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Personalentwicklung

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Definition

Personalentwicklung zwischen individueller und systemischer Arbeit

Personalentwicklung (PE) ist ein Teilgebiet der Personalwirtschaft innerhalb der Betriebswirtschaft, der Organisationssoziologie sowie der Personalpsychologie (Schuler, 2005) mit dem Ziel, Menschen, Teams und Organisationen dazu zu befähigen, ihre Aufgaben in betrieblichen Arbeitssystemen erfolgreich und effizient zu bewältigen und sich neuen Herausforderungen selbstbewusst und motiviert zu stellen. Sie umfasst die gezielte Förderung von Humankapital, um die Unternehmensziele unter Berücksichtigung der Bedürfnisse und Qualifikation des Mitarbeiters oder einer Gruppe von Mitarbeitern optimal zu erreichen.

Eine andere Definition liefert Peterke (Peterke, J. 2006, S.11): „Personalentwicklung ist (...) die Aufgabe und Disziplin zur Förderung der Unternehmensentwicklung durch zielgerichtete Gestaltung von Lern-, Entwicklungs- und Veränderungsprozessen.“ Er geht davon aus, dass Lernen im Unternehmen immer wichtiger wird. Dennoch schwindet die Bedeutung der Personalentwicklung als Funktion oder Abteilung in Unternehmen, weil es durch eine fehlgeleitete Professionalisierung nicht gelang, einen überzeugenden Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg zu generieren.

Personalentwicklung (PE) wird in Theorie und Praxis uneinheitlich definiert. Weite und enge Begriffsfassungen stehen nebeneinander. Enge Begriffsfassungen begrenzen Personalentwicklung inhaltlich auf die Aus- und Weiterbildung. Zusätzlich wird Personalentwicklung entwe-der auf bestimmte Klientelgruppen bezogen oder die Eingrenzung erfolgt bei den Aktivitäten der Personalentwicklung (vgl. Mentzel, 1997, S. 16). Folgt man einer sowohl inhaltlich als auch personenbezogen weiten Begriffsfassung, werden unter Personalentwicklung alle geplanten Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung verstanden, die von einer Organisation oder Person zielorientiert geplant, realisiert und evaluiert werden (vgl. Becker, 2005, S. 4).

Bereiche der Personalentwicklung

Von der reinen Handlungsanweisung und Wissensvermittlung, über die Vermittlung sozialer Kompetenzen und Methodenwissen bis hin zum Individualcoaching und Unterstützung von Verhaltens- modifikationen, Selbstreflektion sowie individueller Laufbahnplanung (Selbstmanagement) reicht die innerbetriebliche Spannweite möglicher Personalentwicklungsmaßnahmen. Bild: Bodo Wiska, Berlin

Die Personalentwicklung beinhaltet neben der Förderung beruflich relevanter Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen durch Maßnahmen der Weiterbildung (Seminare und Trainings), auch die Beratung zur Arbeitsgestaltung. Damit sind sämtliche Maßnahmen, die zur systematischen Förderung der beruflichen Handlungskompetenz der in einer und für eine Organisation arbeitstätigen Individuen gemeint. Diese Bereiche sollten gem. Solga, Ryschka & Mattenklott (2005, S. 17; vgl. auch Holling & Liepmann, 2004; Sonntag, 2004) an den strategischen Zielen einer Organisation orientiert sein (Unternehmensstrategie strategische Personalentwicklung).

Strategieorientierte PE ist somit darauf ausgerichtet, systematisch Schlüsselqualifikationen zu entwickeln, die zur Bewältigung unternehmensstrategisch begründeter Leistungsanforderungen benötigt werden" (Solga, Ryschka & Mattenklott, 2005, S. 18).

Wissenschaftlich wird die Personalentwicklung durch die Psychologie und die Betriebspädagogik begleitet. Sie findet ihre Anwendung u.a. bei:

Die Personalentwicklung ist eng mit den Teilbereichen Personentwicklung, Teamentwicklung und Organisationsentwicklung verzahnt. So können die genannten Bereiche als Teilbereich der Personalentwicklung aufgefasst werden, da mit ihnen stets Personalentwicklungsmaßnahmen verbunden sind.

