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Sturm auf die Bastille

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Die Bastille in den ersten Tagen ihrer Zerstörung, Ölgemälde von Hubert Robert (1753–1808)

Die Bastille (französisch ‚kleine Bastion‘) war ursprünglich eine besonders befestigte Stadttorburg im Osten von Paris, die später als Gefängnis genutzt wurde. Der „Sturm auf die Bastille“ am 14. Juli 1789 kann als symbolischer Auftakt und Geburtsstunde der französischen Revolution interpretiert werden.

Geschichte

Die Bastille als Teil der Pariser Stadtbefestigung (Viollet-le-Duc)

Erbaut wurde sie als Bastion de Saint-Antoine oder Bastille Saint-Antoine im 14. Jahrhundert unter König Karl V. (Grundsteinlegung am 22. April 1370, beendet 1383) als befestigtes östliches Tor und als ein Eckpfeiler der Befestigungsanlagen der Hauptstadt gegen Angriffe der englischen Truppen, die während des Hundertjährigen Krieges in Frankreich herumzogen. Seit der Zeit Ludwigs XIII. diente sie als Staatsgefängnis mit 80 teils unterirdisch liegenden Kerkern. Berühmte Häftlinge waren 1717/18 und 1726 unter anderen der Schriftsteller Voltaire und 1784–89 der Marquis de Sade.

Die Bastille besaß acht Zinnentürme mit eigenen Namen: Feldseite von Norden nach Süden: Eckturm (tour du Coin), Kapellenturm (tour de la Chapelle), Schatzturm (tour du Trésor), Grafschaftsturm (tour de la Comté); Stadtseite von Norden nach Süden: Brunnenturm (tour du Puits), Freiheitsturm (tour de la Liberté), Bertaudièreturm (tour de la Bertaudière), Basinièreturm (tour de la Basinière). Zwischen Basinièreturm und Grafschaftsturm lag südlich der Eingang mit Zugbrücke. Zwischen Kapellen- und Schatzturm war das zugemauerte ehemalige Stadttor zu sehen. Das Gebäude besaß außerdem einen Festungsgraben, der mit Wasser gefüllt war.

Eines der interessantesten Dokumente aus dem Innenleben der Bastille ist René Auguste Constantin de Rennevilles 1715 veröffentlichter Bericht Inquisition Françoise über seine elfjährige Gefangenschaft. Renneville beschreibt darin ausführlich verschiedene Zellen und die je nach Status und Zahlungsfähigkeit unterschiedlichen Haftbedingungen. Die Gefangenen erhielten eine Pension des Königs – Geld, für das das Wachpersonal Besorgungen machte. Das Gefängnis selbst funktionierte als vom Staat verpachtetes kommerzielles Unternehmen. Wenn bei längerer Haft Gefangene verarmten oder von ihren Familien nicht mehr unterstützt wurden, kamen sie in immer tiefere Zellen. Die unmenschlichsten Haftbedingungen herrschten in den Kellern. Haftstrafen in der Bastille waren gefürchtet, da mit ihnen der Entzug jedweder Öffentlichkeit verbunden war. Eine größere Chance, sich zu verteidigen und in der Außenwelt um Sympathien zu werben, hatten Straftäter am Pranger.

Zuweilen Anne-Marguerite Petit du Noyer zugeschrieben wird der Bericht einer spektakulären Flucht aus der Bastille, der 1719 als Événement des plus rares erschien (deutsch im gleichen Jahr als Die so genannte Hölle der Lebendigen).

Die Erstürmung der Bastille

Der Sturm auf die Bastille wurde am 14. Juli 1789 zum Symbol für die französische Revolution. Teilweise wird dieses Ereignis auch als Beginn der Revolution interpretiert.

