Walter Sickert
Walter Richard Sickert (* 31. Mai 1860 in München; † 22. Januar 1942 in Bath) war ein englischer Maler. Er gilt als exzentrische, aber einflussreiche Figur des Überganges vom Impressionismus zum Modernismus. Er wird auch mit den Jack-the-Ripper-Morden in Verbindung gebracht.
Leben und Werk
Sickert entstammte einer Familie, der zahlreiche Maler angehört hatten. Sein Vater Oswald war dänisch-deutscher und seine Mutter Eleanor anglo-irischer Abstammung. 1868 ließ sich die Familie in England nieder. Mit 17 Jahren verließ Walter die Schule. Seine Schwester Helena Swanwick wurde Feministin und Pazifistin und war in der Suffragettenbewegung aktiv.
Da sein Vater der Malerei eher ablehnend gegenüber stand, wurde er zunächst Schauspieler. Er übernahm kleinere Rollen in Sir Henry Irvings Company, bevor er als Assistent in die Werkstatt von James McNeill Whistler eintrat. Später studierte er in Paris Malerei mit Edgar Degas.
Sickert war ein Kosmopolit, der „normale“ Leute und Schauplätze als Themen für seine Bilder bevorzugte. In vielen Musikhallen- oder Theaterszenen zeigte sich der Einfluss Degas' und Whistlers. Nach seiner ersten Ausstellung 1884 nannte man ihn in Fachkreisen einen »Schüler Whistlers«.
1885 heiratete er Ellen Cobden, die Tochter eines liberalen Politikers. Er fertigte zahlreiche Bilder und Skizzen der Londoner Musikhallen und ihres Publikums an und hielt auch Abendkurse.
Viele seiner Arbeiten wurden im »New English Arts Club« (dem Gegenpart zur Royal Academy) ausgestellt. 1894/95 wurden seine Zeichnungen in Aubrey Beardsleys berühmten »Yellow Books« abgedruckt.
1899 wurde Sickerts Ehe geschieden. Anschließend lebte er in Venedig, Dieppe und Paris. 1905 kehrte er nach London zurück und ließ sich in Soho nieder. Er unterrichtete am Westminster Institut. 1907 war er gemeinsam mit Harold Gilman Gründungsmitglied der Fitzroy Street Group und gründete wiederum mit Gilman 1911 die Camden-Gruppe der britischen Maler.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg setzte er sich für die Modernisten Lucien Pissarro, Jacob Epstein, Augustus John und Wyndham Lewis ein.
Degas hatte ihn seiner Zeit inspiriert, Fotografien als Grundlage für seine Bilder zu benutzen. In seiner Spätphase verwendete Sickert fast ausschließlich Fotografien und Nachbearbeitungen viktorianischer Bilder. Auch schrieb und unterrichtete er viel. 1924 wurde Sickert Mitglied der »Royal Academy«. 1941 wurde er mit einer großen Einzelausstellung in der National Gallery geehrt. Im folgenden Jahr starb er in Bath.
Einer von Sickerts besten Freunden und Förderern war der Zeitungsbaron Lord Beaverbrook, der die größte Einzelsammlung von Sickerts Werken zusammentrug. Diese Sammlung zusammen mit der privaten Korrespondenz zwischen Sickert und Beaverbook befindet sich in Kanada, in der Beaverbrook Kunstgalerie in Fredericton, Neubraunschweig.
Walter Sickert steht auch im Verdacht Jack the Ripper zu sein.
Sickert und die Jack-the-Ripper-Theorien
In den Theorien um die Identität des Serienmörders Jack the Ripper ist in den letzten Jahren mehrmals der Name Sickerts genannt worden. Die unterschiedlichen Behauptungen werden jedoch von den meisten Fachleuten und Hobbyforschern (Ripperologen) aber auch von Scotland Yard abgelehnt.
Erstmalig 1976 in Stephen Knights: Jack the Ripper, The Final Solution (Neuauflage 1984, nur in englisch). Knight behauptet, die Morde hätten begonnen, als eine gewisse Mary Jane Kelly aus dem Elendsviertel Whitechapel Erpresserbriefe schrieb. Sie war eine Bekannte von Sickert und zuvor Kindermädchen von Alice Margaret Crook, der Tochter einer illegitimen Verbindung zwischen dem präsumptiven Thronfolger, Prinz Albert Victor, Herzog von Clarence, gen. Prinz Eddie und Annie Crook.
Knight behauptete, Sickert habe Prinz Eddie und Annie Crook miteinander bekannt gemacht. Da Sickert von Anfang an in diese Situation involviert war, sei er gezwungen worden, an den Jack-the-Ripper-Morden teilzunehmen. Er habe Dr. William Gull und den Kutscher John Netley beim Aufspüren und Töten der Frauen unterstützt, die an dem Erpressungversuch beteiligt waren. Unstimmig sind hier die Daten: Mary Jane Kelly wurde am 9. November 1888 ermordet, der erste dem Ripper zugeschriebene Mord ereignete sich aber an Mary Ann "Polly" Nicholls am 31. August 1888.
