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Neandertaler

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Neandertaler
Datei:Neanderthal.jpeg
Lebendrekonstruktion eines Neandertalers im Neanderthal-Museum bei Mettmann
Zeitraum
Pleistozän
130.000 bis 30.000 Jahre
Fossilfundorte
Vorlage:Taxonomy
Altweltaffen (Catarrhini)
Menschenartige (Hominoidea)
Menschenaffen (Hominidae)
Echte Menschen (Hominini)
Homo (Mensch)
Wissenschaftlicher Name
Homo neanderthalensis
King, 1864

Der Neandertaler oder Neanderthaler (Homo neanderthalensis) ist ein ausgestorbener Verwandter des heutigen Menschen aus der Gattung Homo. Neben der verbreiteten Bezeichnung Homo neanderthalensis, die den Neandertaler als eigene Art ansieht, gibt es noch das Synonym Homo sapiens neanderthalensis, das den Neandertaler als weitere Unterart von Homo sapiens in eine engere Verwandtschaft zum modernen Menschen stellt, der dann auch als Homo sapiens sapiens bezeichnet wird. Nach neuesten auf DNA-Analysen beruhenden Studien ist der Neandertaler kein direkter Vorfahr des Menschen.

Die Bezeichnung „Neandertaler“ geht auf das Neandertal, einen zwischen den Städten Erkrath und Mettmann gelegenen Talabschnitt der Düssel zurück. Das Neandertal selbst ist seit dem 19. Jahrhundert nach dem Düsseldorfer Kirchenlieddichter Joachim Neander (1650-1680) benannt, da dieser gerne in dem damals noch wildromantischen Tal spazieren ging.

Entdeckung

Mitte August 1856 entdeckten Steinbrucharbeiter, in einem heute dem Kalkabbau zum Opfer gefallenen Talabschnitt, 16 Knochenfragmente, darunter den Schädel dieses Urmenschen. Diese wurden an Johann Carl Fuhlrott zur näheren Untersuchung gegeben. Fuhlrott zog den Anatomen der Universität Düsseldorf Herrman Schaaffhausen hinzu. Beide kamen zum gleichen Ergebnis: Es handelte sich um eine urtümliche Form des Menschen.

Fuhlrott und Schaffhausen präsentierten den Fund im Juni 1857 auf der Generalversammlung des Naturhistorischen Vereins der preußischen Rheinlande. Ihre Interpretation wurde jedoch durch das Fachpublikum nicht geteilt. Rudolf Virchow, der zu dieser Zeit bedeutendste deutsche Pathologe, untersuchte 1872 den Fund heimlich während einer Reise Fuhlrotts. Er interpretierte die Kopfform als eine krankhafte Deformation und verwarf die These des Urmenschen. Gegen das Urteil dieser Autorität kämpften die beiden in Deutschland bis zum Tode Virchows vergeblich an.


Auftreten, Zeitraum und Aussterben

Der Neandertaler lebte im Mittelpaläolithikum in der Zeit von ca. 130.000 v. Chr. bis ca. 30.000 v. Chr. Die ältesten Funde stammen aus Kroatien (nahe der Stadt Krapina) und Italien; sie sind etwa 130.000 bzw. 120.000 Jahre alt. Der Fund aus dem Neandertal wird heute auf ein Alter von 42.000 Jahren datiert. Die Fossilfunde konzentrieren sich auf Europa und angrenzende Gebiete Asiens (Israel, Türkei, Irak) und Afrikas (Marokko).

Homo neanderthalensis stammt aller Wahrscheinlichkeit vom Homo heidelbergensis ab. Hierfür spricht auch, dass nach DNA-Analysen an dem Typus-Exemplar die letzten gemeinsamen Vorfahren von Homo sapiens vor etwa 600.000 Jahren lebten. Untersuchungen an einem anderen Exemplar aus dem Kaukasus (Georgien) sprechen für eine Auftrennung vor ca. 250.000 Jahren. Die Analysen zeigten eine sehr hohe genetische Übereinstimmung zwischen den untersuchten Exemplaren.

Der verbreiteten Ansicht, dass der Neandertaler besonders an die Kaltzeiten der Würm-Eiszeit angepasst war, scheint zu widersprechen, dass er bereits lange vor dem Kältemaximum ausstarb. Als es nach dem Interstadial 5 (vor ca. 30.000 Jahren) richtig kalt wurde, gab es nördlich der Alpen keine Neandertaler mehr, die letztdatierten Funde (Zafarraya vor 30T, Vindija 28T, Mezmaiskaja 29T Jahren) liegen alle deutlich südlicher und sprechen daher eher für eine Kälteflucht.

