Tonbandstimmen
Tonbandstimmen - auch als Electronic Voice Phenomenon (EVP) bezeichnet - sind Hörereignisse innerhalb akustischer Aufzeichnungen, die als gesprochene Sätze oder Satzfragmente interpretiert werden können und denen von einigen Menschen eine außergewöhnliche Bedeutung beigemessen werden. Der Begriff geht auf den schwedischen Kunstmaler und Opernsänger Friedrich Jürgenson zurück, der 1959 mit seinem Tonbandgerät Vogelstimmen aufnahm und nach mehrmaligem Anhören der Aufnahme fest davon überzeugt war, außer den Vogelstimmen im Hintergrund unter anderem gesprochene Sätze wie "Friedrich, du wirst beobachtet" zu hören. Jürgenson widmete daraufhin den Rest seines Lebens der Herstellung derartiger Aufnahmen und veröffentlichte seine Ergebnisse 1967 in dem Buch "Sprechfunk mit Verstorbenen". Die Ergebnisse wurden bis heute nicht unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen reproduziert.
Bislang ist nicht eindeutig definiert, ob das eigentliche Phänomen im technisch-physikalischen (Hypothese: Das Vorkommen des den Tonbandstimmen zugrunde liegenden Schalls ist unerklärlich) oder rein im informellen (Hypothese: Tonbandstimmen stellen eine Art unerklärlichen Informations-Feedback dar) Bereich liegen soll.
Vor allem Anhänger esoterischer Strömungen glauben, dass sie auf diese Weise mit den Seelen Verstorbener oder anderen Entitäten kommunizieren. Der Physiker Ernst Senkowski prägte für die Annahme einer solchen technischen Dialog-Möglichkeit den Begriff der instrumentellen Transkommunikation. Andere Verfechter von Tonbandstimmen gehen lediglich von einem der Wissenschaft bislang unbekannten Vorgang aus und erhoffen sich weitere Erkenntnisse durch umfassendere methodische Untersuchungen.
Kritiker dieser Standpunkte halten entgegen, dass das Vorkommen von auf Tonträgern befindlichem Schall, in welchem stimmliche oder stimmenähnliche Laute wahrgenommen werden können, aus technischer Sicht je nach verwendeter Einspiel-Methode (siehe Technik) mit Artefakten (elektromagnetische Immission, Vormagnetisierung etc.) erklärbar sei. Einfache Wahrnehmungstäuschungen trügen darüber hinaus erheblich dazu bei, um in undeutlicher Akustik Stimmen mit persönlich erscheinendem Bezug hinein zu interpretieren. Die Behauptung unerklärlicher Geschehnisse sei deshalb unbedacht getroffen und falsch.
Bei den bisherigen Untersuchungen, deren Ergebnisse technische Artefakte und Wahrnehmungstäuschungen ausschließen, ist umstritten, ob sie wissenschaftlich kontrolliert durchgeführt worden sind; außer Zweifel steht jedoch, dass sie bis heute nicht unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen reproduziert wurden. Ein bislang unbekannter Effekt im Zusammenhang mit Tonbandstimmen gilt damit allgemein als unbewiesen.
Begriff
Der Begriff Tonbandstimmen entstammt einer Zeit, in der entsprechende Aufnahmen mangels technischer Alternativen lediglich mit Tonbandgeräten hergestellt wurden. Diese Bezeichnung wurde beibehalten, auch wenn Aufnahmen, die solche Stimmen enthalten können sollen, heutzutage mit den unterschiedlichsten elektronischen Geräten (z.B. Radio, Fernseher, Computer) sowie mit speziellen PC-Programmen und Aufzeichnungsformaten wie Tonbändern, Musik- und Videokassetten erzeugt werden können. Die synonyme englische Bezeichnung Electronic Voice Phenomenon (EVP) (elektronisches Stimmen-Phänomen) ist artikulierter.
Technik
Es gibt verschiedene Vorgehensweisen, aufgeführt sind im folgenden die am häufigsten angewendeten:
- Aufzeichnung bei völliger Stille durch Aufnahmegerät mit angeschlossenem Mikrophon (Mikrophon-Methode)
- Aufzeichnung eines oder mehrerer zumeist fremdsprachiger Rundfunksendungen mit oder ohne Mikrophon (Radio-Methode)
- Aufzeichnung eines Rundfunkgeräts, das auf eine Frequenz ohne Sender eingestellt ist und daher ein Rauschen ("weißes Rauschen") erzeugt
- Aufzeichnung des Erzeugnisses eines speziellen Computerprogramms (z. B. EVPMaker), das zuvor eine beliebige Audiodatei (*.wav) nach dem Zufallsprinzip in kleine Segmente zerteilt und neu zusammengesetzt hat (Sprachsynthese-Methode, Phonem-Synthese-Methode)
Eine Kombination der Aufzeichnungstechniken ist möglich. Allen Verfahren ist gemeinsam, dass die Auswertung und Interpretation nach der Aufnahme erfolgt, und zwar typischerweise nach mehrmaligem Abspielen. Sodann werden möglichst relevante Abschnitte herausgesucht, wobei hierbei kein standardisiertes Vorgehen bekannt wurde. Die Auswahl der dabei als relevant bezeichneten Abschnitte der Aufzeichnung wird völlig dem Experimentator und seinen Fähigkeiten überlassen.