Auch Jean Overton Fuller postulierte in Sickert and the Ripper Crimes: 1888 Ripper Murders and the Artist Walter Richard Sickert (nur in englisch 1990), dass Sickert der Mörder gewesen sei. Die Meinungen Knights und Fullers sind allerdings bei den sogenannten Ripperologen sehr umstritten.
Im Jahr 2002 brachte die bekannte amerikanische Krimiautorin Patricia Cornwell ein umfangreiches Buch heraus, in dem sie nachzuweisen versucht, dass Walter Sickert für die Serienmorde in Whitechapel und viele andere Morde verantwortlich war. Sie begründet ihre Behauptungen u.a. mit DNA-Vergleichen und Interpretationen von Sickerts Bildern und Skizzen.
Sie vermutet, dass Sickert auf Grund einer Penisdeformation unfähig zu normalem Sexualverkehr war.
Cornwell kaufte 31 Bilder Sickerts. Es wird behauptet, dass sie eines oder mehrere davon zerstört zu haben, um an Sickerts DNA-Material zu kommen. Dies wurde nach Protesten aus der Kunstwelt von der Schriftstellerin dementiert.
Cornwell führte Schriftvergleiche durch und überprüfte zahlreiche Briefumschläge auf DNA-Spuren. Die meisten Umschläge wiesen allerdings keine DNA-Spuren auf, was angesichts ihre Alters und ihrer unsachgemäßen Aufbewahrung nicht verwundert. Cornwell berichtet dennoch, dass in einem Fall die mitochondrische DNA, die sie auf einem Ripper-Brief fand, der vermeintlichen Sickert-DNA gleicht. Cornwell stellt aber auch fest, dass ein Vergleich auf Basis einer mitochondrische DNA nur ein Indiz sein kann. Mitochondrische DNA ist bei 1% bis 10% der Bevölkerung identisch.
Die sogenannten Ripper-Briefe wurden durch zahlreiche Ripperologen und dem Scotland Yard als Fälschungen von Trittbrettfahrern abgetan. Diesen Ansätzen ist insofern zu widersprechen, da diverse Untersuchungen zu dem Schluss gekommen sind, dass es sich um authentische Schriftstücke handelt, die in einer Vielzahl von Punkten mit dem Schriftbild von Sickert übereinstimmen. Aber ein Indiz ist noch kein Beweis. Auch Cornwells These über Sickerts Unfähigkeit zu normalem Sexualverkehr ist nicht bewiesen. Es ist vielmehr bekannt, dass der Künstler Frauen und Geliebte und auch Kinder hatte, so z.B. Joseph Sickert, der Knight auf die „königliche Verschwörungstheorie“ aufmerksam machte.
Weiterhin war der Arzt, den Sickert wegen seiner Fistelprobleme besuchte, Enddarmspezialist (Proktologe), nicht Urologe, den man normalerweise bei einem Penisproblem aufsuchen würde. Am Problematischsten an Cornwells Theorien ist, dass Sickert eine Anzahl Briefe aus seinem Urlaubsort in Frankreich verschickte, in der Zeit in der die Ripper-Morde begangen wurden. Cornwell behauptet, dass er per Schiff nach London und zurück gereist sei, kann das aber nicht belegen. Andererseits kann aber auch nicht belegt werden, dass die Theorien Cornwells grundsätzlich falsch sind. Insbesondere die gewälttätigen Motive seiner Gemälde rücken Sickert in ein zweifelhaftes Licht.
Literatur
- Ruth Bromberg (Ed.): Walter Sickert prints : a catalogue raisonné. - New York, Yale Univ. Pr., 2000 - ISBN 0-3000-8161-8
- David P. Corbett: Walter Sickert : biography. - London, Tate Gallery, 2001 - ISBN 1-85437-308-0
- Patricia D. Cornwell: Wer war Jack the Ripper? : Porträt eines Killers. - Hamburg, Hoffmann & Campe, 2002 - ISBN 3-455-09365-5
- Robert Emmons: Life and opinions of Walter Richard Sickert. - London, Lund Humphries, 1992 - ISBN 0-85331-635-X
- Jean Overton Fuller: Sickert and the Ripper crimes : an investigation into the relationship between the Whitechapel murders of 1888 and the English tonal painter Walter Richard Sickert. - Oxford, Mandrakw, 1990 - ISBN 1-86992-815-6
- Stephen Knight: Jack the Ripper, the final solution, Treasure books, London, 1986, ISBN 1-850510-14-8
- Matthew Sturgis: Walter Sickert. A Life, Harper Collins, London, 2005, ISBN 0-007205-27-9