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Kinderschutz

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Kinderschutz ist der Inbegriff staatlicher, gesetzlich geregelter und privater, der öffentlichen Wohltätigkeit entsprungener Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit unmündiger und zur Erhaltung schwächlicher Kinder.

Kinderschutz baut im wesentlichen auf Kinderrechten auf. Allerdings schränkt der Schutz von Kindern deren Freiheit gelegentlich auch ein. So ist die Schulpflicht sowohl Bildungsrecht als auch Schulzwang. Viele Maßnahmen wie zum Beispiel die Verkehrserziehung schützen Kinder vor Gefahren, lassen sich aber nicht unmittelbar aus Kinderrechten ableiten. Umgekehrt schränken diese unter Umständen mögliche Schutzmaßnahmen ein. So räumt die Kinderrechtskonvention Kindern ein Recht auf Privatsphäre ein, das einer Überwachung zu ihrem Schutz im Wege steht.

Gefahren für Leib und Leben

Nach Informationen der UNIFEM sind weltweit etwa ein Drittel aller Schwangerschaften ungeplant und etwa ein Viertel aller schwangeren Frauen entscheiden sich zu einem Abbruch. Mit der Verfügbarkeit von Mittel zur Empfängnisverhütung und einer verbesserten sexuellen Aufklärung sinkt der Anteil der abgebrochenen Schwangerschaften. Während der Schwangerschaft können die Einnahme bestimmter Medikamente (z. B. Contergan), Alkoholkonsum und das Rauchen zu Gesundheitsschäden oder Missbildungen beim Kind führen.

Ungewollter Kinder kann man sich widerrechtlich durch Tötung oder Aussetzung entledigen. Um in letzterem Falle die schnelle Versorgung des Kindes zu gewährleisten, haben einige Industrieländer Babyklappen eingerichtet. Ausgesetzte und verwaiste Kinder werden in Fludel- und Waisenhäusern versorgt oder adoptiert. Im 19. Jahrhundert wurden in Deutschland für das Ammenwesen sowie die sogenannten Pflege- und Haltekinder spezielle Regelungen geschaffen, um dem Treiben gewissenloser Mütter und Kostfrauen (Engelmacherinnen) Einhalt zu gebieten.

Die hohe Kindersterblichkeit in den Entwicklungsländern ist indirekt zum größten Teil Folge der Armut. Dagegen sterben in den USA von 100.000 Kindern, die das erste Lebensjahr erreichen, nur 60 vor ihrem 15. Geburtstag. Die gute ärztliche Versorgung und die guten hygienischen Bedingungen haben Infektionskrankheiten in den Industrieländern als Todesursache stark zurückgedrängt. Die übertriebene Hygiene führt nach einer gängigen Theorie sogar zu Allergien. Angeborene Krankheiten wie Herzfehler und Krebs spielen eine größere Rolle.

Unfälle sind in Industrieländern die häufigste Todesursache bei Kindern, von denen die Hälfte Verkehrsunfälle sind. Präventiv wirken Verkehrserziehung, Verkehrsbeschränkungen wie Spielstraßen und Tempo-30-Zonen, die verschärfte Sicherungspflicht im Auto durch nach Alter abgestufte Kindersitze sowie das freiwillige Tragen von Fahrradhelmen.

Tötungsdelikte an Kindern sind dagegen eine seltene Ursache. In zwei Drittel der Fälle begeht ein Elternteil (Stiefeltern eingeschlossen) die Tat. Mütter und Väter treten in etwa gleich häufig als Täter auf. Andere Verwandte begehen 7%, Freunde und Bekannte 23% und Fremde 3% der Taten. In diesen Fällen sind die Täter überwiegend Männer.