Immer mehr wird die Relevanz der Personalentwicklung für die nachhaltige Modernisierung von öffentlichen Verwaltungen erkannt.

Wissenschaftliche und praktische Zugänge zur Personalentwicklung

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Wissenschaftliche und praktische Zugänge zur Personalentwicklung; Forschungs- und Gestaltungszugänge; Bild: Becker, M./Schwarz, V./Schwertner, A. (2002): Theorie und Praxis der Personalentwicklung: aktuelle Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl., München 2002, S. 7.

Zur Systematisierung der Personalentwicklung ist nach konkreten Forschungszugängen und praktischen Gestaltungsanliegen zu unterteilen. Wesentliche Forschungs- und Gestaltungszu-gänge sind in (siehe Abbildung) dargestellt.

Der kontextorientierte Zugang (1) klärt die unternehmensinternen und -externen Einflüsse auf die Ziele, die Inhalte, die Methoden und die Akteure der Personalentwicklung. Die kontext-orientierte Gestaltung lotet den normativen Handlungsrahmen aus, der die Personalentwick-lung vorbestimmt. Die Unternehmenspolitik bestimmt als Zweck-Mittel-Beziehung Richtung, Ziele und Inhalte der Personalentwicklung. Die Personalentwicklung ist so auszugestalten, dass sie die Erreichung der Unternehmensziele optimal unterstützt (vgl. Drumm, 2000, S. 381). Zusätzlich sind die externen Kontextfaktoren zu beachten.

Akteursorientiert (2) ist zu untersuchen und zu beachten, wie biographie- und kontextbe-stimmte Lernimpulse und Lernbarrieren die Teilnahme und den Erfolg von Personalentwick-lungsmaßnahmen beeinflussen. Akteure der Personalentwicklung sind die Fach- und Führungs-kräfte der Personalentwicklung und das Top-Management der Unternehmen. Zusätzlich nehmen die Personal- und die Betriebsräte, die Gleichstellungsbeauftragten und die Schwer-behindertenvertreter im Rahmen ihrer gesetzlichen Mitbestimmungsrechte Einfluss auf die Personalentwicklung. Die Akteure handeln stets interessengeleitet. Interessen sind herauszu-arbeiten und klientelbezogen ist festzulegen, ob und wie diese durch Personalentwicklung befriedigt werden können. Grundsätzlich werden Personalentwicklungsentscheidungen bestimmt durch:

  • die individuelle Persönlichkeit des Lernenden,
  • die Vorerfahrungen, Ziele und Befürchtungen der Adressaten der Personalentwicklung,
  • das soziale, politische und konjunkturelle Umfeld, z. B. die spezifische Arbeitsmarkt- situation, die Ausgestaltung der staatlichen und betrieblichen Fördermaßnahmen, den Wettbewerbsdruck auf Berufe und Berufsgruppen,
  • die Persönlichkeit und Professionalität der verantwortlichen Personalentwickler.

Voraussetzungen der Teilnahme an den Personalentwicklungsmaßnahmen sind rechtzeitige und ausreichende Informationen. Aufgabe der Personalentwicklung ist die Schaffung eines sozialen Umfeldes, das Motivation und Verantwortung stärkt. Unternehmen müssen Entwicklungsmöglich-keiten offerieren und ein lernförderndes Arbeitsklima schaffen. Die Bereitschaft zur Weiterentwicklung ist zu erwarten, wenn die Ziele der Personalentwicklung den Akteuren attraktiv und erreichbar erscheinen und die positiven Auswirkungen der Teilnahme, z.B. Kar-rierechancen, hoch eingeschätzt werden. Die Rolle und das Selbstverständnis der Personal-entwickler bestimmen die Art und die Ausgestaltung der Personalentwicklung wesentlich mit.

