notabwürfe eines britischen Flugzeuges in Gohlis ein Großfeuer ausgelöst. In der Nacht vom 31. August auf den 1. September erfolgte ein schwacher britischer Angriff, der Eutritzsch und Schönefeld traf und bei dem es vier Todesopfer gab.[5]

20. Oktober 1943

Zu diesem ersten geplanten Flächenbombardement auf Leipzig waren in Ostengland 350 viermotorige Langstreckenbomber vom Typ Lancaster der britischen RAF gestartet, von denen 287 die Stadt erreichten. Geplantes Ziel dieses abendlichen Angriffs von 20.56 bis 21.34 Uhr war das Stadtzentrum. Wegen schlechter Sichtverhältnisse bei dichter Bewölkung wurden mit den 1085 Tonnen abgeworfenen Bomben jedoch besonders die südlichen und östlichen Stadtteile und Vororte wie Stötteritz, Engelsdorf, Paunsdorf und Sommerfeld getroffen. Doch wurden auch in anderen Stadtteilen, am Hauptbahnhof, im grafischen Viertel und im Klinikviertel insgesamt 6250 Schadstellen registriert (45 zerstörte und 1872 beschädigte Häuser). 38 Todesopfer und 681 Verletzte waren zu beklagen[6]. Die RAF verbuchte den zersplitterten Angriff als Mißerfolg.

4. Dezember 1943

Ab 1940 gelieferte Wagen der Feuerschutzpolizei waren im Tannengrün (RAL 6009) der Polizei lackiert. Eine Magirus-Kraftfahrleiter 26 (Meter) mit Dieselmotor (125 PS), Baujahr 1941.
Das Museum der bildenden Künste am Augustusplatz mit dem Mendebrunnen (ca. 1890–1900). Auf dem Areal des Museums steht heute das (dritte) Gewandhaus.
Ruine der Hauptpost (Postamt C 1) auf der Ostseite vom Augustusplatz (Foto von 1948)

Vorgeschichte

Wie schon während des gesamten Jahres 1943 hatte die Royal Air Force in der Nacht vom 2. zum 3. Dezember einen Luftangriff auf Berlin geflogen. Die deutsche Nachtjagd hatte sich inzwischen darauf eingestellt und 40 Bomber abgeschossen.[3] In der folgenden Nacht war Leipzig das Ziel, wobei die Anflugroute so konzipiert war, dass die deutsche Luftabwehr möglichst lange im Unklaren über das Ziel der Bomberflotte blieb und der Angriff erst in den frühen Morgenstunden erfolgte. Mit einer solchen für die Bomberverbände gefährlicheren Taktik rechnete man auf deutscher Seite nicht, da dann die Bomber im beginnenden Tageslicht zurückfliegen müssten und von Jagdfliegern leichter zu bekämpfen wären.

Verlauf

Die Route des Bomberverbandes, 527 viermotorige Bomber der Typen Halifax und Lancaster,[7] querte über der Zuidersee die Küste des Festlandes, führte dann in östlicher Richtung über Norddeutschland auf Berlin zu und bog etwa über der Stadt Brandenburg nach Süden ab. Zwischen 3:50 und 4:25 Uhr warfen 442 Bomber insgesamt fast 1400 t Spreng- und Brandbomben ab. Im Einzelnen handelte es sich um 280000 Stabbrandbomben, 12500 Phosphorbrandbomben, 312 Phosphorkanister, 450 Sprengbomben und 310 Minenbomben[8]. Fliegeralarm war um 3:39 Uhr gegeben worden, die Entwarnung erfolgte 5:32 Uhr.[9]

In der eng bebauten Innenstadt entwickelte sich nach dem Angriff durch Zusammenfliessen aus über 5000 Einzelbränden ein Feuersturm. Dessen Intensität überstieg nach der Einschätzung des zur Angriffszeit zufällig in Leipzig befindlichen Generalinspekteurs für das Feuerlöschwesen, Hans Rumpf, sogar die des Hamburger Feuersturmes während der „Operation Gomorrha“.[10] Die Leipziger Feuerschutzpolizei hatte in der Nacht zuvor die Hälfte ihrer Kräfte zur Hilfe nach Berlin entsenden müssen. Die aus dem Umland herbeigerufenen Feuerwehren konnten Brände häufig nicht wirksam bekämpfen, da ihre Schläuche nicht an die speziellen Anschlüsse der Leipziger Hydranten passten, die nur zu etwa 30 % auf genormte Anschlüsse umgestellt worden waren.[11] Die Wasserversorgung brach zudem durch die massiven Leitungszerstörungen zusammen.