Nur sehr wenige Kinder werden dauerhaft vermisst. Von 1950 bis 2003 sind es in der Bundesrepublik Deutschland 830 Fälle. Oft sind der Hintergrund ein Sorgerechtssteit, der mit einer Kindesentziehung endet in der Regel ohne Gefahr für die Kinder. Unter den Vermissten sind viele unbegleitete Flüchtlingskinder. In einigen Fällen ist das Kind vermutlich ertrunken, aber seine Leiche konnte nicht gefunden werden. Die Polizei geht davon aus, dass Tötungsdelikte bei dauerhaft Vermissten nur in Einzelfällen eine Rolle spielen.

Suizid ist bei Kindern ähnlich häufig, wie die Tötung durch andere Personen. Die Selbstmordrate nimmt im Jugendalter weiter zu. Als Ursache wird unter anderem vermutet, dass eine fehlerhafte Erziehung diese Kinder schon früh ihres Selbstwertgefühls beraubt.

Eine besondere Gesundheitsgefahr sind Sonnenbrände, weil sie im Kindesalter das Risiko für Hautkrebs besonders stark erhöhen. In jüngster Zeit bereiten in Deutschland der zunehmende Anteil übergewichtiger Kinder und Bewegungsmangel bei Kindern Sorgen. Ein anderes Problem vor allem bei der Behandlung chronisch kranker Kinder ist, dass kaum Medikamente für sie zugelassen sind, und dadurch entsprechende Angaben zu Dosierung und Nebenwirkungen fehlen.

Als Hauptursache für Pseudo-Krupp bei Kindern gilt das Passivrauchen. Es ist vermutlich auch am plötzlichen Kindstod beteiligt. Alkoholismus ist eine der Ursachen von Kindesmisshandlung. Sowohl Kindesmisshandlung als auch sexueller Missbrauch stehen mit psychischen Schäden im Zusammenhang. Nach einer Metaanalyse (Rind 1998) haben Erwachsene mit psychischen Schäden in der Kindheit sehr viel eher Misshandlung, Vernachlässigung und ungünstige Familienumstände erfahren als sexuellen Missbrauch.

Kindesmisshandlung

Der organisierte Kinderschutz beschäftigt sich vor allem mit Kindesmisshandlung. Sowohl der Kinderschutzbund (www.kinderschutzbund.de) als auch die Kinderschutzzentren (www.kinderschutz-zentren.org) setzen vorangig auf "Hilfe statt Strafe". Die meisten Fälle von Gewalt in der Erziehung sind auf Überforderung der Eltern zurückzuführen. Nur in seltenen (aber in der Öffentlichkeit besonders beachteten) Fällen ist ein besonderer Sadismus Hintergrund von Kindesmisshandlung. Auf die unterschiedlichen Ursachen und Präventionsmaßnahmen geht der Artikel Kindesmisshandlung näher ein.

sexueller Missbrauch

Kinderschützer bekämpfen sexuellen Missbrauch von Kindern meist mit dem Argument, dass dieser psychische Schäden verursache.

primäre Prävention

Es müssen vier Vorbedingungen erfüllt sein, bevor ein Missbrauch möglich ist:

  1. Der Täter muss motiviert sein, ein Kind zu missbrauchen.
  2. Der Täter muss innere Hindernisse überwinden.
  3. Der Täter muss äussere Hindernisse überwinden.
  4. Der Täter muss den Widerstand des Kindes überwinden.

Eine Tat kommt nicht zu stande, wenn die Motivation des Täters zu klein ist im Vergleich zu den Hindernissen. Die bisherigen Vorbeugeprogramme konzentrierten sich nur auf den letzten Punkt.

Missbrauchsvorbeugeprogramme an Schulen können die Kinder darüber aufklären und sie ermutigen, Missbrauchsfälle zu melden. Die Veröffentlichung dieser Maßnahmen schreckt potentielle Täter ab, weil sie daraufhin ihr Entdeckungsrisiko höher einschätzten. Aufklärungsveranstaltungen für Eltern über mögliche Folgen von Missbrauch erhöhen bei anwesenden potentiellen Tätern ebenfalls die innere Hemmschwelle. Anzeigekampangnen, die an potentielle Täter gerichtet sind, sollen die Gefahren herausstellen und potentiellen Tätern nahelegen, vertrauliche therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch pubertierende Schüler, die sich vielleicht gerade über ihre sexuelle Neigung zu Kindern klar werden, sollten erreicht werden.

