STS-121
Space Shuttle | |
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Missionsemblem | |
Datei:Sts121 crewpatch.jpg | |
Missionsdaten | |
Mission: | STS-121 |
Shuttle-Name: | Discovery (OV-103) |
Startplatz: | Kennedy Space Center, Pad 39-B |
Start am: | 4. Juli 2006 18:37:55 UTC |
Landung am: | 17. Juli 2006 13:14:43 UTC |
Landeplatz: | Kennedy Space Center, Bahn 15 |
Dauer: | 12d 18h 36m 48s |
Bahnhöhe: | 340 km |
Bahnneigung: | 51,6 Grad |
Erdumkreisungen: | 202 |
zurückgelegte Strecke: | 8,5 Mio. km |
Mannschaftsfoto | |
![]() v.l.n.r. Stephanie D. Wilson, Michael E. Fossum, Steven W. Lindsey, Piers J. Sellers, Mark E. Kelly, Thomas Reiter, Lisa M. Nowak | |
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STS-121 (englisch Space Transportation System) ist die Missionsbezeichnung für einen Flug des US-amerikanischen Space Shuttles Discovery. Der Start erfolgte am 4. Juli 2006. Es war die 115. Space-Shuttle-Mission, der 32. Flug der Raumfähre Discovery und der 18. Flug eines Shuttles zur Internationalen Raumstation (ISS).
Mannschaft
- Steven W. Lindsey (4. Flug), Kommandant
- Mark E. Kelly (2. Flug), Pilot
- Michael E. Fossum (1. Flug), Missionsspezialist
- Piers J. Sellers (2. Flug), Missionsspezialist
- Lisa M. Nowak (1. Flug), Missionsspezialistin
- Stephanie D. Wilson (1. Flug), Missionsspezialistin
ISS-Crew Hinflug
- Thomas Reiter (2. Flug), Bordingenieur (ESA/Deutschland)
Ersatzmannschaft
- Léopold Eyharts (2. Flug), Bordingenieur (ESA/Frankreich) für Thomas Reiter
Bodenpersonal
- Flugdirektor: Steve Stich während Start und Landung, Tony Ceccacci und Norm Knight während der Zeit im Orbit
- Startdirektor: Michael D. Leinbach
- Verbindungssprecher (CapCom): Steve Frick und Rick Sturckow während Start und Landung, Rick Mastracchio und Lee Archambault während der Zeit im Orbit, Julie Payette für ISS-Tätigkeiten
Missionshöhepunkte
Nach dem Columbia-Unglück im Februar 2003 war dies nach STS-114 der zweite Testflug zur Wiederaufnahme der Shuttle-Flüge, die die NASA unter das Motto „Return to Flight“ gestellt hatte. Zunächst sollte bewiesen werden, dass die Verbesserungen funktionieren, die nach STS-107 und STS-114 angegangen wurden. Deshalb wurde besonders darauf geachtet, dass keine Stücke der Schaumstoffisolierung des Außentanks abplatzen. Während des Starts schienen sich tatsächlich nur wenige Teile gelöst zu haben, die keine Gefahr darstellten.
Wie beim letzten Shuttle-Flug, der ein Jahr zurücklag, wurde in der Umlaufbahn viel Zeit darauf verwendet, den Hitzeschild der Raumfähre auf Beschädigungen zu untersuchen. Diese Inspektionen wurden mit dem 15 Meter langen Abtastsarm (OBSS) vorgenommen. Verbunden mit dem Roboterarm (RMS) des Orbiters, kann so auch die Oberfläche, insbesondere die Unterseite, der Fähre genau untersucht werden. Daneben wurde getestet, wie belastbar beide miteinander verbundenen Arme sind. Dazu wurde während eines Außenbordeinsatzes (EVA) am Ende des OBSS eine Plattform montiert, die zwei Astronauten trug. Ist das RMS/OBSS-System stabil genug, dann wird es künftig möglich sein, einen Astronauten damit in die Nähe von beschädigten Kacheln zu bringen, um sie reparieren zu können. Die Reparatur der empfindlichen Hitzeschutzfliesen war auch Ziel einer weiteren EVA, bei der eine neuentwickelte Spachtelmasse unter Weltraumbedingungen getestet wurde.
Mit dem Flug wurde die Besatzung der ISS um ein Besatzungsmitglied aufgestockt. Damit arbeiten seit der Expedition 6 wieder drei Raumfahrer auf der Station. Thomas Reiter wird voraussichtlich ein halbes Jahr auf der ISS bleiben. Daneben gehörte der Transport von Gütern zu den Aufgaben von STS-121. Ein Großteil der über 4 Tonnen Fracht wurden mit dem Logistikmodul Leonardo (2,4 Tonnen) zur Station gebracht.
Vorbereitungen
Ursprüngliche Planungen
Bei STS-121 handelt es sich um einen eingeschobenen Flug, der von der NASA im Jahr 2003 ins Programm genommen wurde, als sich herausstellte, dass die Aufgaben, die STS-114 nach der durch den Columbia-Absturz verursachten Zwangspause zu bewältigen hatte, für eine Mission zu umfangreich sein würden. Für die NASA sind deshalb STS-114 und STS-121 miteinander verbunden und sie sieht beide Missionen als Testflüge an, die die Wiederaufnahme der Shuttle-Flüge unter der Bezeichnung „Return to Flight“ dokumentieren sollen. (Noch zu Beginn des Jahres 2003 sah die Planung der NASA vor, dass die Columbia unter der Bezeichnung STS-121 im April 2004 das Hubble-Weltraumteleskop anfliegen sollte, um es zu warten. Kurz vor dem Start von STS-107 war die Hubble-Mission (jetzt STS-124) auf den Februar 2005 verschoben worden und STS-121 erhielt den Auftrag, die ISS im Sommer 2004 mit der Discovery anzufliegen.)
Die ersten Planungen sahen einen Start im November 2004 vor, als die NASA-Leitung im Herbst 2003 davon ausging, STS-114 im September 2004 durchführen zu können. Mit der Verschiebung von STS-114 sollte sich auch der Beginn von STS-121 verzögern. Als die Discovery schließlich Ende Juli 2005 zur ISS aufbrach, sollte die Raumfähre Atlantis zwei Monate später folgen. Während des Starts von STS-114 lösten sich jedoch wieder Teile der Schaumstoffisolierung des Außentanks, und so setzte die US-Raumfahrtbehörde, noch bevor die Discovery zur Erde zurückgekehrt war, alle weiteren Flüge aus. Zunächst sollte endlich geklärt werden, warum immer wieder Teile der Isolierung abplatzten, und dafür eine Lösung gefunden werden.