Die Erstürmung der Bastille als Geschichtsmythos (Bild von Jean-Pierre Louis Laurent Houel, veröffentlicht 1789)

Im Juli 1789 befand sich das Volk von Paris in Unruhe: Einerseits setzte es große Hoffnungen in die Generalstände, andererseits war es durch die hohen Brotpreise vom Hunger bedroht. Seit dem 10. Juli wurden Zollhäuser rund um Paris in Brand gesteckt, in der Hoffnung, dass die Waren in der Stadt billiger würden, wenn keine Akzise erhoben würde.

Am 11. Juli entließ der König den Finanzminister Jacques Necker, der beim Volk beliebt war. Außerdem hatte er Truppen in Versailles zusammengezogen – eine deutliche Drohung für die Nationalversammlung.

Am 12. Juli erreichte die Nachricht von der Entlassung Neckers Paris. Agitatoren im Palais Royal heizten die Stimmung weiter an; der berühmteste Redner war hier Camille Desmoulins, der die Patrioten aufforderte, sich als Erkennungszeichen Kastanienblätter an die Hüte zu stecken.

Am Tag darauf kam es zu ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Truppen des Regimentes „Royal Allemand“. In den darauf folgenden Tagen wurden Waffenhandlungen geplündert und am 14. Juli belagerte eine Menschenmenge, die sich zuvor im Invalidenhaus Waffen beschafft hatte, die Bastille, um an die dort gelagerten Munitionsvorräte zu gelangen. Der Kommandant ließ bei der ersten Ansammlung der Menschenmenge vor der Zugbrücke auf die teils bewaffnete Menschenmenge schießen. Mehr als 90 Personen fanden den Tod. Nach erneutem Aufmarsch mit verbesserter Bewaffnung (Soldaten, Kanonen) und nach der Kapitulation der Wachmannschaft stürmte die Menge das Gefängnis und befreite die Gefangenen: vier Urkundenfälscher, zwei Geisteskranke und vermutlich den adligen Schriftsteller und Pornographen Marquis de Sade, den seine Familie wegen seines wüsten Lebenswandels in der Bastille hatte festsetzen lassen (andere Quellen berichten, dass er einige Tage zuvor in die Irrenanstalt in Charenton-le-Pont verlegt wurde, da er von seiner Zelle aus einer demonstrierenden Menschenmenge zurief: „Sie töten die Gefangenen hier drinnen!“).

Der Kommandant Bernard-René Jordan de Launay wurde auf dem Weg zum Rathaus trotz Zusicherung des freien Geleits wegen seines Erschießungsbefehls von einem Metzger geköpft, ein Wachsoldat wurde ebenfalls umgebracht. Ein Adeliger, Jacques de Flesselles, Oberhaupt des Pariser Magistrats, der den Kommandanten retten wollte, wurde ebenfalls geköpft. Die Köpfe trug man anschließend unter dem Jubel der Bevölkerung auf Heugabeln durch die Straßen der Hauptstadt. Es waren die ersten adligen Opfer der Revolution.

Der Sturm auf die Bastille war Anlass zur Aufstellung einer Nationalgarde unter Marquis de La Fayette, damit die Nationalversammlung ergebene Truppen zur Verfügung hatte. Außerdem wurde der königliche Gouverneur von Paris abgesetzt; an seine Stelle trat der Generalrat der Commune, ein Gremium, das bei der Radikalisierung der Revolution eine Rolle spielte.

Obwohl keine bedeutenden Gefangenen befreit wurden und die militärische Bedeutung des Sieges über die aus Veteranen und Invaliden bestehende Wachmannschaft gering war, wurde der Sturm auf die Bastille in der Folge zum Mythos und zu einem einschneidenden Ereignis verklärt, was vermutlich auf die hohe Symbolwirkung eines ersten Sieges über eine Befestigung des Despotismus zurückzuführen ist.

So ist der 14. Juli noch heute der Nationalfeiertag in Frankreich, allerdings nicht wegen des Sturmes auf die Bastille, sondern vor allem wegen des ein Jahr später gefeierten Föderationsfestes, als der König und Vertreter aller Stände und aller Departemente einen feierlichen Treueeid auf die Nation leisteten.

