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Karls-Universität

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Karls-Universität Prag
Rektor: Ivan Wilhelm
Gründungsdatum: 1348
Ort: Prag
Trägerschaft: Tschechien
Budget: n/a
Fachbereiche: 17
Studiengänge: 270
immatrikulierte
Studenten:
42.400 (2004)
Absolventen: n/a
Mitarbeiter: n/a
wiss.
Mit.:
n/a
davon Professoren
& Dozenten:
n/a
Bautyp: Urbane Struktur
Anschrift
des Rektorats:
Univerzita Karlova
Rektorát
Ovocný trh 5
116 36 Praha 1
Tschechische Republik
Website: www.cuni.cz

Die Prager Karls-Universität (tschech. Univerzita Karlova) ist die älteste Universität in Mitteleuropa. Sie wurde am 7. April 1348 von Kaiser Karl IV. gegründet. Heute ist sie die mit Abstand bedeutendste Stätte von Wissenschaft und Bildung in Tschechien. Sie wird auch Carolinum bzw. Karolinum genannt.


Geschichte

Gründung und erste Blütezeit

Unter Kaiser Karl IV. und seinem Sohn Wenzel IV. erblühte die Stadt Prag als Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wirtschaftlich, kulturell und politisch. Im Laufe dieser Entwicklung wurde am 7. April 1348 die Karls-Universität als erste Universität in Mitteleuropa gegründet ("Alma Mater Carolina"). Bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts war sie die wichtigste Bildungsstätte des Reiches. Sie zog Studenten nicht nur aus den Ländern der böhmischen Krone, sondern auch aus Sachsen, Bayern und dem übrigen östlichen Reichsgebiet an.

Die Universität Prag war nach dem Vorbild der Pariser Universität gegliedert und lehrte in den vier klassischen Fakultäten (Artistenfakultät, Juristenfakultät, theologische Fakultät, medizinische Fakultät). Die Magister und Scholaren waren ihrer Herkunft nach vier Nationes zugeordnet: Böhmen, Polen, Baiern und Sachsen. Dies hatte nichts mit einer ethnischen oder sprachlichen Gliederung im modernen Sinn zu tun. Die böhmische Nation war die zahlenmäßig stärkste.

Die hussitische Bewegung

Die spätmittelalterliche Krise der Kirche führte in Böhmen Anfang des 15. Jahrhunderts zu einer von Jan Hus angeführten Reformbewegung, deren geistiges Zentrum die Prager Universität war. Hus selbst hatte an dieser Universität studiert und wirkte in Prag als Prediger. Innerhalb der Universität gab es zu dieser Zeit Auseinandersetzungen zwischen den Nationes, die durch die hussitische Bewegung noch verschärft wurden. Die starke böhmische Universitätsnation schloss sich den Hussiten an, die anderen Nationes lehnten die Bewegung ab. Bei König Wenzel IV. konnten die Böhmen erreichen, dass ihre Nation ebenso viele Stimmen erhielt, wie die anderen drei zusammen. Diese Zurücksetzung führte im Mai 1409 zum Auszug vieler fremder Studenten und Professoren aus der Prager Karls-Universität. Etwa 1.000 Studenten und Professoren gingen nach Leipzig und gründeten die dortige Universität.

Die Hussiten waren inzwischen vom Papst und vom Konzil in Konstanz zu Ketzern erklärt worden. Die Prager Universität aber hat 1417 offiziell das hussitische Bekenntnis angenommen. Dies führte im Laufe des 15. Jahrhundert zu einer weitgehenden Isolierung der Universität von der übrigen europäischen Universitätslandschaft und ihre Bedeutung sank. In Prag studierten und lehrten fortan nur mehr böhmische Utraquisten. Selbst böhmische Katholiken gingen zum Studium ins Ausland.