Mit einem Start sei frühestens im November 2005 zu rechnen, erklärte William Gerstenmaier, der Leiter des ISS-Programms und mit der Untersuchung der sich lösenden Isolierung Beauftragte, kurz nach der Landung von STS-114. Nur eine Woche darauf musste Gerstenmaier einräumen, dass man viel mehr Zeit benötige – mindestens ein halbes Jahr. Alle drei bereits ausgelieferten Außentanks würden zur Überarbeitung an den Hersteller, die Michoud Assembly Facility (MAF) in Louisiana, zurückgeschickt werden, erklärte er. Außerdem hätte man sich für einen Tausch des Orbiters entschieden. Wie bei STS-114 werde die Discovery mit der Durchführung von STS-121 beauftragt, um die Atlantis für die Mission STS-115 verwenden zu können, bei der schwere Komponenten zur ISS geflogen werden müssten. Diese Entscheidung wurde getroffen, weil die Atlantis etwas leichter ist als die Discovery und deshalb mehr Nutzlast tragen kann.
In der Folge gab es eine ganze Reihe von Zwischenfällen und weiteren Problemen, sowohl am Orbiter als auch am Außentank, die das Programm weiter verzögerten.
Probleme am Außentank
Da der Hurrikan Katrina Ende August 2005 die MAF, die sich östlich von New Orleans befindet, schwer beschädigt hatte, sah sich die NASA gezwungen, den Start auf Mai 2006 zu verschieben. Die MAF-Anlage stand unter Wasser, es gab keinen Strom und zeitweise wurde sie vom US-Militär als Basis für Hilfsaktionen genutzt. Außerdem hatten die Arbeiter genug eigene Probleme, denn mehr als die Hälfte war obdachlos geworden. Erst Anfang November nahm die MAF die Arbeit wieder auf.
Als mögliche Ursache für die Probleme mit der Schaumstoffisolierung wurden die sogenannten PAL-Schwellen (Protuberance Air Load) erkannt. Diese Schwellen decken die außen am Tank verlaufenden Treibstoffleitungen zum Orbiter mit Schaum ab, um sie gegen Luftverwirbelungen zu schützen. Diese Isolierung ist jedoch sehr exponiert und platzt leicht ab. Im Dezember 2005 entschloss sich die NASA deshalb, zumindest bei diesem Flug auf die PAL-Schwellen zu verzichten. Ein entsprechend umgebautes Modell traf Anfang März 2006 im Kennedy Space Center (KSC) ein.

Ein weiteres Problem waren die Treibstoffsensoren im Außentank, die bereits Startverzögerungen von STS-114 verursacht hatten. Die sogenannten Engine-Cutoff-Sensoren (ECOs), die die Füllstände messen, hatten bei Tests Unregelmäßigkeiten gezeigt. Sie sollen die Haupttriebwerke rechtzeitig abschalten, wenn der Tank vorzeitig einen zu niedrigen Füllstand aufweist. So wird verhindert, dass die Turbopumpen leerlaufen, durchdrehen und explodieren, was den Orbiter schwer beschädigen würde. Mitte März kündigte Wayne Hale, der Manager des NASA-Shuttle-Programms an, dass die Sensoren vorsorglich ausgetauscht würden. Ein Starttermin im Mai sei deshalb nicht zu halten.
Gleichzeitig mit dem Auswechseln der ECO-Sensoren wurde an der Spitze des Außentanks das Überdruckventil ausgewechselt, das den Druck in den beiden Treibstoffbehältern reguliert. Beim Umstellen einer Halogenlampe, die den Bereich des Ventils ausleuchtete, fiel diese gegen die Wand des Tanks. Dabei wurden einige Schrammen in den rostbraunen Isolierschaum geschlagen, von denen die größte 18 Zentimeter lang war. Das abgeplatzte Material wurde in der ersten Aprilwoche wieder aufgetragen.
Anfang April zeigten sich neue Probleme mit dem Außentank. Bei Windkanaltests mit einem originalgetreuen Modell des Tanks, die die NASA von der US-Luftwaffe in deren riesiger Anlage in der Nähe von Tullahoma (Tennessee) durchführen ließ, waren erneut Teile der Isolierung abgeplatzt. Diesmal im Bereich der sogenannten Vereisungsschwellen (sieben dieser „Ice/Frost-Ramps“, von denen jede etwa 30 Zentimeter lang ist, befinden sich am Wasserstoff- und zwei am Sauerstoffbereich). Sie sorgen dafür, dass sich beim Einfüllen des eiskalten Treibstoffes kein Eis an den Leitungen außen am Tank bildet. Die Schwellen waren neu konzipiert worden, um die Menge des aufgetragenen Isoliermaterials zu verringern.
Der Tank wurde Mitte April im VAB auf der Startplattform mit den beiden bereits fertig aufgebauten Feststoffraketen verbunden. Zuvor hatte die NASA entschieden, diese Mission nach den missglückten Windkanaltests nun doch mit den alten Frost-Schwellen zu fliegen. Diese Entscheidung sorgte innerhalb der NASA und vor allem zwischen den NASA-Managern und Lockheed-Martin, dem Hersteller des Außentanks, für große Differenzen. Einige Ingenieure waren dafür, mit dem Start so lange zu warten, bis man eine sicherere Konfiguration gefunden hätte. Andere, unter ihnen auch Shuttle-Manager Wayne Hale, waren jedoch dagegen, weil sie neben dem Entfernen der PAL-Schwellen keine zweite schwergewichtige Änderung machen wollten.
Am 4. Mai hatten die Verantwortlichen entschieden, keinen Betankungstest durchzuführen. Es hatte Überlegungen gegeben, wegen der Problematik mit den ECO-Sensoren, eventuell Anfang Juni den Außentank zu befüllen, um das Verhalten der Sensoren unter realen Bedingungen zu testen. Man befürchtete jedoch, dass ein mehrmaliges Befüllen zu Rissen im Isolationsmaterial führen könnte. Diese würden die Gefahr abplatzender Teile vergrößern, weil sich so Luftturbulenzen bilden könnten.
Einen Monat später, am 7. Juni, wurde der Tank endgültig für flugtauglich erklärt, was zehn Tage später während der Flugbereitschaftsabnahme nochmals bestätigt wurde.
Probleme am Orbiter

Während der Startvorbereitungen kam es Anfang März in der Wartungshalle (Orbiter Processing Facility) des Orbiters am KSC zu einem Unfall. Eine Lampe zerbrach und Glasscherben fielen in die geöffnete Nutzlastbucht. Techniker entfernten die Scherben mit teleskopartigen Hebebühnen. Dabei wurde die Isolierung des Robotarms (RMS) durch einen drei Zentimeter langen, nicht sichtbaren Riss beschädigt. Zwecks Ausbesserung und weiterer Inspektion wurde der beschädigte Teil des RMS zum Hersteller nach Kanada geschickt. Ende März traf das reparierte Stück wieder am KSC ein. Nachdem der Arm wieder zusammengesetzt und seine Funktionsfähigkeit überprüft worden war, wurde er kurz vor Ostern in den Orbiter eingebaut.