Die Ziele (3) legen das Anspruchsniveau der Personalentwicklung fest. Als Ergebnis der Per-sonalentwicklung erwarten die Mitarbeiter die Erhaltung und Verbesserung ihrer Beschäfti-gungsfähigkeit, die Führungskräfte erwarten leistungsstarke und motivierte Mitarbeiter, die Unternehmensleitung will signifikante Beiträge zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. In dynamischen Unternehmen steht die kompetente Verwertung erworbener Qualifikationen im Arbeitsprozess im Vordergrund. Kompetenz ist dabei zu verstehen als Kombination von Kenntnissen, Fertigkeiten, Erfahrungen und Verhaltensweisen, die in einer konkreten Arbeits-situation von einer Person zur Lösung ganz konkreter Arbeitsprobleme eingesetzt werden (vgl. Lichtenberger, S. 294, 1999; vgl. Becker, S. 483ff., 2002). Der Erfolg der Personalent-wicklung zeigt sich erst im Arbeitsergebnis, dem gelungenen Werk, nicht schon im Erwerb von Qualifikationen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht wird der Verwendungsaspekt der Per-sonalentwicklung i. S. von Kompetenzverbesserung und Performanz besonders hervorgeho-ben. Folgt man dieser Sichtweise, dann hat Personalentwicklung die Handlungskompetenz zu fördern (vgl. Staudt/Kriegesmann, S. 40, 2000). Wesentliche Aspekte der Handlungskompe-tenz sind die situativ-individuelle Handlungsfähigkeit (Können), die Handlungsbereitschaft (Wollen) und die konkrete Zuständigkeit für eine Aufgabe (Dürfen) (vgl. Becker/Schwarz, S. 20, 2001).

Datei:Inhalt pe.jpg
Inhalte der Personalentwicklung, Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung; PE im engen, erweiterten und im weiten Sinn, Quelle: Becker, M. (2005): Personalentwicklung: Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis, 4. akt. u. überarb. Aufl., Stuttgart 2005, S. 4.

Entsprechend der weiten Definition umfasst Personalentwicklung die Inhaltsbereiche (4) Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung (siehe Abbildung: Inhalte der Personalentwicklung).

Bildung ist der traditionelle Bestandteil der Personalentwicklung. Kernbereiche sind die Be-rufsausbildung, die fachliche und die allgemeine Weiterbildung, die Führungsbildung, das systematische Anlernen und die Umschulung. Die Inhalte der Aus- und Weiterbildung wech-seln mit der Dynamik der Anforderungen. Insbesondere Weiterbildung und Führungsbildung verändern sich mit der Virtualisierung der Unternehmen und der Globalisierung der Wirt-schaft. Die Führungsbildung bereitet auf effizientes Führungshandeln multifunktionaler Teams in virtuellen Unternehmen vor. Interkulturelle Kompetenz, Umgang mit Diversity (vor allem mit heterogenen Belegschaften) und der Zuwachs an Autonomie verändern das Füh-rungshandeln und damit die Führungskräfteentwicklung.

Zur Förderung gehören Tätigkeits- und Anforderungsprofile, Auswahl- und Einarbeitungs-verfahren, strukturierte Mitarbeitergespräche, Potentialanalysen, Karriere- und Nachfolgepla-nung, Coaching, Mentoring und Zielvereinbarungen. Die Förderung folgt den Prinzipien der Individualisierung, Generalisierung und Elementarisierung und zielt auf die anforderungsadäquate Entwicklung von Individuen und Gruppen. Insbesondere die Elementarisierung verlangt die Ablösung von flächendeckenden Stellenbeschreibungen durch die Zusammenfassung der Tätigkeiten und Anforderungen auf Stellenbündelnivau (vgl. Becker, S. 312ff., 2002). Die Förderung nimmt im Vergleich zur Bildung deshalb an Bedeutung zu, weil der Erfolg dyna-mischer Unternehmen in starkem Maße von der Leistung und dem Verhalten der Organisationsmitglieder abhängt.

Organisationsentwicklung fokussiert auf die integrierte und zielorientierte Gestaltung und Entwicklung von Organisationen. Personale, strukturale und prozessuale Aspekte sollen den jeweiligen Anforderungen der Unternehmenstransformation entsprechen. Teamkonzepte, Pro-jektarbeit und soziale, technische und organisatorische Gestaltung sind prominente Ansatz-punkte der Organisationsentwicklung. Organisationsentwicklung ist stets managementgeleitet und ergebnisorientiert zu gestalten. (vgl. Becker, 2002, S. 418ff.; vgl. Trebesch, 2000).