Opfer und Schäden vom 4. Dezember

Beim britischen Luftangriff vom 4. Dezember 1943 kamen 1815 Menschen ums Leben, 60 blieben vermißt[12] Dazu kamen fast 4000 Verletzte[13]. Diese Opferzahl ist für solch einen schweren Angriff niedriger als zu erwarten, da sich viele Einwohner nicht an die Anordnung hielten, bis zur Entwarnung in den Kellern zu bleiben, sondern rechtzeitig die Flucht ergriffen oder entstehende Brände bekämpften.[11] Es wurden 806 schwer und 3749 leicht Verletzte registriert. 114.000 Leipziger wurden obdachlos.[14]

Besonders im Stadtzentrum fielen den Bomben viele historische Gebäude zum Opfer, so das Alte und Neue Theater, die Neue Börse, das Schiff der Johanniskirche, die Alte Waage, die Matthäikirche, das Bildermuseum, die Hauptpost und das Augusteum, das Hauptgebäude der Universität. Der Dachstuhl des Alten Rathauses brannte aus; eine bei einer Sanierung Anfang des 20. Jahrhunderts eingezogene Betondecke verhinderte ein Ausbrennen auch der darunter liegenden Geschosse.[15] Weiterhin verzeichnete man unter anderem die Zerstörung von 1067 Geschäftshäusern, 472 Fabrikgebäuden, 56 Schulen, 29 Messehäusern und 9 Kirchen.[16] Von den 92 Instituten der Universität Leipzig wurden 58 getroffen und teilweise oder ganz zerstört.[17] Von den 32500 Wohngebäuden waren 15200 in Mitleidenschaft gezogen, davon über 5000 total zerstört oder schwer beschädigt und über 10000 mittelschwer beschädigt. Die Rüstungsindustrie hatte wenige Schäden zu verzeichnen[18].

Laut vorläufigem amtlichen Abschlussbericht vom 30. Dezember 1943 waren hauptsächlich der Stadtkern innerhalb des Ringes, die sich unmittelbar im Westen, Norden und Osten anschließenden Gebiete sowie die gesamte Südvorstadt schwer betroffen. Die daran im Norden und Osten anschließenden Gebiete wurden leicht betroffen, während im äußeren Westen, Südwesten und Nordwesten keine Schäden entstanden waren. Etwa 140.000 Menschen waren obdachlos geworden.[19]

20. Februar 1944

Die Ruine des zweiten Gewandhauses (Neues Concerthaus) wurde erst 1968 abgetragen. (Foto von 1947)

Doppelangriff: Während der so genannten Big Week war Leipzig eines der ersten Ziele, die von britischen und US-amerikanischen Bombern angegriffen wurden. Am 20. Februar 1944 wurden von der RAF zwischen 3:15 und 4:20 Uhr Wohngebiete im Süden (Connewitz) sowie Wohn- und Industriegebiete im Südwesten Leipzigs (Schleußig und Großzschocher) getroffen. Bei diesem britischen Nachtangriff mit über 700 (820) viermotorigen Bombern, überwiegend Lancasters, fielen knapp 2300 Tonnen Bomben. Am Nachmittag desselben Tages warfen 239 "Fliegende Festungen" B-17 der 8. US-Luftflotte 843 Tonnen Bomben auf die am Flughafen Mockau im Nordosten der Stadt liegenden Flugzeugwerke und Umgebung. Die schweren Bomber wurden durch Hunderte von Langstrecken-Jagdflugzeugen/Jagdbombern begleitet, wie das seit Ende 1943 immer der Fall war: P-51 Mustang, P-47 Thunderbolt und P-38 Lightning. Durch die Angriffe wurde unter anderem das (zweite) Gewandhaus zerstört.[20] Es traf ebenso die Hochschule für Musik, das Reichsgericht, die Universitätsbibliothek sowie große Teile des Musikviertels und Wohngebiete.

Insgesamt kamen etwa 972 Menschen ums Leben, 1658 wurden verwundet – die meisten durch den britischen Nachtangriff. Infolge des US-Tagesangriffs wurden die betroffenen Betriebe zum Teil schwer beschädigt, zum Beispiel das Erla-Maschinenwerk in Heiterblick zu 65 %. Im Mai 1944 lief die Flugzeugproduktion bei Erla immer noch nicht wieder in vollem Umfang, während die anderen betroffenen Betriebe bis dahin wieder arbeiteten.[21]

Die RAF verlor durch Flak und Jagdabwehr 78 der eingesetzten Maschinen, es war eine ihrer verlustreichsten Unternehmungen des Krieges.