Vom 15. Jahrhundert bis zum Weißen Berg (1621)

Im Laufe der Hussitenkriege verfiel die Universität. Von 1419 bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts bestand sie nur noch aus der Artistenfakultät. 1556 kamen die Jesuiten auf Einladung Kaiser Ferdinands I. nach Prag und gründeten am Clementinum eine philosophisch-theologische Hochschule, die auch das Recht zur Promotion hatte. Diese katholische Einrichtung wirkte als starke Konkurrenz zur utraquistischen Universität. 1616 wurde das Clementinum zur katholischen Universität erhoben.

Als 1609 in Böhmen die Nichtkatholiken durch den Majestätsbrief Kaiser Rudolfs II. gleichberechtigt wurden, kam es auch zu einer Reform der Universität. 1618 beteiligte sich die Universität aktiv am böhmischen Ständeaufstand gegen die katholischen Habsburger. Nach der Niederlage der Stände verlor die Universität ihre Autonomie, wurde den Jesuiten übergeben und rekatholisiert.

Vom 17. Jahrhundert bis zur nationalen Spaltung 1882

1638 wurden die medizinische und die juristische Fakultät begründet. Kaiser Ferdinand III. vereinigte 1654 das Clementinum mit der Karls-Universität. Die Universität trug fortan bis zum Ende der Habsburgermonarchie (1918) den Namen: Universitas Carolo-Ferdinandea. 1718 wurde der barocke Neubau des Universitätsgebäudes unter Leitung des Architekten F. M. Kanka vollendet.

Nach der Aufhebung des Jesuitenorden wird die Universität 1773 eine staatliche Einrichtung. Unter Kaiser Josef II. beginnt 1781 eine tiefgreifende Universitätsreform. Erstmals seit 1622 werden Nichtkatholiken wieder zum Studium zugelassen. 1784 wird die eigene Gerichtsbarkeit der Universität aufgehoben und Deutsch zur Unterrichtssprache erklärt.

An der Revolution von 1848 beteiligen sich Studenten und Professoren beider Nationalitäten und verlangen die Freiheit in Forschung und Lehre. Tschechisch soll wahlweise als zweite Unterrichtssprache zugelassen werden.

In den folgenden Jahrzehnten nehmen aber die nationalen Auseinandersetzungen an der Universität zu. Tschechen und Deutsche streiten um die Sprache und die Besetzung der Stellen. Mehrfach kommt es zwischen den Studenten zu Prügeleien. Zeitweise ist ein geordneter Lehrbetrieb nicht möglich.

Die tschechische und die deutsche Universität in Prag

1882 gibt Kaiser Franz Joseph den nationalistischen Forderungen nach und teilt die Universität in eine tschechische und eine deutsche Lehranstalt. Am längsten hatte der Prager Erzbischof Friedrich von Schwarzenberg Widerstand dagegen geleistet, weil er nicht wollte, dass die theologische Fakultät national geteilt wird. Er wollte, dass die Priesteramtskandidaten seiner Diözese im Geist der Versöhnung und übernationalen Einheit ausgebildet werden, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Seit 1882 existierten also zwei vollständige Universitäten mit allen Fakultäten in Prag, eine für die Tschechen und eine für die Deutschen. Daran änderte sich auch nach der Gründung der tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 nichts. Die tschechische Universität wurde 1920 wieder in Karlova universita rückbenannt, die deutsche hieß weiterhin Karl-Ferdinands-Universität. Die tschechische Karls-Universität hielt sich für die rechtlich legitime Verwalterin der fast 600järigen Prager Universitätstradition. 1934 kam es zum so genannten Insignienstreit. Das tschechoslowakische Ministerium für Schulwesen und Volkskultur verpflichtete die Deutschen zur Aushändigung der mittelalterlichen Universitätsinsignien, ein Vorfall, der in deutschen Universitäten damals für große Aufregung sorgte.

