Agim Hajrizi

Agim Hajrizi (* 20. Februar 1961 in Kosovska Mitrovica, SFR Jugoslawien; † 25. März 1999 ebenda) war ein kosovarischer Menschenrechtler und Gewerkschaftspräsident.[1] In den frühen Morgenstunden des 25. März 1999, als im Kosovokrieg die Luftangriffe der NATO auf Serbien begannen, wurde Agim Hajrizi zusammen mit seinem elfjährigen Sohn Ilir und seiner Mutter in seinem Haus ermordet.[2][3][4]
Leben und politische Betätigung
Hajrizi war seit Juni 1984 mit Aferdita Hajrizi verheiratet. Das Paar hatte drei Kinder und lebte in Mitrovica. Die Familie gehörte der Volksgruppe der Albaner an. Hajrizi erwarb einen Abschluss (ecc. dipl.) im Fach Wirtschaftswissenschaft an der Universität Pristina. Danach war er als Leiter der IT-Abteilung in einer Autobatteriefabrik in Mitrovica beschäftigt. Der zunehmende Druck der jugoslawischen Regierung auf die albanische Volksgruppe führte 1989 zu seiner Entlassung. In der Folgezeit begann er sich für die Rechte der Albaner einzusetzen. Hajrizi wurde Vorsitzender eines lokalen Unterstützungskommittees, 1992 wurde er in einer inoffiziellen Wahl zum Interessensvertreter der Albaner in Mitrovica gewählt. Ferner setzte er sich für die Abschaffung der Blutrache ein und wurde 2015 postum als Vordenker der „Nationalen Bewegung für die Beilegung von Blutfehden“ geehrt.[5] 1995 wurde Hajrizi Vorsitzender der 1990 gegründeten „Union der unabhängigen Gewerkschaften des Kosovo“ (Bashkimi i Sindikatave të Pavarura të Kosovës; BSPK). In dieser Eigenschaft trat er gegenüber jugoslawischen, später serbischen Behörden als Interessensvertreter der albanischen Volksgruppe auf und hielt wöchentlich Pressekonferenzen im Fernsehen ab. Als Folge seiner Tätigkeit wurde er von Mitarbeitern von Polizei und Geheimdiensten wiederholt zu Hause aufgesucht und befragt und mehrmals festgenommen. Dabei wurde er teilweise körperlich misshandelt und bedroht. Seine Ehefrau erhielt telefonische Drohungen. In mehreren Fällen wurden Besucher Hajrizis nach Verlassen des Hauses von Unbekannten verprügelt.
Tod
Mit Beginn der NATO-Luftangriffe auf serbische Ziele am 24. März 1999 begann eine Welle von gezielten Tötungen albanischer Intellektueller und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.[3] Am Mittag des 24. März 1999 wurde in Mitrovica Fliegeralarm gegeben. Nachdem kein Angriff erfolgte, besorgte Hajrizis Ehefrau Lebensmittelvorräte und nach Hajrizis Rückkehr gegen 17:00 Uhr verbarrikadierte sich die Familie im Haus. Um 20:00 Uhr wurde bekannt, dass Flugzeuge der NATO verschiedene serbische Ziele angegriffen hatten. Es kam auf der Straße zu Tumulten. Kurz nach Mitternacht fuhren zwei Fahrzeuge vor dem Haus vor. Die Haustür wurde aufgebrochen, mehrere Personen drangen ein und eröffneten aus automatischen Waffen das Feuer auf Hajrizi, seinen elfjährigen Sohn Ilir und seine Mutter Nazmija. Sie waren sofort tot. Danach entfernten sich die Angreifer mit ihren Fahrzeugen. Hajrizis Ehefrau sagte aus, die Täter hätten Uniformen einer paramilitärischen Polizeieinheit getragen. Mindestens einer der Angreifer war ihr persönlich bekannt, es handelte sich um den Polizisten Nenad Pavićević, der in ihrer Nachbarschaft wohnte.