Noch vor dem Kältemaximum der letzten Eiszeit drang der moderne Mensch aus Afrika über den Nahen Osten nach Norden vor (Paul Melar von der Universität Cambridge zufolge bereits vor 46.000 Jahren) und besetzte in der Folgezeit den bisherigen Lebensraum des Neandertalers (gemeinsam für nur etwa 6.000 Jahre). Der Homo sapiens benötigte nur 2500 Jahre um bis zur Atlantikküste vorzudringen. Seine höhere Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und Effektivität drängte den Neandertaler bald ins Abseits. Es ist möglich, jedoch nicht bewiesen, dass sich die beiden nördlich der Alpen begegnet sind. Auch an die kommende Kaltzeit vor etwa 40.000 bis 30.000 Jahren, in der das Jahresmittel in kurzer Zeit um 6 Grad fiel, konnte sich der Homo sapiens schneller und effektiver anpassen als der Neandertaler.

Einige Wissenschaftler behaupten, der Neandertaler sei keineswegs deshalb ausgestorben, weil er primitiver als der moderne Mensch gewesen wäre. In punkto Körperkraft war er ihm sogar überlegen. Ein durchschnittlicher Neandertaler-Mann hatte etwa die Kraft eines heutigen Gewichthebers (bei einer Körpergröße von etwa 1,60 m bis maximal 1,70 m). Belege für die größere Körperkraft der Neandertaler findet man in einem stärkeren Knochenbau und davon ausgehend in größeren Ansatzstellen der Sehnen, was auf stärkere Muskeln schließen lässt. Dass er in punkto Intelligenz dem modernen Homo sapiens ebenbürtig gewesen sein dürfte, darf man nicht aus dem größeren Gehirnvolumen des Neandertalers schließen (dies wurde vielmehr als ein weiteres Symptom der Kälteanpassung gedeutet). Vielmehr bezeugen kulturelle Hinterlassenschaften eine dem Homo sapiens ebenbürtige Entwicklungsstufe. Da dem Neandertaler lange Zeit nur niedere Intelligenz zugetraut wurde, sind früher solche Kulturspuren des Neandertalers generell dem Homo sapiens sapiens zugeschrieben worden, weswegen diese neuere Erkenntnis ganz überwiegend auf erst in jüngster Zeit entdeckter Funde begründet ist.

Ein Grund für das Aussterben des Neandertalers könnte eine Anpassung an ein sesshaftes Leben gewesen sein, während der Homo sapiens sapiens ein Nomade gewesen ist. Die Eiszeit in Europa wurde vor 50.000 Jahren immer kälter, so dass die Überwinterung der Neandertaler in Mitteleuropa immer härter wurde. Vor 40.000 Jahren war das Klima Mitteleuropas so kalt, dass viele Tiere im Winter nur noch in Südeuropa existierten. Dadurch sind wahrscheinlich viele Neandertaler erfroren, verhungert oder wichen nach Süden aus, während Homo sapiens sapiens besser in der Lage war, seinen Beutetieren auf ihren alljährlichen Wanderungen zu folgen. Körperlich besaß der moderne Mensch mehr Ausdauer und Geschick als der Neandertaler und benötigte aufgrund seiner geringeren Muskulatur weniger Nahrung und weniger Fleisch. Der Neandertaler dagegen war sehr muskulös, dadurch aber etwas behäbiger und besaß weniger Kondition bei einem höheren Energieverbrauch. Der leichtere Körperbau - so diese Theorie - des modernen Menschen sicherte diesem sein Überleben, während der Neandertaler ausstarb. In weiten Teilen der Iberischen Halbinsel und in der Dordogne, sowie auf der Krim war der Klimawechsel weit weniger extrem als in Mitteleuropa. Hier überlebten die letzten Neandertaler, die wohl vor 30.000 Jahren ausstarben.

Denkbar, jedoch noch Spekulation, ist die Möglichkeit, dass eingeschleppte Krankheiten eine Rolle gespielt haben, wie es auch z. B. nach der Entdeckung und Besiedelung Amerikas bei den Ureinwohnern der Fall war.

Andererseits legt die abwechselnde Nutzung der gleichen Siedlungsstätten im südöstlichen Mittelmeerraum (Israel) über einen Zeitraum von ca. 60.000 Jahren durch den Homo sapiens und den Homo neanderthalensis eher andere Ursachen nahe. Entscheidend könnte gewesen sein, dass der moderne Mensch länger lebte und mehr Kinder hatte. Statistische Bevölkerungsmodelle zeigen, dass schon Unterschiede von wenigen Prozent ausreichen, um in wenigen tausend Jahren eine Menschengruppe völlig in einer anderen aufgehen zu lassen bzw. zum Aussterben der weniger begünstigten Gruppen führen.