Der RMS wurde speziell für diesen Flug präpariert. Während des Fluges sollten der RMS- und der OBSS-Arm miteinander verbunden und zwei Astronauten sich erstmals am Ende des OBSS als „Ballast“ befinden. Die Belastungen, die dabei auf das RMS/OBSS-System wirken, sollten mit besonderen Sensoren ermittelt werden.
Ende April wurde eines der drei Haupttriebwerke ausgetauscht, weil die Treibstoffleitungen bei Dichtigkeitstests kleine Lecks gezeigt hatten. Damit waren die Arbeiten am Orbiter abgeschlossen und er wurde am 12. Mai in das VAB überführt. Dort wurde die Discovery mit dem Außentank sowie den beiden Feststoffraketen verbunden und auf eine Startplattform gesetzt. Genau eine Woche später rollte die Fähre dann zur Startrampe.
Am 17. Juni wurden während der traditionellen Flugbereitschaftsabnahme, dem so genannten Flight Readiness Review, sämtliche Systeme der Discovery besprochen und für startbereit erklärt. Das vorläufige Startdatum 1. Juli wurde bestätigt.
Ersatzorbiter
Wie beim letzten Flug (STS-114) hielt die NASA einen zweiten Orbiter für den Fall bereit, dass die Discovery während des Starts beschädigt worden wäre. Die Atlantis hätte die Rettungsmission frühestens Ende August unter der Bezeichnung STS-300 durchgeführt und die STS-121-Besatzung sicher zur Erde gebracht. Bis dahin hätten die Astronauten auf der ISS ausharren müssen. Die Ressourcen der Raumstation würden für neun Personen – sechs Shuttle- und drei ISS-Raumfahrer – nach Angaben der NASA zwölf Wochen ausreichen.
Dies ist die erste Mission, bei der es möglich ist, die Raumfähre ferngesteuert landen zu lassen. Dazu hat die Discovery ein 8,5 Meter langes Kabel an Bord, das die Kontrollen des Flugdecks mit einer Steuerungsbox im Mitteldeck verbindet und der Bodenkontrolle erlaubt, das Shuttle unbemannt zu landen. Dadurch kann das Kontrollzentrum in Houston Dinge ausführen, die sonst die Piloten tun – beispielsweise das Fahrwerk auszufahren oder den Bremsfallschirm zu aktivieren.[1]
Missionsverlauf
Start
(Alle Uhrzeiten in UTC = MESZ − 2 Stunden)
Die 115. Space-Shuttle-Mission (die 90. seit der Challenger-Katastrophe) begann am 4. Juli um 18:38 UTC, nachdem die ersten beiden Startversuche – 1. Juli (19:49 UTC) und 2. Juli (19:26 UTC) – wegen ungünstiger Wetterverhältnisse abgebrochen werden mussten.
1. Startversuch, 1. Juli 2006
Der Countdown begann am 28. Juni 2006 um 21:00 UTC bei der T-43-Stunden-Marke. Einen Tag vorher kam die Besatzung, die bisher in Houston (Texas) trainiert hatte, im KSC an. Die Meteorologen der NASA gingen zu Beginn des Countdowns von einer Wahrscheinlichkeit von 40 Prozent aus, dass der Start wie vorgesehen stattfinden könne. Es wurde befürchtet, dass Sommergewitter auftreten können. Diese Angst war nicht unbegründet, denn schon am 27. Juni hatte ein Blitz in eine Verteileranlage nahe der Startrampe eingeschlagen.
Am 1. Juli gegen 13:00 UTC war die dreistündige Befüllung des Außentanks mit Flüssigsauerstoff und -wasserstoff abgeschlossen. Auch ein Funktionstest der ausgetauschten ECO-Sensoren, die beim letzten Flug Probleme gezeigt hatten, verlief einwandfrei. Inzwischen hatte sich auch die Wettervorhersage gebessert und die US-Raumfahrtbehörde rechnete mit einer Wahrscheinlichkeit von 60 Prozent, dass der Start doch stattfinden könne. Während der Betankung trat ein technisches Problem auf, das daraufhin von den Verantwortlichen diskutiert wurde: Ein Heizelement für eine Steuerungsdüse am Orbiter arbeitete nicht. Es wurde beraten, ob man mit der defekten Düse starten oder sie austauschen solle. Eine Stunde vor dem geplanten Start entschied die NASA, keine Reparatur anzuordnen (würde 12 Tage dauern) und nicht abzubrechen.
Die Besatzung wurde kurz nach 9:00 UTC geweckt, frühstückte und legte ihre orangefarbenen ACES-Start- und Landeanzüge (Advanced Crew Escape Suit) an. Gegen 16:00 UTC verließen alle Astronauten das Crewquartier, fuhren in Richtung Startrampe und stiegen dann in die Raumfähre ein.
Trotz Schauern am Nachmittag wurde der Countdown nicht abgebrochen. Erst um 19:41 UTC, also acht Minuten vor dem geplanten Abheben, wurde die Countdown-Uhr angehalten und der Start um 24 Stunden verschoben. Gewitterwolken hatten sich bis auf 35 Kilometer dem KSC genähert, die Sicherheitsvorschriften verlangen aber eine Mindestentfernung von 55 Kilometern. Mögliche Blitzschläge hätten so eine eventuelle Notlandung des Orbiters am Startplatz verhindert.
2. Startversuch, 2. Juli 2006
Der zweite Startversuch war für Sonntag, den 2. Juli um 19:26 UTC (21:26 MESZ) geplant. Bezüglich der Wetterlage sah es für den zweiten Startversuch sogar noch schlechter aus als einen Tag zuvor: die Vorhersage der NASA, den Start wegen schlechten Wetters erneut verschieben zu müssen, lag bei 70 Prozent. Grund waren wieder Schauer und Gewitterwolken. Am Nachmittag zog auch tatsächlich ein Gewitter über das Startgelände.
Ausschlaggebend für den Start ist nicht nur das Wetter in Florida. Gleichzeitig müssen auch auf den Notlandeplätzen gute Witterungsverhältnisse gegeben sein. Für diesen Flug standen zwei Plätze in Spanien (Saragossa und Moron) sowie Istres in Südfrankreich als Ausweichflugplätze zur Verfügung. Für den zweiten Startversuch war nur das Wetter in Moron annehmbar. Auf den beiden anderen Plätzen war das Wetter ähnlich dem am KSC.