Am 2. August 1939, knapp fünf Monate nach der Schaffung des Protektorats Böhmen und Mähren wurde die Deutsche Universität in die Reichsverwaltung übernommen. Nach studentischen Unruhen wurde im November die tschechische Karls-Universität geschlossen, neun ,Rädelsführer' standrechtlich erschossen und etwa 1.200 Studenten und jüdische Professoren in Konzentrationslager deportiert. Die Deutsche Universität wurde in Konkurrenz zu Posen und Straßburg zur Frontuniversität und arbeitete bis zum März 1945. Das Dekret Nr. 112 des tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš vom 18. Oktober 1945 verfügte die Auflösung der Deutschen Universität in Prag, nachdem die Karls-Universität im Sommer wieder eröffnet worden war.

Promotionsurkunde (70 x 51 cm) für Friedrich Hopfner (13. Januar 1905) von der Prager deutschen Karl-Ferdinands-Universität


Neben der ältesten Universität in Mitteleuropa, der 1348 gegründeten Karls-Universität Prag wurde 1707 in der Stadt die erste Technische Hochschule des Landes, die Technische Universität Prag (tschechisch: České vysoké učení technické v Praze (ČVUT)) gegründet, aus der die Tschechische Agrar-Universität Prag (tschechisch: České Zemedelska Universita v Praze (CZU)) hervorging. Heute existieren in Prag noch fünf weitere Hochschulen. Auch die Tschechische Akademie der Wissenschaften, deren Ursprünge bis in das Jahr 1784 zurückreichen, hat ihren Sitz in Prag.

Neuzeit

Die Samtene Revolution am 17. November 1989 war nicht nur ein bedeutendes Ereignis für die tschechische Gesellschaft als Ganzes. Das Ende des "realen Sozialismus" hat auch der Universität neuen Schub gegeben. Tiefgreifende Reformen wurden begonnen. Aufbauend auf den historischen Wurzeln wurde eine moderne Universität auf den Weg gebracht, die mittlerweile weit mehr als 40.000 Studenten zählt. Die Karls-Universität Prag hat in der Folge der Bologna-Erklärung im Jahre 2001 neue Abschlüsse eingeführt sowie ein tragfähiges Leistungspunkte-System (ECTS) umgesetzt. Damit hat sie bereits frühzeitig moderne Eckpfeiler für die Zukunft gesetzt.

In den 17 Fakultäten können derzeit 270 verschiedene Studienabschlüsse als Bachelor-, Master oder Ph.D.-Abschlüsse erreicht werden. Die Regelstudienzeit dauert mindestens 5 Jahre. Es wird in der Regel in tschechischer Sprache und zunehmend auch Programme auf Englisch und gelegentlich Deutsch angeboten.

Nachdem sich 1989 die Tür in die Welt öffnete, wurde die Universität neuer Partner in vielen europäischen Ländern - in Deutschland, Österreich, Großbritannien, Frankreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Italien sowie auch die Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und andere Länder. Darunter befinden sich renommierte internationale Universitäten, die sich in der Coimbra Group zusammengeschlossen haben.

Fakultäten

  • Fakultät für katholische Theologie
  • Fakultät für protestantische Theologie
  • Fakultät für hussitische Theologie
  • Juristische Fakultät
  • 1. medizinische Fakultät
  • 2. medizinische Fakultät
  • 3. medizinische Fakultät
  • Medizinische Fakultät in Pilsen
  • Medizinische Fakultät in Hradec Králové
  • Pharmazeutische Fakultät in Hradec Králové
  • Philosophische Fakultät
  • Naturwissenschaftliche Fakultät
  • Fakultät für Mathematik und Physik
  • Pädagogische Fakultät
  • Fakultät für Sozialwissenschaften
  • Fakultät für Sportpädagogik und Sportwissenschaft
  • Fakultät für Geisteswissenschaften

Literatur

  • Hans Lemberg (Hrsg.): Universitäten in nationaler Konkurrenz. Zur Geschichte der Prager Universitäten im 19. und 20. Jahrhundert. (= Veröffentlichungen des Collegium Carolinum. Bd. 86). München 2003. ISBN 3-486-56392-0 Inhaltsverzeichnis hier

Siehe auch

Liste der Rektoren der Karls-Universität