Die methodische Absicherung (5)der Personalentwicklung ist Voraussetzung zur Erreichung und Überprüfung von Effektivität und Effizienz. Die methodische Absicherung verschafft der Personalentwicklung Akzeptanz und sichert ihr die erforderlichen Ressourcen. Bedarfsanalyse, Ziele setzen, kreatives Gestalten, Realisieren, Erfolgskontrolle und Transfersicherung sind die Teilschritte systematischer Personalentwicklung (vgl. Becker, S. 112ff., 1999). Der Funktionszyklus ist ein abgestimmtes Verfahren zur Planung, Steuerung und Kontrolle konkreter Personalentwicklungsmaßnahmen.



Ziele der Personalentwicklung

Ziel der strategischen Personalentwicklung ist es, die Kompetenzen der Mitarbeiter auf die aktuellen und künftigen Anforderungen des Unternehmens vorzubereiten. Strategische Personalentwicklung ist Teil der Unternehmensstrategie und leitet sich daher von der Unternehmensvision und den Unternehmenszielen ab. Dies geschieht in der Regel durch eine Bedarfsanalyse. Die geforderten Qualifikationen und Kompetenzen werden mit den aktuellen verglichen und so der Schulungs- und Entwicklungsbedarf ermittelt. Die Bedarfsanalyse berücksichtigt dabei nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch Führungs- und Sozialkompetenz. Werden Mitarbeiter nach ihren potenziellen Entwicklungschancen beurteilt nennt man das Potenzialanalyse.

Beispiele für die Entwicklung von Kompetenzen und Schlüsselqualifikationen
(Fach-, Methoden-, Handlungs-, Sozial- und Persönlichkeitskompetenz)

Elemente der Personalentwicklung

Letztgenannte Maßnahmen finden in der Fachliteratur geteilte Berücksichtigung (siehe Grenzen der Personalentwicklung).

Bedarfserfassung

Treten soziale oder fachliche Mängel auf, müssen die Ursachen hierfür gesucht werden, um passende PE Maßnahmen anbieten zu können. Ursachen können in folgenden Bereichen liegen:

  • Wissen (Sind die Mitarbeiter informiert? Haben sie es verstanden?)
  • Wollen (Sind sie motiviert? Was demotiviert sie?)
  • Können (Sind sie ausgebildet? Haben sie genug trainiert?)
  • Dürfen (Sind sie aus ihrer Sicht berechtigt? Trauen sie sich kreativ / kollektiv zu handeln?)

Zur Frage der Motivation von Mitarbeitern kann die Personalentwicklung sowohl in Richtung einer Defizitorientierung ansetzen (was hindert unsere Mitarbeiter daran erfolgreich zu sein?), als auch Ressourcenorientierung zeigen (welche Fähigkeiten, Träume und Kenntnisse haben unsere Mitarbeiter noch zur Verfügung?). Je nach Motivationsstrategie des Einzelnen kann die PE diese durch entsprechend psychologisch ausgerichtete Einzelmaßnahmen aus dem Katalog o.g. Elemente umsetzen oder entsprechend den Bedürfnissen einer Mehrheit von Mitarbeitern in einer Arbeitsgruppe, geeignete Strategien zur Zielerreichung anbieten.

Tendenzen und Ausprägungen

Individueller Bereich

Die Personalentwicklung sollte zur individuellen Entwicklung des Mitarbeiters sowohl seine Familien- und Sozialplanung berücksichtigen, als auch eine geeignete betriebliche Karriere unterstützen ("Work-Life-Balance)". Die Personalentwicklung sollte hierzu das spezifische Mitarbeiterpotenzial unter Berücksichtigung der individuellen Interessen und Stärken fördern.