Äußere Hindernisse zielen vor allem darauf ab, dass potentielle Täter nicht mit Kindern alleine sind. Gebäude, in denen Kinder untergebracht sind, sollten daher nicht über fensterlose und von innen abschließbare Zimmer verfügen. Organisatorische Vorschriften sollten in bestimmen Situationen die Anwesenheit eines weiteren Erwachsenen sicherstellen. Auf diese Weise werden auch falsche Anschuldigungen vermieden. In einigen Ländern dürfen Schulen und Kindergärten Bewerber auf einschlägige Vorstrafen prüfen.

Eltern können erreichen, dass ihr Kind ihnen eher einen Missbrauch meldet, indem sie es dazu ermuntern, es über Sexualität aufklären und indem sie ein Vertrauensverhältnis zu ihm aufbauen. Eltern sollen Unstimmigkeiten zwischen Erwachsenen und ihrem Kind im Auge behalten ohne dabei übervorsichtig und misstrauisch zu werden. Sexueller Missbrauch ist nur eine von vielen möglichen Erklärungen. Für den Fall, dass sie einen tatsächlichen sexuellen Missbrauch entdecken, sollten sie lernen, den Schaden für das Kind zu minimieren. Nicht jeder sexuelle Missbrauch sei schädlich. Eine Ursache vieler negativer Auswirkungen von Kindesmissbrauch liegt in der Reaktion der Umwelt auf den Missbrauch. Die Furcht davor hält Kinder unter Umständen sogar davon ab, den sexuellen Missbrauch zu melden. Es gibt in einigen Fällen Alternativen zu einer strafrechtlichen Verfolgung. Es muss vermieden werden, dass Fachleute bei der Behandlung des Kindes sekundäre Schäden verursachen, weil sie irrtümlich einen primären Schaden durch den sexuellen Missbrauch vermuten.

Die Niederlande und Belgien stellen in einem Programm bei sexuellem Missbrauch die Vertraulichkeit der Therapie von Opfer und Täter sicher. Nur selten war eine Intervention notwendig. Man erhofft sich, dass einige Kinder eher bereit sind, über sexuellen Missbrauch zu reden, wenn es vertrauliche Behandlungsangebote gibt, und ihnen und den Tätern die Konsequenzen einer Strafverfolgung erspart bleiben.

Gerade von Eltern werden Kinder oft auch nur allgemein zu Misstrauen gegenüber Fremden angehalten. Der Erfolg dieser Maßnahme ist dadurch begrenzt, dass die Täter überwiegend Bekannte oder Verwandte sind.

Therapie

Psychotherapie allgemein zeigte in Studien nur eine geringe medizinisch unerhebliche Wirkung. Beim sexuellen Missbrauch nehmen in den USA über die Hälfte aller bekannt gewordenen Opfer an Therapien teil, darunter auch viele, die keine Symptome aufweisen. Eine Auswertung von 45 Studien  hauptsächlich aus dem Hellfeld und Behandlungsprogrammen ergab, dass bis zu 49 Prozent der Opfer keine Anzeichen psychischer Schäden zeigten. Unter allen Behandelten wiesen die Opfer sexuellen Missbrauchs weniger Symptome auf als die anderen. Bei den Opfern sexuellen Missbrauchs, die Symptome aufwiesen, ließen diese meist innerhalb von zwei Jahren nach, unabhängig davon, ob sie behandelt wurden oder nicht. Eine Reihe weiterer Untersuchungen bei Minderjährigen deuten darauf hin, dass die Symptome unabhängig von Psychotherapie nachlassen. Dies ist auch bei anderen Indikationen als sexueller Missbrauch der Fall.