Um 17:14 UTC, als die Mannschaft bereits eingestiegen und angeschnallt war, brach die NASA den Start erneut wegen der unsicheren Wetterlage ab. Er wurde auf den 4. Juli (Dienstag) verschoben. Die 48-stündige Verschiebung wurde benötigt, um die Tanks für flüssigen Sauerstoff und flüssigen Wasserstoff in der Nutzlastbucht des Shuttles wieder aufzufüllen. Damit werden die Brennstoffzellen betrieben, die die Bordelektrik versorgen. Sie wurden am 1. Juli um 4:00 UTC gestartet und sollten erst nach erfolgter Landung abgeschaltet werden. Würden die Tanks nicht aufgefüllt, müsste die Discovery eine verkürzte Mission fliegen, weil nicht genügend Energie vorhanden wäre. Hierbei ging es um den 13. (optionalen) Missionstag. Um den zusätzlichen Flugtag nutzen zu können, wäre ein Auffüllen auch bei einem Start am 3. Juli erforderlich; dieses hätte aber unter Zeitdruck erfolgen müssen.
Bereits am 1. Juli wurde seitens der NASA ins Gespräch gebracht, bei einem weiteren Abbruch gleich auf den 4. Juli zu verschieben. Bei dieser Gelegenheit wurde auch die zusätzliche Belastung der Techniker und der Astronauten angesprochen.
Zwei Experimente, darunter ein mikrobiologisches, wurden bis zum dritten Startversuch ebenfalls ausgebaut und neu aufbereitet.
3. Startversuch und Start, 4. Juli 2006

Beim dritten Versuch am 4. Juli gelang der Start. Pünktlich zum festgesetzten Zeitpunkt um 18:37:55 UTC hob die Discovery von der Startrampe ab. Diesmal gab es auch von Seiten der Meteorologen keine Einwände: Es war ein sonniger Tag mit 30 Grad Celsius Lufttemperatur und leichter Bewölkung.
Am Vortag war ein 13 Zentimeter langer Riss in der Schaumstoffisolierung an einer Strebe der Sauerstoffzuleitung vom Außentank entdeckt worden. Außerdem fand man auf der Startplattform ein 8 Zentimeter großes und einen halben Zentimeter dickes Schaumstoffstück, das sich von dieser Stelle gelöst hatte. Durch sein Gewicht von 2,5 Gramm hätte dieses Stück Schaum allerdings keine Gefahr für den Orbiter dargestellt, wenn es während des Starts vom Tank abgefallen wäre und den Orbiter getroffen hätte.
Es kamen jedoch Bedenken auf, ob noch eine ausreichende thermische Isolation sichergestellt sei und ob sich durch das Einfüllen von flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff nicht zu viel Eis bilden würde. Die Verantwortlichen entschieden jedoch noch am Montag, dass beides keinerlei Sicherheitsrisiko darstelle. Als wahrscheinlichste Ursache für das Abplatzen wurde die Bildung von Eis in einer Ritze genannt, welche sich aufgrund der Entleerung und der folgenden Erwärmung und Ausdehnung des Tanks gebildet haben soll. [2]

Während des Starts fielen erneut einige kleine Teile vom Außentank ab. Nach Angaben der NASA lösten sich drei oder vier Stücke knapp drei Minuten nach dem Verlassen der Rampe, ein weiteres Stück zwei Minuten später. Ob es sich dabei um Eis oder Teile der Isolation gehandelt habe, könne man nicht sagen. Die Astronauten Fossum und Wilson hatten die Aufgabe, die Trennung des Tanks zu filmen. Fossum meldete, er könne etwas erkennen, das wie ein Stück Stoff aussehe und zwischen Orbiter und Tank schwebe. Es sei etwa anderthalb bis vielleicht zweieinhalb Meter groß. Er vermutete, dass es sich dabei um ein Stück des Hitzschildes handelte. Bildauswertungen ergaben, dass es eine große Eisplatte war.
Shuttle-Programmmanager Wayne Hale erklärte auf einer ersten Pressekonferenz, dass der Tank „sehr, sehr gut“ gearbeitet habe. Man habe nichts entdeckt, was zu Besorgnis Anlass gebe.
Im Orbit
1. Missionstag, 4. Juli 2006
Eineinhalb Stunden nach dem Start der Raumfähre wurden die Ladebuchttore geöffnet und die Kommunikations- und Bordsysteme überprüft.
2. Missionstag, 5. Juli 2006
Am zweiten Flugtag wurde die Mannschaft um 9:08 UTC geweckt. Sie durfte eine halbe Stunde länger schlafen als geplant. Ziel des ersten ganzen Tages im Orbit war das Überprüfen des Hitzeschildes der Raumfähre auf eventuelle Beschädigungen. Dabei wurden über den Tag verteilt – insgesamt sechseinhalb Stunden lang – die Hitzeschutzkacheln mit dem neuen OBSS-Inspektionsarm (Orbital Boom Sensor System) untersucht, der erstmals vor einem Jahr auf STS-114 zum Einsatz kam.
Zentimeterweise wurden mit hoch auflösenden Kameras und Laser-Sensoren die Orbiter-Nase sowie die rechte Tragfläche inspiziert. Diese Bereiche sind nach dem Andocken an die Station nicht mehr mit dem Roboterarm zugänglich. Dabei arbeitet das OBSS-Verfahren größtenteils automatisch: die abzutastenden Sektionen wurden programmiert. Die Astronauten greifen nur im Ausnahmefall ein, oder wenn zu einem anderen Gebiet geschwenkt wird. Die Astronauten Wilson, Nowak und Fossum wechselten sich dabei immer wieder ab, da es sehr ermüdend ist, lange Zeit die gefilmten Gebiete auf dem Monitor konzentriert zu beobachten. So ist man in der Lage, auch kleinste Schäden an der lebenswichtigen Isolation aufzuspüren.
Eine erste Auswertung der Überprüfungsaktion des Hitzeschildes ergab, dass er beim Start keine größeren Schäden davontrug. Flugdirektor Tony Ceccacci erklärte, dass es noch zu früh sei, um das endgültig sagen zu können. Die abschließende Analyse würde erst in etwa zwei Tagen vorliegen. Lediglich am rechten Flügel wurde ein Füllstreifen entdeckt, der zwischen zwei Hitzeschutzkacheln hervorsteht. Dieser befindet sich jedoch nicht an einer kritischen Stelle und muss nicht unbedingt entfernt werden. Zudem wurden ebenfalls an der rechten Tragfläche drei weiße Kleckse gefunden, bei denen es sich laut Flugdirektor Ceccacci mit größter Wahrscheinlichkeit um Vogelkot handelt. Die Ingenieure würden die Bilder aber noch weiter untersuchen, um sicher zu sein.