Einen bedeutenden Bereich der individuellen Personalentwicklung stellt die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften (Führungskräfteentwicklung) dar. Damit gerade bei dieser Zielgruppe Personalentwicklungsmaßnahmen einen Niederschlag in konkretem Verhalten finden, sind jedoch in aller Regel reine Weiterbildungsveranstaltungen nicht ausreichend. Oft wird in diesem Zusammenhang eine "Weiterbildungs-Resistenz" von Führungskräften beklagt. Im internationalen Vergleich bestehen deutliche Unterschiede im Verständnis von Führung und der entsprechenden Ausbildung der Führungskräfte. Eine Coaching-Kultur wie in Amerika besteht in Deutschland beispielsweise nicht.

Im Gegensatz zu älteren, defizitorientierten Ansätzen in der PE (Schulung von Wissenslücken) wird gegenwärtig auch in Europa ein immer stärker werdender Trend zur Stärkung von Ressourcen des Mitarbeiters deutlich. Dies ist verbunden mit der Einsicht, einen persönlich engagierten und leistungsfähigen Mitarbeiter am falschen Platz besser zu versetzen, als seine größten Schwächen mit hohem Aufwand auszumerzen oder ihn sogar freizusetzen. Diese zumindest bei Leistungsträgern relevante Sicht in der PE hat ihren Ansatz auch der Erkenntnis zu verdanken, dass trotz einer hohen Arbeitslosigkeit im Allgemeinen, nicht sehr viele freie Leistungsträger mit interkulturellen Fähigkeiten und hohem akademischen oder fachlichen Niveau am Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

In größeren Unternehmen sind mitunter auch Betriebsärzte und –Psychologen in der Lage mit verhaltenstherapeutischen oder systemischen Interventionen auf der individuellen Ebene das komplizierte Geflecht von Rollenverhalten, persönlicher Anforderung an den Mitarbeiter und der konkreten Arbeits- und Teamumgebung unter Einbeziehung der weiteren sozialen Bedingungen des Mitarbeiters zu berücksichtigen. Damit ist nicht die Vornahme einer Psychotherapie im klassischen Sinn gemeint. Einzelne Schritte aus dem Bereich der Verhaltenstherapie, der systemischen Therapie (systemische Organisationsentwicklung) oder kurztherapeutsche Hilfen für Mitarbeiter im Stress- und Belastungssituationen werden schon seit den späten Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auch im betrieblichen Coaching und der Supervision angewendet. Vorreiter waren hier soziale und karitative Einrichtungen sowie Kliniken, in denen die Mitarbeiter leichteren Zugang zu entsprechendem Wissen haben. Kleine Unternehmen, die nicht über derartige Ressourcen verfügen, nutzen hierzu die Angebote freier Mediziner, Coaches oder Personalentwickler.

So sind neben den klassischen rezeptiv orientierten Schulungs- und Einarbeitungsthemen auch individuelle Personalentwicklungsmaßnahmen für Führungskräfte üblich. Beispiele sind Mediation im Bereich der Freisetzung von Geheimnisträgern oder psychotherapeutische Interventionen im Bereich der Angst-Therapie bei Managern, Coaching zu Mobbing-Problematiken in Teams oder Burn-out-Situationen.

Kollektiver Bereich

Im kollektiven Bereich bedient sie sich zur Erreichung der betrieblichen Ziele vor allem in Prozessen des Veränderungsmanagements (change management) und bei betrieblicher Organisationsentwicklung neben den o. g. Elementen auch der Entlohnung, sowie Anreiz- und Vergütungsmodellen. Innovative Arbeitszeitregelungen unter Berücksichtigung der Arbeits- und Organisationspsychologie unterstützen die Ziele der PE. Wichtig sind auch Konzepte zur Führungskräfte- und Teamentwicklung.

Personalentwicklung vollzieht sich in der Praxis systematischer Prozesse der Weiterbildung und Entwicklung auch, und besonders, unter systemischen Gesichtspunkten. Der Gestaltung von Gruppen in ihrer Abhängigkeit von kontextbezogenen Richtlinien kommt hierbei vor dem Hintergrund der sich schnell wandelnden Unternehmenskulturen durch Fusionen und häufige Arbeitsplatzwechsel des Einzelnen bzw. projektbezogener Aufgaben, eine immer größer werdende Bedeutung zu.