Flugzeuge der 8. US-Luftflotte flogen von Frühjahr 1944 bis April 1945 weitere Angriffe auf Leipziger Industrie- und Verkehrsanlagen.

29. Mai 1944

28 Fliegende Festungen B-17 warfen 70 Tonnen Bomben auf Leipzig.

29. Juni 1944

90 B-17 warfen 215 Tonnen Bomben auf Leipzig.

7. Juli 1944

308 B-17 warfen 748 Tonnen Bomben auf Leipzig und seine Umgebung. Bei diesem Angriff waren neben dem Hauptbahnhof weitere Verkehrsanlagen das Ziel. Ein direkter Treffer auf einen Abschlussgewölbebogen brachte das Dach des Querbahnsteiges des Hauptbahnhofes zum Einsturz.[22]

20. Juli 1944

101 Fliegende Festungen B-17 warfen 222 Tonnen Bomben, besonders auf Leipzig-Mockau.

Insgesamt fielen diesen vier Angriffen etwa 505 Menschen zum Opfer.

6. Dezember 1944

Erstmals wurden Leutzsch im äußersten Westen der Stadt, sowie der angrenzende Vorort Böhlitz-Ehrenberg von der US-Luftwaffe angegriffen.

Im Rahmen von Angriffen auf Ziele in der Umgebung Leipzigs, wie die Hydrierwerke zur Erzeugung von synthetischem Benzin in Leuna, Böhlen (Braunkohle-Benzin AG) und Zeitz, kam es zu Bombenabwürfen auf Leipzig als Ausweichziel.[23]

Teilzerstörte Universitätsbibliothek (1953)

Im Februar und März 1945 häuften sich die Luftangriffe. Kein Tag verging ohne Fliegeralarm. Systematisch wurden jetzt Betriebe, Verkehrseinrichtungen und Wohnungen zerstört[24]

27. Februar 1945

An diesem Tag flog die 8. US-Luftflotte, die bisher überwiegend "Punktziele" bombardiert hatte, zwei aufeinanderfolgende Flächenangriffe mit insgesamt 724 Fliegenden Festungen B-17 und 1947 Tonnen Bombenlast auf das gesamte Stadtgebiet, denen 1044 Menschen zum Opfer fielen[25]

6. April 1945

Die 8. Luftflotte griff erneut Leipzig an: mit 321 B-17, Hunderten Begleitjägern und 829 Tonnen Bombenlast. 367 (733) Menschen kamen ums Leben[26][27]

10. April 1945

Nun erfolgte nochmals ein Doppelangriff der britischen RAF. Zur Tageszeit bombardierten 230 Lancasters, Halifaxes und Mosquitos, besonders die Ziele Mockau und Engelsdorf. In der Nacht zum 11. April folgten 97 Lancasters und Mosquitos mit dem Abwurf-Schwerpunkt Wahren. Es gab 337 Tote.

In den letzten zehn Tagen des am 15. April 1945 offiziell eingestellten westalliierten Bombenkrieges gegen Deutschland starben somit nochmals über 700 Menschen.[28]

Am 18. April, eine Woche nach dem letzten Großangriff, nahm die 69. Infanteriedivision der 1. US-Armee Leipzig ein.

Folgen

Aufräumarbeiten an der Universitätskirche um 1948.

Durch die Luftangriffe lag ein großer Teil der Bausubstanz der eng bebauten Innenstadt in Trümmern. Die Gebäude am Augustusplatz hatten mit Ausnahme der Universitätskirche umfangreiche Schäden erlitten. Das Areal zwischen Richard-Wagner-Straße und Brühl sowie das von Katharinenstraße, Salzgäßchen, Schuhmachergäßchen und Reichsstraße begrenzte Gebiet waren weitgehend zerstört. Dadurch änderte sich das Erscheinungsbild der Innenstadt erheblich. Insgesamt waren 40 % der Wohnungen und 80 % der Messebauten zerstört oder schwer beschädigt worden.[21]