Der Abriss, Pierre-François Palloy

Pierre-François Palloy
Eine der Miniaturen der Bastille (Carnavalet-Museum).

Von der Bastion ist heute nichts mehr zu sehen. Unter der Leitung des Unternehmers Pierre-François Palloy (1754–1835) begann bereits zwei Tage nach dem Sturm, am 16. Juli 1789, der Abriss der Festung als Symbol des Ancien Régime, der sich bis in den Oktober 1790 hinzog. Man ließ nur einen 50 Zentimeter hohen Mauerrest stehen, der später komplett entfernt wurde.[1]

Aus Steinen der Bastille ließ er detailgetreue Modelle des ehemaligen Gefängnisses meißeln, die in die 83 neuen Departement-Hauptstädte geliefert und dort mit Pomp als Trophäen eingeweiht wurden. Aus den eisernen Schlössern der Zellen und den Ketten und Fußkugeln der Gefangenen ließ Palloy ca. 60.000 Medaillen mit Freiheitsmotiven prägen. Der „patriote Palloy“ verbreitete auch ungezählte eigene und fremde Lieder, Pamphlete, Plakate, Zeitungen, Bild- (überwiegend Karikaturen) und Liedflugblätter zum revolutionären Geschehen.[2] Jährlich (bis zur Restauration) richtete er zur Hinrichtung des ehemaligen Königs ein Schweinskopfessen aus.

Heute befindet sich am ehemaligen Standort ein nach ihr benannter Platz (Place de la Bastille) mit im Boden markiertem Verlauf der Mauern der einstigen Bastion. Überreste der Contrescarpe, der äußeren Mauer des Festungsgrabens, befinden sich auf dem Bahnsteig der Métro-Station Bastille (Linie 5).

Literatur

  • Constantin de Rennevilles: Inquisition Françoise. E. Roger, Amsterdam 1715. Deutsche Ausgabe: Entlarvte und jedermann zur Schau dargestellte französische Inquisition, oder: Geschichte der Bastille. Nürnberg 1715 (Ortsangabe laut Renneville, Constantin. In: Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste. Band 31, Leipzig 1742, Sp. 608.)
  • Événement des plus rares ou l’histoire du Sr. Abbé Comte de Buquoy singuliérement son évasion du Fort-l’Évêque et de la Bastille. 1719. Digitalisat. Deutsche Ausgabe: Die so genannte Hölle der Lebendigen, das ist die welt-beruffene Bastille zu Paris. 1719.
  • H. Gourdon de Genouillac: Histoire nationale de la Bastille 1370–1789. Récit authentique et vrai. F. Roy, Paris 1880 Digitalisat
  • Friedrich Max Kircheisen: Die Bastille. Der Bücherkreis, Berlin 1927.
  • Henri Lemoine: Le démolisseur de la Bastille, Paris, 1930. (frz., zu Palloy)
  • Olaf Simons: Marteaus Europa oder der Roman, bevor er Literatur wurde. Rodopi, Amsterdam 2001, ISBN 90-420-1226-9, S. 647–661 (zu deutschen Berichten aus der Bastille aus dem frühen 18. Jahrhundert)
  • Winfried Schulze: Der 14. Juli 1789 – Biographie eines Tages. Klett-Cotta, Stuttgart 1989, ISBN 3-608-91494-3.
Commons: Sturm auf die Bastille – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Die Demolierung der Bastille wurde in der zahlreichen Druckgraphik der Jahre nach 1789 häufig dargestellt. Von den Umcodierungs- und Destruktionsprozessen der Zeit ist die Schleifung des sog. Monument des Despotismus ebenso berühmt geworden, wie der Sturz der Königsstandbilder in Paris. Für die entsprechenden Darstellungen vgl. Martin Höppl (2010): Druckgraphik der Französischen Revolution. Kunstgeschichte, Kulturanthropologie und Kollektivpsyche. In: Helikon. A Multidisciplinary Online Journal, 1. 144-183.
  2. bnf.fr

Koordinaten: 48° 51′ 11″ N, 2° 22′ 5″ O

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