Eine Möglichkeit, dass sich die beiden Unterarten im Laufe der Zeit, während der sie nebeneinander existierten, durchmischt (gekreuzt) haben, wird kontrovers diskutiert und müsste gentechnisch zuverlässig nachgewiesen werden. Eine Studie von Pääbo u. a. 2004 (s. Weblinks) aufgrund von Vergleichen der Mitochondrialen DNA des Neandertalers mit jener von Homo sapiens ergab keine Hinweise auf eine Vermischung. Dies würde auch dafür sprechen, dass Neandertaler eine separate Spezies Homo neandertalensis ist und keine Unterart Homo sapiens neandertalensis.

Einige Wissenschaftler gehen jedoch weiterhin von einer Vermischung beider Formen aus. Auch meint man in Spanien ein Kind mit den Merkmalen beider Formen gefunden zu haben, was aber auch wiederum strittig ist. In der Oase-Höhle in Rumänien fand man die zur Zeit als früheste Funde betrachteten Schädelteile eines Modernen Menschen. Sie weisen anthropologische Merkmale beider Menschenformen auf.

Anatomie

Unser Wissen um die Neandertaler-Anatomie stammt ausschließlich von Knochenfunden, d. h. alle über das Skelett hinausgehende Aussagen sind Rekonstruktionen bzw. Interpretationen, die aus den Kenntnissen um den Zusammenhang vom Knochenbau heutiger Lebewesen und ihren Weichteilen abgeleitet sind. Die Regelhaftigkeit dieser Zusammenhänge ermöglicht es uns zudem, Rückschlüsse auf die Umwelt und die Lebensweise des Neandertalers zu ziehen, denn der Aufbau eines Lebewesens steht in direkter Beziehung zu beidem.

Die typischen europäischen - so genannten klassischen - Neandertaler-Skelette zeichnen sich durch hohe Robustheit aus, d. h. die Gelenke und Knochenquerschnitte sind im Verhältnis zur Knochenlänge breiter als beim modernen Menschen und die Muskelansätze am Knochen sind stärker ausgeprägt. Weiterhin lassen die Knochenfunde auf Körperhöhen von ca. 1,60 bis 1,70 m schließen; die Männer brachten etwa 70, die Frauen 55 kg auf die Waage. So lässt sich eine gedrungene, sehr muskulöse Konstitution als Kälteanpassung in Europa rekonstruieren. Funde aus wärmeren Gegenden (z. B. dem Nahen Osten) weisen auf schlankere Individuen hin, ihre Züge waren weniger stark „neandertalerartig“ ausgeprägt.

Schädel

Die deutlichsten Unterschiede zum modernen Menschen lassen sich am Schädel feststellen.

Einige Schädelmerkmale

Die Schädelform ist lang und wirkt vor allem durch die dominanten Kiefer und die Überaugenwülste archaischer als die des Jetztmenschen. Die größte Schädelbreite liegt auf Höhe der unteren Schädelbasis (beim modernen Menschen: über den Ohren). Dadurch und durch den verhältnismäßig niedrigen, breiten Hirnschädel erscheint der Umriss in der Ansicht von hinten als halbkreisförmig (beim modernen Menschen: abgerundet trapezförmig). Am Gesichtsschädel fällt außerdem die hervortretende Nasen- und Gebisspartie ins Auge. Eine Crista sagittalis, d.h. ein Scheitelkamm, der bei früheren Menschenformen und den Menschenaffen zu beobachten ist, kommt nicht mehr vor.

Die Stirn ist flach und fliehend. Die Region über den Augen zeigt noch einen deutlichen Torus supraorbitalis. Diese Knochenverdickung wird als stabilisierende Anpassung gedeutet, denn der Schädel war - durch den kräftigen Kauapparat - starken statischen Belastungen ausgesetzt. Das Merkmal tritt bereits bei den frühen Vertretern der Hominiden auf und ist heute noch bei den Menschenaffen zu beobachten.

Die Nasenöffnung in Neandertalerschädeln ist breit und hoch, die Nasenwurzel sehr kräftig und breit. Der Nasenboden mündet, im Gegensatz zum modernen Europäer, abgerundet in die Gesichtsebene. Diese Merkmale deuten auf eine große, fleischige Nase hin und lassen sich als Anpassung an die eiszeitliche Kälte erklären, denn eine große, lange Nase wärmt die Atemluft vor, bevor diese die Lungen erreicht und unterstützt dadurch die Aufrechterhaltung der Körper-Kerntemperatur. Dazu steht im Widerspruch die Tatsache, dass heutige Menschen in äquatorfernen Gegenden eine eher schmal-hohe, in den Tropen dagegen eher breit-niedrige Nase aufweisen (Schwidetzki 1974). Die Riechschleimhaut scheint weiter vorne angeordnet zu sein als beim Jetzt-Menschen. Dies deutet auf einen besseren Geruchssinn - sicher ein Vorteil bei der Jagd.