Während die Missionsspezialisten sich bei der aufwändigen Inspektion am Roboterarm ablösten, brachten Kommandant Lindsey und Pilot Kelly die Raumfähre durch mehrmaliges Einschalten der Manövriertriebwerke immer näher an die ISS. Außerdem überprüfte man die Raumanzüge auf ihre Funktionstüchtigkeit.
3. Missionstag, 6. Juli 2006

Der dritte Flugtag stand ganz im Zeichen der Internationalen Raumstation. Nachdem die Besatzung um 7:38 UTC mit dem Song „Daniel“ von Elton John für Thomas Reiter geweckt worden war (Reiter hat einen Sohn mit diesem Namen), bereitete man sich auf die Kopplung vor. Als der Orbiter die Station erreicht hatte, stoppte er in 180 Meter Entfernung. Wie bereits bei STS-114 wurde die Discovery von Kommandant Lindsey genau eine Stunde vor der Kopplung langsam um 360° über die Nickachse gedreht, damit die ISS-Crew hochauflösende Fotos von der Unterseite der Fähre anfertigen konnte. 350 Aufnahmen wurden innerhalb von neun Minuten gemacht und umgehend zum Kontrollzentrum gesendet. Die Auswertung ergab, dass der Hitzeschild völlig intakt ist. Es wurden nur zwei Füllstreifen entdeckt, die etwa einen Zentimeter hervorstehen, aber keine Gefahr darstellen sollen.
Genau nach Zeitplan dockte die Discovery um 14:52 UTC an die Raumstation an. Nach den notwendigen Dichtigkeitstests wurden die Luken geöffnet. Die Erlaubnis dazu kam 20 Minuten früher als vorgesehen um 16:30 UTC. Die siebenköpfige Mannschaft der Discovery wurde herzlich von den beiden ISS-Hausherren begrüßt. Für Winogradow und Williams war es der erste Besuch seit sie die Station Anfang April übernahmen.
Nach einer kurzen Sicherheitseinweisung wurde der vom Shuttle mitgebrachte Schalensitz von Reiter in der russischen Sojus-Kapsel installiert. Damit gehört er offiziell zur Besatzung der Raumstation.
In Vorbereitung auf die Weltraumausstiege der nächsten Tage wurden die Raumanzüge der Missionsspezialisten Fossum und Sellers an Bord der ISS gebracht.
4. Missionstag, 7. Juli 2006
Mit dem Roboterarm der Raumstation wurde am vierten Flugtag das in Italien gefertigte Logistikmodul Leonardo aus dem Frachtraum der Discovery gehievt und mit der ISS verbunden. Eineinhalb Stunden später als im Flugplan vorgesehen wurde Leonardo um 12:15 UTC am Modul Unity angekoppelt. Es beinhaltete über drei Tonnen Güter, Ausrüstungsteile und Experimente, die von der 13. Stammbesatzung der ISS dringend gebraucht wurden. Dazu gehörte die erste der drei von der ESA entwickelten Gefriereinrichtungen MELFI (Minus Eighty degree Laboratory Freezer for the International Space Station), die für die Langzeitlagerung von biologischen Proben und Forschungsergebnissen bei minus 80 Grad Celsius konzipiert wurde. Weiter zählten der Pflanzenzuchtinkubator EMCS (European Modular Cultivation System) dazu und der perkutane Muskelstimulator PEMS (Percutaneous Electrical Muscle Stimulator) für humanphysiologische Experimente.
Später begannen die Astronauten mit dem Entladen des Containers. Thomas Reiter kam dabei eine besondere Verantwortung zu, denn er leitete als „Lademeister“ das Umpacken. Dieser Frachttransfer dauerte mehrere Tage.
Im weiteren Verlauf des Tages widmeten sich die Missionsspezialistinnen Nowak und Wilson zusammen mit Pilot Kelly einer weiteren vierstündigen Überprüfung der Hitzeschutzkacheln. Auf dem Programm standen ausgewählte Gebiete, die beim ersten Scan aufgefallen waren – darunter die Flügelvorderkanten und die hervorstehenden Füllstreifen. Beim letzten Flug ein Jahr zuvor hatte sich die NASA entschieden, einen Ausstieg (EVA) anzuordnen, um die Kunststoffstreifen zu entfernen, die sich gelöst hatten.
Flugdirektor Tony Ceccacci gab bekannt, dass die Missionsleitung einen zusätzlichen Flugtag genehmigt habe. Dies bedeute, dass eine dritte EVA der beiden Astronauten Fossum und Sellers durchgeführt werde. Falls erforderlich, würden dabei die beiden Füllstreifen entfernt. Eine dritte EVA war ursprünglich geplant, wurde jedoch lange vor dem Start wieder gestrichen, weil das Arbeitspensum für die Mannschaft zu umfangreich sei.
5. Missionstag, 8. Juli 2006
Für den 8. Juli stand der erste von insgesamt drei Außenbordeinsätzen (EVAs) auf dem Programm. EVA-1 begann um 13:17 UTC, als der ausstiegserprobte Missionsspezialist Piers Sellers und der Neuling Mike Fossum ihre Raumanzüge auf interne Stromversorgung umschalteten. Kurz darauf verließen sie die Raumstation durch die Luftschleuse Quest.

Ein Ziel der EVA war, ein beschädigtes Kabel des Mobilen Transporters zu ersetzen. Außerdem wurde der Robotarm (RMS) des Orbiters mit dem Inspektionsarm (OBSS) verbunden – wie bereits zur Überprüfung des Kachelzustands geschehen. Die NASA wollte so erfahren, ob das 30 Meter lange RMS/OBSS-System stabil genug ist, um Astronauten tragen zu können und im Fall einer Kachelreparatur als Arbeitsplattform zu dienen. Gesteuert von Lisa Nowak und Stephanie Wilson aus dem Shuttle-Cockpit, stieg erst Sellers auf die Plattform am Ende des OBSS. Später kam Fossum dazu, der zunächst alles aus der Nutzlastbucht beobachtet hatte. Entgegen den Erwartungen der Ingenieure, wurden Schwingungen sehr schnell gedämpft. Die Plattform scheint also stabil genug für Arbeiten zu sein. Nach 7 Stunden und 31 Minuten endete der erste Außeneinsatz um 20:48 UTC.
Im Innern der Station waren die übrigen Astronauten mit dem Entladen des Logistikmoduls Leonardo beschäftigt.
John Shannon, Vorsitzender der Flugleitung, gab bekannt, dass die Auswertung der Daten über den Zustand der Hitzeschutzkacheln abgeschlossen sei. Bis auf eine Stelle befände sich der Hitzeschild in bestem Zustand. Die Techniker müssten noch die Aufzeichnungen über einen der hervorstehenden Füllstreifen an der Unterseite der Discovery analysieren.