Seligman warnte davor, dass Therapien möglicherweise sogar Schaden. Insbesondere ein Wiederdurchleben der Missbrauchserfahrung in der Therapie könne die subjektive Bedeutung des Ereignisses verstärken und den Selbstheilungsprozess stören. Eine Reihe von Autoren, vermutet wirtschaftliche Interessen der Therapeuten als Grund für die weite Verbreitung von Psychotherapien bei sexuellem Missbrauch.

Thomas D. Oellerich (2001) gibt folgende Empfehlungen: Sozialarbeiter sollten die Gemeinde und die Gerichte aufklären über falsche Vorstellungen über das Problem des sexuellen Missbrauchs. Insbesondere sei verwerflich nicht mit schädlich gleichzusetzen. Sie sollten angehende Patienten über Risiken und die mangelnde wissenschaftliche Absicherung der Psychotherapie unterichten, so dass diese eine informierte Entscheidung treffen können. Bei fehlenden Symptomen sei von einer Therapie abzuraten. Sozialarbeiter sollten den Gerichten nahelegen, Opfer sexuellen Missbrauchs nicht routinemäßig einer Therapie zu übergeben.

Fälle misslungenen Kinderschutzes

Die starke Emotiononalisierung des Themas sexueller Missbrauch in den 1980er und 1990er Jahren führte dazu, dass in manchen Fällen Missbräuche vermutet wurden, die sich nicht beweisen ließen oder möglicherweise Missbrauchsverdachte aufkamen, die durch suggestive Befragungen und Fehlinterpretation des Verhaltens von Kindern zustande kamen (siehe False-Memory-Syndrom).

staatliches Gesundheitswesen

Einer der wichtigsten Zweige der öffentlichen Gesundheitspflege war Ende des 19. Jahrhunderts die Schulhygiene, welche sich hauptsächlich mit den gesundheitsgemäßen Einrichtungen der Schulen beschäftigt. In allen Kulturstaaten war der Schutz der Kinder in den Fabriken und andern gewerblichen Etablissements gesetzlich geregelt (siehe Fabrikgesetzgebung), auch bestanden überall Kinderspitäler oder wenigstens in großen Krankenhäusern eigene Abteilungen für Kinder. Das erste derartige Spital wurde zu Anfang des 18. Jahrhunderts zu London, das zweite 1802 zu Paris gegründet, dem dann das Rudolfspital in Wien folgte.


Kinderbetreuung

Sehr wohltätig haben sich überall die Krippen erwiesen, welche die Aufnahme, Verpflegung und Beaufsichtigung der Kinder tagsüber beschäftigter Mütter bezwecken. Ihnen schließen sich die Warteschulen oder Kleinkinderbewahranstalten an, welche, von Wilderspin in London ins Leben gerufen, die Beaufsichtigung, Erziehung und körperliche Pflege solcher kleiner Kinder bezwecken, deren Eltern tagsüber zur Arbeit gehen. Ganz armen Kindern wird auch wohl unentgeltlich oder gegen geringes Entgelt Mittagskost gegeben. Andere Vereine suchen durch Unterstützung und Belehrung der Eltern in ihrer Häuslichkeit sowohl vom moralischen als auch vom gesundheitlichen Standpunkt aus auf das Los der Kleinen helfend und fördernd einzuwirken. Erwähnung verdienen auch die Fröbelschen Kindergärten, welche freilich in erster Linie nur die Beschäftigung der Kinder im Auge haben, und die Kinderhorte. Für kranke Kinder hat man in den Kinderheilstätten segensreiche Einrichtungen getroffen, denen sich die Sanatorien und Rekonvaleszentenhäuser und das Institut der Ferienkolonien anschließen. (Vergleiche Lammers, öffentliche Kinderfürsorge Berl. 1887).

Siehe auch:Kindesmisshandlung, Hilfen zur Erziehung, Kindeswohl, Prävention, Jugendhilfe, Jugendschutz


Der Artikel beruht auf einem Text aus Meyers Konversationslexikon von 1888, Band 9, Seite 738