Das Gebiss ist wesentlich kräftiger als das des modernen Menschen. Bedingt durch die verhältnismäßig hohen und langen Kiefer wirken Neandertalerschädel prognath, d.h. die untere Gesichtshälfte springt hervor. Die Unterkieferäste sind breiter, der Winkel zwischen Unterkieferästen und -körper steiler. Als gutes Unterscheidungsmerkmal zum modernen Menschen kann das fliehende Kinn gelten. Die Anzahl und Form der Zähne sowie die Kronenformen stimmen mit den unsrigen überein, jedoch sind die Schneidezähne vergrößert und die hinteren Backenzähne durch das Merkmal der Taurodontie gekennzeichnet, d.h. die Wurzeln trennen sich erst kurz vor den Spitzen in Äste auf. Weiterhin ist die sogenannte "Neandertaler-Lücke" typisch, die regelmäßig zwischen dem letzten Molaren (Backenzahn) und dem Unterkieferast auftritt. Eine Hypothese geht davon aus, dass die Form des Schädels durch die starke Beanspruchung der Schneidezähne zustandekam. Sie wurden nämlich - bewiesenermaßen - nicht nur zur Nahrungsaufnahme, sondern auch als eine Art Werkzeug, gleich einer "dritten Hand", benutzt. Die sog. "Teeth-as-tool"-Hypothese von Smith besagt, dass die Zähne als Schraubstock und Zange eingesetzt wurden.

Am Hinterhaupt fällt in der Profilansicht die hintere Partie auf, die, hervorgerufen durch eine markante Eindellung, einem Haarknoten ähnelt. Dieses Merkmal kommt auch noch - allerdings seltener - in Populationen des modernen Menschen vor und ist evtl. durch die längliche Schädelform bedingt.

Auch das Gleichgewichtsorgan im Innenohr des Neandertalers zeigt Unterschiede zum modernen Menschen: Die Bogengänge sind kleiner als die des modernen Menschen. Der hintere Bogengang des Labyrinthorgans liegt beim Neandertaler tiefer als beim Homo sapiens. Daraus lässt sich schließen, dass der Neandertaler nicht so beweglich war. Laufen und springen gehörten wohl nicht zu den alltäglichen Bewegungsabläufen des Neandertalers.

Hirnkapazität. Im Durchschnitt besaßen Neandertaler einen größeren Hirnschädel als der Jetzt-Mensch. Das Gehirnvolumen des Neandertalers betrug etwa 1300 – 1750 cm³, das des heutigen Menschen etwa 1200 – 1400 cm³. Aussagekräftig ist jedoch immer nur die Relation des Hirnvolumens zur Körpermasse eines Menschen. Die Größe des Neandertalergehirns könnte Ausdruck einer gesteigerten stoffwechselbedingten Effizienz sein und somit einer Anpassung an das Eiszeitklima entsprechen. Ein ähnliches Phänomen ist bei den Inuit zu beobachten, deren Gehirngröße tendenziell ebenfalls größer als bei anderen Menschen ist.

Untere Extremitäten

Auch die Längenrelation der unteren Extremitäten beim Neandertaler wird als Anpassungsprozess an das kalte Klima gedeutet. Entscheidend soll hierbei das Längenverhältnis von Unter- zu Oberschenkel sein. Dieses Längenverhältnis betrug beim Neandertaler etwa 71%. Bei Menschen aus Lappland liegt ein Längenverhältnis von 79% vor, bei Afrikanern 86%.

Jedoch besteht die Anpassung eher im Verhältnis von der Länge der Extremitäten zur Länge des Rumpfes bzw. letzten Endes in der Größe der Körperoberfläche bei gleichem Körpergewicht.

Kultur

Datei:Neanderthal hunter.jpg
Neandertaler bei Jagdvorbereitung
 

Neandertaler fertigten Speere und Keilmesser an und nutzten, wie bereits ihre Vorgänger, das Feuer. Ein wichtiger Fundort in Deutschland, an dem besonders zahlreiche Steinartefakte des Mittelpaläolithikum sowie auch mehrere Fundschichten entdeckt wurden, ist die Balver Höhle in Westfalen. Diese Höhle wurde in der ersten Hälfte der Weichsel-Eiszeit vor 100.000 bis 40.000 Jahren immer wieder von Neandertalern aufgesucht. Aber auch auf der Schwäbischen Alb und auf zahlreichen Fundplätzen im Freiland wurden Spuren von Jagdlagern des Neandertalers gefunden.

Neandertaler aus dem Harz stellten offenbar bereits Pech als Klebstoff aus Birken her. Im Fundmaterial aus der Balver Höhle konnten zahlreiche Geräte aus Knochen und Mammutelfenbein identifiziert werden.