Da bei der Zusammenstellung, vor allem von temporären Arbeitsgruppen, besonders auf die Passung der einzelnen Ressourcen im Sinne einer ganzheitlichen Gruppenleistung geachtet werden sollte, bedient sich die PE im Vorfeld der Eignungsdiagnostik. Bewerbermanagement und Auswahl des richtigen Bewerbers stehen hier im Vordergrund.

Grenzen der Personalentwicklung

Organisationsentwicklung

Die Beseitigung von betrieblichen Engpässen oder die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen wird von Seiten des Unternehmens i. d. R. nicht als Aufgabe der Personalentwicklung gesehen. In modern geführten Unternehmen arbeitet die Personalentwicklung allerdings mit den Verantwortlichen der betrieblichen Organisationsentwicklung und des Managements eng zusammen.

Psychotherapie

Überwiegend wird der Bereich psychotherapeutischer Interventionen nicht im Umfeld betrieblicher Personalentwicklung gesehen. Sollten psychische Belastungssituationen den Charakter einer ausgeprägten Störung oder eindeutigen Krankheitswert annehmen und im Coaching nicht zu entwickeln sein, (z.B. längere depressive Episoden, verminderte affektive Wahrnehmung, ausgeprägtes Suchtverhalten etc.) und ist aufgrund des Episodenverlaufes keine Selbststärkung zu erwarten, ist es i.d.R. nicht Aufgabe der Personalentwicklung eine ausgedehnte Psychotherapie durchzuführen. Die Abgrenzung zum Coaching findet hier statt, wo die affektive Selbststeuerungsfunktion des Klienten nicht mehr gegeben ist bzw. eine andauernde Belastungsstörung mit Krankheitswert diagnostiziert wird. An dieser Stelle verweist die klassische Personalentwicklung an den ärztlichen Bereich (vergl. Sigrid Weber, Zürcher Hochschule für angewandte Psychologie).

Daneben werden von dieser Sicht auch Argumente unterstützt, die generell ärztliche Arbeit im Umfeld weisungsgebundener betrieblicher Behandler schon aus datenschutzrechtlich-praktischen Gründen kritisch sehen. Das Problem ist, dass eine solche Behandlung der Kostenstelle Personalenwicklung zugerechnet werden muss und das Controlling mit einer mitarbeitergenauen Abrechnung solcher Leistungen nicht ohne weiteres mit den Datenschutzbestimmungen und der ärztlichen Schweigepflicht über Dauer und Frequenz einer Therapie zu vereinbaren ist.

Einzelne Vertreter einer integrativen Personalentwicklung und Betriebspsychologen sehen jedoch auch hier die Notwendigkeit einer supportiven oder auch therapeutischen Arbeit mit Methoden aus der Verhaltenstherapie oder Systemische Therapie sowie im Verbund mit systemischer Organisationsentwicklung für Führungskräfte bei Burnout, Mobbing, Alkohol- und Suchtprävention, Integration nach längerer Krankheit sowie Traumatisierung nach Arbeitsunfällen gefordert. (Helmut Graf, Psychotherapie in der Arbeitswelt. Springer Verlag Wien/New York 2003).

Räumliche Verortung

Räumlich gesehen werden Maßnahmen der Personalentwicklung, je nach Ort bzw. Setting nicht nur am Arbeitsplatz (on-the-job) und innerhalb der sort anfallenden Arbeiten geleistet, sondern auch off-the-Job, d.h. außerhalb der normalen Arbeitsumgebung und gelegentlich near-the-job (z.B. nach Dienstschluss im Außendienst).

Personalentwicklung und KMU

Formalisierte Personalentwicklung im kleineren Mittelstand (KMU) ist derzeitig in Deutschland nicht weit verbreitet. Insgesamt regeln nur etwa 15 Prozent aller kleinen und mittleren Betriebe die entsprechenden Zuständigkeiten in ihren Unternehmen. Dies zeigt eine Studie des Rationalisierungskuratoriums der deutschen Wirtschaft aus dem Jahr 2002.