6. Missionstag, 9. Juli 2006
Hauptpunkt der Aktivitäten vom 9. Juli waren das weitere Entladen von Leonardo. Nach Angaben der NASA waren zu Beginn dieses Arbeitstages erst 20 Prozent aller Güter aus Discovery und Leonardo in die Raumstation gebracht worden.
Gegen 16:00 UTC gaben alle neun Raumfahrer im Modul Destiny eine ausführliche Pressekonferenz. Angesprochen auf seinen ein Jahrzehnt zurückliegenden Flug zur Raumstation Mir und einen Vergleich zur jetzigen Mission, erwiderte Reiter, dass die ISS bereits im Augenblick mehr Platz biete, als die voll ausgebaute russische Station. Es sei alles viel großzügiger dimensioniert. Zur Zeit sei ein volles Pensum zu absolvieren, so dass wenig Zeit für Anderes bleibe. Wenn die Raumfähre abgedockt habe, würde er sofort mit seinem Fitnessprogramm beginnen, um die körperlichen Strapazen des bevorstehenden Außenbordeinsatzes Anfang August problemlos meistern zu können. Auf die EVA mit seinem US-Kollegen freue er sich.
Unmittelbar bevor für die Raumfahrer der Tag zu Ende ging, wurden sie von der Bodenkontrolle mit guten Nachrichten versorgt: die NASA-Ingenieure hätten alle Daten und Aufnahmen des Hitzeschildes sorgfältig geprüft und er sei „hundertprozentig klar zum Wiedereintritt“. Die Discovery-Crew nahm die Meldung mit Erleichterung auf.
7. Missionstag, 10. Juli 2006
Die Besatzung der Discovery wurde um 6:08 UTC mit dem Lied „Clocks“ der Gruppe Coldplay geweckt. Seine Familie hatte es für Piers Sellers ausgesucht, der im weiteren Verlauf des Tages seinen insgesamt fünften Außenbordeinsatz (EVA) durchführte. Die Mannschaft der Raumstation wurde eine halbe Stunde später mit dem Standardton geweckt.

Sellers und Mike Fossum verließen wie vorgesehen um 12:14 UTC die Quest-Schleuse und begannen die zweite EVA dieser Mission. Zunächst hoben die beiden eine Ammoniakpumpe (sie wird für das Kühlsystem der Raumstation benötigt) aus dem Frachtraum der Raumfähre und verstauten sie im „Ersatzteillager“ der ISS. Es handelt sich um ein Reservegerät, das erst gebraucht wird, wenn die ISS weiter ausgebaut ist. Hauptaufgabe war jedoch das Auswechseln eines Fernseh- und Datenkabels, das für die Funktion des ISS-Transportwagens – kurz MT genannt für Mobile Transporter – wichtig ist. Er wird verwendet, um den Robotarm der Station an seine Einsatzorte zu bringen. Der Wagen war vor genau sieben Monaten ausgefallen, als eine Trennvorrichtung im MT eines der beiden Datenkabel durchschnitt. Fossum und Sellers konnten alle gestellten Aufgaben der EVA erfüllen, die nach 6 Stunden und 47 Minuten endete.
Während des Ausstiegs gab es etwas Aufregung, als sich das kleine Rettungsgerät (SAFER) von Sellers' Raumanzug löste. Er war zwar nicht in Gefahr, weil er durch eine Sicherungsleine immer noch mit dem „Raketenrucksack“ verbunden war, trotzdem kam ihm Fossum zu Hilfe.
An den EVA-Aktivitäten waren alle Shuttle-Astronauten beteiligt, während die drei ISS-Männer weiterhin mit dem Ausladen des Leonardo-Moduls beschäftigt waren.
8. Missionstag, 11. Juli 2006
Die Flugleitung war hocherfreut über den Ausgang der zweiten Außenbordtätigkeit. Erste Daten zeigten, dass der tags zuvor reparierte ISS-Transportwagen (MT) wieder voll funktionstüchtig ist. Er ist unverzichtbar für den weiteren Ausbau der Raumstation. In der morgendlichen E-Mail dankte das Kontrollzentrum den „All-Arbeitern“ für ihre geleistete Arbeit.
Phil Engelauf, der oberste Flugdirektor, erklärte, dass der bisherige Flugverlauf der Discovery optimistisch stimme, die Atlantis wie geplant Ende August starten zu können.
Hauptaufgabe des achten Flugtages war das weitere Entladen des Leonardo-Moduls. Am Ende hatten die Astronauten rund 90 Prozent aller Güter umgeladen. Daneben warteten Piers Sellers und Mike Fossum ihre Raumanzüge für ihren dritten Ausstieg.
Nach dem Mittagessen erhielten die Astronauten einen „wichtigen“ Anruf aus dem Oval Office des Weißen Hauses: US-Präsident George Bush beglückwünschte gegen 14:30 UTC die ISS-Bewohner zu ihrer guten Arbeit.
9. Missionstag, 12. Juli 2006
Für den neunten Tag stand der dritte Ausstieg (EVA) im Mittelpunkt der Aktivitäten. Um 11:20 UTC stiegen Piers Sellers und Mike Fossum über die Luftschleuse Quest aus. Nachdem sie eine Fußhalterung am ISS-Roboterarm montiert hatten, machte sich Sellers daran fest und ließ sich über die Nutzlastbucht der Raumfähre hieven. Mit einer Infrarotkamera fertigte er Einzelbilder sowie einen 20-Sekunden-Film der Flügelvorderkanten an. Mit Hilfe dieser Aufnahmen wollen die NASA-Ingenieure Beschädigungen aufspüren, die oberflächlich nicht zu entdecken sind.

Danach erprobten die beiden Astronauten Reparaturmethoden an Hitzeschutzkacheln. Dazu befand sich in der Nutzlastbucht eine Palette mit einem Dutzend präparierter Kacheln. Nach dem Absturz der Columbia im Februar 2003 tüftelte die NASA an Instandsetzungstechniken für den Hitzeschild. Noch im Entwicklungsstadium ist eine Spezialspachtelmasse, die kleine Risse und Fugen abdichten soll. Fossum und Sellers experimentierten mit dem Kleber, um festzustellen, wie gut sich dieser unter Weltraumbedingungen auftragen und verteilen lässt. Danach wurden auch von den Testkacheln Infrarotaufnahmen gemacht. Zum Vergleich fertigte man sowohl von den behandelten als auch von den unbehandelten Fliesen Fotos und einen einminütigen Film an. Die dritte und letzte EVA dieser Mission ging nach 7 Stunden und 11 Minuten zu Ende.