Der Neandertaler fertigte vermutlich - als erste Menschenart - Kleidung an. Aus Untersuchungen der Isotopenverhältnisse von Knochenproteinen lässt sich schließen, dass sich die Neandertaler fast ausschließlich von Fleisch ernährt haben. Das Sediment der mittelpaläolithischen Fundschichten in der Balver Höhle waren mit den Knochen vom Mammut, darunter vor allem Kälber und Jungtiere, regelrecht durchsetzt. Es kann von einer sehr großen Anzahl von Tieren ausgegangen werden, die im Umfeld der Höhle erlegt wurden.

In der Gudenushöhle (Kleines Kremstal, Niederösterreich) lässt die untere Kulturschicht (70.000 Jahre) Jagd auf Mammut, Nashorn, Ren, Wildpferd und Höhlenbär vermuten. (Die obere Schicht (ab 20.000 Jahre) zeigte Ritzkunst und eine Flöte, da gab es aber keine Neandertaler mehr).

Eine bedeutende Fundstelle befindet sich auch in Sachsen-Anhalt im Geiseltal, in der neuerdings Artefakte des Neandertalers von vor etwa 90.000 Jahren (frühe Weichselkaltzeit), sowie an anderer Stelle eine Fundschicht, die älter als die Eem-Warmzeit (ca. vor 100.000 Jahren) ist. Die Knochenfunde stammen von Rindern, Pferden, Hirschen und Rehen, in den älteren Funden auch vom Waldelefanten; auch Kleinsäuger, Vögel und Fische sowie zahlreiche Molluskenschalen kommen vor. Die Steinartefakte sind klein und scharfkantig, in ausgeprägter Levallois-Technik, sowie sogenannte Wolgograder Messer, die auf den östlichen Bereich der Keilmessergruppe verweisen.

Die sehr umfangreichen Funde auf der Krim, die in jüngster Zeit untersucht worden sind, lassen die Steinzeitliche Kulturentwicklung über einen sehr langen Zeitraum verfolgen. Danach bleiben die Artefakte über etwa 100.000 Jahre ziemlich unverändert mittelpaläolithisch: Flache Klingen, die meist beidseitig durch Oberflächenretuschen über lange Zeit funktionstüchtig gehalten wurden. Sie befanden sich bereits in Holz- oder Knochengriffen (Stielen) und wurden sogar montiert geschliffen bzw. überarbeitet. Diese „Al-Kahya-Industrie“ genannte Kultur ähnelt dem Micoquien Mitteleuropas. Erst mit dem allmählichen Absinken der Temperaturen zum Höhepunkt des letzten Glazials vor etwa 60.000 Jahren änderte sich die Kultur. Es wurden nun aus Feuersteinknollen durch geschickte Abschlagstechnik Werkzeuge erzeugt, die man, wenn sie verbraucht waren, wegwarf. Sie wurden also nicht mehr nachgeschliffen. Es war offenbar einfacher geworden, durch Abschlag neue Klingen und Werkzeuge zu schaffen. Die Kultur ähnelte dem Aurignacien des Homo sapiens in Mitteleuropa, obwohl dieser auf der Krim erst vor 30.000 Jahren auftrat. Der Neandertaler hatte hier wichtige Innovationen des Modernen Menschen vorweggenommen. Die zahlreichen Knochenfunde von Wildeseln machen deutlich, dass der Neandertaler es bereits beherrschte, planmäßig bei den Beutezügen vorzugehen. Meist wurden ganze Familien bzw. Herden von Eseln mit Eltern- und Jungtieren überfallen, während diese am nahen Flusslauf ungeschützt zur Tränke waren. Die Beute wurde an Ort und Stelle zerlegt, aber wesentliche Teile der Tiere wurden im Stück abtransportiert und an anderer Stelle zerteilt, zubereitet und verzehrt. Auch beobachtete man über unterschiedliche Lagerplätze verteilte Arbeitsteilung: So gab es Lagerplätze, wo das Wild zerlegt und die Steinwerkzeuge hergestellt wurden sowie andere, wo offensichtlich länger gewohnt und verzehrt wurde, wo es mehr Schutz vor Unwetter gab usw. Eine deutliche planmäßige Arbeitsteilung und Organisation, jahreszeitlich ausgerichtete Spezialisierung auf einzelne Tierarten und auf die ganze Gruppe bezogene Lagerplätze konnten ausgemacht werden. Dennoch gibt es eine ganze Reihe von jungpaläolithischen Merkmalen wie besondere Geweih- und Knochenbearbeitungen oder Werkzeuge wie Stichel und Kratzer, die hier noch fehlen. Man gewinnt den Eindruck von mittelpaläolithischen Menschen, die gewisse jungpaläolithische Errungenschaften bereits entwickelt hatten, andere aber noch nicht kannten.