Eine gute Möglichkeit zur Nutzung der Möglichkeiten von Personalentwicklungsmaßnahmen für mittelständische Unternehmen ist die "Personalentwicklung im Verbund". Beispielhaft seien hier die Initiativen MACH2 Personalentwicklung, Herford (Link) und PEPP, Paderborn genannt (Link), die in der Region OWL tätig sind. Ein anderes wegweisendes Projekt zur Verwirklichung von PE in KMU wurde im Projekt PROREGIO vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) 2000 bis 2001 für KMU in Ziel-2-Gebieten durchgeführt (PDF).

Ein weiterer Ansatz Personalentwicklung in KMU zu verankern, stellt das Modellprojekt Nova.PE (Link)dar: Dieser Ansatz konzentriert sich auf den Wissenstransfer in kleinen und mittleren Unternehmen. Ein(e) so genannte(r) PE-Kümmerer(in) wird mit den angewandten Methoden und Instrumenten so vertraut gemacht, dass Nachfolgeplanung, Wissenstransfer und Qualifizierung auch in KMU strukturiert, systematisch und pragmatisch durchgeführt werden können. Das Projekt läuft noch bis Ende 2007, es wird vom Europäischen Sozialfonds und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)gefördert. Die wissenschaftliche Begleitung findet durch die Ruhruniversität Bochum und das Zentrum für Weiterbildung, Dortmund statt.

Literatur

  • Becker, M. (2005): Personalentwicklung, Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis, 4. akt. u. überarb. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
  • Brinkmann, R. (1999): Techniken der Personalentwicklung, Trainings- und Seminarmethoden. I.H. Sauer Verlag Heidelberg.
  • Einsiedler, H., Breuer, K., Hollstegge, S. & Janusch, M. (2003). Organisation der Personalentwicklung. Strategisch ausrichten - zielgenau planen - effektiv steuern (2. Aufl.). Frankfurt a. M.: Luchterhand.
  • Feix, E. W. (1991).Visionen und Strategien erfolgreicher Personalarbeit. Frankfurt a. M.: o.A.
  • Heimerl, P. & Loisel, O. (2005). Lernen mit Fallstudien in der Organisations- und Personalentwicklung. Anwendungen, Fälle und Lösungshinweise. Wien: Linde.
  • Holling, H. & Liepmann, D. (2004). Personalentwicklung. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie (3. Aufl.; S. 345-383). Bern: Huber.
  • Jeserich, W. (1988). Top-Aufgabe. Entwicklung von Organisationen und menschlichen Ressourcen München: o.A.
  • Merz, G. J. (2001). Personalmanagement in der Steuerberaterkanzlei", Herne/Berlin, nwb Verlag Neue Wirtschafts-Briefe - Nürnberg, DATEV EG, ISBN 3-482-53481-0
  • Peterke, Jürgen (2006), Handbuch Personalentwicklung, Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor
  • Ryschka, J., Solga, M. & Mattenklott, A. (Hrsg.). (2005). Praxishandbuch Personalentwicklung. Instrumente, Konzepte, Beispiele. Wiesbaden: Gabler.
  • Schuler, H. (Hrsg.). (2005). Lehrbuch der Personalpsychologie (2., erw. und vollst. überarb. Aufl.). Göttingen: Hogrefe.
  • Solga, M., Ryschka, J. & Mattenklott, A. (2005). Ein Prozessmodell der Personalentwicklung. In J. Ryschka, M. Solga & A. Mattenklott (Hrsg.), Praxishandbuch Personalentwicklung. Instrumente, Konzepte, Beispiele (S. 17-30). Wiesbaden: Gabler.
  • Sonntag, K. (2004). Personalentwicklung. In H. Schuler (Hrsg.), Enzyklopädie der Psychologie D/III/3: Organisationspsychologie – Grundlagen und Personalpsychologie (S. 827-890). Göttingen: Hogrefe.
  • Gabriele Bartsch: Lernen in fremden Lebenswelten. Personalentwicklung als Einstieg in das + bürgerschaftliche Engagement von Unternehmen. UPJ Arbeitspapier. http://www.upj-online.de/index/76626
  • Graf, Helmut: Psychotherapie in der Arbeitswelt. Springer Verlag Wien/New York (2003), ISBN 3211008241 (Rezension)