Während der EVA verlor Piers Sellers einen Spachtel, den er für die Reparatur-Experimente verwendet hatte. Die Bodenkontrolle konnte den wegschwebenden Spachtel auf Kamerabildern beobachten und kam zum Schluss, dass seine Flugbahn keine Gefahr für den Orbiter oder die Station darstelle. Es kommt nur sehr selten vor, dass während eines Außenbordeinsatzes Werkzeug verloren geht.
Die dreiköpfige Mannschaft der Raumstation belud während der EVA das Logistikmodul Leonardo. Insgesamt sollten knapp zwei Tonnen nicht benötigter Geräte, zur Auswertung bereiter Proben und Abfall zurück zur Erde gebracht werden.
10. Missionstag, 13. Juli 2006
Nach den sehr arbeitsreichen Tagen genehmigte die Flugleitung den Astronauten einige Stunden Freizeit, allerdings immer wieder unterbrochen von offiziellen Interviews und Fernsehübertragungen.
Den ersten dieser offiziellen Programmpunkte hatte Thomas Reiter gegen 8:15 UTC zu absolvieren. Eine viertel Stunde hatten bayerische Schüler Gelegenheit, den Deutschen zu seinen ersten Eindrücken auf der Raumstation zu befragen. Es waren Gymnasiasten einer 7. Klasse, die auf Einladung ins DLR-Kontrollzentrum nach Oberpfaffenhofen gekommen waren. Reiter erklärte, dass seine Arbeit „hoch interessant“ sei, wenn man auch zunächst noch damit beschäftigt sei, die Bordsysteme zu warten, bevor die Experimente gestartet würden. Die Schwerelosigkeit demonstrierte Reiter, indem er ein Handbuch vor der Kamera schweben ließ und einen Kopfstand vollführte.
Zwischenzeitlich hat sich ein Problem an einem System der Raumfähre eingestellt: Zwei der drei Hilfskraftanlagen (APUs), die die Hydraulik betreiben, zeigten kleine Abweichungen. Ein Gerät wies einen geringen Druckabfall auf und die andere APU hatte einen Defekt in der Wärmeregulierung. Die Ingenieure des Kontrollzentrums machten sich auf die Suche nach der Ursache, um die Fehler beseitigen zu können.
11. Missionstag, 14. Juli 2006
Nachdem die letzten noch verbliebenen Frachten im Logistikmodul Leonardo verstaut wurden, verschlossen die Raumfahrer den Container. Um 13:32 UTC koppelten die Missionsspezialistinnen Stephanie Wilson und Lisa Nowak Leonardo vom ISS-Modul Unity ab und verankerten das Logistikmodul um 15:00 UTC im Frachtraum des Orbiters.
Im weiteren Verlauf des Tages untersuchten die Astronauten Teile der Raumfähre auf Mikrometeoriteneinschläge. Dazu wurde – wie zu Beginn der Mission geschehen – der Robotarm des Shuttles mit dem Inspektionsarm (OBSS) verbunden. Die Systeme des OBSS inspizierten dann die linke Tragfläche.
Die Ingenieure kannten noch immer nicht den Grund der am Vortag aufgetretenen Probleme der Hydraulikaggregate (APUs). Wayne Hale, der Leiter des Space-Shuttle-Programms, erklärte, dass er davon ausgehe, dass dieser Defekt die bevorstehende Landung nicht beeinträchtige. Der Druckverlust bei einer der drei Hydrazin-betriebenen APUs sei so gering, dass auch die Gefahr eines Brandes unwahrscheinlich sei. Man untersuche noch immer, ob überhaupt das Hydrazin austritt, oder Stickstoff, der den Tank unter Druck hält. (Der Shuttle ist in der Lage, mit nur einer APU zu landen.)
12. Missionstag, 15. Juli 2006

Nach 8 Tagen, 19 Stunden und 16 Minuten dockte die Discovery pünktlich um 10:08 UTC von der Raumstation ab und ließ den Deutschen Thomas Reiter zurück. Damit arbeitet an Bord der ISS erstmals seit genau drei Jahren wieder eine dreiköpfige Stammbesatzung. Zwei Stunden zuvor hatten sich die Besatzungen verabschiedet und die Luken geschlossen.
Nach der Trennung überprüfte die Mannschaft ein letztes Mal die Raumfähre auf Spuren von Mikrometeoriteneinschlägen. Zunächst wurde mit dem Inspektionsarm der rechte Flügel des Orbiters abgetastet und anschließend die Hitzeschutzkacheln an der Nase. Bis die Discovery den Rückflug antrat, hielt sie sich in rund 75 Kilometern Entfernung zur Raumstation auf. Dadurch bestand jederzeit die Möglichkeit, bei Problemen zur ISS zurückzukehren.
Bezüglich des kleinen Lecks an einem der Hydraulikaggregate (APUs) entschied sich die NASA, die für den nächsten Tag anstehende Überprüfung des Flugkontrollsystems abzuwarten. Hätte sich dabei die Menge der austretenden Substanz vergrößert, wäre ein Leerlaufen der defekten APU in Erwägung gezogen worden.
13. Missionstag, 16. Juli 2006
Die sechsköpfige Crew des Orbiters traf an Bord die letzten Vorbereitungen für die Heimkehr. Gegen 8:00 UTC begannen die Piloten das Flugkontrollsystem zu überprüfen. Während der einstündigen Prozedur wurde auch die Hydraulik getestet, die durch die Hilfskraftanlagen (APUs) gespeist wird. Am Ende konnten die Piloten melden, dass es keine Probleme mit den Aggregaten gibt. Alle drei APUs zeigten normale Werte.
Die NASA-Ingenieure schlossen im Laufe des Tages die Überprüfung der letzten OBSS-Inspektion ab. Die Suche nach mikroskopisch kleinen Einschlägen verlief negativ. Gegen 14:00 UTC funkte das Kontrollzentrum zur Discovery, dass keine Schäden am Hitzeschild gefunden worden seien und die für den nächsten Tag geplante Landung durchgeführt werden könne.
14. Missionstag, 17. Juli 2006
Für eine Landung am 14. Missionstag (17. Juli) bestanden am KSC zwei Landemöglichkeiten. Cape Canaveral wurde bevorzugt, weil die Kosten für einen Rücktransport von Kalifornien bzw. New Mexico mehrere Millionen US-Dollar betragen hätten. Außerdem hätte dieser Rückflug Huckepack auf einer Boeing 747-SCA viel Zeit (mindestens sechs Tage bis zum Abflug) in Anspruch genommen. Zudem wollte die NASA eine Landung der Discovery außerhalb von Cape Canaveral möglichst vermeiden, da dadurch der Starttermin der nächsten geplanten Mission, die mit der Atlantis durchgeführt wird, beeinflusst worden wäre.