Viele der zerstörten historischen Gebäude wurden nicht wieder aufgebaut, darunter das Museum der bildenden Künste und die Johanniskirche, deren Turm erst Anfang der 1960er Jahre gesprengt wurde. Auch nach dem Krieg gesicherte Gebäude wie das Gewandhaus oder das Neue Theater wurden in der Folge doch noch abgebrochen. Zwischen Katharinen- und Reichsstraße sowie Brühl und Böttchergäßchen wurden die Reste der Bebauung abgetragen und der Sachsenplatz angelegt, an dessen Stelle sich seit 2004 der Neubau des Museums der bildenden Künste befindet. Das Ensemble der früheren Universität (Augusteum) inklusive der unbeschädigten Universitätskirche wurde 1968 gesprengt, um Platz für den Neubau der Karl-Marx-Universität zu schaffen. Der ehemalige Standort des Bildermuseums am Südrand des Karl-Marx-Platzes blieb vorerst unbebaut. An dieser Stelle wurde in den 1960ern der Neubau eines Auditorium maximum für die Universität geplant. Nachdem der Platz für ein Betonwerk, das für den Neubau des Universitätskomplexes entstanden war und auch nach seiner Fertigstellung mehrere Jahre in Betrieb blieb, genutzt wurde, entstand dort ab 1977 der Neubau des Gewandhauses.

Die 539000 Bomben auf Leipzig hinterließen 4,6 Millionen Kubikmeter Gesamttrümmermasse.

Mehr als 5000, nach anderer Angabe fast 6000 Menschen sind den Luftangriffen zum Opfer gefallen[29][30]. Es handelte sich überwiegend um Leipziger, aber auch um Evakuierte, Flüchtlinge, Wehrmachtsangehörige, Fremdarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge.

Begräbnis- und Gedenkstätten

Bronzeplastik "Trauernder Jüngling": "Den Bombenopfern der Stadt Leipzig 1943-1945"

Auf Anordnung des Leipziger Oberbürgermeisters Alfred Freyberg wurden die Opfer der alliierten Luftangriffe auf Leipzig in einem Ehrenhain auf dem Südfriedhof beigesetzt. Der massenhafte Anfall von Toten machte eine Erweiterung des Friedhofs von 63 Hektar (1923) auf 82 Hektar notwendig. Alleine nach dem schweren britischen Nachtangriff am 3./4. Dezember 1943 waren es über 1800, insgesamt 4500 zivile Opfer[31], die auf dem Südfriedhof beerdigt wurden. Die ursprünglichen Grabanlagen mit individuellen Holzkreuzen sind nicht erhalten. Einen Eindruck von ihrem Aussehen bekommt man durch ein Foto von 1945 auf einer Informationstafel am Rande der Gedenkstätte für die Bombenopfer auf dem Südfriedhof. 3474 der Toten ruhen auf der heutigen Abteilung XXVIII. Diese liegt am Südosttor des Friedhofs.

Innerhalb der Gesamt-Anlage wurde im Jahre 1998 für 1242 Opfer der Luftangriffe von Februar bis April 1945 ein künstlerisch gestalteter Teilfriedhof geschaffen. Sechzig große Stelen mit den gruppenweise genannten Namen der Toten bilden zusammen ein Andreaskreuz, in dessen Mittelpunkt 1998 ein Denkmal errichtet wurde. Ein "Trauernder Jüngling" auf einem Sockel, Bronzeplastik von Marie-Luise Bauerschmidt, blickt suchend in den Himmel und deutet damit in die Richtung, aus der das Unglück kam. Seine linke Hand weist in Richtung der Inschrift "DEN BOMBENOPFERN DER STADT LEIPZIG 1943-1945"[32]. Dieser Teilfriedhof, organisiert vom Grünflächen- und Friedhofsamt der Stadt, geht besonders auf den Einsatz von Soldaten der Bundeswehr aus Erndtebrück in Westfalen und des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit einem internationalen Jugendlager 1998 zurück, worauf eine Erinnerungstafel vor Ort hinweist. Beteiligt war auch die Reservistenkameradschaft Leipzig-Leutzsch.

An anderer Stelle der Sammelgräber mit den Bombentoten steht ein hohes Kreuz aus rötlichem Granit mit der Inschrift im Sockel: "DIE OPFER DES ZWEITEN WELTKRIEGES KLAGEN AN".

Benachbart zu den Bombentoten -auf Teilen der Abteilung XXVII- liegen die betont unauffälligen, bepflanzten Gräberfelder mit deutschen Soldaten. Sie sind nicht als solche erkennbar und ohne individuelle Grabzeichen. Neun Bodenplatten nennen zusammen etwa 600 Namen von hier Beigesetzten, geordnet nach den Todesjahren 1940 bis 1945. Es handelte sich um in den Leipziger Lazaretten Verstorbene, doch auch um Opfer der Luftangriffe.

Die ausländischen Bombenopfer wurden überwiegend auf dem Ostfriedhof Leipzig beigesetzt.