Während die biologische Durchmischung von Neandertaler und Homo sapiens umstritten ist, ist ein Kulturaustausch als wahrscheinlich anzunehmen. Die Dauer der Koexistenz von Neandertaler und Homo sapiens in den gemäßigten Zonen beträgt mindestens 2.000 bis 10.000 Jahre (nach Paul Melart nur etwa 6.000 Jahre). In dieser Zeit sind ähnliche kulturelle Erscheinungen bei beiden Arten zu beobachten. Eine Begegnung ist daher wahrscheinlich, aber nicht eindeutig nachgewiesen.

Hinweise auf die Religiosität der Neandertaler sind mangels eindeutig interpretierbarer Funde jedoch Spekulation. In der Schweizer Drachenloch-Höhle wurden Höhlenbärenknochen gefunden, die zwischen Steinplatten angeordnet waren - deshalb spekulierte die ältere Forschung (und in jüngerer Zeit die Schriftstellerin Jean M. Auel) über einen „Höhlenbär-Kult“ beim Neandertaler. Die Felsen können freilich auch von selbst von der Höhlendecke herabgeschlagen, ihre Anordnung zufällig sein. - In Shanidar im Irak fand man einen Neandertaler unter einer großen Felsplatte begraben, rings um ihn auffallend viele Pollen von Blütenpflanzen. Ob es sich hier aber tatsächlich um ein rituelles Blumenbegräbnis gehandelt hat, wird heute bezweifelt. Eine Analyse umgebender Sedimente ergab, dass die Blütenpollen nachträglich von Wühlmäusen eingebracht worden waren. Zwei Leichen von Neandertalern in eindeutig von Menschenhand ausgehobenen „Gräbern“ finden sich dagegen bei La Chapelle-aux-Saints in Frankreich und in Kebara (Israel). Aber auch in diesen beiden Fällen bleiben die Vorstellungen über ein religiöses Empfinden der Neandertaler spekulativ; aus den Funden lässt sich nicht beweisen, dass sie an ein Leben nach dem Tod glaubten. Es könnte sich bei den beiden „Gräbern“ auch um Müllgruben handeln, in denen man sich der Toten entledigen wollte.

Für ein gewisses Sozialverhalten sprechen allerdings Funde aus Shanidar im Irak: An einem dort gefundenen Skelett wurden lange vor dem Tod dieses Individuums verheilte, schwere Verletzungen entdeckt. Diese Wunden müssen dem Betroffenen einen Beitrag zum Überleben der Gruppe eigentlich unmöglich gemacht haben. Trotzdem wurde er offensichtlich gesund gepflegt und auch weiterhin ernährt.

Ein bei Kebara in Israel gefundenes fossiles Zungenbein ist ein notwendiges, jedoch nicht hinreichendes Merkmal einer Sprechfähigkeit des Neandertalers. Fragwürdig sind Rückschlüsse aus Gehirnmaßen (Broca- und Wernicke-Zentrum) auf das Sprachvermögen. Derartige Rückschlüsse waren Anfang des 20. Jh. verbreitet, sind jedoch schon lange nicht mehr wissenschaftlich anerkannt.

Allerdings sind die letzten 5 - 10.000 Jahre der Existenz des Neandertalers, die er gleichzeitig mit dem Homo sapiens in Europa und angrenzenden Gebieten verbrachte, auch die Zeit der sogenannten „Jungpaläolithischen Revolution“. Wenigstens 5.000 Jahre dieser Zeit erlebten die Neandertaler noch. Fossilfunde in Portugal, Südwestfrankreich und dem Balkan machen es heute fraglich, ob die Errungenschaften der jungpaläolithischen Revolution allein dem Homo sapiens zuzuschreiben sind. Der bislang sicherste Nachweis der Anwesenheit des Homo sapiens am Beginn des Jungpaläolithikum in Europa, ein Schädelfund aus der württembergischen Vogelherdhöhle, hat sich jedenfalls nach neuesten C14-Datierungen als falsch erwiesen.

Siehe auch: Steinzeit · Ur- und Frühgeschichte zwischen Alpen und Maingebiet · Ur- und Frühgeschichte Mitteleuropas

Verwandtschaft zum modernen Menschen

Die Verwandtschaftsbeziehungen zum heutigen modernen Menschen sind nicht geklärt. Weitgehend wird davon ausgegangen, dass der Neandertaler einer ausgestorbenen Seitenlinie der menschlichen Entwicklung angehört. Nach den jüngsten Untersuchungen der mtDNA von zahlreichen Neandertaler-Skeletten, früher Homo-sapiens-Funde und der vermuteten Übergangsformen gibt es keine genetischen Gemeinsamkeiten. Diese Spezies müssen also als unterschiedliche biologische Arten gesehen werden. Hingegen sind spezifische Genabschnitte in allen Homo-sapiens-Populationen einschließlich der vermeintlichen Übergangsformen deutlich nachweisbar. Der gemeinsame Vorfahre von Neanderthaler und Homo sapiens, vermutlich eine Spielart des Homo erectus, starb bereits eine halbe Million Jahre früher aus.