Landung
Für eine Landung am 17. Juli 2006 standen sechs Zeitfenster zur Verfügung:
- Möglichkeit: 13:14 Uhr UTC
– John F. Kennedy Space Center, Cape Canaveral, östlich von Orlando, Florida - Möglichkeit: 14:46 Uhr UTC
– White Sands Missile Range, White Sands, westlich von Alamogordo, New Mexico - Möglichkeit: 14:50 Uhr UTC
– John F. Kennedy Space Center - Möglichkeit: 16:20 Uhr UTC
– Edwards Air Force Base, Antelope Valley, nordöstlich von Lancaster, Kalifornien - Möglichkeit: 16:21 Uhr UTC
– White Sands Missile Range - Möglichkeit: 17:54 Uhr UTC
– Edwards Air Force Base
Für eine eventuelle Landung am 18. Juli 2006 standen sieben Zeitfenster zur Verfügung:
- Möglichkeit: 13:21 Uhr UTC
– John F. Kennedy Space Center, Cape Canaveral, östlich von Orlando, Florida - Möglichkeit: 14:50 Uhr UTC
– Edwards Air Force Base, Antelope Valley, nordöstlich von Lancaster, Kalifornien - Möglichkeit: 14:52 Uhr UTC
– White Sands Missile Range, White Sands, westlich von Alamogordo, New Mexico - Möglichkeit: 14:56 Uhr UTC
– John F. Kennedy Space Center - Möglichkeit: 16:24 Uhr UTC
– Edwards Air Force Base - Möglichkeit: 16:26 Uhr UTC
– White Sands Missile Range - Möglichkeit: 17:58 Uhr UTC
– Edwards Air Force Base
Für eine eventuelle Landung am 19. Juli 2006 standen wieder sechs Zeitfenster zur Verfügung:
- Möglichkeit: 11:51 Uhr UTC
– John F. Kennedy Space Center, Cape Canaveral, östlich von Orlando, Florida - Möglichkeit: 13:25 Uhr UTC
– John F. Kennedy Space Center - Möglichkeit: 14:54 Uhr UTC
– Edwards Air Force Base, Antelope Valley, nordöstlich von Lancaster, Kalifornien - Möglichkeit: 14:56 Uhr UTC
– White Sands Missile Range, White Sands, westlich von Alamogordo, New Mexico - Möglichkeit: 16:28 Uhr UTC
– Edwards Air Force Base - Möglichkeit: 16:30 Uhr UTC
– White Sands Missile Range
Die Landemöglichkeiten (Kalifornien, New Mexico) wurden für den 14. Missionstag miteinbezogen, da es hätte sein können, das nur zwei APUs funktionieren. Das Problem dann wäre gewesen, das eine Landung mit nur zwei APUs strengere Wettervorschriften beinhaltet hätte. Aber der für den Wiedereintritt zuständige Flugdirektor Steve Stich gab am 16. Juli nach der Überprüfung von APU Nummer 1 bekannt, dass nur der Landeplatz am John F. Kennedy Space Center für die Landung am 17. Juli genutzt werde. Wenn es aber am 14. Missionstag keine Landung gegeben hätte, wären die Edwards Air Force Base und die White Sands Missile Range für die anderen Landemöglichkeiten aktiviert worden. Der einzige Unsicherheitsfaktor war das Wetter: Von Norden näherte sich ein Regengebiet. Die Richtlinien der NASA sehen vor, dass die Landung abgesagt werden muss, wenn innerhalb von 55 Kilometern um das KSC herum eine Regen- oder Gewitterfront aufgezogen ist. Um 9:35 UTC wurden die Frachtraumtore geschlossen. Bis zur letzten Möglichkeit hatte die Flugleitung mit ihrer Entscheidung gewartet, den Wiedereintritt zu genehmigen. Aber dann wurde die erste Möglichkeit genutzt. Um 11:56 UTC gab Houston grünes Licht für die dreiminütige Zündung der Bremstriebwerke, die um 12:07 UTC begann. Die Landung erfolgte pünktlich um 13:14:43 UTC bei bewölktem Himmel auf der Landebahn 15 des KSC. Zunächst sollte Kommandant Steven Lindsey die Discovery auf Bahn 33 landen. Südlich des KSC hatte sich jedoch ein Regengebiet formiert, daher ordnete das Kontrollzentrum während des Landeanflugs den Wechsel auf die einige Dutzend Kilometer nördlichere Route an. Etwa anderthalb Stunden, nachdem die Raumfähre gelandet war, machte die Besatzung ihren obligatorischen Rundgang um den Orbiter. Mit dabei war auch NASA-Direktor Mike Griffin.
Wake-Up-Calls
Die Crew von STS-121 wurde von der Bodenkontrolle mit folgenden Weckrufen auf den neuen Arbeitstag eingestimmt:
- 2. Flugtag: „Lift Every Voice and Sing“ von New Galveston Choral für Stephanie Wilson
- 3. Flugtag: „Daniel“ von Elton John für Thomas Reiter
- 4. Flugtag: „Good Day Sunshine“ von den Beatles für Lisa Nowak
- 5. Flugtag: „God of Wonders“ von dem Duo Marc Byrd und Steve Hindalong für Mike Fossum
- 6. Flugtag: „I Have a Dream“ von Abba für Mark Kelly
- 7. Flugtag: „Clocks“ von Coldplay für Piers Sellers
- 8. Flugtag: „All Star“ von Smash Mouth für Lisa Nowak
- 9. Flugtag: „I Believe I Can Fly“ von R. Kelly für Stephanie Wilson
- 10. Flugtag: Titelsong aus der Serie „3 Engel für Charlie“ für die gesamte Crew
- 11. Flugtag: „Aggie Kriegs Hymne“ von der Fighting Aggie Texas Band für Mike Fossum
- 12. Flugtag: „Beautiful Day“ von U2 für Mark Kelly
- 13. Flugtag: „Just Like Heaven“ von The Cure für Piers Sellers
- 14. Flugtag: „The Astronaut“ von Something Corporate für Steven W. Lindsey
Siehe auch
- Liste der Space-Shuttle-Missionen
- Liste der bemannten Raumfahrtmissionen
- Liste der Raumfahrer
- Bemannte Raumfahrt
Weblinks
- NASA-Missionsseite zu STS-121 (englisch)
- Statusberichte des Kontrollzentrums (englisch)
- NASA-Fotogalerie der Mission
- Statusberichte des Space Science Journal
- NASA: Livestream vom Start der Raumfähre
- Heavens-Above - Übersicht über die Beobachtungsmöglichkeiten der Raumfähre und der ISS (englisch)
Quellen
- ↑ SPACE.com: New Tools on STS-121 (englisch)
- ↑ NASA: http://www.nasa.gov/mission_pages/shuttle/multimedia/foam_gallery.html. 4. Juli 2006