Bilder der Grabstätten der Bombenopfer auf dem Südfriedhof Leipzig (Juli 2019)

Literatur

  • Götz Bergander: Dresden im Luftkrieg. 2. Auflage; Böhlau Verlag, Weimar, Köln, Wien 1994, ISBN 3-412-10193-1.
  • Roger A. Freeman: Mighty Eighth War Diary. JANE´S. London, New York, Sydney. 1981. ISBN 0 7106 0038 0
  • Olaf Groehler: Der Tod im Morgengrauen. In: Flieger-Revue H. 6/1984, S. 178–182 u. H. 7/1984 S. 210–214.
  • Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. Akademie-Verlag, Berlin 1990. ISBN 3-05-000612-9
  • Birgit Horn-Kolditz: Die Nacht, als der Feuertod vom Himmel stürzte. Leipzig, 4. Dezember 1943. (Deutsche Städte im Bombenkrieg), Wartberg-Verlag, Gudensberg-Gleichen 2003, ISBN 3-8313-1340-7.
  • Mark Lehmstedt (Hg.): Leipzig brennt. Der Untergang des alten Leipzig am 4. Dezember 1943 in Fotografien und Berichten. Lehmstedt Verlag, Leipzig 2003, ISBN 3-937146-06-7.
  • Mark Lehmstedt (Hg.): Leipzig in Trümmern. Das Jahr 1945 in Briefen, Tagebüchern und Fotografien. Lehmstedt-Verlag, Leipzig 2004. ISBN 3-937146-16-4
Commons: Luftangriffe auf Leipzig – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: World War II destructions in Leipzig – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. 1990. S. 432
  2. Lehmstedt, 2003, S. 264.
  3. a b Groehler, S. 178.
  4. Fish code names, (britisches Original, PDF; 292 kB), deutsche Übersetzung (PDF; 214 kB), Auf: bunkermuseum.de (Bunkermuseum Emden), abgerufen am 26. September 2017
  5. Lehmstedt, S. 26 u. Bergander, S. 404.
  6. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. 1990. S. 202
  7. RAF Bomber Command Campaign Diary, December 1943 (Memento vom 28. Juli 2012 im Internet Archive)
  8. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. 1990. S. 205
  9. Groehler, S. 178, 211.
  10. Lehmstedt, S. 263 u. Groehler, S. 211.
  11. a b Groehler, S. 211.
  12. Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bombenkrieg 1940–1945, S. 348
  13. Birgit Horn: 2003. S. 54
  14. A.C. Grayling: Die toten Städte. Waren die alliierten Bombenangriffe Kriegsverbrechen? München 2009, S. 371.
  15. Lehmstedt, S. 35.
  16. Verwundungen. 50 Jahre nach der Zerstörung von Leipzig. (Katalog zur Ausstellung vom 4. Dezember 1993 bis 20. Februar 1994 im Alten Rathaus zu Leipzig), Verlag Kunst und Touristik, Leipzig 1993, ISBN 3-928802-34-8, S. 31–35.
  17. Siegfried Hoyer; Lothar Rathmann (Hrsg.): Alma mater Lipsiensis. Geschichte der Karl-Marx-Universität Leipzig. Edition Leipzig, Leipzig 1984, S. 268.
  18. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. 1990. S. 208–209
  19. Horn, S. 201 ff.
  20. Horn, S. 56.
  21. a b Groehler, S. 214.
  22. Horn, S. 57.
  23. Liste (PDF)
  24. Birgit Horn. 2003. S. 27
  25. Birgit Horn: Die Nacht, als der Feuertod vom Himmel stürzte. 2003. S. 27
  26. Birgit Horn: Die Nacht als der Feuertod vom Himmel stürzte. 2003. s. 27
  27. A.C. Grayling: Die toten Städte. Waren die alliierten Bombenangriffe Kriegsverbrechen? München 2009, S. 388.
  28. Groehler, S. 214 u. Bergander, S. 409.
  29. Birgit Horn. 2003. S. 63
  30. Lehmstedt, 2003, S. 264
  31. Beate Berger: Rückblicke Leipzig 1989-1999. Eine Chronik. Hrsg.: Stadt Leipzig, der Oberbürgermeister, das Stadtarchiv Leipzig. Leipziger Universitätsverlag, 2000. S. 1998. ISBN 3-934565-23-9
  32. Katrin Löffler, Iris Schöpa und Heidrun Sprinz: Der Leipziger Südfriedhof. Darin Seite Bombenopfer des Zweiten Weltkriegs. Messedruck Leipzig, 2000. S. 175. ISBN 3-361-00526-4