Prozess
Am 16. November 2000 verurteilte das Bezirksgericht Mitrovica mehrere Personen wegen der Tötung von Agim, Ilir und Nazmija Hajrizi. Unter anderen wurde Nenad Pavićević als Tatbeteiligter zu 20 Jahren Haft verurteilt. Er blieb der Verhandlung fern und ist seither unauffindbar. Es wird angenommen, dass er in Serbien untergetaucht ist.
Die Tat wurde 2002 vor dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien im Verfahren gegen Slobodan Milošević und erneut 2006 im Verfahren gegen Milan Milutinović u. a. behandelt. Dabei sagte Hajrizis Ehefrau als Zeugin aus.[6][7][2] Im Verfahren wurden Akten des Bezirksgerichts von Mitrovica beigezogen.
Sonstiges

- Das Eingreifen der NATO in den Kosovo-Konflikt löste eine erneute Welle sogenannter „ethnischer Säuberungen“ aus; jugoslawischen bzw. serbischen Sicherheitskräften und Paramilitärs wurde dabei vorgeworfen, daneben gezielt potentielle Führungspersönlichkeiten der albanischen Volksgruppe getötet zu haben.[3][8]
- Zu den weiteren Opfern der Welle von Ermordungen gehören der Hochschullehrer und Politiker Latif Berisha und der Rechtsanwalt und Bürgerrechtler Bajram Kelmendi, der Informationen über Gräueltaten an das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag weitergeleitet hatte.[9]
- Nach Agim Hajrizi wurde eine Straße im Stadtzentrum von Mitrovica benannt, unweit seines Wohnorts.[10]
Einzelnachweise
- ↑ Labournet Germany: TRADE UNION LEADER ASSASSINATED IN KOSOVO. 31. März 1999, abgerufen am 19. Januar 2017.
- ↑ a b United Nations International Criminal Tribunal: Aferdita Hajrizi, a Kosovo Albanian wife and mother, responds to questioning in cross-examination about the identity of the perpetrators who killed her husband, son and mother-in-law. In: United Nations International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia. 26. April 2002, abgerufen am 16. Januar 2017.
- ↑ a b c Andy Soltis: ‘DREADFUL’ NEW ATROCITIES REPORTED. In: New York Post. President of the Republic of Kosovo, 24. Juni 2015, abgerufen am 21. Januar 2017.
- ↑ Stephan Israel: Terror unter Ausschluß der Öffentlichkeit. In: tagesspiegel.de. 26. März 1999, abgerufen am 21. Januar 2017.
- ↑ President Jahjaga’s speech held at the marking of the 25th anniversary of the Nationwide Movement for Reconciliation of Blood Feuds. 27. März 1999, abgerufen am 21. Januar 2017.
- ↑ Urteil des Bezirksgerichts Mitrovica vom 16. November 2000, Dokument Nr. K0224338
- ↑ Zeugenaussage der Aferdita Hajrizi vom 22. August 2001, Dokument Nr. K0208928
- ↑ Barry Bearak: Uprooted and Idle, Kosovo's Cultured Pace Streets and Cafes of Their Haven. In: New York Times. 26. April 1999, abgerufen am 21. Januar 2017.
- ↑ Jeffrey Smith: Editor Dodges Police After His 'Demise'. In: Washington Post. 29. April 1999, abgerufen am 21. Januar 2017.
- ↑ Stadtmitte von Mitrovica auf OpenStreetMap
Personendaten | |
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NAME | Hajrizi, Agim |
KURZBESCHREIBUNG | kosovarischer Menschenrechtler und Präsident der Union der Unabhängigen Gewerkschaften des Kosovo |
GEBURTSDATUM | 20. Februar 1961 |
GEBURTSORT | Kosovska Mitrovica |
STERBEDATUM | 24. März 1999 oder 25. März 1999 |
STERBEORT | Kosovska Mitrovica |