Hintergrund
Im Jahr 1959 machte der schwedische Maler und Opernsänger Friedrich Jürgenson (1903-1987) auf seltsame Stimmen, die ihn nach eigenen Angaben mit Namen ansprachen und Dinge sagten, die eigentlich nur er wissen konnte und die er auf Tonbandaufnahmen gefunden hatte, aufmerksam. Er widmete sich seit dieser Entdeckung völlig der Erforschung dieses Phänomens. Im Jahr 1967 veröffentlichte er sein Buch Sprechfunk mit Verstorbenen (siehe Weblinks) und machte damit auch den Begriff "Stimmen aus dem Jenseits" publik.
Jürgenson war Zeit seines Lebens darum bemüht, seine Entdeckung aus wissenschaftlicher Sicht untersuchen zu lassen. Hierzu führte er Gespräche mit Rundfunktechnikern genauso wie mit Physikern und Psychologen. So ließ etwa das Parapsychologische Institut der Universität Freiburg unter der Leitung von Hans Bender in Zusammenarbeit mit Jürgenson in den Jahren 1964 und 1970 durchführen, welche die Existenz des Phänomens zwar grundsätzlich bestätigten, die jedoch nicht weitergeführt wurden, da die erzielten Ergebnisse den strengen Anforderungen der verwendeten Analyseverfahren nicht genügten.
Auch der lettische Schriftsteller Konstantin Raudive (1909-1974) beschäftigte sich langjährig mit den Tonbandstimmen. 1968 erschien sein Buch Unhörbares wird hörbar. Raudive war wie Jürgenson bestrebt, das Phänomen unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen zu beweisen. Dies gelang ihm mit der Mikrophonmethode im März 1971 durch die Einspielung von Stimmen in einem Faradayschen Käfig im abgeschirmten Laboratorium der Firma Belling & Lee Ltd/London. Skeptiker bezweifeln die Aussagekraft dieser frühen Untersuchungen, weil unklar sei, ob geeignete Vorkehrungen getroffen wurden, um Einflüsse auszuschließen. Ernst Senkowski (Mainz), Pfarrer Leo Schmid (Oeschgen/CH) und Ing. Seidl (Wien) sind bzw. waren weitere Experimentatoren, die sich intensiv mit dem Phänomen auseinandersetzten.
Der Wiener Physiker Johannes Hagel (Zeitschrift für Anomalistik 1+2/2002) vermutet infolge seiner Experimente zur Frage der systemerhaltenden Rolle von Zufallsprozessen in maschinellen Systemen, dass jemand, der Tonbandstimmen einspielt, sich mit komplexen Zufallsprozessen in seiner unmittelbaren Umgebung in Verbindung setzt. Diese Zufallsprozesse würden durch den Vorgang der Einspielung das Zustandekommen von sprachähnlichen oder sprachartigen, akustischen Sequenzen bewirken, deren Bedeutung (bezugnehmende Aussagen) einer Einwirkung auf die einspielende Person entsprächen. Hagel betont, dass über diese Phänomenologie hinaus immer noch ein großer Erklärungsbedarf bleibe, insbesondere hinsichtlich des Mechanismus dieser akausalen Korrelation.
Das Phänomen im Kino
Film und Fernsehen tragen zur Popularisierung dieses Themas wesentlich bei. Dabei wird das Phänomen oft mit Horror-Elementen ausgeschmückt, die für Schockeffekte beim Zuschauer sorgen sollen, jedoch den Beschreibungen des angeblich tatsächlich existierenden Phänomens nicht zu entnehmen sind. Aus dem Jenseits stammende Stimmen sind beispielsweise Bestandteil in Steven Spielbergs Horrorklassiker "Poltergeist" (1982). Das Phänomen ist ferner Grundlage des Horrorthrillers "White Noise - Schreie aus dem Jenseits" (2005).
Literatur
- Friedrich Jürgenson: Sprechfunk mit Verstorbenen, 1989 Goldmann Verlag München, ISBN 3-4421-1727-5
- Ernst Knirschnig: Phänomen Tonbandstimmen - Erfahrungsberichte und Erkenntnisse von einst bis heute, 2001 Edition Liber Libri, ISBN 3-8548-1023-7
- Herbert Josef Spirik, Horst Rudolf Loos: Nachrichten aus dem Jenseits, 1996 Ennsthaler Verlag, ISBN 3-8506-8467-9
- Dr. Ernst Senkowski: Instrumentelle Transkommunikation, 1989 Rita Fischer Ffm, ISBN 3-8950-1254-8
- Hildegard Schäfer: Brücke zwischen Diesseits und Jenseits - Theorie und Praxis der Transkommunikation, 1989 Herm. Bauer, Freibg, ISBN 3-7626-0374-X