Die Möglichkeit, dass der Neandertaler sich zumindest teilweise mit den engeren Vorläufern des heutigen Menschen vermischt haben und so einen gehörigen Teil seines Erbgutes an uns weitergegeben haben könnte (siehe auch Hominisation), wurde durch die oben genannten Untersuchungen nicht nachgewiesen. Untersuchungen der DNA des ersten Neandertaler-Fundes und der neuen Funde sowie des Kaukasus-Exemplars legen daher die Annahme nahe, dass der Neandertaler und der moderne Homo sapiens zu Zeiten der Koexistenz vor bis zu 30.000 Jahren keine der untersuchten Gene ausgetauscht haben. Von der Arbeitsgruppe um Svante Pääbo konnten zunächst jedoch nur 370 bis 600 Basenpaare verglichen werden[1], so dass ein Genaustausch nicht vollständig ausgeschlossen werden konnte. Im Mai 2006 berichtet der Forscher jedoch, dass man aus einem in Kroatien gefundenen, 45.000 Jahre alten, männlichen Neandertaler rund eine Million Basenpaare sequenzieren konnte.[2] Ersten Analysen zufolge unterscheidet sich das Y-Chromosom des Neandertalers stärker vom Y-Chromosom des modernen Menschen und von dem des Schimpansen als die anderen Chromosomen. Die Zeugung fruchtbarer Nachkommen gilt daher - zumindest für die späten Neandertaler - als unwahrscheinlich.[3]

In Afrika und dem Nahen Osten ist eine gleichzeitige Existenz beider Arten von mehreren 10.000 Jahren wahrscheinlich. In Europa wird diese Spanne nicht viel mehr als 5.000 Jahre betragen haben. Man geht heute überwiegend davon aus, dass sich Neandertaler und Mensch begegneten, aber nicht oder kaum vermischten. Anfangs war ihre Kulturstufe ähnlich weit entwickelt, aber sozial und kognitiv war wohl der Homo sapiens überlegen, so dass er im Laufe der Zeit den Neanderthaler verdrängen konnte, der ohne den Homo sapiens möglicherweise überlebt hätte, aber nicht die heutige Kulturstufe erreicht haben würde.

Ein im Lapedo-Tal in Zentralportugal gefundenes Kinderskelett weist angeblich Merkmale beider Menschengruppen auf. Dieses etwa vier Jahre alte Kind war vor 25.000 Jahren zeremoniell bestattet worden; es wäre damit einige tausend Jahre jünger als die jüngsten eindeutig dem Neandertaler zugeordneten Funde, die in die Zeit vor ca. 30.000 Jahren einzuordnen sind. Seine Einordnung als echter Mischling ist allerdings umstritten.


Siehe auch: Homo (Mensch) · Hominiden

Forschungsgeschichte

Die Stätte der ersten Neandertaler-Funde ist nicht mehr erhalten; die so genannte Kleine Feldhofer Grotte wurde im Rahmen des Kalkabbaus (der letztlich auch zur Entdeckung führte) zerstört. Zwei Arbeiter waren dort im August 1856 etwa 60 cm tief im Lehm auf fossile Knochen gestoßen, die zunächst unbeachtet mit Gesteinsschutt zu Tal geworfen wurden. Dort fielen sie dem Besitzer des Steinbruchs auf, der sie für Überreste eines Höhlenbären hielt und die größeren Knochenfragmente aus dem Schutt aufsammeln ließ. Anschließend wurden sie dem Elberfelder Lehrer Johann Carl Fuhlrott übergeben. Er erst erkannte auf Anhieb, dass die Überreste (einige Rippen, mehrere Bein- und Armknochen, ein Schädeldach, Becken-Fragmente) einem Menschen zuzuordnen waren, der sich allerdings vom heute lebenden Menschen unterschied. Seine letztlich korrekte Deutung wurde jedoch von den Gelehrten seiner Zeit (u. a. auch von dem deutschen Pathologen Rudolf Virchow) nicht ernst genommen. Mehr Anerkennung fand Fuhlrotts Deutung in England, wo das um diese Zeit erschienene Werk Charles Darwins den Weg zu einer neuen Denkrichtung bereitet hat.

Dass Virchow den Neanderthaler für einen modernen Menschen hielt, lag vor allem daran, dass dieses Skelett auch rachitisch verformt war, was zu einer falschen Rekonstruktion des Neandertalers (z. B. gebückte Haltung) führte, die erst im 20. Jahrhundert korrigiert wurde.

Heute befindet sich an der Stelle des Fundorts, 14 m unter dem Niveau von 1856 gelegen, ein kleiner Park, der auf die Entdeckung hinweist. Er gehört zum etwa 500 m entfernt liegenden Neanderthal Museum, das einen Einblick in die Geschichte der Menschheitsentwicklung gibt.

Nachgrabungen im Neandertal unter der Leitung des Tübinger Urgeschichtlers Ralf W. Schmitz und seines Kollegen Jürgen Thissen haben in jüngster Zeit neue, spektakuläre Funde am Standort der ursprünglichen Höhle (Koordinaten fehlen! Hilf mit.unbenannte Parameter 1:51_13_38_N_6_56_40_E_type:landmark_region:DE-NW, 2:51° 13' 38" N, 6° 56' 40" O ) zutage gefördert, nämlich die Überreste von zwei weiteren Neandertaler-Individuen. Unter den mehr als 60 Knochen und Knochensplittern konnten die Forscher die Armknochen eines erwachsenen Neandertalers sowie den Milchzahn eines Kindes nachweisen. Die aufgefundenen Knochen und Steinwerkzeuge sind rund 40.000 Jahre alt, was mit dem ersten Fund übereinstimmt.

Im Jahr 2004 wurde aufgedeckt, dass der Leiter des Instituts für Anthropologie der Universität Frankfurt, Prof. Reiner Protsch, wiederholt Datierungen von vermuteten Neandertalerschädeln bewusst gefälscht bzw. wissentlich Alterbestimmmungen mit grob fehlerhafter Kalibrierung der Geräte durchgeführt haben soll. Der Fall Protsch erweckte weltweites Aufsehen, weil dadurch zahllose Fundstücke auf Unstimmigkeiten überprüft werden müssen.

Literatur

  • Bärbel Auffermann, Jörg Orschiedt: Die Neandertaler - Eine Spurensuche. Theiss, Stuttgart 2002. ISBN 3-8062-1514-6
  • Ernst Probst: Deutschland in der Steinzeit. Bertelsmann, München 1991. ISBN 3570026698
  • Ernst Probst: Rekorde der Urzeit. Bertelsmann, München 1992. ISBN 3570013820
  • Ian Tattersall: Neanderthaler. Der Streit um unserer Vorfahren. Aus dem Amerikan. von Hans-Peter Krull. Birkhäuser, Heidelberg 1999. ISBN 3-7643-6051-8
  • Ralf W. Schmitz, Jürgen Thissen: Neandertal - Die Geschichte geht weiter. Spektrum, Berlin-Heidelberg 2002. ISBN 3827413451
  • F. Schrenk, S. Müller: Die Neandertaler. Beck, München 2005. ISBN 3-406-50873-1
  • D. Serre, A. Langaney, M. Chech, M. Teschler-Nicola, M. Paunovic (u.a.): No evidence of Neandertal mtDNA contribution to early modern humans. In: Public Library of Science Biology. San Francisco CA 2.2004, 3 (März). ISSN 1545-7885
  • Ewe Thorwald: Der Untergang der Neandertaler. in: Bild der Wissenschaft. Konradin, Leinefelden-Echterdingen 2005,6, 16-32. ISSN 0006-2375
  • Thorsten Uthmeier: Späte Neandertaler auf der Krim. in: Archäologie in Deutschland (AiD). Theiss, Stuttgart 2005,6, 62ff. ISSN 0176-8522
  • V.P. Chabai, J. Richter, T. Uthmeier, A.I. Yevtushenko: Neue Forschungen zum Mittelpaläolithikum auf der Krim. in: Germania. Deutsches Archäologisches Institut. Zabern, Mainz 80.2002, 441-473. ISSN 0016-8874
  • Joachim Schüring: Von der anderen Art. in: Abenteuer Archäologie. Kulturen, Menschen, Monumente. Spektrum der Wissenschaft Verl.-Ges., Heidelberg 2006,1, 32ff. ISSN 1612-9954
    (zu Neanderthaler und Homo, out of africa und Genanalyse).
  • Jean M Auel Ayla und der Clan des Bären ISBN|3453880005 Roman über das Leben der Neandertaler

Quellen

  1. M. Krings et al. in "Cell" Bd. 90, 19-30 (1997)
  2. Nature Bd. 441 vom 18. Mai 2006, S. 260 f.
  3. Im Originalwortlaut: "This suggests that little interbreeding occurred, at least among the more recent Neanderthal species."

Wissenschaftliche Informationen:

Populäre Darstellungen: